Hedwig Courths-Mahler - Folge 181 - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler - Folge 181 E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Manfred Hallerstedt ist reich und unverheiratet. So rechnen seine Schwester Renate von Seebach und ihre Kinder Kurt und Inge fest damit, eines Tages alleinige Erben zu sein. Umso härter trifft es sie, als sie erfahren, dass Manfred Hallerstedt einen Sohn hat, den er in seinem Testament zum Erben bestimmt hat. Fortan sinnen Frau Renate, Kurt und Inge nur darüber nach, wie sie das Testament verschwinden lassen können. Dabei scheuen sie auch vor verbrecherischen Mitteln nicht zurück. Und ihr Plan scheint aufzugehen - wäre da nicht ein junges Mädchen, das das Schicksal dazu ausersehen hat, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen.

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Seitenzahl: 163

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Inhalt

Cover

Impressum

Heidelerche

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2212-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Heidelerche

Eine ergreifende Liebesgeschichte der unvergessenen Hedwig Courths-Mahler

„Geh hinüber zu meiner Schwester, Franz, und bitte sie, zu mir zu kommen.“

„Aber gnädiger Herr, Sie sollten doch noch etwas ruhen nach der schlechten Nacht, die Sie gehabt haben“, sagte der alte Diener besorgt.

„Geh nur, Franz, ich sitze hier ja ganz behaglich und will nur mit meiner Schwester etwas Wichtiges besprechen, was nicht länger aufgeschoben werden darf!“

„Nehmen Sie wenigstens erst noch diese Tasse Fleischbrühe, Sie haben gestern mal wieder fast nichts gegessen.“

„Gib her, du alter Quälgeist, du lässt mir ja sonst doch keine Ruhe.“

Der Diener servierte seinem Herrn das Frühstück und sah mit Genugtuung, dass dieser auch eines der leckeren belegten Brote verzehrte. Manfred Hallerstedt schob aber dann das Tablett zurück.

„So, nun rufe meine Schwester!“

Franz entfernte sich, ging einen weiten, langen Gang hinab bis zu der breiten Treppe, die in die Schlosshalle hinunterführte, und schritt dann eine etwas schmalere Treppe hinauf in das zweite Stockwerk. Hier betrat er ein an der Treppe liegendes Vorzimmer und klopfte an eine Tür.

Eine Frauenstimme rief zum Eintritt. Franz öffnete und stand nun in einem vornehm eingerichteten großen Gemach. Darin saß an dem einen Fenster eine Dame von etwa fünfzig Jahren, mit grauem Haar, einem noch immer schönen, aber hochmütigen und seelenlosen Gesicht und aufrechter, stolzer Haltung. Ihr gegenüber an dem anderen Fenster hatte eine jüngere Dame, die dreißigjährige Tochter Renate von Seebachs, Platz genommen. Sie war Witwe geworden nach kurzer, unglücklicher Ehe mit dem Freiherrn von Holst und hatte mitsamt ihren beiden Kindern wieder Zuflucht auf dem Schloss Lindeck gefunden, das ihrem Onkel Manfred Hallerstedt gehörte. Manfred Hallerstedt war Besitzer großer Weingüter längs des Rheins und der Mosel. Er besaß große Kellereien und Keltereien, in denen auch ein beliebter Schaumwein hergestellt wurde.

Es befand sich noch eine dritte Person im Zimmer, Anita von Seebach, die aus der ersten Ehe ihres Gatten stammende Stieftochter Frau Renates. Als diese mit Herrn von Seebach vor den Altar trat, war sie selbst schon Witwe gewesen, und zwar eines Majors von Fuchs. Aus dieser Verbindung stammte die jetzt dreißigjährige Inge von Holst, geborene von Fuchs, und der achtundzwanzigjährige Kurt von Fuchs, der momentan in Berlin studiert, freilich mit ziemlich negativem Erfolg, denn er arbeitet nicht gern und glaubt das als Neffe seines unverheirateten Onkels Manfred Hallerstedt nicht nötig zu haben.

Anita von Seebach war erst drei Jahre alt gewesen, als sie Frau Renate zur Stiefmutter bekam. Ihre eigene Mutter war einem Unglück zum Opfer gefallen, und sie war die Erbin von deren Vermögen geworden, während ihrem Vater bis zu seinem Tod nur die Nutznießung davon zugebilligt war. Hiervon hatte Renate von Seebach nichts gewusst, sie hatte geglaubt einen sehr reichen Mann zu heiraten der ihr und ihren beiden Kindern aus erster Ehe eine für alle Zeiten gesicherte Existenz bieten würde. Als Herr von Seebach aber vor drei Jahren starb, hatte sich herausgestellt, dass er ein armer Mann war und dass nun das gesamte von seiner Frau hinterlassene Vermögen Anita gehörte.

Das war ein schwerer Schlag für die stolze Frau gewesen. Anita hatte ihr zwar in ihrer sanften, liebenswürdigen Art angeboten, dass sie in ihrem Haus bleiben und nebst ihren Kindern, Anitas Stiefgeschwistern, von ihr erhalten werden sollte; aber Frau von Seebach hatte doch lieber das Angebot ihres Bruders angenommen, ihm den Haushalt zu führen und zu repräsentieren, und war zu diesem Zwecke nach Schloss Lindeck übergesiedelt. Ihre Tochter Inge war mit ihren beiden Kindern nachgefolgt, als ihr Mann starb, und Anita, die Manfred Hallerstedt besonders liebte, obwohl sie gar nicht blutsverwandt waren, hatte gern angenommen, auch mit nach Schloss Lindeck überzusiedeln, und das umso lieber, da Manfred Hallerstedt auf Wunsch ihres verstorbenen Vaters ihr Vormund geworden war. Anita besaß zwar als Erbin ihrer Mutter die Villa in Berlin, in der sie mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter bis zum Tod ihres Vaters gelebt hatte, aber diese Villa blieb vorläufig verschlossen und wurde nur benutzt, wenn man im Winter einige Monate in Berlin verlebte. Dann waren alle bei Anita zu Gast. Damit revanchierte sie sich für die Gastfreundschaft, die sie auf Schloss Lindeck genoss.

Mit ihrer Stiefmutter verband sie kein warmes Gefühl, aber Manfred Hallerstedt, ihr Vormund, war ihr sehr lieb. Mit ihm verstand sie sich sehr gut. Wenn sie auch inzwischen großjährig geworden war, ging sie doch immer nur zu ihm, sobald sie Rat und Hilfe brauchte. Ihre Stiefmutter oder ihre Stiefgeschwister mit etwas zu behelligen, was ihr am Herzen lag, kam ihr gar nicht in den Sinn. Sie stand ihnen fremd gegenüber und spürte instinktiv, dass sie es ihr nachtrugen, dass sie allein den Reichtum ihrer Mutter geerbt hatte.

Der Diener meldete Frau von Seebach, dass Herr Hallerstedt sie bitten lasse, zu ihr zu kommen. Renate von Seebach sah von ihrer Handarbeit auf.

„Wie geht es meinem Bruder, Franz? Hat er die Nacht gut verbracht?“

„Leider nicht, gnädige Frau, er hat fast gar nicht geschlafen, er hatte einige schlimme Herzanfälle, hat es sich aber nicht nehmen lassen aufzustehen. Er sitzt in seinem Arbeitszimmer und erwartet die gnädige Frau.“

„Es ist gut, Franz, ich komme sofort und werde ihn ausschelten, dass er nicht liegen geblieben ist.“

Frau von Seebach hatte sich erhoben, zog einen Taschenspiegel nebst einer kleinen Puderquaste und einem Lippenstift aus ihrer Handtasche und bearbeitete ihr Gesicht. Sie war noch sehr eitel und ließ sich auch vor ihrem Bruder nicht sehen, wenn sie nicht gut zurechtgemacht war.

Frau von Seebach begab sich in das Arbeitszimmer ihres Bruders und fand ihn, von Franz sorglich in Decken eingehüllt, in einem Sessel vor dem Schreibtisch sitzen.

„Guten Morgen, mein lieber Bruder, wie geht es dir? Franz sagte mir, du habest eine schlechte Nacht gehabt, und er verdient Schelte, dass er dich hat aufstehen lassen. Du solltest dir nach so schlechten Nächten mehr Ruhe gönnen.“

„Zank nur nicht, Renate! Ich weiß ja, es ist gut von dir gemeint, aber ich bin zu alt, um mich noch gängeln zu lassen.“

„Ich zanke doch nicht, ich sorge mich nur um dich.“

„Na also, davon jetzt nichts mehr. Ich habe Wichtiges mit dir zu besprechen. Ich weiß sehr wohl, dass es schon längst hätte geschehen müssen, aber bisher war mir der Mund verschlossen. Jetzt darf ich reden, und nun will ich offen mit dir über das sprechen, was hier nach meinem Tod geschehen soll.“

Er nahm von der Schreibtischplatte ein Telegramm und hielt es ihr hin.

„Bitte, lies das!“

MEINE MUTTER SOEBEN VERSCHIEDEN MUSS NOCH EINIGE ZEIT IN STOCKHOLM VERWEILEN ZUR NACHLASSORDNUNG – BITTE URLAUB BIS ERLEDIGUNG – IN ERGEBENHEIT UND TREUE – GUNNAR LUNDSTRÖM.

„Ah, von deinem Direktor und Prokuristen? So wird er wohl länger ausbleiben. Das ist mir deinetwegen nicht lieb, weil du nur noch mehr Arbeit haben wirst.“

Manfred Hallerstedt wischte verstohlen über seine Augen.

„Ja, er wird länger bleiben, als ich gedacht habe, und – weiß Gott das wird mir schwer genug werden, nicht der Arbeit wegen. Aber gerade jetzt, da ich endlich sprechen darf, gerade jetzt quält es mich, ihn fern zu wissen. Ich… ich habe Angst, dass ich sterben könnte, ehe er zurückkommt.“

Sie sah ihn mit ihrer sanft beleidigten Würde an.

„Mein Gott, du scheinst diesen Menschen beinahe lieber zu haben als uns, deine nächsten Verwandten. Immer ziehst du ihn uns vor. Du hast ihm trotz seiner Jugend die verantwortungsreichste Stellung in deinem großen Betrieb anvertraut, bringst ihm ein unerschütterliches Vertrauen entgegen, und alles nur, weil du mit seinen Eltern befreundet warst.“

Er zögerte eine Weile und sah mit brennenden Augen vor sich hin.

„Ja“, sagte er dann, schwer atmend, „ja, er steht mir auch näher, viel näher als ihr alle!“

„Aber Manfred!“

Er lächelte wehmütig.

„Rege dich nicht auf, Renate, gönne es mir, dass ich das einmal aussprechen darf! Ich fiebere danach, es auch ihm sagen zu dürfen, denn… Renate, hast du nie bemerkt, wie ähnlich mir Gunnar Lundström ist?“

Sie sah ihn konsterniert an.

„Nun, er ist ganz der Typ wie du. Aber was soll das? Deshalb muss einem ein Mensch doch nicht gleich so lieb und teuer sein, nur weil er einem ähnlich sieht?“

Ein schwaches Lächeln huschte um Hallerstedts Mund. „Nun, vielleicht könnte das doch der Fall sein, bei einer gewissen Eigenliebe. Aber dann muss man wohl sehr eitel sein. Ich denke, von dieser Untugend kann ich mich freisprechen. Nein, nein, das ist es nicht. Diese Ähnlichkeit ist tiefer begründet – viel tiefer. Renate, noch immer will es schwer über meine Lippen, obwohl ich es hinausjubeln möchte. Wie habe ich mich danach gesehnt, es zu dürfen. Aber mein Mund musste verschlossen bleiben. Jetzt… jetzt endlich, Renate, Gunnar Lundström… ist mein Sohn!“

Es klang nun doch wie ein Schrei voll Jubel und Qual zugleich.

Frau von Seebach zuckte zusammen wie unter einem Schlag.

„Mein Gott! Was soll das heißen, Manfred? Du redest wohl irre? Du bist krank…“

Er hatte feuchte Augen und sah geradeaus wie in weite Fernen. „Mein Sohn! Mein Sohn, Gunnar… mein Sohn! Ach nein, Renate, ich rede nicht irre, ich habe es nur so viele Jahre verschweigen müssen. Hatte ich doch gelobt, nie dieses Geheimnis zu verraten, solange Gunnars vermeintlicher Vater und seine Mutter noch lebten. Sein Vater ist ja schon seit Jahren tot, zu spät freilich, als dass es mir noch vergönnt gewesen wäre, an Rahnhild Lundström gutzumachen, was ich ihr angetan habe. Ich warb freilich damals um ihre Hand, sobald sie frei war, aber sie wies mich ab. Sie schrieb mir: Zu spät, mein Freund, ich bin eine zermürbte alte Frau, lasse mich in meinem gewohnten Kreis! Ich kann dir nichts mehr sein! Ja, Renate, so schrieb sie mir.“

„Aber Manfred, du willst doch nicht sagen, dass du… dass diese Frau dir einen Sohn schenkte, als sie mit Lundström verheiratet war?“

Es zuckte um seinen Mund.

„Das begreifst du nicht, Renate, ich kann es mir denken. Ich will auch nicht versuchen, es dir begreiflich zu machen. Aber bitte, lass dir nicht einfallen, verächtlich über diese Frau zu reden oder nur zu denken. Man hatte sie als halbes Kind an einen Mann verkuppelt der ihr Vater hätte sein können, der brutal, zynisch, tyrannisch und ihr widerwärtig war. Wir lernten uns in Rom kennen, ein Zufall führte uns zusammen, vor einem Kunstwerk, das wir andachtsvoll betrachteten. Sie erschien mir wie eine Heilige! Wir wohnten in einer Pension, und ich war, da unsere Zimmer nebeneinander lagen, Zeuge, wie ihr Mann sie quälte und misshandelte. Wochenlang lebten wir so, liebten uns, sehnten uns nacheinander und… ich hasste ihren brutalen Mann wie meinen schlimmsten Feind. Wie gesagt, unsere Herzen fanden sich, bei mir wurde aus Mitleid Liebe, und sie suchte Schutz in meiner Anbetung. Und so fanden wir uns, zu einem kurzen, aber überschwänglichen Glück. Ich wollte sie lösen von diesem Mann, aber sie war unlösbar gebunden, weil er die Ehre ihres Vaters in seinen Händen hielt.

So mussten wir uns trennen; und ehe wir schieden, wurde es mir offenbar, dass unsere Liebe die höchste Weihe erhalten hatte. Sie wusste, dass sie ein Kind haben würde, und ich musste ihr schwören, nie zu verraten, solange sie und ihr Mann am Leben sein würden, dass ich der Vater dieses Kindes sei. Ich habe es geschworen, aber ich rang es mir ab, mit diesem Mann in brieflicher Verbindung zu bleiben, damit ich immer hören konnte, wie es Rahnhild ging… und meinem Sohn. Und als Gunnar erwachsen war, setzte ich es durch, dass er zu mir kam, ich bot ihm eine so gute Stellung, dass sein… Vater selbst darauf drang, dass er sie annahm. Ich habe Rahnhild Lundström nie wiedergesehen, sie hat sich mir entzogen, so oft ich auch versuchte, in ihre Nähe zu kommen. Aber ich habe nie eine andere Frau lieben können als sie, habe ihretwegen nie geheiratet. Und du kannst dir denken, wie schmerzlich bewegt und doch glücklich ich war, wenn Gunnar Lundström mir von zu Hause erzählte, von seiner Mutter, die er anbetete, und von seinem Vater, den er verachtete. Wie gern hätte ich ihm längst gesagt: Nicht er, sondern ich bin dein Vater. Doch es durfte nicht sein, mein Schwur hat mich gebunden. Aber wenn er jetzt heimkehrt zu mir – Gott mag geben, dass ich es noch erlebe –, dann werde ich mich zu ihm bekennen und glücklich sein.“

Sie sah ihn mit einem unbeschreiblichen Blick an.

„Nun weiß ich, weshalb du Gunnar Lundström immer meinem Sohn vorzogst. Oftmals hat es mich gekränkt, dass nicht er an Lundströms Stelle die bevorzugte Stellung in deinem Betrieb erhielt“, sagte sie bitter.

Ein Lächeln zuckte um seinen Mund.

„Dein Sohn, meine liebe Renate, wäre gar nicht imstande gewesen, eine so verantwortungsvolle Stellung einzunehmen, dazu gehört ein ganzer Mann – wie mein Sohn! Kurt, dein Sohn, ist, verzeih, dass ich das jetzt ausspreche, ein untüchtiger, unzuverlässiger und fauler Schlingel, der nicht einmal sein Studium bisher zu Ende gebracht hat. Ich brauche in meinem Betrieb einen ganzen Kerl, auf den ich mich verlassen kann. Kurt würde nie dazu getaugt haben, auch nicht, wenn ich meinem Sohn nicht diese Stellung eingeräumt hätte.“

„Weil du ihn mit dieser Hintansetzung gekränkt hast, hat er die Lust zum Studium verloren.“

„Mach dir doch das nicht weis, Renate, oder lass es dir von ihm nicht weismachen! Wäre er ein tüchtiger Mensch, hätte er mir zum Trotz gezeigt, dass ich ihn zu niedrig eingeschätzt habe. Ich glaube, ich kenne Kurt besser als du. Er strebt danach, hier als mein Erbe den Herrn zu spielen. Doch damit ist nichts. Gunnar, mein Sohn, wird mein Haupterbe.“

Es war, als könne Manfred Hallerstedt gar nicht oft genug „mein Sohn“ sagen, er berauschte sich gewissermaßen an dem Klang dieses Wortes. Aber Frau Renate von Seebach gellte es wie Hohn in den Ohren. In dieser Stunde wurde eine Hoffnung zerstört, die sie gleich ihren beiden Kindern gehegt hatte. Sie war überzeugt gewesen, dass nur sie und ihre Kinder als Manfreds Erben in Betracht kämen. Leichenblass starrte sie den Bruder an und sagte heiser:

„Das kann dein Ernst nicht sein, Manfred! Du weißt doch, wie unsere Verhältnisse liegen, weißt, dass seit dem Tode meines Mannes kein Pfennig für uns geblieben ist, weil alles an Anita zurückfallen musste. Was brauche ich dir das noch zu sagen; du weißt doch, dass wir bettelarm sind, denn auch Inges Mann hat ihr nichts hinterlassen.“

„Sei nur ruhig, Renate! Denkst du, ich werde euch Not leiden lassen? Davon kann keine Rede sein. Nur dürft ihr eben nicht länger in dem Wahn gelassen werden, dereinst meine Haupterben zu sein. Ich habe mein Testament schon seit Jahren gemacht. Gunnar ist mein Haupterbe. Dir wird bis zu deinem Lebensende ein Asyl auf Schloss Lindeck nebst freier Station und angemessenem Nadelgeld gewährt. Für Inge dasselbe, und ihre beiden Kinder erhalten ein Kapital, für das Mädel zu einer Aussteuer, für den Buben genug zu einem Studium. Kurt aber erhält bis zur Beendigung seines Studiums den bisherigen Wechsel und dann zwanzigtausend Mark, womit er sich eine Praxis einrichten kann. Dann soll er arbeiten und selbst Geld verdienen. Anita ist ja reich und wird gern ein Übriges tun, wenn es nötig sein wird. Du siehst also, dass du keine Veranlassung hast, dich um deine und deiner Kinder Zukunft zu sorgen. Nur sollst du dich nicht länger in der Hoffnung auf die Rechte einer Universalerbin wiegen. Und deshalb ergreife ich die erste Gelegenheit, dir dies alles mitzuteilen.“

Frau von Seebach hatte sich mühsam gefasst. Ihr Bruder ahnte nicht, wie sehr sie enttäuscht war, wie fest sie mit ihren Kindern schon damit gerechnet hatte, ihn eines Tages zu beerben, und dass sie gehofft hatten, dass dieser Tag nicht zu weit in der Zukunft liegen möge. Dass Manfred von Hallerstedt herzleidend war und sicher nicht sehr alt werden würde, damit hatten die „liebevollen“ Verwandten nur zu sicher gerechnet. Hauptsächlich Kurt, der sich deshalb auch gar nicht viel Mühe mit seinem Studium gab. Er glaubte, das nicht nötig zu haben.

Nun waren diese Hoffnungen plötzlich zerstört worden, und Frau von Seebach fürchtete sich davor, ihren Kindern diese Enttäuschung zu bereiten. Zugleich wuchs aber die Abneigung gegen Gunnar Lundström, die sie wegen seiner Bevorzugung durch Manfred Hallerstedt schon lange gehegt hatte, sich zu einem wütenden Hass aus. Wie kam dieser hergelaufene Bastard dazu, das große Erbe an sich zu reißen? Er war doch als illegitimer Sohn Manfreds nicht erbberechtigt! Wie konnte Manfred ihr die Schmach antun, sich als Vater zu diesem Menschen zu bekennen?

„Oh, Manfred, ich finde dein Verhalten uns gegenüber ziemlich lieblos. Wäre es denn nicht genug, dass du Gunnar Lundström zum Direktor deines Betriebes gemacht und mit ihm darüber einen zehnjährigen Vertrag abgeschlossen hast?“

„Nein, das ist mir nicht genug. Diesen Vertrag habe ich nur mit ihm gemacht, um ihn an mich zu binden. Und ich hätte wahrlich keinen tüchtigeren und zuverlässigeren Direktor finden können. Und weil ich ihn auch in meinem Hause um mich haben wollte, stellte ich ihm den Seitentrakt des Schlosses zur Verfügung. Dort sollte er sein Heim haben. Aber all das genügt mir nicht. Und deshalb habe ich ihn in meinem Testament zum Haupterben eingesetzt. Sieh hier in diesem Schreibtischfach verwahre ich mein Testament; mein alter Freund Justizrat Brünnig hat ihm rechtsgültige Form gegeben, ehe er starb. Er hat nicht erfahren, dass Gunnar mein Sohn ist, damals durfte ich ja noch nicht darüber sprechen. Aber ich habe diesem Testament einen ausführlichen Brief an meinen Sohn beigefügt, den er jedoch erst nach dem Tod seiner Mutter öffnen sollte. Daraus sollte er alles erfahren, was ich ihm nun hoffe selbst sagen zu dürfen.“

Er hatte ein langes gelbes Kuvert aus dem Fach seines Schreibtisches genommen, ein Fach, das wie ein Safe in den Schreibtisch eingearbeitet war. Das zeigte er seiner Schwester. Es stand nichts darauf als: Nach meinem Tode von dem Direktor meines Betriebes zu öffnen. Es war mit fünf Siegeln versehen. Mit einem weichen Lächeln strich er darüber hin.

„Siehst du, Renate?“, fuhr er fort, „in diesem Kuvert befindet sich mein Letzter Wille und meine Beichte an meinen Sohn. Ich habe geglaubt, dass ich mich auf dieses schriftliche Bekenntnis würde beschränken müssen, aber nun hoffe ich, ihm alles Auge in Auge sagen zu können. Er wird ja nicht allzu lange ausbleiben, denn bei meinem Leiden entscheidet oft ein Augenblick. Ich will mich recht schonen und mich vor jeder Aufregung hüten, damit meine Lebensflamme nicht erlischt, ehe ich ihn nicht wiedergesehen und als meinen Sohn begrüßt habe. Und nun mach nicht mehr ein so böses Gesicht, Renate, gönne es mir, dass ich mich zu meinem Sohn bekennen kann! Ich bin einsam gewesen mein Leben lang.“

Sie sah ihn noch immer in ihrer gekränkten Würde an.

„Das sagst du mir, die ich immer besorgt war, dir dein Haus behaglich zu machen und Freude und Leid mit dir zu teilen, wie das auch meiner Kinder inniges Bestreben war?“, fragte sie vorwurfsvoll.

Er musste daran denken, dass weder sie noch ihre Kinder imstande gewesen waren, ihm das Herz zu erwärmen. Da war nur Anita von Seebach, sein bisheriges Mündel, die das verstanden hatte und die ihm lieb geworden war. Zuweilen hatte er sich gefragt, ob sein Sohn nicht sein Herz an dieses sanfte, blonde Mädchen verlieren könnte, sie erschien ihm so recht passend für ihn. Aber auf eine diskrete Anfrage bei Gunnar hatte dieser lächelnd gesagt:

„Fräulein Anita ist gewiss ganz dafür geschaffen, das Ideal eines Mannes zu sein, aber ich könnte sie nur lieben, wie man eine Schwester liebt.“