Hedwig Courths-Mahler - Folge 182 - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler - Folge 182 E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Die junge Erzieherin Herma Hell ist sehr glücklich auf Schloss Lindeck. Die Kinder lieben sie, Anita von Seebach bietet ihr ihre Freundschaft an, und Gunnar Lundström, "der Märchenprinz", zeigt ihr offen seine Sympathie. Den einzigen Schatten auf Hermas Glück wirft Kurt von Fuchs. Er stellt ihr nach, schickt ihr Geschenke und lässt sie sogar wissen, dass er sie zur Frau begehrt. Doch Herma hat ihr Herz längst ihrem Märchenprinzen geschenkt, auch wenn sie weiß, dass sie nie die Seine werden kann. Trotzdem gibt es keinen größeren Wunsch für sie, als Gunnar Lundström einmal einen großen Dienst erweisen zu können. Sie ahnt nicht, wie bald schon die Stunde kommt, in der das Schicksal aller, die in Schloss Lindeck leben, in ihre zarten Hände gelegt wird...

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Seitenzahl: 153

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Inhalt

Cover

Impressum

Du hast mein Herz bezwungen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2213-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Du hast mein Herz bezwungen

Roman um Liebe und Glück auf Schloss Lindeck

Der reiche Schloss- und Weingutsbesitzer Manfred Hallerstedt ist einem Herzschlag erlegen – durch die Schuld seines Neffen Kurt. Nun gilt es, das Testament des Verstorbenen, in dem sein unehelicher Sohn Gunnar Lundström zum Alleinerben bestimmt wurde, verschwinden zu lassen. Kurt nimmt das gelbe Kuvert, in dem sich das Testament befindet, mit nach Berlin, doch während der Autofahrt verliert er es. Eine junge Lehrerin, Herma Hell, findet den Umschlag. Da sich der Verlierer nicht meldet, verwahrt Herma das Kuvert in ihrem Koffer. Der Zufall will es, dass auf Schloss Lindeck, in dem seit Manfred Hallerstedts Tod seine Schwester Renate, seine Nichte Inge, sein Neffe Kurt und sein einstiges Mündel Anita leben, eine Hauslehrerin für Inges Kinder gesucht wird. Herma Hell bewirbt sich und wird angenommen. Sie ist überglücklich, fortan in dem schönen Schloss leben zu dürfen, und ahnt nicht, dass ihr hier manches Böse, aber auch die große Liebe begegnen wird.

Das Zimmer, das Herma in Schloss Lindeck bewohnen durfte, war wunderschön. Und der Ausblick aus dem Fenster auf den Park und die fernen Weinberge entlockten ihr immer wieder Entzückungsrufe.

Doch nun war es Zeit, ihr Köfferchen auszupacken und vor allem die Kartons zu inspizieren, die ihr Anita von Seebach so gütig ins Zimmer stellen ließ. Und da staunte sie nicht wenig, als sie den Inhalt zutage förderte. Da war zuerst ein reizendes, erdbeerfarbig und weiß gestreiftes Faltenkleid mit weißem Ledergürtel und weißen Hals- und Ärmelgarnituren. Dann kam ein fesches graues Kleid mit dazu passendem Mantel, danach ein dunkelblaues Crêpe-Satin-Kleid, das abwechselnd mit der stumpfen und der glänzenden Seite verarbeitet war. Und zuletzt packte sie ein steingrünes, mit geblümter Seide garniertes, mit einem modernen Glockenrock gearbeitetes Kleid aus. Ganz erschöpft vor Aufregung ließ Herma die Arme sinken und fiel in einen Sessel.

„Also, wenn das kein Märchen ist, dann möchte ich wissen, wie ein solches beschaffen sein soll! Lieber Himmel, das sind doch Prachtgewänder, wie sie Aschenbrödel von der guten Fee übergeworfen bekam! Ganz abgesehen von dem Märchenprinzen, den ich vom Fenster aus sah, ist die gute Fee also auch da, und sie ist eine sehr schöne junge Dame mit goldbraunem Haar und grauen Augen, die wie Perlmutter schimmern. Ja, Fräulein Anita muss eine Fee sein, die extra nach Schloss Lindeck gekommen ist, um mich mit vier solchen Prachtgewändern auszustaffieren. Und zehn Mark pro Stück? Ich wette, da kostet jedes Kleid mindestens hundertfünfzig Mark – wenn es reicht! Ich muss doch mal eben mein eigenes Abendkleid dagegen halten, das doch schon vierzig Mark gekostet hat.“

Nach diesem Selbstgespräch sprang sie auf und packte ihr Handköfferchen aus. Sie hielt das schwarze Abendkleid neben die vier Kleider, die ihr Anita so großzügig zur Verfügung gestellt hatte. Das war freilich ein Unterschied! Gar kein Vergleich. Es sah sehr billig daneben aus, obwohl es ihr vordem schön erschienen war.

Aber nun kam das Kopfzerbrechen. Welches dieser Gewänder sollte sie für die heutige Mittagstafel anziehen? Am liebsten hätte sie das fraisefarbene mit den weißen Streifen und dem weißen Besatz gewählt; die Farbe, die an Erdbeeren mit Sahne erinnerte, hatte es ihr angetan. Aber dieses Kleid erschien ihr doch zu festlich, das musste man für eine besondere Gelegenheit aufheben. Das steingrüne mit der blumigen Garnitur wirkte ebenfalls zu festlich, wenigstens für ihre Begriffe. Das graue Complet, Kleid und Mantel, war mehr für die Straße gedacht. Also blieb nur das dunkelblaue.

Herma schlüpfte hinein, nachdem sie ihr Haar gekämmt und kleidsam um den feinen Kopf frisiert hatte.

Schnell räumte sie nun alles fort, stellte auch die leeren Kartons in den großen Kleiderschrank, der halb für Kleider, halb für Wäsche eingerichtet war und in dessen Tür es einen großen Spiegel gab.

So, nun war sie fertig und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

Plötzlich klopfte es an der Tür, und als sie zum Eintritt rief, stand der alte Diener Franz auf der Schwelle.

„Ich bin beauftragt, Sie zum Speisesaal zu führen, Fräulein Hell“, sagte er.

Herma nickte ihm freundlich zu. „Ich danke Ihnen für Ihre Mühe.“

„Ich tue es gern, Fräulein Hell.“

Franz geleitete Herma den langen Gang hinunter bis zur Treppe. Unten in der Halle führte er sie dann durch ein Vorzimmer in den Speisesaal.

In diesem befanden sich bereits Gunnar Lundström und Anita von Seebach. Es bestand zwischen ihnen eine stille Vereinbarung, dass sie sich immer etwas früher als die anderen hier einfanden. So hatten sie einige Minuten, um sich mitteilen zu können, was Dritte nicht zu hören brauchten. Heute hatte Anita Gunnar lächelnd von der jungen Erzieherin erzählt und von der reizenden Art, wie sie sogleich die Herzen der Kinder gewonnen hatte. Dann sprachen sie über Anitas neues Auto, das am Nachmittag gebracht werden sollte, und Gunnar teilte ihr mit, er habe für ihren Chauffeur Frank in dem von ihm selbst bewohnten Seitenflügel eines der leer stehenden Gastzimmer zurechtmachen lassen, da die über der Garage befindlichen Räume nur für die beiden anderen Chauffeure ausreichten.

Frank Soltau konnte dann den Nebeneingang benutzen, da sein Zimmer im Parterre gelegen war. Das Erdgeschoss war für sich abgeschlossen und besaß keine Verbindung mit dem Schloss, während man in die oberen Räume des Seitenflügels auch durch den Haupteingang gelangen konnte.

Anita sah Gunnar erfreut an. „Oh, das ist gut, so braucht Herr Soltau nicht mit den anderen Dienstboten zusammenzuwohnen. Das wird ihm sehr lieb sein.“

„Das dachte ich ebenfalls und nahm darum an, dass diese Anordnung Ihnen genehm sein würde.“

Ohne dass sie wusste, warum, stieg Anita bei seinen Worten das Blut ins Gesicht, aber sie zwang sich, ruhig zu sagen. „Sie haben wieder einmal das Richtige getroffen, Freund Gunnar. Auf Sie kann man sich doch jederzeit verlassen.“

„Sie sollen das auch immer können, Anita.“

Sie reichte ihm die Hand. In diesem Moment trat Herma Hell in den Speisesaal und erblickte die beiden Menschen Hand in Hand am Fenster stehend. Sofort erkannte Herma in Gunnar ihren „Märchenprinzen“.

Mit einem Gruß trat sie näher.

Gunnar war bei ihrem Anblick ein wenig zusammengezuckt. Wohl hatte Anita ihm gesagt, dass die Lehrerin reizend sei, aber nun frappierte ihn Hermas Anblick doch. So viele schöne Frauen er auch schon gesehen hatte, dieses junge Mädchen wirkte gleich beim ersten Sehen so stark auf ihn wie kein weibliches Wesen jemals zuvor. Seine Augen leuchteten auf, als Anita ihn jetzt vorstellte. Impulsiv streckte er Herma die Hand entgegen.

„Darf ich Sie als Hausgenossin begrüßen, Fräulein Hell?“

Unter dem zwingenden Blick seiner Augen legte sie schnell ihre Hand in die seine.

Sie plauderten nun anscheinend unbefangen miteinander. Gunnar sagte Herma lächelnd, dass Anita ihm erzählt habe, wie gut sie gleich bei der ersten Bekanntschaft mit den Kindern abgeschnitten hatte. Herma atmete froh auf.

„Ich bin sehr glücklich, dass die Kinder reizend sind und ich gleich Sympathie für sie gefasst habe. Somit wird alles leicht gehen. Es ist immer schlimm, wenn man erst Antipathien bezwingen muss, und gewöhnlich sind sowohl Sympathien wie Antipathien gegenseitig. So darf ich hoffen, dass es den Kindern auch nicht allzu schwer fallen wird, sich mir anzuschließen.“

„Darüber kann ich Sie beruhigen. Ich habe bei meiner Heimkehr vorhin Dieter und Hannelore begrüßt. Sie pflegen mir immer aufzulauern, wenn ich aus dem Büro komme. Und da hörte ich ein begeistertes Loblied auf Fräulein Herma.“

Herma schoss das Blut ins Gesicht, aber es waren nicht seine Worte, die diese Blutwelle auslösten, sondern der weiche, warme Klang, mit dem er ihren Namen aussprach.

Zum Glück trafen in diesem Moment Frau von Seebach und ihre Tochter Inge ein und gleich darauf Kurt von Fuchs. Hinter ihm erschien Fräulein Helene und lieferte die beiden Kinder ab.

Frau von Seebach stellte Herma flüchtig ihrem Sohn vor, während sie und Inge erstaunt auf die elegante Erscheinung der jungen Lehrerin blickten. Inge konstatierte ärgerlich, dass „diese“ Person einfach fabelhaft aussah. Sie war aber doch zu eitel, als dass sie gefürchtet hätte, von ihr ausgestochen zu werden. Ohne weiter auf Herma zu achten, wandte sie sich mit einem liebenswürdigen Lächeln an Gunnar und belegte ihn mit Beschlag.

Dafür wandte sich aber Kurts Interesse intensiv der neuen Hausgenossin zu. Donnerwetter! Ein reizender Käfer! Eine Schönheit geradezu! Die konnte einem über die Langeweile in Lindeck hinweghelfen! Denn seine Mutter hielt es für nötig, dass er längere Zeit hier blieb und, soweit es anging, den Herrn herauskehrte.

Bei Tisch ließ Kurt den Blick fast unausgesetzt auf Hermas Gesicht ruhen, was Gunnar sehr wohl bemerkte. Und das gefiel ihm gar nicht. Ein beunruhigendes Gefühl erwachte in ihm, und seine Antipathie gegen Kurt verstärkte sich von Minute zu Minute. Er sollte sich hüten, diese junge Dame zu belästigen.

Er war für Inge ein sehr zerstreuter Tischnachbar, und seine Augen flogen durchaus nicht seltener zu Herma hinüber als die Kurts, nur dass in seinen Blicken Achtung und Ehrerbietung lagen.

Inge widmete sich Gunnar wieder mit der intensiven Hingabe, die Anita schon einige Zeit aufgefallen war und die ihr zu denken gab. Sie wusste aber sehr wohl, dass Inge bei Gunnar nichts zu hoffen hatte. Bei dieser hingegen war aus dem Spiel mehr und mehr Ernst geworden. Jetzt interessierte Gunnar sie nicht nur als Sohn ihres Onkels, sondern in erster Linie als Mann. Das Weib in ihr war nach mehrjähriger Witwenschaft wieder erwacht, obwohl sie im Grund eine sehr kühle Natur war. Mit dem Herzen hatte wohl auch das, was sie für Lundström empfand, nichts zu tun. Es war mehr Berechnung und ein Aufflammen der Sinne, was sie zu ihm zog.

Die Unterhaltung bei Tisch war nicht sehr angeregt. Anita erzählte nur, dass heute Nachmittag ihr neues Auto kommen würde und zugleich der neu engagierte Chauffeur. Man brachte dieser Bemerkung wenig Interesse entgegen. Kurt erkundigte sich nur nach der Marke des Wagens und Inge nach der Farbe der Karosserie.

Dann war auch dieses Thema erledigt. Ganz kurz berichtete Anita noch, ihr Chauffeur sei im Seitenflügel untergebracht; sie hoffe, dass es Mama recht sei. Diese hatte nichts dagegen; es war ihr zu unwichtig, wo der Chauffeur ihrer Stieftochter wohnte; war diese es ihr doch selbst geworden, seit sie nicht mehr von ihr nach Belieben Geld ziehen konnte. Außerdem fühlte sie sich mit ihren Kindern schon als Herrin von Lindeck. Wohl zuckte zuweilen noch einmal eine heimliche Angst in ihr auf, das verloren gegangene Testament könnte doch noch auftauchen, aber diese Angst verblasste mehr und mehr, da sich niemand als Finder meldete. Keine Ahnung kam ihr, dass das blonde Mädchen neben Inges Kindern das gelbe Kuvert in ihrem Handköfferchen verwahrte. Herma hatte es beim Auspacken ihres Koffers darin liegen gelassen, weil sie nicht wusste, wo sie es sonst verwahren sollte. Hatte sie doch keine Ahnung, wie wichtig dieses gelbe Kuvert für alle Bewohner von Schloss Lindeck war.

***

Die Büros, Kellereien und Keltereien der Firma Manfred Hallerstedt lagen am Fuße des Lindecker Schlossberges. Weithin dehnten sich die Gebäude, in denen der ganze Betrieb untergebracht war. Es war ein riesiges Unternehmen. Hier wurde der berühmte Lindecker Schlossabzug aus auserlesenen guten Trauben hergestellt. Außerdem wurde in einem der Gebäude Schaumwein fabriziert, der ebenfalls einen sehr guten Ruf hatte.

Seit Jahren schon war Gunnar Kopf und Seele des Unternehmens, und mit inniger Genugtuung hatte Manfred Hallerstedt beobachtet, wie sein Sohn immer mehr mit dem Werk verwuchs. Jeder im Betrieb hatte sich längst daran gewöhnt, ihn als die allein maßgebende Instanz anzusehen, und daran änderte sich jetzt nichts, obwohl Kurt von Fuchs als Erbe und Rechtsnachfolger des alten Herrn galt. Wusste doch jedes Kind, dass Lundström noch auf Jahre hinaus die Führung des Ganzen in der Hand hatte.

Als Gunnar an diesem Tag vom Schloss herabkam, ließ er sich den Chauffeur rufen, der den Sportwagen zu fahren pflegte und Kurt an jenem denkwürdigen Tag damit nach Berlin gebracht hatte.

„Kreiner, ich wollte Sie fragen, ob Sie sich noch genau an die Fahrt nach Berlin besinnen können am Todestag von Herrn Hallerstedt?“

„Gewiss, Herr Direktor, ganz genau. Die Fahrt kam etwas überraschend, es blieb mir gar keine Zeit, mich vorzubereiten. Nicht einmal genug Benzin konnte ich einfüllen. Wir haben unterwegs tanken müssen.“

„Haben sie die Fahrt sonst noch auf dem Hinweg unterbrochen?“

„Nein, Herr Direktor. Herr von Fuchs schien es sehr eilig zu haben.“

„Und wann kamen Sie in Berlin an?“

„Gegen zehn Uhr. Aber da Herr von Fuchs ein Telegramm vorfand, das ihm das Ableben des gnädigen Herrn mitteilte, wollte er gleich wieder mit nach Lindeck zurückkommen.“

„Also entschloss sich Herr von Fuchs erst in Berlin zu der Rückfahrt?“

Kreiner stutzte einen Augenblick. Dann sagte er nachdenklich:

„Doch wohl. Aber, da fällt mir ein, als er vor seiner Wohnung ausstieg, sagte er so nebenhin: ‚Fahren Sie noch nicht weiter, vielleicht brauche ich Sie noch. Sie müssen ja ohnedies erst essen und trinken. Ich werde meine Wirtin bitten, Ihnen etwas zu richten.‘“

„Wissen Sie genau, dass er sagte: ‚Vielleicht brauche ich Sie noch‘?“

„Ganz genau, Herr Direktor, ich wunderte mich darüber, denn ich weiß doch, wie heikel Herr Hallerstedt mit seinem Wagen war, und wusste nicht, ob ich mich damit Herrn von Fuchs noch weiter zur Verfügung stellen durfte. Ich war mir über diese Frage auch noch nicht ganz klar, als Herr Fuchs mir sagte, dass er ein Telegramm bekommen habe mit der Meldung vom Ableben des gnädigen Herrn, was mich erschütterte. Er war ja immer ein guter Herr. Aber dass Herr von Fuchs nun gleich wieder mit nach Lindeck zurückkehren wollte, konnte ich verstehen.“

Sinnend sah Gunnar vor sich hin. Ihm war es nur zu klar, dass Kurt schon bei seiner Abfahrt genau gewusst haben musste, dass sein Onkel tot war.

Die ganze Fahrt hatte nur den Zweck gehabt, das Testament verschwinden zu lassen und den Anschein zu erwecken, dass Kurt bereits vor dem Tod seines Onkels Lindeck verlassen hatte.

„Und sonst ist nichts Besonderes mehr geschehen, Kreiner? Als Sie gespeist hatten, sind Sie wieder mit Herrn von Fuchs zurückgefahren?“

„Ja. Das heißt, etwas geschah doch, ich weiß aber nicht, ob das für Sie wichtig ist, Herr Direktor.“

„Sagen Sie es mir nur, ich habe besondere Gründe, mich für diese Fahrt des Herrn von Fuchs zu interessieren.“

„Nun, wie ich bei dessen Wirtin in der Küche saß, kam er plötzlich sehr erregt zu uns herein und verlangte von mir die Wagenschlüssel. Er habe etwas verloren.“

Gunnar richtete sich gespannt auf.

„Wissen Sie, was er verloren hatte?“

„Ich fragte, ob Herr von Fuchs einen Wertgegenstand verloren habe, und wollte mit hinuntergehen, um zu suchen, aber er lehnte es ab, nahm die Schlüssel und stürmte die Treppe hinunter. Nach einer Weile kam er wieder und gab mir die Schlüssel zurück. Er schien sehr ärgerlich zu sein. Ich fragte, ob er das Gesuchte gefunden habe. Nein, er habe es nicht gefunden, aber es sei auch nicht so wichtig, es sei eine ganz wertlose Kleinigkeit gewesen, die er nur nicht gern misse. Ich musste mich wundern, dass er wegen einer wertlosen Kleinigkeit so blass geworden war und nicht einfach mich hinuntergeschickt hatte, um im Wagen nachzusehen.“

Kreiners Bericht warf für Gunnar wieder ein eindeutiges Streiflicht auf die ganze Angelegenheit und bestärkte seinen Verdacht. Gar zu gern hätte er gewusst, ob der verlorene Gegenstand, wie er annahm, wirklich das gelbe Kuvert gewesen war. Vielleicht hatte Kurt es in der Hast nicht sorgfältig eingesteckt, vielleicht war es ihm irgendwo entfallen. Allerdings wäre das in seiner Lage ein unverantwortlicher Leichtsinn gewesen, aber Gunnar wusste nur zu gut, wie leichtsinnig Kurt selbst wichtige Dinge zu behandeln pflegte. Warum sollte er nicht auch hierbei leichtsinnig verfahren sein?

Aber gesetzt den Fall, dass das gelbe Kuvert verloren gegangen war, wo sollte man es suchen, wie es zurückbekommen? Das war fast ebenso unmöglich, wie es wieder herbeizuschaffen, wenn es vernichtet worden wäre.

Und selbst wenn es gefunden worden war, wie sollte es dem Verlierer zurückgegeben werden?

Es fiel ihm plötzlich ein, dass Kurt und seine Mutter sich in den letzten Tagen in unauffälliger Weise bemüht hatten, die Post zuerst in die Hände zu bekommen. Glaubten sie vielleicht, es würde eine Anzeige von dem Fund des gelben Kuverts mit der Post einlaufen?

Soviel ihm bekannt war, trug das Kuvert lediglich die Aufschrift: „Nach meinem Tode von dem Direktor meines Betriebes zu öffnen.“

Danach konnte ein etwaiger Finder unmöglich den Verlierer feststellen. Wollte er das, musste er unbedingt das Kuvert öffnen. Vielleicht aber war das bereits durch Kurt geschehen?

Alles das ging Gunnar durch den Kopf, als er nach Kreiners Weggang grübelnd vor sich hinstarrte. Oh, dass er klar sehen könnte! Oh, dass er Gewissheit hätte! Mit Freuden würde er auf das ganze Erbe verzichten, bekäme er nur den Brief seines Vaters!

Kreiners Mitteilungen hatten ihn keinen Schritt weitergebracht.

Er trat ans Fenster und erblickte gerade die von Anita erworbene Limousine, die Frank Soltau vorübersteuern wollte. Er öffnete das Fenster und gab ihm ein Zeichen zu halten. Dann ging er hinunter.

„Nun, ist die Fahrt gut verlaufen – alles in Ordnung?“, fragte er.

Soltau verbeugte sich.

„Alles in Ordnung, Herr Direktor. Wohin darf ich den Wagen bringen?“

„Hinauf in die Schlossgarage. Warten Sie, ich komme!“ Er nahm neben Soltau Platz und dirigierte, wohin dieser fahren sollte. Die Garage für die Privatwagen lag an der aufwärts führenden Straße. Gunnar teilte Soltau mit, dass er nicht in den Chauffeurwohnungen untergebracht sei, sondern dass man ihn im Seitenflügel des Schlosses einquartiert habe.

„Ich dachte mir, dass Ihnen dass vielleicht lieb sein würde“, sagte er lächelnd.

Soltau verneigte sich. „Ich bin Ihnen dafür zu großem Dank verpflichtet, Herr Direktor.“

„Ich sehe, Sie haben Ihren Koffer gleich mitgebracht. Ich will Sie selbst zu Ihrer Wohnung führen. Nehmen Sie den Koffer mit?“

„Wenn Sie gestatten, ja.“

Soltau stellte den neuen Wagen an die ihm von Gunnar bezeichnete Stelle in der Garage, nahm seinen Koffer heraus und folgte Gunnar. Dieser führte ihn durch das Parktor und gleich hinter dem Schloss herum, damit sie dessen Bewohnern nicht in die Hände zu laufen brauchten. An der Seitenpforte angelangt, betrat er diese zuerst und geleitete Soltau zu seinem Zimmer.

„So, Soltau, hier können Sie sich wohnlich einrichten. Ich habe veranlasst, dass Ihre Mahlzeiten Ihnen hier serviert werden, im Einverständnis mit Fräulein von Seebach.“

Ein leichtes Rot stieg in Soltaus Stirn.

„Auch dafür meinen ergebendsten Dank, Herr Direktor.“

Gunnar lächelte.