Hedwig Courths-Mahler - Folge 186 - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler - Folge 186 E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Tatenlos muss Helma von Pressen mitansehen, wie Delmhorst, der Mann, den sie einst liebte, skrupellos seine eigensüchtigen Ziele verfolgt. Er gewinnt immer mehr Einfluss auf ihren - und seinen - Sohn Horst, und er scheut auch nicht davor zurück, Helma selbst schamlose Anträge zu machen. Als sie ihm droht, ihrem Mann die Wahrheit zu gestehen, ersinnt Delmhorst einen teuflischen Plan, um an sein Ziel zu gelangen. Doch diese Infamie wird ihm zum Verhängnis. Zwar muss Helma von Pressen noch viel Leid ertragen, doch fern am Horizont erscheint auch für sie ein kleiner Hoffnungsschimmer ...

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Seitenzahl: 159

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Inhalt

Cover

Impressum

Von schwerer Last befreit

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2217-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Von schwerer Last befreit

Wenn Liebe die Schatten der Vergangenheit bannt

In Schloss Pressen wurde das Erntefest gefeiert. Neben anderen Gästen waren auch Doktor Buchwald, seine Frau Inge und Rosmarie geladen.

Sehnsuchtsvoll sah Ralf dem Wiedersehen mit Rosmarie entgegen. Zwar war er am Vortag mit Horst im Sanatorium „Waldlust“ gewesen, doch sie hatten beide kein Glück gehabt. Rosmarie war mit ihrer Mutter zu Besorgungen in die Kreisstadt gefahren, und auch zu Horsts erhoffter Plauderstunde kam es nicht. So waren sie bald nach Pressen zurückgekehrt. Ralf wusste ja, dass er Rosmarie beim Erntefest sehen würde, und Horst war entschlossen, dann eben am übernächsten Tag nach „Waldlust“ zu reiten, wo er Delmhorst bestimmt begegnen konnte.

Die kirchliche Erntefeier hatte bereits am Vormittag stattgefunden, und daran hatte sich nach altem Brauch die Überreichung des Erntekranzes angeschlossen.

Mittags gab es auch für die Angestellten einen Festschmaus, wie für die Herrschaft und ihre Gäste. Und am Nachmittag wurde auf der Parkwiese, wo Tische und Bänke um eine große Tanzdiele aufgestellt worden waren, Kaffee und Kuchen aufgetischt. Dabei war noch für allerlei Belustigungen und auch für einen guten Trunk Bier für die Männer vorgesorgt.

Hier beteiligten sich dann auch die Gäste an der Volksbelustigung, und es gab keine Standesunterschiede, zumal nicht beim Erntetanz.

Bei der Mittagstafel hatte Ralf zu seinem Leidwesen in großer Entfernung von Rosmarie seinen Platz gehabt. Seine Tante hatte ihm als Tischdame eine junge reiche Erbin bestimmt, die sie ihm wohl zur Frau gegönnt hätte, um ihn gewissermaßen für das ihm verloren gegangene Erbe zu entschädigen. Er hatte aber nur Augen für Rosmarie, die in einem weißen Kleid unbeschreiblich hold aussah.

Horst hatte sie zu Tisch geführt und war stolz auf seine schöne Tischdame. Er sorgte durch seine übermütigen Einfälle für heitere Stimmung, der sich auch Rosmarie nicht ganz entziehen konnte.

Nach Tisch, als man sich zum Festplatz im Park begab, gelang es Ralf endlich, sich an Rosmaries Seite zu pirschen. Horst war gerade anderweitig beschäftigt, und die Erbin hatte den Arm eines jungen Referendars genommen, der ihr eifrig den Hof machte. So konnte nichts Ralf hindern, Rosmarie den Arm zu reichen.

„Darf ich dich zum Festplatz führen, Rosmarie?“

Sie errötete jäh, legte aber ihre Hand auf seinen Arm. „Gern, Ralf!“

„Du unterhältst dich anscheinend gut heute, du erscheinst mir nicht so still wie sonst immer.“

„Horst sprüht vor Übermut, und man muss über ihn lachen, ob man will oder nicht; er lässt einen damit alle Trübsal vergessen.“

„Ich wollte, ich hätte dieses Talent auch.“

Sie sah von der Seite zu ihm auf. „Dazu muss man eben selbst ein leichtes Herz haben, und das hast du nicht.“

„Das weißt du also?“

„Ja.“

„Und weißt du auch, warum?“

„Ja, auch das weiß ich.“

„Und du könntest das nicht ändern?“

Sie seufzte tief auf.

„Könnte ich es, wie gern würde ich es tun. Aber ich kann es nicht – niemals!“

„Das verhüte Gott! Er wird mich nicht so unglücklich machen wollen für alle Zeit. Aber – ich will dich nicht quälen, du siehst schon wieder aus, als wolltest du die Flucht ergreifen. Und – ich möchte gern noch eine andere Frage an dich richten. Wirst du sie mir der Wahrheit gemäß beantworten?“

„Wenn ich kann, gewiss.“

„Wie stehst du im Herzen zu Horst?“

Ein Schatten flog über ihr Gesicht.

„Wie soll ich zu ihm stehen? Er ist ein lieber, leichtsinniger Springinsfeld, dem man nicht böse sein kann.“

Er atmete befreit auf.

„Nun muss ich dir etwas sagen, Rosmarie, man plant, dich mit Horst zu verheiraten.“

Schnell sah sie zu ihm auf, dann antwortete sie leise:

„Ich weiß es. Ich – ich habe es zufällig erlauscht, als meine Eltern davon sprachen.“

Betroffen beugte er sich zu ihr hinab.

„Du weißt es? Ist es das, Rosmarie, was dir das Herz so schwer macht? Will man dich zwingen zu einer Heirat mit Horst?“

Sie war sehr blass geworden.

„Es hängt mit dem zusammen, was mir das Herz schwer macht. Aber niemand wird mich zwingen können, Horsts Frau zu werden. Ebenso gut und ebenso unmöglich könnte ich meinen Bruder heiraten, wenn ich einen hätte.“

Er drückte ihren Arm fest an sich. „Rosmarie, ich danke dir innig für diese Worte, sie machen mir das Herz leicht und geben mir neue Hoffnung.“

Traurig sah sie ihn an.

„Gib alle Hoffnung auf, Ralf! Ob ich Horst heirate oder nicht, zwischen uns wird es nie anders werden als jetzt.“

Er zog die Stirn zusammen.

„Du liebst mich also ebenso wenig wie du Horst liebst?“

Eine Weile blickte sie schweigend vor sich nieder, während es in ihrem Gesicht schmerzhaft zuckte. Dann sah sie mit großen, ernsten Augen zu ihm auf.

„Ich will ganz offen und ehrlich auf diese Frage antworten, Ralf, weil ich weiß, dass du mich liebst. Ich liebe dich, Ralf, liebe dich so heiß und innig, dass ich für dich sterben könnte, aber niemals kann ich für dich leben. Es gibt eine unüberbrückbare Kluft zwischen dir und mir, die nie ausgefüllt werden kann, glaube mir das.“

Erregt presste er ihren Arm noch fester an sich.

„Rosmarie, liebe Rosmarie, wie glücklich machen mich deine Worte! Ach, dass ich dir für sie nicht danken kann, wie ich es möchte, du mein ein und alles. Ich liebe dich, Rosmarie, ja, ich liebe dich mit allen Fasern meines Seins, und ich kann nicht daran glauben, will es nicht, dass es eine Kluft zwischen uns gibt, die nicht zu überbrücken wäre durch unsere Liebe. Sei ruhig, sieh mich nicht so angstvoll an, ich will dich nicht bestürmen, denn ich fühle, es lastet etwas Schweres auf dir.

Aber hoffen will ich, hoffen muss ich, dass alles, was uns trennt, doch eines Tages beiseite geräumt werden kann und dass dieser Tag nicht zu fern liegt. Wahre Liebe kann Wunder tun – ich will an ein Wunder glauben, süße, einzige Rosmarie. Und Dank innigsten Dank, dass du die Unruhe von mir genommen hast, dass du Horsts Frau werden könntest. Ich habe es ja nicht geglaubt, aber heimliche Angst war doch in mir, dass man dich zwingen könnte. Nun weiß ich, du lässt dich nicht zwingen. Man hat Horst zugeredet, dich zu seiner Frau zu machen, und du weißt, wie leicht er zu beeinflussen ist. Obwohl er dir auch nur geschwisterlich zugetan ist, will er sich in Gefühle hineinsteigern, die es ihm möglich machen, den Wunsch seiner Eltern – und wohl auch den der deinen – zu erfüllen. Und das darf nicht sein, Rosmarie, Horst darf sich gar nicht erst mit diesem Gedanken vertraut machen.“

Ein schwaches Lächeln spielte um ihren Mund.

„Horst ist noch sehr unreif. Wie denkt er sich das? Zu einer Liebe, wie sie zwischen Mann und Frau zum Heiraten nötig ist, kann man sich doch nicht zwingen! Auch Horst wird das nicht können, er wird höchstens mit dem Gedanken spielen und dann doch einsehen, dass er unsinnig ist. Aber er ist, trotz all seines Leichtsinns, ein lieber, guter Mensch, und nun ich weiß, dass man ihn schon in diese Sache hineindrängen will, werde ich offen mit ihm darüber sprechen und ihm klar machen, dass wir nie anders als geschwisterlich zueinander stehen werden. Es soll bald alles klar sein zwischen uns, und ich hoffe, ihn mir als Verbündeten werben zu können. Wir werden dann gemeinsam gegen eine solch unsinnige Ehe protestieren. Ich danke dir, Ralf, dass du mir das gesagt hast. Nun kann ich doch etwas dagegen tun. Und mag Vater dann auch noch so sehr zürnen, wenn ich mich weigere, Horst zu heiraten, ich werde es ertragen können.“

Er sah sie forschend an.

„Darf ich noch eine Frage an dich richten?“

„Gewiss! Wenn ich sie beantworten kann, werde ich es tun.“

„Ist etwas zwischen dir und deinem Vater, was sonst zwischen Vater und Kind nicht sein sollte? Mir scheint, du gibst dich ihm gegenüber fremder, zurückhaltender als früher – so – als könntest du ihm nicht mehr so recht vertrauen.“

Sie schwieg lange Zeit, und er sah, wie es in ihren Zügen kämpfte. Schließlich erwiderte sie tonlos:

„Es ist schlimm, wenn ein Kind das Vertrauen zu seinem Vater verloren hat – man findet es nie wieder. Aber bitte, frage nicht weiter und lass uns nicht mehr davon sprechen!“

Zärtlich besorgt sah er sie an. „Arme Rosmarie, könnte ich dir doch helfen!“

Sie schüttelte den Kopf.

„Keiner kann mir helfen.“

Sie waren bei der Parkwiese angelangt, und Rosmarie löste ihren Arm aus dem seinen. Er sah sie innig an.

„Innigsten Dank, Rosmarie, für deine Liebe und dafür, dass du sie mir bekannt hast. Es hat mich trotz allem beglückt.“

„Und mich macht es trotz allem glücklich, dass ich dir meine Liebe habe bekennen können und – dass du mich liebst.“

Jetzt kam Horst hinter ihnen her und rief ihnen lachend zu:

„In was für philosophische Gespräche seid ihr denn vertieft? Ihr macht ja Gesichter, als grübeltet ihr über tiefsinnige Probleme nach.“ Dabei schob er seine Hand in Rosmaries Arm.

„Wir überlegten gerade, ob es ratsam sei, sich an dem Kuchenschmaus der Leute zu beteiligen. Sieh doch, Horst, die Kuchenberge sind noch recht stattlich, wir bekommen sicher etwas davon ab“, antwortete Ralf, um Horst abzulenken und Rosmarie Zeit zu lassen, sich zu fassen.

Horst schüttelte sich in komischem Entsetzen.

„Ich muss danken. Aber komm, Rosmarie, wir schwenken einen Erntetanz!“

Und er führte Rosmarie zum Tanzboden. Der Gutsherr und die Gutsherrin mussten den üblichen Erntetanz mit Oberknecht und Obermagd tanzen, und nach Rosmarie schwenkte Horst eine hübsche junge Magd im Kreis herum. Auch die Gäste mischten sich unter die Leute und nahmen am Tanz teil. Ralf hatte sich Rosmarie wieder genähert und tanzte mit ihr. Sie sprachen beide kein Wort dabei, fühlten nur beseligt, dass sie einander in den Armen hielten.

Als Horst später noch einmal mit Rosmarie tanzte, sagte sie zu ihm:

„Ich habe etwas Dringendes mit dir zu besprechen, Horst, wobei wir aber ungestört sein müssen. Willst du mich morgen Vormittag um elf Uhr im Wald bei den drei Eichen treffen?“

Übermütig lachend sah er sie an.

„Einem Stelldichein mit einer schönen jungen Dame bin ich noch nie aus dem Weg gegangen.“

„So tu es auch diesmal nicht! Aber es handelt sich durchaus nicht um ein galantes Abenteuer, sondern um eine sehr ernste Sache.“

Er zog eine kleine Grimasse. „Ernsthafte Sachen liegen mir nicht, aber ich komme, und wenn es den Kopf kosten sollte.“

Sie lächelte. „Um den Kopf geht es nicht, da kannst du ruhig sein.“

Das Erntefest verlief, wie solche Feste immer verlaufen. Man amüsierte sich vorschriftsmäßig auf beiden Seiten, aber die Leute wurden erst richtig vergnügt, als sich die Herrschaften entfernt hatten, und die Herrschaften atmeten erlöst auf und waren froh, eine soziale Pflicht erfüllt zu haben. Sie begaben sich wieder ins Schloss und vergnügten sich auf ihre Art. Die schöne Schlossherrin sah etwas bleich aus, und ihre Augen blickten zuweilen schreckhaft ins Leere, aber das bemerkte niemand, nicht einmal ihr Gatte, der immer wieder mit zärtlicher Bewunderung zu ihr hinüberschaute.

Als es Abend geworden war, schlich ein hoch gewachsener Mann durch den Park zum Schloss und blickte von der Terrasse aus durch die offen stehenden Fenstertüren in die Festräume. In seinen Augen blitzte es neidvoll auf, und um den Mund spielte Hohn.

Es war Hans Delmhorst, der heute nicht zum ersten Male auf Schleichpfaden den Park von Pressen durchstreifte und nach den erleuchteten Schlossfenstern starrte.

Er fühlte sich dann immer als ein Ausgestoßener, wenn er da drinnen ein behagliches Familienbild belauschte. Heute fraß der Neid noch mehr an seinem Herzen denn sonst, als er den Festglanz beobachtete, von dem er ausgeschlossen war.

Er sah die schöne, bleiche Schlossherrin im Glanze eines kostbaren Abendkleides, mit Perlen und Edelsteinen geschmückt, sah seines Sohnes schlanke, elastische Gestalt und sah Rosmaries liebliches Bild. Und nun tauchte der Schlossherr in seinem Blickfelde auf, eine gebietende, edle Erscheinung, die er bisher immer nur aus respektvoller Entfernung hatte sehen können. Dieser Mann besaß alles, was eigentlich ihm gehörte: die schöne Frau und den Sohn.

Ein wildes Feuer glühte in seinen Augen auf, es lockte ihn, eine Bombe unter diese festliche Gesellschaft zu werfen, hineinzugehen in den Festsaal, zu Horst heranzutreten und zu erklären: Dies ist mein Sohn! Was die Festgesellschaft wohl für Augen machen würde?

Eine wilde Freude wachte in ihm auf, als er sich sagte, dass er die Macht hatte, das Glück dieses Hauses mit einem Wort zu zerstören. Aber – damit würde er zugleich seine eigene, jetzt so friedliche Existenz zertrümmern. Das machte ihn machtlos.

Mit brennendem Blick sah er noch einmal auf seinen Sohn, und plötzlich wachte etwas wie ein Schmerzgefühl in ihm auf. Er gönnte es Udo von Pressen nicht, dass er seinen Sohn besaß.

„Mir gehört er, mir!“, sagte er heiser vor sich hin.

Am liebsten wäre er in den Festsaal gestürmt und hätte seinen Sohn mit sich fortgerissen, fort von all den Menschen, die sich Rechte an ihm anmaßten. Er fühlte in diesem Augenblick – er liebte seinen Sohn. Freilich mit einer Liebe, die nicht selbstlos war, aber es war doch ein wärmeres Gefühl, als er es seit langen Jahren empfunden hatte.

Langsam, mit finsterem Gesicht und zusammengebissenen Zähnen, wandte er sich zum Gehen, schlich durch den dunklen Park wie ein Dieb in der Nacht. Und das ganze Elend seines verfehlten Lebens fiel ihn an.

Es waren schlimme Gefühle, die ihn beherrschten, als er durch den Wald nach „Waldlust“ zurückkehrte. Zum ersten Mal fragte er sich, ob es nicht besser sei, wenn er sich eine Kugel durch den Kopf schösse und Schluss machte mit seiner verfehlten Existenz.

Aber dann lachte er hart auf. Nein! Es gab doch mancherlei, was ihn ans Leben fesselte.

***

Punkt elf Uhr traf Horst an den drei Eichen mit Rosmarie zusammen. Er war der Erste am Platz und ging ihr entgegen, als er sie mit schnellen Schritten herankommen sah.

„Guten Morgen, Rosmarie! Wie ist dir das Erntefest bekommen?“

„Danke, Horst, sehr gut, obwohl ich spät zu Bett gekommen bin.“

„Es war sehr lustig, nicht wahr?“

„Ganz gewiss. Aber – um uns das zu erzählen, sind wir nicht zusammengekommen.“

„Das kann ich mir denken, und ich bin riesig gespannt, was du mir zu sagen hast.“

„Ich habe nicht viel Zeit und muss ohne Umschweife auf den Zweck dieser Unterhaltung kommen.“

„Also schieß los, ich bin schrecklich neugierig!“

„Diese Neugier soll sofort gestillt werden. Also, wir beide müssen ein Schutz-und-Trutz-Bündnis schließen.“

„Gegen wen denn?“, fragte er erstaunt.

„Gegen unsere Eltern.“

„Das klingt ja sehr rebellisch.“

„Ist es auch. Hör zu: Unsere Eltern haben den Entschluss gefasst, uns miteinander zu verheiraten.“

Er stieß einen leisen Ruf aus. „Das weißt du?“

„Ja, Horst, ich habe es zufällig erlauscht. Die Eltern sprachen davon. Und du weißt es also auch?“

Er nickte.

„Seit gestern.“

„Und du bist selbstverständlich ebenso fest davon überzeugt wie ich, dass dies Unsinn ist.“

Er zögerte eine Weile, sah sie forschend an und sagte dann:

„Mir erschien es gar nicht so unsinnig, Rosmarie. Mutter sprach mir gestern davon, und obwohl ich zunächst sehr überrascht war, weil ich vorher nie auf diesen Gedanken gekommen war, sagte ich mir doch: Warum nicht, Rosmarie? Du bist doch keine Frau, vor der ein Mann davonläuft?“

Fast zornig sah sie ihn an.

„Das zeigt dich wieder einmal von deiner leichtsinnigsten Seite, Horst!“

Er zog, schon wieder lachend, den Kopf ein.

„Duck dich, Seele, es kommt ein Platzregen!“, scherzte er.

„Sei doch mal fünf Minuten ernsthaft!“, schalt sie. „Bedenke doch nur, was man uns zumutet! Du und ich – wir sollen Mann und Frau werden, wir, die wir immer wie Geschwister einander gegenübergestanden haben! Können sich Geschwister heiraten? Das ist doch unmöglich!“

Er schob den Hut aus der Stirn und schnaufte drollig, die Augenbrauen emporziehend.

„Offen gesagt, unmöglich fand ich es nicht, wenn es mir auch sehr unerwartet kam und ich sehr verdutzt war über Mutters Wunsch. Aber dann fand ich es gar nicht so übel, und ich wollte gerade anfangen, mich Hals über Kopf in dich zu verlieben.“

Sie blickte ihn noch immer zürnend an.

„Nun sei doch bloß mal fünf Minuten ernsthaft! Dann wirst du gleich mir empfinden, dass es eine Geschmacklosigkeit ist, was man von uns will. Wie sollen wir plötzlich unsere geschwisterlichen Gefühle über Bord werfen und wie ein Liebespaar miteinander verkehren? Direkt lächerlich wäre das! Du hast nur noch nicht ernsthaft darüber nachgedacht.“

„Das allerdings nicht, Rosmarie, und nun da ich sehe, wie entsetzt du darüber bist, erscheint es auch mir plötzlich unmöglich.“

„Na endlich!“, sagte sie aufatmend.

„Aber, die Eltern scheinen doch sehr versessen darauf zu sein.“

„Das scheint mir auch so.“

„Was machen wir denn da?“, fragte er ratlos.

„Eben ein Schutz-und-Trutz-Bündnis schließen. Ich bin zu dir gekommen, Horst, damit du mir hilfst. Man wird vielleicht versuchen, Zwang auf mich auszuüben. Das darfst du nicht zulassen.“

Er richtete sich auf und seine Augen blitzten.

„Aber selbstverständlich, Rosmarie, wenn du es als so unmöglich ansiehst, dann soll keiner wagen, dir Zwang anzutun. Das gibt es ja gar nicht.“

Sie atmete tief auf.

„Mein Vater würde es vielleicht versuchen.“

Horst reckte sich.

„Ah, soll er es nur tun! Wenn wir beide uns einig sind, uns nicht zu heiraten, können die anderen aufstellen, was sie wollen. Aber wie bringen wir das unseren Eltern schonend bei? Ich kann dich doch nicht einfach ausschlagen – das wäre doch unritterlich.“

„Wenn ich dich darum bitte, ist es im Gegenteil sehr ritterlich. Würde ich deine Hand ausschlagen, dann würde es Szenen über Szenen mit meinem Vater geben.“

Er lachte.

„Das kann ich mir denken. Also, wenn du es willst, werde ich den Eltern erklären, dass ich dich auf keinen Fall heirate.“

Rosmarie sah nachdenklich zu ihm auf.

„Es hat vielleicht noch Zeit, Horst, wer weiß, was kommt. Vielleicht wäre es klüger, wir nähmen den Eltern gegenüber zu dieser Frage noch gar keine Stellung.“

„Hm. Auch gut, sehr gut sogar. Ich habe Mutter bereits erklärt, dass ich vor Jahr und Tag nicht heiraten würde.“

„Das ist gut, dabei bleibe vorläufig, dann haben wir noch ein Jahr Ruhe, ehe der Sturm losbricht. Und lass dir ja kein anderes Versprechen abnehmen, Horst!“

„Nein, nein. Und dir wird man vorläufig gar nicht damit kommen. Ich habe Mutter gesagt, wenn es so weit wäre, würde ich selber mit dir darüber sprechen. Na, das ist ja nun schon geschehen, aber anders, als Mutter es wünschte.“

„Ich will dir etwas sagen, Horst, ganz im Vertrauen – ich glaube, der Plan, uns zu verheiraten, ist in meines Vaters Kopf entstanden, er hat ihn deiner Mutter sozusagen aufsuggeriert.“

„Meinst du?“

„Ja, ich glaube bestimmt, dass es so ist.“

„Gut. Umso leichter wird sich Mutter dann davon abbringen lassen.“

„Wie gut, dass du dir ein Jahr ausbedungen hast, so werden sie mich jetzt nicht damit quälen.“

Er reckte sich in den Schultern. „Niemand soll dich quälen, weder jetzt noch später. Wenn es so weit ist, werde ich erklären, dass ich dich auf keinen Fall heirate. Dann hast du gar nichts auszustehen, und deines Vaters ganzer Groll trifft nur mich.“