Hedwig Courths-Mahler - Folge 187 - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler - Folge 187 E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Die bildhübsche Käthe Wolter hat ihr Herz an den jungen Ingenieur Heinz Karsten verloren. Als er ihr seine Liebe gesteht, scheint das Glück der beiden vollkommen. Doch sie ahnen nicht, dass Käthes Stiefmutter ganz andere Pläne mit ihrer Tochter hat: Sie soll eine gute Partie machen. Frau Melanie sieht sich schon am Ziel ihrer Wünsche, als sie entdeckt, dass der reiche Geheimrat Walter Hornau eine stille Leidenschaft für Käthe hegt. Und Hornau merkt schon bald, dass er in der skrupellosen Frau Melanie eine Verbündete im Kampf um die Gunst des blutjungen Mädchens gefunden hat. Ob es ihnen gelingen wird, die beiden Liebenden auseinanderzubringen?

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Seitenzahl: 192

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Inhalt

Cover

Impressum

Trotz allem lieb ich dich

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2218-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Trotz allem lieb ich dich

Zu Herzen gehender Roman der berühmten Hedwig Courths-Mahler

Stumm schritten die beiden jungen Menschen aus dem Schatten des Parkes, der heute von einer festlichen Menge belebt wurde. Sie passierten das Parktor, das offen stand, und gingen weiter bergaufwärts, zu der Ruine, die oben auf dem Berge lag und die Gegend beherrschte.

Das blonde schlanke Mädchen mit den feinen, lieblichen Zügen hielt die Augen gesenkt. Ihre Hand ruhte leicht auf dem Arm ihres Begleiters, der oft unverwandt seine Blicke auf ihrem reizenden Profil ruhen ließ. Diese grauen Männeraugen gaben seinem Gesicht, dessen Züge sich im Lebenskampf gehärtet hatten, etwas Weiches und Gütiges.

Langsam, noch immer stumm, schritten sie im Waldesschatten den Berg hinan, bis sie vor der Ruine standen, deren verfallene Mauern ein dichtes Netz von Efeu und anderen Schlingpflanzen malerisch umgab.

Sie traten durch das verfallene Burgtor in den großen Vorhof der Ruine, in dessen Mitte ein noch leidlich gut erhaltener Brunnen stand. Mit großen Augen blickte das junge Mädchen um sich und sah hinüber zu dem Eckturm, in dessen Schatten eine breite Steinbank zur Rast einlud.

Ihr Begleiter führte sie, ohne zu fragen, hinüber zu dieser Steinbank. Vor derselben blieb er stehen. Sie sah mit einem scheuen Blick zu ihm auf. Dunkle Glut wallte in ihr Gesicht, als sie seinen Augen begegneten, die ihr so viel verrieten von dem, was bisher unausgesprochen zwischen ihnen lag. Sie wollte erschrocken den Blick wieder senken, aber seine Augen hielten sie fest mit leidenschaftlich zärtlicher Bitte. Das Gefühl ging dem sonst so energischen und besonnenen jungen Mann durch, er fasste die Hände des Mädchens.

„Käthe!“

Es war das erste Mal, dass er sie bei diesem Namen rief. Sie erzitterte leise, und wieder lief eine dunkle Glut über ihr Gesicht, ohne dass sich ein Wort über ihre Lippen wagte. „Käthe!“

Wieder rief er diesen Namen, mit einem so bebenden, sehnsüchtigen Klang, dass er in ihrem Herzen tausend Seligkeiten weckte. Sie sank wie kraftlos unter den auf sie einstürmenden Gefühlen auf die Steinbank und sah zu ihm auf, mit einem Blick, der ihm ihr ganzes Empfinden verriet. Stumm ließ er sich neben ihr nieder und nahm sie in seine Arme, ganz fest und innig. Er fühlte, dass sie erzitterte und presste stumm seine Lippen auf die ihren. Mit einem leisen, erlösten Seufzer ließ sie es geschehen, hielt ganz still in seinen Armen und trank seine Küsse wie den Quell des Lebens in sich ein. Wieder und wieder fanden sich die Lippen, die stumm waren in übergroßer Seligkeit. Nur die Augen sprachen zueinander von ihrer tiefen, starken Liebe, von ihrer Glückseligkeit. So saßen sie lange Zeit, alles um sich her vergessend.

Aber plötzlich erklang unten im Park Musik, die Ouvertüre von den Meistersingern scholl herauf, wo der Gastgeber seinen Gästen Erfrischungen reichen ließ.

Die beiden in ihr stummes, heißes Glück versunkenen Menschen schraken aus ihrer Umarmung auf und sahen einander in die erregten Gesichter.

„Käthe, meine süße Käthe, nun bin ich doch schwach geworden, habe dich in meine Arme gerissen. Dass ich dich liebte, wusstest du schon längst, wie auch ich wusste, dass dein Herz mir gehörte. Aber ich hätte mich nicht überwältigen lassen dürfen von meinen Gefühlen, hätte dich nicht mit mir hineinreißen dürfen in dieses heiße, drängende Sehnen“, sagte Heinz Karsten.

Sie lächelte verträumt zu ihm auf.

„Es war eine Erlösung für mich, Heinz – lieber Heinz! So sehr habe ich gelitten unter deiner Zurückhaltung. Zuweilen zweifelte ich an deiner Liebe. Nun quälen mich diese Zweifel nicht mehr, nun weiß ich es gewiss, dass du mich liebst.“

Ein weiches, gerührtes Lächeln huschte um seinen sonst so herb geschlossenen Mund.

„Nun weißt du es, mein Liebes? Ach, Käthe, hast du wirklich zweifeln können? Ich habe nicht gezweifelt, dass du mich liebst, deine lieben Augen waren mir holde Verräter, wenn du auch noch so formell warst. Wie schwer ist es mir geworden, zu schweigen, immer nur zu schweigen von dem, was ich für dich empfand.“

„Und warum schwiegst du so lange?“, fragte sie mit einem Lächeln, das er schnell von ihren Lippen trinken musste, weil es so hold und lieb war.

„Weil ich wusste, Käthe, dass ich dir kein gesichertes Los an meiner Seite bieten kann. Ich bin ja so arm, Käthe. Du weißt, dass ich mich durchgehungert habe, seit dem Tode meines Vaters, der mir das Studium nur mit schweren Sorgen ermöglichen konnte. Als er starb, blieb selbst dieser bescheidene Zuschuss aus, und ich konnte nur mit Aufbietung aller Kräfte mein erstes Ziel erreichen. Dann fand ich gottlob gleich eine Anstellung bei den Union-Werken, weil meine Professoren mich Geheimrat Hornau sehr empfohlen haben. Aber du weißt, wie gering das Gehalt eines jungen Ingenieurs ist. Davon kann man sich kaum selbst ernähren. Und auch du bist arm, meine Käthe; ich weiß, dass auch dein Vater alles, was er sich in seiner langjährigen Tätigkeit ersparte, infolge der Inflation verloren hat. Auch er ist nur auf sein Gehalt angewiesen und kann uns kein noch so bescheidenes Nest bauen. Käthe, meine Käthe – ich habe dich so lieb, verzeihe, dass ich dich in meine Sorgen mit hineinriss.“

Sie fasste seine Hand und sah mit leuchtendem Blick zu ihm auf.

„Was tut es, Heinz – wenn wir uns nur lieben.“

Wieder küsste er sie heiß und innig. Dann sagte er, ihr Haar aus der Stirn streichend:

„Du leichtsinnige kleine Käthe! Es macht leider sehr viel aus, dass wir arm sind.“

Unverzagt sah sie ihn an.

„Wir sind ja auch noch jung und können warten.“

„Warten? Mein süßes Herz, das ist ein grausames Wort für Liebende. Aber sei gesegnet, dass du warten willst. Wie soll ich dir danken?“

„Mit nichts als mit deiner Liebe.“

„Aber mach dir klar, dass es ein schmerzvolles, langes Warten sein wird, umso schmerzvoller, je mehr wir uns lieben. Ein Jahr ist schon eine qualvolle Ewigkeit, und wir werden drei oder vier Jahre warten müssen, bis ich in eine Gehaltsklasse aufrücken werde, die mir ermöglichen wird, dir ein sehr bescheidenes Los zu bieten, wenn nicht ein ganz besonderer Glücksfall eintrifft.“

„So wollen wir auf diesen Glücksfall hoffen, Heinz“, sagte sie tapfer und unverzagt.

Er zog sie wieder voll Entzücken an sich.

„Mein tapferes Lieb! Aber wenn dieser Glücksfall ausbleibt?“

„Was tut es, Heinz! Wir warten, und das Warten wird nicht schwer und quälend sein, da unsere Liebe uns über alles Schwere hinweghelfen wird. Wir sind ja noch so jung, Heinz. Ich bin kaum zwanzig Jahre alt, und du bist dreißig Jahre alt geworden. In vier Jahren sind wir noch so jung, und die Gewissheit unserer Liebe und die Hoffnung auf eine Vereinigung wird uns trösten. Sieh doch nicht so sorgenvoll aus, mein Heinz – das Leben ist doch so wunderschön.“

Gerührt sah er in ihre braunen Augen hinein, in denen das Glück wie goldene Funken sprühte.

„So zürnst du mir nicht, dass ich dich an mich fesselte?“

Sie schmiegte sich in seine Arme.

„Halt mich nur recht fest – binde mich für alle Zeit an dich. Wie soll ich dir zürnen, da du mich so glücklich machst.“

Und sie reichte ihm in reizender Verschämtheit ihre Lippen zum Kuss.

Er sah das Lächeln, das ihn zuerst so an Käthe entzückt hatte, sah tief in ihre Augen hinein, in diese schönen, samtbraunen Sterne und presste seine Lippen auf die ihren.

„Wenn du nur warten willst, Käthe! All meine Kräfte will ich anspannen, um dir so bald wie möglich ein bescheidenes Heim schaffen zu können – aber – bescheiden sehr bescheiden wird es sein“, sagte er aufatmend.

Sie lehnte ihre Wange an seine Hand.

„Mag es noch so bescheiden werden, Heinz. Ich werde unsagbar glücklich sein an deiner Seite und alle Sorgen freudig mit dir teilen. Aber – nun müssen wir zu den anderen zurück, es darf nicht auffallen, dass wir uns zurückgezogen haben.“

Er erhob sich schnell und zog sie mit sich empor.

„Du hast Recht, Käthe, verzeih mir, dass ich nicht selbst daran dachte.

Noch kann ich mich ja nicht offen zu dir bekennen. Vor deinen Vater kann ich nicht hintreten mit der Bitte, dein Schicksal in meine Hände zu legen – ich habe ja nichts zu bieten als meine große Liebe und den ehrlichen Willen, für dich zu arbeiten. Er ist berechtigt, andere Garantien für das Glück seiner Tochter zu fordern.“

Ein leiser Schatten flog über Käthes Gesicht. Sie wusste, der Vater und ihre Stiefmutter erwarteten von ihr, dass sie eine so genannte gute Partie machen solle. Wie oft hatte die Stiefmutter ihr in Gegenwart des Vaters gesagt: „Ein so schönes Mädchen wie du, Käthe, muss einen Treffer in der Ehelotterie machen, du musst klug sein.“

Und der Vater pflegte dann zu antworten. „Ja, Käthe, einen armen Schlucker darfst du mir um keinen Preis zum Schwiegersohn bringen, denn ich bin leider nicht mehr in der Lage, dir eine Ausstattung zu schaffen.“

Wie Käthe solche Worte gequält hatten. Wusste sie doch, dass der Mann, den sie liebte, ein armer Schlucker war. Die Eltern durften um keinen Preis jetzt erfahren, dass sie darauf warten wollte, bis sie Heinz Karsten heiraten konnte.

Sie standen am Burgtor und sahen zurück nach der Steinbank, auf der sie ihren ersten Kuss getauscht hatten. Es war, als könnten sie sich nur schwer trennen von dem Ort, wo sich ihre Herzen gefunden hatten. Still und malerisch lag die Ruine vor ihnen. Neben dem großen, gut erhaltenen Eckturm waren Mauerreste anscheinend frisch aufgebaut, und oben auf diesem Bau, der eine gleichmäßige Fläche bildete, wucherten Blumen. Auch das Dach, eines kleinen Pavillons war sichtbar, der da oben in neuzeitlicher Eleganz stand. Es war ein friedliches, idyllisches Bild, und es prägte sich den beiden Liebenden ein für immer. Sie wussten, ihre Sehnsucht würde immer wieder hier herauffliegen.

Die Ruine gehörte Geheimrat Hornau, dem reichen Besitzer der Union-Werke, in dessen Park heute ein großes Fest stattfand. Er hatte diese Ruine gekauft, um einen malerischen Hintergrund für seine Besitzung zu erhalten.

„Unter Ruinen fanden wir unser Glück, Käthe, möge es kein böses Vorzeichen sein“, sagte Heinz leise.

„Diese Ruinen haben Jahrhunderte überdauert, Heinz, und werden noch weitere Jahrhunderte stehen. Das soll als Symbol für unser Glück und unsere Liebe gelten.“

Mit tiefer Rührung sah er in ihre schönen Augen.

„Möge das eine Prophezeiung sein, Käthe.“

Seite an Seite schritten sie nun wieder den Berg hinab, immer durch dichte Bäume vor neugierigen Augen geschützt. Noch einmal fanden sich ihre Lippen, als sie den Park wieder betreten hatten. Aber dann sahen sie die weiß- und rot gestreiften Zelte auftauchen – da nahmen sie eine formelle Haltung an und mischten sich unauffällig unter die Gesellschaft.

Vor der Villa des Geheimrates Hornau, eines vornehmen, sehr geräumigen Gebäudes mit prachtvoller Sandsteinfassade, Säulengängen und breiten Terrassen, die mit Blumen geschmückt waren, hatte der Besitzer eine Anzahl bunter Zelte aufstellen lassen, in denen Tische und Stühle gruppiert waren, um für mehrere hundert Gäste Ruheplätze zu schaffen. Am Fuß der Terrasse vor einem Zelt stand Geheimrat Hornau im Gespräch mit der noch sehr jugendlichen und hübschen Stiefmutter Melanie Wolters. Er ließ dabei seine Augen suchend umherschweifen, sprach jedoch erst von allerlei gleichgültigen Dingen, ehe er auf das kam, was ihm am meisten am Herzen lag.

„Ich sehe Ihr Fräulein Tochter gar nicht mehr, gnädige Frau“, sagte er endlich mit einem unruhigen Forschen.

Frau Melanie Wolter hatte auch schon bemerkt, dass ihre Stieftochter seit geraumer Zeit nicht mehr zu sehen gewesen war. Sie war eine sehr kluge Frau und hatte mit ihren scharfen Augen längst bemerkt, dass der sonst so unnahbare stolze Chef der Union-Werke sich einige Male sehr interessiert in die Betrachtung Käthes vertieft hatte. Walter Hornau war Junggeselle, er stand in den sogenannten besten Jahren und – war enorm reich. Das wäre so ein Schwiegersohn nach ihrem Herzen gewesen; und sie war ärgerlich auf Käthe, dass sie eine solche Aussicht nicht klüger zu nutzen verstand. Wo mochte sie nur sein? Hoffentlich befand sie sich nicht in Gesellschaft dieses unbedeutenden armen Ingenieurs Karsten, der Käthe mit seinen Augen schon immer verfolgt hatte.

Frau Melanie baute schon hurtig an Luftschlössern. Sie hatte Hornau sehr interessiert und aufmerksam beobachtet, seit sie einen Blick voll brennender Glut aufgefangen hatte, den er hinter Käthe hersandte.

Dass er ihre Stieftochter vermisste, erfüllte sie mit großer Freude. Immer war sie schon auf der Suche gewesen nach einem reichen Freier für ihre schöne Stieftochter –, aber so hoch hatten sich ihre Wünsche noch nie verstiegen wie heute. Jetzt aber, da sie sein schlecht verhehltes Interesse bemerkte, fragte sie sich kühn: Warum nicht er? Käthe war schön und bezaubernd genug, um auch einen von Frauengunst sehr verwöhnten Mann wie Hornau, zu fesseln wenn sie nur wollte.

„Vor wenigen Minuten sah ich meine Tochter mit einigen anderen jungen Damen in den Park hineingehen, Herr Geheimrat“, sagte sie scheinbar gelassen, obschon sie danach fieberte, dass Käthe in ihrer und des Geheimrats Nähe wiedererscheinen möge.

Dieser sah die hübsche, mollige Frau forschend an, als wollte er prüfen, wie weit er sie seinen Plänen dienstbar machen konnte. Er hatte Käthe Wolter erst vor kurzer Zeit genauer kennen gelernt. Zwar hatte er sie schon seit Jahren zuweilen flüchtig von weitem gesehen, wenn er am Haus ihres Vaters, des Oberingenieurs Wolter vorüberkam. Aber er hatte sie nie genauer betrachtet. Das war erst vor einigen Wochen geschehen, als er zufällig vorüberkam, wie Käthe ihrem Vater entgegenlief, und ihn lächelnd umarmte. Dabei hatte sie dann auch mit demselben Lächeln zu dem Geheimrat herübergeblickt und dieses Lächeln hatte den verwöhnten Mann seltsam gefesselt. öfter als zuvor kam er an dem kleinen Wolterschen Haus vorbei und blickte gespannt nach den Fenstern. Das hatte Frau Melanie sehr bald bemerkt, und ahnungsvoll hatte sie dann dafür gesorgt, dass er irgendwo Käthe zu Gesicht bekam. Und Geheimrat Hornau hatte sich mehr und mehr von der ganz ahnungslosen Käthe bezaubern lassen und darüber nachgegrübelt, wie er näher mit ihr bekannt werden konnte.

Sehr ehrenwert waren seine Absichten dabei durchaus nicht.

Nun hatte schließlich das Parkfest, das er einigen Geschäftsfreunden und seinen Beamten mit ihren Familien gab, diese Gelegenheit herbeigeführt, aber natürlich konnte er Käthe nicht durch seine ungeteilte Aufmerksamkeit auszeichnen, das wäre aufgefallen. Und auffallen wollte er bestimmt nicht.

Das heutige Fest hatte er gegeben, weil die Union-Werke sich mit den amerikanischen Atlantik-Werken vereinigt hatten. Die amerikanischen Vertreter, mit denen Geheimrat Hornau die letzten Formalitäten erfüllte hatte, waren anwesend. Diese Vereinigung war ein großer Vorteil für die Union- sowohl als auch für die Atlantik-Werke, und es war eine Sache von weit tragender Bedeutung.

Am Tage vorher hatte schon eine intimere Feier stattgefunden, an der nur die amerikanischen Vertreter und die obersten Leiter der Union-Werke teilgenommen hatten. Ein ganz auserlesenes Festmahl hatte die Herren vereinigt. Heute sollten nun alle kaufmännischen und technischen Beamten der Union-Werke mit ihren Damen dieses Ereignis mitfeiern – und dabei hatte Hornau stark darauf gerechnet, Käthe Wolter etwas näher zu kommen. Bis jetzt war sie ihm aber immer wieder schnell entwischt; nicht weil sie eine Ahnung von seinen Wünschen gehabt hätte, sondern einfach, weil sie eine heilige Scheu und einen großen, mit Furcht gemischten Respekt vor diesem allgemein als hochmütig geltenden Manne hegte. Sie war immer wieder froh, wenn sie aus seiner Nähe kommen konnte.

Je mehr sie ihm aber auswich, desto heißer brannte die Glut in Geheimrat Hornaus Herzen. Käthes frühlingsfrischer Zauber, ihre blonde, liebliche Schönheit und vor allem ihr bezauberndes Lächeln machten einen immer tieferen Eindruck auf ihn. Wäre sie ihm entgegengekommen, wie er es bisher von anderen Frauen gewöhnt gewesen war, so hätte sich die Glut in seinem sehr leidenschaftlichen Herzen wahrscheinlich schnell wieder abgekühlt, aber da sie sich von ihm fern hielt, ihm immer wieder auswich, brannte das Verlangen nach ihr immer heißer in ihm. Ein begehrliches Funkeln flammte in seinen harten Augen auf, wenn er sie ansah. Und Frau Melanie Wolter sah dieses Funkeln – und rechnete damit. Käthe aber hatte gar kein Interesse für diese mächtige Persönlichkeit; ihr war der arme, junge Ingenieur Heinz Karsten bedeutend wichtiger und wertvoller. Sie hatte wohl einige Male ein paar Worte mit Hornau gewechselt, wenn er sie ansprach, hatte artig vor ihm geknickst und auch ihm ihr liebes Lächeln geschenkt, dessen Zauber ihr ganz unbekannt war, war aber immer schnell wieder aus seiner etwas beklemmenden Nähe gewichen.

Endlich trat Käthe neben Heinz Karsten zwischen den Bäumen hervor, allerdings in Begleitung einiger anderer junger Leute. Aber in Walter Hornaus Blicken sprühte es doch sogleich eifersüchtig auf.

„Ah, da sehe ich Ihr Fräulein Tochter an der Seite Doktor Karstens. Dieser ist wohl ein Bewerber um die Hand Ihrer Tochter?“, fragte er mit seltsam rauer Stimme.

Frau Melanie hätte Karsten von Käthes Seite verscheuchen mögen. Sie merkte sehr wohl die Spannung in Hornaus Zügen, sagte aber scheinbar gleichgültig:

„Aber ganz ausgeschlossen, Herr Geheimrat. Doktor Karsten kommt nur zuweilen in unser Haus, wenn er mit meinem Mann, der ja sein direkter Vorgesetzter ist, etwas zu besprechen hat. Und er glaubt, meiner Tochter gegenüber besonders artig sein zu müssen.“

„Soso! Und – Ihr Fräulein Tochter?“

„Steht ihm gottlob sehr gleichgültig gegenüber.“

„Warum gottlob?“, fragte er, sie scharf beobachtend.

„Weil doch gar keine Rede davon sein kann, dass meine Tochter einen armen Mann heiraten kann. Ihr Vater hat ja leider alles verloren und kann ihr in Jahren noch keine Aussteuer geben. Sie denkt auch, wie gesagt, gottlob nicht daran.“

Die jungen Leute gingen jetzt alle hinüber zu dem großen Tanzpodium, das Hornau hatte aufstellen lassen. Sein Blick verfinsterte sich, als er Käthe in Karstens Armen sah. Er verabschiedete sich jetzt hastig von Frau Melanie und ging schnell zu dem Podium hinüber. Die erste Beste der jungen Damen, die dem Tanze zusahen, ohne einen Tänzer zu haben, forderte er auf, mit ihm zu tanzen. Das geschah nur, um es unauffällig zu machen, dass er dann auch Käthe um einen Tanz bat. Selbst Heinz Karsten fand nichts dabei. Und Käthe blieb ganz harmlos.

Als der Tanz zu Ende war, gab er ihren Arm nicht frei. Er führte sie zu einem der Zelte hinüber.

„Sie müssen jetzt erst eine Erfrischung nehmen, ehe Sie weitertanzen, Fräulein Wolter“, sagte er scheinbar ruhig.

Käthe warf einen schnellen Blick nach der Stelle, wo sie Heinz wusste, ihre Augen trafen sich strahlend mit den seinen zusammen. Heinz wusste, dass er sich jetzt Käthe nicht schon wieder nähern durfte, sondern sich nun auch den anderen jungen Damen zu widmen hatte. Keine Ahnung kam ihm, dass der Chef an dem selben süßen Lächeln Feuer gefangen hatte, das ihm selbst das Herz betörte. Er schwankte, nachdem sie an Hornaus Arm in einem der Zelte verschwunden war, zwischen einer heißen, starken Glückseligkeit und einem leisen, heimlichen Schuldbewusstsein, dass er sich hatte hinreißen lassen, ihr junges Leben an das Seine zu binden. Es war nicht viel Hoffnung für ihn, sich bald emporarbeiten zu können, auch dann nicht, wenn er alle Kräfte anspannte, höchstens vielleicht dann, wenn ihm eine Erfindung glückte, an der er heimlich arbeitete. Aber das war so viel, wie das Hoffen auf das große Los. Ehe er Käthe kennen gelernt hatte, war der Plan in ihm aufgetaucht, wie so viele junge, tatkräftige Ingenieure in dieser Zeit, ins Ausland zu gehen und da sein Heil zu versuchen. Aber jetzt, nachdem er Käthe kennen gelernt, ihr seine Liebe gestanden hatte – jetzt durfte er doch nicht mehr daran denken. Oder – war es nicht gerade jetzt seine Pflicht, alles daran zu setzen, vorwärtszukommen, damit er dem geliebten Mädchen eher ein sorgenloses, wenn auch bescheidenes Leben an seiner Seite bieten konnte?

All diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während er eine der jungen Damen nach der anderen im Tanz drehte.

Walter Hornau hatte Käthe in dem Zelt, das jetzt ganz leer war, einen Sessel hingeschoben und einem Diener Weisung gegeben, ihr eine Erfrischung zu bringen. Während sie langsam das Gefrorene löffelte, plauderte er mit ihr, und sie ahnte nicht, wie sehr er sich bemühte, sie gut zu unterhalten. Er wunderte sich über sich selbst, dass er sich so viel Mühe gab, einem weiblichen Wesen zu gefallen. Gewöhnlich bemühten sich die Frauen um ihn, sie kamen dem reichen, unverheirateten Manne viel zu sehr entgegen. So war es kein Wunder, dass er von den Frauen im Allgemeinen keine besonders hohe Meinung hatte.

Käthe aber dachte gar nicht daran, ihm entgegenzukommen, für sie war Geheimrat Hornau nichts als eine Respektsperson, und mit seinen fünfundvierzig Jahren und der schon etwas gelichteten Stirn erschien er ihr schon wie ein „alter Herr.“ Sie war erst ein wenig befangen, eben weil er eine Respektsperson für sie war und weil er bei all seinen Angestellten mehr gefürchtet als geliebt wurde. Als er sich nun mit ihr so freundlich und liebenswürdig unterhielt, war sie angenehm enttäuscht und verlor ihre Scheu. Sie plauderte nun ganz munter und unbefangen mit ihm.

Er fragte sie, ob das Gefrorene ihren Beifall habe, und sie nickte ihm lächelnd zu.

„Ganz vorzüglich – ich habe noch nie welches von so köstlichem Geschmack genossen.“

„Sie mögen es gerne?“

Das reizende Lächeln, das ihn zuerst gefangen genommen hatte, umspielte ihren Mund. Mit Behagen rührte sie in der Eisschale.

„O ja, sehr gern, es ist eine große Seltenheit für mich.“

„Dann müssen Sie noch eine Schale nehmen.“

„Nein, nein, jetzt nicht, vielleicht später, wenn ich darf.“

„Gewiss dürfen Sie, meinen Gästen steht alles zur Verfügung.“

Sie sah ihn eine Weile mit ernsten Augen an.

„Was müssen Sie für ein glücklicher Mensch sein, Herr Geheimrat.“

Seine Augen zuckten über ihre schlanke Gestalt hinweg.

„Glücklich? Weshalb meinen Sie, müsste ich glücklich sein?“

„Weil Sie so ein reicher Mann sind.“

„Meinen Sie, dass Reichtum glücklich macht?“

„Reichtum an sich und allein vielleicht nicht, aber Reichtum lässt die meisten Unannehmlichkeiten des Lebens leichter ertragen, und dann weil Sie so reich sind, können Sie so viel Gutes tun, so vielen Menschen eine Freude machen und das muss doch beglücken.“

Ein Lächeln huschte um seinen etwas brutalen Mund. Aber dabei brannte in seinen Augen wieder das heiße Begehren nach der taufrischen Schönheit Käthes. Sie sah das zum Glück nicht, weil sie mit ihrer Leckerei beschäftigt war.

„Jeder sieht das Glück mit anderen Augen an – Glück ist meistens nur das, was man nicht besitzt“, sagte er, mit seinen verlangenden Augen ihre reizende Erscheinung umfassend. Aber es lag eine so unberührte Reinheit und Unschuld über Käthes ganzem Wesen, dass er nicht wagte, sein Begehren auch nur andeutungsweise in Worte zu fassen. Irgendetwas zwang ihn, ihr anders zu begegnen als den anderen Frauen.

Käthe sann still seinen Worten nach. Ja, jeder Mensch sah das Glück mit andern Augen an. Sie musste denken, wie leicht es diesem reichen Manne sein würde, ihr Glück zu begründen. Er brauchte Heinz Karsten nur eine bessere Anstellung zu geben, ihn besser bezahlen, was er bei seiner Tüchtigkeit, die ihr Vater, sein direkter Vorgesetzter, so oft rühmte, wirklich verdiente. Ihr Vater hatte einmal behauptet, Heinz Karsten sei ein genialer Kopf und unbedingt der tüchtigste unter den jungen Ingenieuren. Wie wenig würde es diesem reichen Manne ausmachen, wenn er Heinz besser bezahlte.