Hedwig Courths-Mahler Großband 11 - Sammelband - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler Großband 11 - Sammelband E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

10 spannende Liebesromane lesen, nur 6 bezahlen!

Über 800 Seiten voller Romantik und Herzenswärme in einem Band!

Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück.

Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.

Großband 11 enthält die Folgen 101 - 110.

Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in eine heile Welt, in der die Liebe noch regiert.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 1649

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: iStockphoto/CoffeeAndMilk ISBN 978-3-7325-7548-0

Hedwig Courths-mahler

Hedwig Courths-Mahler Großband 11 - Sammelband

Inhalt

Hedwig Courths-MahlerHedwig Courths-Mahler - Folge 101Wie gebannt starrte Vivian zu dem Frauenbildnis empor. Sie vergaß alles um sich herum, vergaß, dass sie in der Gemäldegalerie eines englischen Schlosses stand und dass der Erbe dieses Schlosses, Sir Percy, sie beobachtete. Tiefe Betroffenheit lag in seinem Blick. Wie ähnlich Vivian der Frau auf dem Bild sah! "Lady Gwendolin war sehr schön", murmelte Vivian gedankenverloren. "So schön wie Sie selbst", erwiderte Sir Percy leise. Seine Worte berührten Vivian tief. Ach, wenn er doch recht hätte! Wenn sie wirklich so schön wäre wie Lady Gwendolin! Dann ... An das, was dann wäre, wagte Vivian nicht zu denken. Sie war ja nur ein unbedeutendes kleines Malfräulein. Sir Percy aber gehörte einem alten, vornehmen Geschlecht an ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 102Malve Renard ist in völliger Zurückgezogenheit auf dem väterlichen Landgut aufgewachsen. Sie ist scheu, verschlossen und unbeholfen. Niemand sieht ihr an, dass sie eine reiche Erbin ist. Der einzige Mensch, den sie abgöttisch liebt, ist ihr Vater. Aber auch er verlässt sie eines Tages, und Malve kommt unter die Obhut ihres Onkels, der mit seiner Familie in Berlin wohnt. Bangen Herzens tritt sie die Reise in die große Stadt an, ahnungslos, dass ihr dort bald ein Mann begegnen wird, der höchstes Glück und tiefstes Leid in ihr Leben bringt ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 103Zehn Jahre lang ist Ralf Lersen ruhelos durch die Welt gezogen - als Verstoßener der Gesellschaft, der er einst als Diplomat angehörte. Nie wieder wollte er in die Heimat zurückkehren, aus der ihn die verhängnisvolle Leidenschaft seiner Frau für Perlen vertrieben hatte. Aber die Sehnsucht ist ein starker Magnet, und so betritt Ralf Lersen eines Tages wieder heimatlichen Boden. Irgendwo in einen stillen Winkel Bayerns will er sich zurückziehen und versuchen, seinen inneren Frieden wiederzufinden. Aber während er einsam den Bergen entgegenfährt, steht das Schicksal schon bereit, um ihn in neue Konflikte zu stürzen ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 104Nach dem Tod des Vaters und der Versteigerung des elterlichen Gutes ist Hans Wendland nach Amerika ausgewandert. Nach vielen Jahren erst kehrt er in die Heimat zurück, anscheinend ebenso arm, wie er einst auswanderte. Das jedenfalls glaubt Fred von Hallern, der noch eine alte Schuld an Hans zu bezahlen hat. Früher waren Fred und Hans Freunde; jetzt werden sie zu erbitterten Feinden. Nicht allein die unbezahlte Schuld steht zwischen ihnen, sondern auch die schöne, junge Fedora von Plessen ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 105Liane Reinhold hat schon früh ihre Eltern verloren. Den Vater kannte sie überhaupt nicht; an die Mutter hat sie nur eine vage Erinnerung. Nur dass sie schön und gut war und dass sie den Vater unsagbar liebte, weiß Liane. Das bestätigt ihr auch Onkel Joachim immer wieder, der einzige Mensch, der sich um die arme Waise kümmert und ihr auch jetzt, da sie erwachsen ist, mit väterlicher Liebe zugetan ist. Dankbar erwidert Liane diese Liebe, ahnungslos, wie Onkel Joachim wirklich zu ihr steht. Doch schon bald kommt der Tag, an dem eine böse, missgünstige Frau den Schleier zerreißt, der so lange wohltätig das Herz Liane Reinholds umhüllte ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 106In Marthas Elternhaus ist die bitterste Not eingezogen. Die geliebte Mutter liegt krank im Bett; der Vater verbringt seine Tage untätig, verzweifelt und dem Wahnsinn nahe. Mit nimmermüder Geduld versucht Martha, das Anwesen in Ordnung zu halten und die Eltern seelisch aufzurichten. Es ist ein Bemühen, das fast übermenschliche Kräfte erfordert. Niemand von den Nachbarn ist bereit, dem jungen Mädchen beizustehen, schon gar nicht die Dohrmas vom nahegelegenen Gut, die selbst in Saus und Braus leben und denen es ein Leichtes wäre, Martha zu helfen. Aber sie sind stolz und hochmütig, die Dohrmas. Sie denken nicht im Traum daran, dass auch für sie einmal eine Stunde kommen könnte, in der sie bitter nötig Marthas Hilfe brauchen ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 107Ein großes Geheimnis umgibt Daniela Werner, das nur ihr Onkel Bernd kennt, bei dem das junge Mädchen aufwächst. Daniela liebt ihren Onkel abgöttisch, und auch Bernd Werner hängt sehr an seiner Nichte und verwöhnt sie wie eine Prinzessin. Als der Onkel jedoch eines Tages stirbt, steht sie plötzlich ganz allein im Leben, ein weltfremdes junges Mädchen, das nur einen Wunsch hat: dem verehrten Onkel in den Tod zu folgen. In einer kalten Winternacht begibt sich Daniela zum See, um zu sterben. Doch das Schicksal will es anders ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 108Verschiedener als die Schwestern Randolf können Geschwister nicht sein. Das denkt sich auch der junge Leutnant Heinz Rottmann, der sein Herz zuerst an die ruhige, warmherzige Liselott verliert, bis ihre ältere Schwester Sandra ihn mit weiblicher Raffinesse in ihren Bann lockt. Liselott zittert um ihre Liebe, weil sie weiß, dass ihre eitle, oberflächliche Schwester Heinz niemals glücklich machen wird. Denn Sandra will sich nur amüsieren, selbst wenn dabei Herzen zerbrechen ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 109Innige geschwisterliche Liebe verbindet Traude Karsten mit ihrem Stiefbruder Heinz Rutland. Beide sind herzensgute Menschen, denen auch die frostige, engherzige Atmosphäre des Vaterhauses nichts anhaben konnte. Nun aber sind die Eltern tot. Traude kommt in die Obhut eines ständig nörgelnden Verwandten; Heinz aber wandert nach Amerika aus, um dort sein Glück zu versuchen. Als er sich bei den großen Stemberg-Werken als Testfahrer bewirbt, ahnt er nicht, welch schicksalhafte Bedeutung der Name Stemberg für ihn und auch für die geliebte Stiefschwester haben wird ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 110Hans Ulrich von Frankenau kehrt nach einer Weltreise in die Heimat zurück, um nach dem Tod des Vaters das elterliche Gut zu bewirtschaften. Im Zug lernt er eine junge Dame kennen, die einen tiefen Eindruck auf ihn macht. Unverhofft sieht er sie schon bald wieder, und zwar als Sekretärin seines Nachbarn Heinz von Birkenheim. Zu der Freude über das Wiedersehen gesellt sich bei Hans Ulrich Schmerz, denn als Majoratserbe darf er niemals um ein Mädchen mit bürgerlichem Namen werben. Er ahnt ebenso wenig wie Heinz von Birkenheim, dass Christa sich schlicht Hellmut nennt, um im Hause Birkenheim eine Mission zu erfüllen, um die sie ihre geliebte Mutter auf dem Sterbelager bat ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Lady Gwendolins Ebenbild

Vorschau

Lady Gwendolins Ebenbild

Spannender Roman um das seltsame Schicksal einer jungen Frau

Zwischen hastenden Menschen hindurch bahnte sich eine schlanke Frau ihren Weg. Jetzt stieg sie die Treppe zur Untergrundbahn hinab, löste sich einen Block Fahrkarten und ging mit schnellen Schritten den Bahnsteig entlang – bis zur Mitte. Dort wartete sie einige Sekunden, bis der Untergrundbahnzug einlief, den sie benutzen musste. Wie gewöhnlich war er sehr voll.

Aber die schlanke Frau mit den feinen Zügen hatte Glück; ein junger Mann erhob sich und bot ihr seinen Platz an. Sie dankte höflich und setzte sich.

An der nächsten Haltestelle stieg sie aus und machte in der Nähe einige Besorgungen.

Mit einigen kleinen Päckchen beladen ging sie nun zu Fuß weiter, bis sie das Kaiser-Friedrich-Museum erreicht hatte.

Hier saß sie eine Viertelstunde später vor einem der Rembrandtgemälde, neben dem eine von ihr gearbeitete halbfertige Kopie stand, die vom Museumsdiener schon bereitgestellt war. An dieser begann sie fleißig zu arbeiten, ohne auf die durch die Säle gehenden Besucher des Museums zu achten.

Die Kopie dieses Gemäldes war bei ihr bestellt worden, worüber sie sehr froh war, da in dieser Zeit für die Kunst im Allgemeinen wenig Geld übrig war. Sie hatte die Hoffnung, eine anerkannte Malerin zu werden, aufgeben müssen, seit sie eingesehen hatte, dass ihr Können dazu nicht ausreichte. Aber als Kopistin leistete sie trotz ihrer Jugend so Hervorragendes, dass sie immerhin ihren Lebensunterhalt verdienen und sich sogar einige Annehmlichkeiten verschaffen konnte.

Vor allen Dingen hatte sich Vivian Bruns durch dieses Können und durch die ihr erteilten Aufträge eine gewisse Selbstständigkeit zu erkämpfen vermocht. Seit einem Jahr etwa hatte sie ihrem Vormund, in dessen Haus sie bis dahin gelebt hatte, nachgewiesen, dass sie genügend verdiente, um auf jede Unterstützung verzichten zu können. Sie hatte sich eine kleine, aus zwei Zimmern bestehende Wohnung gemietet, von denen sie das eine am Tag als Wohnzimmer und in der Nacht als Schlafzimmer benutzte. Das daneben liegende war als Arbeitsraum gedacht. Sie fühlte sich wohl in diesem, ihrem kleinen Reich, denn nun musste sie doch nicht mehr den ganzen Tag das Gerede ihrer Tante Marta und der Base Ida anhören, was sie immer sehr bei ihrer Arbeit gestört hatte. Das war für sie aber nicht der Hauptgrund gewesen, das Haus ihres Vormunds zu verlassen. Er hatte seine Macht über sie dadurch missbraucht, dass er trotz ihrer Bitten nicht aufgehört, für sie Erziehungsgelder von einer Persönlichkeit anzunehmen, der sie durchaus nicht verpflichtet sein wollte. Immer wieder hatte sie ihn bestürmt, auf diese Zahlungen zu verzichten. Der Vormund hatte das jedoch nicht getan, weil er diese Beträge, von deren Höhe Vivian keine Ahnung hatte, stets unter dem Vorwand einkassierte, seines Mündels Unterkunft und Verpflegung nicht bestreiten zu können.

So hatte Vivian die erste Gelegenheit ergriffen, um das Haus ihres Vormunds zu verlassen.

„Ich will dir nicht lästig fallen, will aber noch weniger, dass du von dieser Seite Geld für mich annimmst. Ich werde jetzt selbst dafür sorgen, dass diese Geldsendungen unterbleiben.“ So hatte sie gesagt.

Der Vormund war sehr wenig mit ihrer Handlungsweise einverstanden, denn er hatte bei dieser Gelegenheit ein sehr gutes Geschäft gemacht. Immerhin war Vivian erst zwanzig Jahre alt, und so hatte er Aussicht, noch ein volles Jahr die Erziehungsgelder zugesandt zu erhalten, was eine hübsche runde Summe bedeutete. Er hatte Vivian kraft seiner vormundschaftlichen Gewalt unbedingt in seinem Haus festhalten wollen, weil sie ja noch nicht mündig war.

Darauf hatte Vivian sehr bestimmt geantwortet: „Wenn du mich nicht gehen lässt, werde ich mich an das Vormundschaftsgericht wenden und dort meine Sache vortragen.“

Das hatte der Vormund, der Herr Rechnungsrat Holstein, auf jeden Fall vermeiden wollen; denn es wären dann vielleicht allerlei für ihn unangenehme Dinge zur Sprache gekommen.

Die ganze Familie Holstein, der Vormund, Tante Marta und Base Ida hatten – ausnahmsweise einmal einig – Vivian Undankbarkeit vorgeworfen und sich ihr von einer noch ungünstigeren Seite gezeigt als sonst. Aber Vivian Bruns hatte sich dadurch nicht beirren lassen, sondern war mit ihren wenigen Habseligkeiten in die Wohnung gezogen und fühlte sich nunmehr wie von einer schweren Last befreit. Gleich nach ihrem Auszug hatte sie einen Brief an Mister Reginald Gordon geschrieben – so hieß der in England lebende Herr, der die Erziehungsgelder für sie regelmäßig ihrem Vormund überwiesen hatte. Dieser Brief hatte folgenden Inhalt:

Sir! Es bleibt mir keine Wahl, ich muss selbst an Sie schreiben, um Sie zu bitten, alle Zahlungen zu unterlassen. Mein Vormund, den ich schon lange Zeit inständig darum bitte, keinerlei Beträge für mich von Ihnen anzunehmen, hat meine Bitte nie erfüllt, hat mir vielmehr gesagt, dass er das gesandte Geld annehmen müsse, weil er sonst nicht imstande sei, mir Kost und Wohnung zu geben. Ich hätte diesen mir peinlichen Zustand noch länger ertragen müssen, wäre es mir inzwischen nicht gelungen, mir ein für meine Verhältnisse ausreichendes Einkommen zu verschaffen, das mich auch in die Lage versetzt, mir eine kleine Wohnung halten zu können. Ich bitte Sie also, Ihre Zahlungen sofort einzustellen und mich wissen zu lassen, wie viel Sie überhaupt für mich an meinen Vormund abgeführt haben, denn ich werde nicht eher ruhig sein, bis ich Ihnen jeden Pfennig dieser Summe wieder zurückerstattet habe. Von einem Mann, der meine Mutter hilflos allein ließ, als sie Hilfe am nötigsten brauchte, kann ich keine Geschenke annehmen, ganz gleich, in welchem Verhältnis er zu mir steht. Ich werde nicht ruhen und nicht rasten, bis ich eine Schuld, die mir gegen meinen Willen aufgedrängt wurde, abgetragen habe. Also, bitte, lassen Sie mich einfach die Höhe der in Frage stehenden Summe wissen, und dann werde ich Ihnen jeweilig überweisen, was ich zu entbehren vermag, bis diese Schuld getilgt ist. Am besten, Sie nennen mir Ihre Bank, damit ich an diese Zahlungen leisten kann.

Vivian Bruns

Auf diesen Brief hatte Vivian keine Antwort erhalten. Trotzdem musste der Brief Mister Reginald Gordon erreicht haben, da er sonst an sie zurückgekommen wäre, denn sie hatte genau den Absender angegeben. Sie wartete noch immer, dass eine Antwort eines Tages eintreffen würde, damit sie diese sie bedrückende Schuld loswerden könnte.

Dass auch ihr Vormund inzwischen an Mister Reginald Gordon geschrieben hatte und ihm Vivian als ein unvernünftiges stolzes Geschöpf geschildert hatte, das die Güte, die Mister Reginald Gordon an sie verschwendet habe, mit Undankbarkeit belohne, wie sie auch alles, was er und seine Familie für sie taten, nie anerkannt habe, ahnte Vivian nicht. Sie arbeitete fleißig, freute sich der Aufträge, die sie erhielt, und berechnete ihre Ausgaben so gewissenhaft, dass sie immer noch eine kleine Summe zurücklegen konnte, um sie sofort an Reginald Gordon senden zu können, sobald sie nur wusste, wie tief sie in seiner Schuld stand. Dass sie dazu wahrscheinlich einige Jahre brauchen würde, glaubte sie annehmen zu müssen. Wäre ihr die Höhe des in Frage stehenden Betrags bekannt gewesen, würde sie vermutlich eingesehen haben, dass es ihr unmöglich sei, jemals ihre Rechnung begleichen zu können.

Als Vivian eben mit besonderer Hingabe an einem Spitzenkragen arbeitete, den eine weibliche Figur auf ihrem Gemälde trug, vernahm sie auf einmal hinter sich die Unterhaltung zweier Herren in englischer Sprache. Sie beherrschte Englisch so tadellos, als sei es ihre Muttersprache, und sie wusste sehr wohl, woher das kam, und nicht minder, weshalb ihre Mutter ihr den Namen Vivian gegeben hatte. So hatte sie auch den Brief an Reginald Gordon in tadellosem Englisch geschrieben. Und nun verstand sie jedes der Worte, das die beiden Herren hinter ihr miteinander wechselten. Unwillkürlich lauschte sie mit Vergnügen auf deren Stimmen, die beide sehr wohllautend waren. Hauptsächlich die eine berührte sie überaus angenehm, sie schmeichelte sich ihr geradezu ins Herz.

Und diese Stimme sagte soeben: „Diese junge Dame scheint eine ausgezeichnete Kopistin zu sein, sieh dir an, wie meisterhaft sie diesen Rembrandt wiedergibt.“

„Ja, Percy, du hast recht, es fiel mir auch schon auf. Ich muss dir sagen, ich hatte nicht viel Hoffnung, in diesem Museum etwas Besonderes zu finden, was mir Freude machen könnte; aber einige Sachen sind schon beachtenswert. Darunter dieser Rembrandt.“

Vivian stieg das Blut ein wenig ins Gesicht. Die beiden Herren waren jedenfalls Engländer und hatten wohl keine Ahnung, dass sie ihre Worte verstand. Sie war noch im Zweifel, ob sie den Herren nicht sagen müsse, dass sie von ihr verstanden würden, denn es war ihr, als belausche sie die beiden unberechtigterweise.

In diesem Augenblick kam der Museumsdiener vorbei und sagte zu Vivian: „Fräulein Bruns, wie lange arbeiten Sie heute noch? Ich möchte zu Tisch gehen. Hat es Zeit, Ihre Sachen fortzuräumen, wenn ich wieder zurückkomme?“

Vivian wandte sich freundlich nach ihm herum. „Ja, Herr Berger, es hat so lange Zeit; ich möchte das Licht ausnützen, so lange es geht.“

„Dann verschwinde ich jetzt, Fräulein Bruns.“

Vivian nickte ihm zu; dabei sah sie neben Berger ein Männergesicht auftauchen, und ein paar graue Augen schauten ihr voll Interesse ins Gesicht. Unter dem Blick dieser Augen, die sie bewundernd ansahen, röteten sich ihre Wangen, und sie hätte darauf schwören mögen, dass es der mit Percy angeredete Engländer war, dem die schöne, klangvolle Stimme gehörte. Aber sofort wandte sie sich ihrer Arbeit wieder zu.

Der schlanke Engländer mit dem scharf geschnittenen, gebräunten Gesicht bedauerte, dass sie sich seinem Anblick entzog. Er sah zu dem Herrn hinüber, in dessen Begleitung er sich befand und der wohl gut zehn Jahre älter sein mochte als er selbst. Und da bemerkte er, dass sein Begleiter mit einem seltsam gespannten Blick auf die junge Malerin sah, die jetzt wieder ganz in ihre Arbeit vertieft war.

Sein Begleiter machte ihm verstohlen ein Zeichen, hier auf ihn zu warten, dann eilte er dem Museumsdiener nach.

Dieser wandte sich nach ihm herum, als er ihn anrief. Anscheinend war der Engländer auch der deutschen Sprache mächtig.

Er fragte hastig, während er dem Museumsdiener eine große Silbermünze in die Hand drückte: „Die junge Dame, mit der Sie eben sprachen, heißt Fräulein Bruns, nicht wahr, so nannten Sie sie?“

„Ja, Fräulein Vivian Bruns, eine unserer besten Kopistinnen. Sie wollen wohl eine Kopie bei ihr bestellen? Da kommen Sie gerade an die rechte Schmiede, mein Herr.“ Er sprach in der ruhigen, halblauten Art, wie sie hier im Museum üblich war.

Der Engländer hatte sich ein wenig verfärbt, sagte aber hastig, als greife er nur zu gern zu diesem Vorwand: „So ist es, ich hätte einen Auftrag für sie. Übrigens ist ihr Name mir schon genannt worden.“

„Na, dann reden Sie nur ruhig mit ihr. Die meisten Bestellungen bekommt sie ohnedies hier im Museum, das ist sie schon gewohnt; und Sie werden sehr gut bedient werden, mein Herr.“

Der Engländer neigte leicht das Haupt und kehrte zu seinem Begleiter zurück. Er winkte ihm verstohlen, ihm in einen der anstoßenden Räume zu folgen. Vivian bemerkte, dass sich die beiden Herren entfernten, und konnte es nicht unterlassen, einen Augenblick hinter ihnen herzusehen. Sie hätte gern noch eine Weile den beiden angenehmen Stimmen gelauscht. Zudem hatte sie das Gesicht des jungen Herrn gefesselt.

***

Die beiden Engländer waren in einem Nebenraum stehen geblieben, und der Jüngere fragte erstaunt: „Was ist dir? Weshalb hast du mich so schnell hier hergezogen? Ich muss gestehen, dass ich mir diese junge Malerin sehr gern noch etwas länger betrachtet hätte. Sie ist ungewöhnlich schön. Sie erinnerte mich an ein Bild von Gainsborough, das in Londrycastle hängt.“

Es zuckte etwas nervös im Gesicht des Älteren. „Ah, du meinst das Bild der Lady Gwendolin Londry?“

„Ja, das meine ich. Diese junge Dame gleicht unserer Ahnfrau ungemein.“

„Ich kann das nicht bestätigen, da ich ihr Gesicht nicht erblicken konnte. Aber wenn du es sagst, wird es schon so sein. Ich muss sie mir unbedingt nachher noch ansehen. Augenblicklich bin ich dazu zu erregt. Das wirst du verstehen, wenn ich dir sage, dass ich durch den Museumsdiener erfahren habe, dass sie Vivian Bruns heißt.“

Jetzt zuckte auch Percy zusammen. „Das wäre freilich ein seltsamer Zufall, dass wir gerade hier fänden, was du suchst.“

„Vielleicht braucht man es nicht unbedingt einen Zufall zu nennen; ich hatte in Erfahrung gebracht, dass, nun ja, dass sie sich ihren Lebensunterhalt durch Kopieren berühmter Gemälde verdient. Und daraus entstand mein Wunsch, mit dir jedes Museum in Berlin zu besuchen, in dem berühmte Gemälde hängen. Dass ich gleich hier Erfolg haben würde, hat mich aber doch ziemlich erregt. Kannst du dir denken, wie mir zumute ist?“

Percy lachte ein wenig. „Offen gestanden, nicht ganz. Aber ich finde diese junge Dame reizend, und es ist seltsam, dass sie mich an Lady Gwendolin erinnert.“

„Ich muss ihr ins Gesicht sehen, Percy. Glaube mir, schon ehe ich das getan habe, ist mir etwas Seltsames geschehen. Fast habe ich empfunden, dass, nun, du weißt ja, ich meine, dass zwischen meinem Blut und dem ihren magnetische Ströme hin und her gehen.“

„Also dann komm wieder hinüber und erzwinge dir irgendwie ihren Anblick.“

„Ja, nur lasse mir noch einige Minuten Zeit, damit ich mich fassen kann. Höre mir zu, der Museumsdiener sagte mir, sie sei eine der besten Kopistinnen, die hier im Museum arbeiten.“

„Um das festzustellen, hätten wir den Museumsdiener nicht nötig gehabt. Das haben wir längst selbst festgestellt, als wir ihre Arbeit sahen.“

„Gewiss, aber es wird mir als Vorwand dienen, sie mit nach England zu nehmen, nach Londrycastle, da es mir auf andere Weise nicht gelingen wird, sie dazu zu bewegen. Ich werde ihr sagen, dass sie mir sämtliche Bilder in meiner Galerie kopieren soll. Es handelt sich ja um eine Reihe berühmter Gemälde von den besten englischen und französischen Künstlern. Vielleicht lockt sie das.“

Percys Augen leuchteten verständnisvoll auf. „Ah, du willst ihr also nicht sagen, wer du bist?“

„Doch, wer ich bin, will ich ihr schon sagen, aber nicht, wer ich war und wie ich zu ihr stehe. Erst müssen wir uns beide sehr gut kennen lernen. Und wie könnte das besser geschehen, als wenn ich sie mit nach Londrycastle nehme? Ist sie wirklich so, wie man es nach ihrem Brief annehmen darf, dann, nun ja, dann werde ich sie für immer zu halten versuchen. Ist sie nicht so und können wir uns nicht nahe kommen, dann, ja, dann lasse ich sie ruhig nach Deutschland zurückkehren und bezahle ihre Arbeiten so gut, dass sie fernerhin keine Sorgen mehr haben soll. Ist das nicht ein guter Plan?“

„Ausgezeichnet. Sie darf nur niemals erfahren, dass Reginald Gordon jetzt Lord Londry ist.“

„So ist es. Und das wird so leicht nicht geschehen. Dafür lass mich sorgen. Aber nun wollen wir wieder zu ihr hinübergehen, um sie anzusprechen. Mir, als dem älteren Herrn, wird sie leichter Rede und Antwort stehen als vielleicht dir.“

„Zumal du dich ihr ja nur aus geschäftlichem Anlass nähern wirst. Also komm, Reginald!“

Langsam, wie unabsichtlich, gingen die beiden Herren wieder in den Rembrandtsaal, vor diesem und jenem Bild stehen bleibend und anscheinend ihre Urteile austauschend, während sie doch von nichts anderem sprachen als von Vivian Bruns, die gar nicht bemerkte, dass die beiden Engländer sich ihr wieder näherten.

Aber dann zuckte sie leicht zusammen, denn plötzlich vernahm sie wieder die Stimmen der beiden Herren, die vorhin eine Weile hinter ihr stehen geblieben waren. Sie gab sich aber den Anschein, sie nicht zu bemerken, bis der eine von ihnen sie in deutscher Sprache anredete.

„Bitte, verzeihen Sie mir, wenn ich störe, mein gnädiges Fräulein. Ich erfuhr durch den Museumsdiener, dass Sie Aufträge übernehmen würden, Gemälde zu kopieren.“

Vivian ließ die Hand mit dem Pinsel sinken, wandte sich herum und sah Lord Londry ins Gesicht. „Man hat Sie recht unterrichtet, aber Sie können ruhig Englisch mit mir sprechen, ich verstehe diese Sprache sehr gut.“

„Also, Miss Bruns, der Museumsdiener nannte mir Ihren Namen; ich habe mit Vergnügen gesehen, wie vorzüglich Ihnen die Kopie dieses Gemäldes gelungen ist. Gestatten Sie zunächst, dass ich mich vorstelle, ich bin Lord Londry – dieser Herr ist mein Vetter Percy.“

Damit stellte er diesen vor, verschwieg aber vorläufig dessen Namen Gordon, wie die Mitglieder der Familie hießen, ehe sie den Titel „Lord Londry“ erbten. Er fürchtete, Vivian könne sonst Verdacht schöpfen, und ihm lag ungemein viel daran, sie zu bewegen, ihm nach England zu folgen.

Vivian neigte lächelnd das Haupt. Als sie dabei Percy in die Augen sah, errötete sie leicht. Aber sie fasste sich schnell und ging kurzerhand auf das Geschäftliche ein.

„Wünschen Sie also, dass ich Ihnen eine Kopie anfertige?“, fragte sie, sich an Lord Londry wendend.

Dieser verneigte sich artig. „Nicht nur eine, ich möchte, dass Sie eine Anzahl Gemälde für mich kopieren, die sich in meinem Besitz befinden.“

„Ah – Sie meinen nicht eines der hier hängenden Gemälde?“

„Nein, es handelt sich um verschiedene Sachen von Gainsborough, Reynolds und anderen englischen Malern, auch um Kopien von französischen Künstlern, ganz abgesehen von einigen Gemälden von der Hand italienischer Meister.“

Es blitzte fast wie Sehnsucht in Vivians Augen auf. Konnte es sein, dass man ihr eine derartig interessante Arbeit übertragen wollte?

„Und das alles wollen Sie kopiert haben, Mylord?“

„Allerdings; und zwar, wenn Sie einwilligen, von Ihnen.“

„Da bringen Sie mir großes Vertrauen entgegen!“

„Es ist begründet; schon diese Arbeit verrät mir das, und überdies hörte ich, dass Sie eine der besten deutschen Kopistinnen sind.“

„Da hat man mir wohl zu viel Ehre angetan. Ich weiß doch nicht, ob ich Sie zufrieden stellen würde.“

„Das würden Sie bestimmt, Miss Bruns“, kam Percy Gordon seinem älteren Vetter zu Hilfe. „Wir haben Ihnen schon eine Weile zugesehen und sind überzeugt, dass Sie die nötigen Fähigkeiten besitzen.“

Wieder stieg eine leichte Röte in Vivians Gesicht. „Es ist sehr schmeichelhaft für mich, dass Sie mir einen so großen Auftrag erteilen wollen, aber vielleicht informieren Sie sich über mein Können erst noch gründlicher.“

„Ist nicht nötig; so viel verstehen wir selbst, um zu wissen, dass wir bei Ihnen an der richtigen Schmiede sind. Also: Würden Sie diesen Auftrag übernehmen?“

Vivians Augen leuchteten, als hätte sich die Sonne darin gefangen, was Percy seinerseits wundervoll fand.

Sie sah aber nur Lord Londry an und sagte mit unterdrückter Bewegung: „Sie können kaum wissen, wie sehr mich ein derartiger Auftrag beglücken und interessieren würde. Ich habe mir schon immer gewünscht, einmal englische, französische und italienische Künstler kopieren zu dürfen. Darf ich fragen, wo sich diese Gemälde befinden?“

„In England, in der Grafschaft Kent, dort liegt mein Stammhaus, Londrycastle, und diese Gemälde hängen dort. Ich wünsche diese Kopien für ein kleines Jagdschloss zu haben, das ich ebenfalls besitze. Sie müssten freilich mit nach England kommen.“

Vivian wurde ein wenig blass. Sie konnte nicht gleich fassen, was dieser große Auftrag für sie bedeutete. So sagte sie leise: „Die Arbeit würde sehr lange Zeit in Anspruch nehmen, Lord Londry!“

„Allerdings, Sie müssten sich also vollständig frei machen; sagen wir einmal für ein Jahr. Ihre Bedingungen nehme ich ohne jeden Vorbehalt an. Sie würden in Londrycastle wohnen und verpflegt werden. Die Reise hin und her würden Sie frei haben, das ist selbstverständlich. Ich würde auch sonst für jede Annehmlichkeit sorgen. Meine Hausdame, eine würdige alte Dame, kann Ihnen als Schutz dienen, falls Sie irgendwelche Bedenken haben sollten; denn Sie sind noch jung. Sie können sich auch auf der Englischen Botschaft nach mir erkundigen, damit Sie sichergehen. Ich bin auch bereit; als Sicherstellung Ihrer Ansprüche eine entsprechende Summe als Anzahlung auf einer deutschen Bank für Sie zu hinterlegen. Das müssten wir alles noch ausführlich besprechen. Vorläufig handelt es sich nur darum, ob Sie überhaupt bereit sind, meinen Auftrag zu übernehmen.“

Vivian presste ihre Handflächen fest zusammen, sie hatte Pinsel und Palette samt Malstock fortgelegt. „Das alles ist so verlockend, Lord Londry, dass ich es sehr bedauern würde, sollte sich diesem mir gemachten Anerbieten etwas in den Weg stellen.“

„Das liegt lediglich bei Ihnen!“, warf Percy rasch ein, der wohl merkte, wie erregt sein Vetter innerlich war.

Sie sah ihn mit ihren schönen Augen an. „Doch nicht ganz; ich müsste erst dieses Bild fertig machen und einige weitere Aufträge zu verschieben versuchen, was mir wohl gelingen wird. Nur weiß ich nicht, ob diese Angelegenheit so lange Zeit haben würde.“

„Wie lange glauben Sie zu brauchen, bis Sie nach England reisen könnten?“

Sie überlegte, sah auf ihr Bild und sagte dann ruhig und bestimmt: „Vierzehn Tage brauche ich noch auf alle Fälle.“

Lord Londry atmete auf. „So lange Zeit gebe ich Ihnen gern, Ihre Arbeit zu beenden. Mein Vetter und ich gedenken sowieso, einige Wochen in Berlin zu bleiben, da wir noch verschiedene Geschäfte hier zu erledigen haben. Wenn es Ihnen recht ist, nehmen Sie heute den Tee mit uns im Hotel. Sie werden ohnedies kein gutes Licht mehr zum Malen haben. Ist Ihnen das recht?“

Vivian sah etwas verlegen aus. Wohl war sie eine Frau, die auf sich selbst gestellt war und die auch sonst ohne jeden Schutz auskommen musste, seit sie das Haus ihres Vormunds verlassen hatte, aber immerhin musste sie erst einige Widerstände überwinden.

Das schienen die Herren zu verstehen. Lord Londry sagte schnell: „Ich habe die Teestunde gewählt, damit Sie ohne Bedenken in der Hotelhalle mit uns zusammentreffen können.“

Sie verneigte sich dankend. „Sie sind sehr liebenswürdig, an dergleichen zu denken. Ich stehe noch nicht lange allein im Leben und muss mich erst an die Selbstständigkeit gewöhnen. Aber Sie haben Recht, ich kann unbesorgt zu dieser Stunde in die Halle des Hotels kommen. Wollen Sie mir bitte dessen Namen nennen?“

„Wir wohnen im Hotel Adlon.“

Wieder verneigte sie sich in ihrer stolzen und doch anmutigen Art. „Wollen Sie mir die Zeit angeben?“

„Um fünf Uhr, wenn ich bitten darf.“

„Ich werde pünktlich sein.“

Die Herren verabschiedeten sich nun in der artigsten Weise, und Vivian sah ihnen eine Weile nach, wie von einem schönen Traum befangen. War das alles Wirklichkeit? Sollte sie tatsächlich einen so märchenhaft günstigen Auftrag erhalten, in einem englischen Schloss bei einem vornehmen Lord, und – vielleicht traf sie dort auch diesen jungen Vetter von Lord Londry, den er Percy genannt hatte? Sie gab sich bei dieser Frage einen Ruck und einen ziemlich ernsten Verweis. Was ging sie dieser junge Engländer an? Sie hatte es nur mit Lord Londry zu tun und würde sich so wenig wie möglich um dessen Vetter kümmern! Aber gefallen hatte ihr dieser sehr. Aber war alles nicht bloß ein Traum, aus dem sie erwachen würde? Hatten sich die beiden Herren vielleicht nur einen schlechten Scherz mit ihr erlaubt? Waren sie fort auf Nimmerwiedersehen? Der Gedanke bedrückte sie eine Weile, aber dann richtete sie sich auf. Nein, sie hatten beide sehr vertrauenswürdig, sehr vornehm und gediegen ausgesehen, und sicherlich beruhte alles auf Wahrheit.

***

Lord Londry und sein Vetter Percy waren direkt nach der Unterredung mit Vivian zurück zum Hotel gefahren. Kurz vor fünf Uhr begaben sich die beiden Herren in die Halle, wo sie an einem Tischchen Platz nahmen und sich anscheinend in Zeitungen vertieften. Dabei ließen sie aber beide die Eingangstür nicht aus den Augen.

Langsam füllte sich der nebenan liegende Teeraum, und die Musiker stimmten schon ihre Instrumente. Es war genau fünf Uhr, als Vivian Bruns ein wenig zögernd vor der Tür stehen blieb, dann aber entschlossen eintrat.

Percy erblickte sie zuerst. „Sie kommt, Reginald! Ist es nicht seltsam, aber ihre Mutter kannte den Namen der meinen, und aus irgendeinem Grund wird sie diesen ihrer Tochter gegeben haben.“

Percy wollte aufspringen und Vivian entgegengehen, die, wenn auch mit klopfendem Herzen, doch anscheinend ruhig umherblickte.

Aber Reginald Londry sagte leise: „Bleib sitzen, es ist unverfänglicher, wenn ich als der Ältere und ihr Auftraggeber sie empfange.“

Er erhob sich und ging Vivian artig entgegen, begrüßte sie mit der selbstverständlichen Sicherheit des gut erzogenen Mannes und sagte ihr, dass er sich freue, dass sie Wort gehalten habe und so pünktlich sei.

Vivian erwiderte mit einem reizenden Lächeln, Pünktlichkeit sei für sie eine Selbstverständlichkeit; und sie legte ohne Scheu für einen Augenblick ihre Fingerspitzen in seine Hand.

Jetzt kam auch Percy herbei und verneigte sich vor ihr. Sie begrüßte ihn mit einem leichten Neigen des Kopfes. Mit Vergnügen hatten die beiden Herren festgestellt, dass Vivian wohl sehr schlicht gekleidet war – sie trug ein dunkelblaues Kostüm –, aber darin und in dem kleinen, einfachen Hut durchaus vornehm und damenhaft wirkte.

Die Herren forderten ihren jungen Gast auf, mit ihnen in den Teeraum zu gehen, und führten sie dort zu einem für sie reservierten Tisch.

Percy brachte eine angeregte Unterhaltung in Gang, und in deren Verlauf verstand Vivian es sehr geschickt, den eigentlichen Zweck ihres Kommens zu betonen. Die Herren merkten, sie wollte durchaus nicht den Anschein erwecken, als habe sie sich mit ihnen nur zu einer netten Plauderstunde getroffen, sondern um in erster Weise über geschäftliche Dinge zu verhandeln.

So besprach man, was zu besprechen war, und sowohl Vivian als auch Lord Londry stellten ihre Bedingungen. Es ging dabei nicht anders zu, wie es in solchen Fällen üblich ist. Nur wurden in sehr angeregter Weise die künstlerischen Fragen des Auftrags erörtert.

„Mir scheint, es wird ein großer Gewinn für uns sein, Sie in Londrycastle als Gast aufnehmen zu können“, sagte der Lord. „Eigentlich hatte ich an einen männlichen Kopisten gedacht. Nun aber werden wir eine sehr geistvolle junge Dame bei uns haben, und das wird uns gut tun. Seit meine Frau vor drei Jahren gestorben ist, nach einer nur fünfjährigen Ehe, sind wir, was weibliche Gesellschaft anbetrifft, lediglich auf meine Hausdame und auf die Damen aus der Nachbarschaft angewiesen. Sie werden uns doch erlauben, Ihnen zuweilen beim Malen zuzusehen? Oder stört Sie das?“

Vivian lächelte. „Ich bin es vom Museum her gewohnt, dass irgendwer mir zuschaut. Das stört mich durchaus nicht. Es wird aber für Sie sehr langweilig sein.“

„Man darf dabei doch ein wenig mit Ihnen plaudern, Miss Bruns?“, fragte Percy, sie bittend ansehend.

Sie errötete ein wenig, entgegnete aber nach einem Blick in das Gesicht des Lords: „Wenn Ihnen meine Unterhaltung genügt, gewiss.“

„Wir werden uns gern von Ihnen ein wenig in der Kunstgeschichte unterrichten lassen; dessen bedürfen wir beide, Lord Londry sowohl als auch ich.“

„So viel ich das vermag, gern.“

Sie plauderten noch über dies und das, und Percy fragte, ob es sie stören würde, wenn sie noch einige Male ins Museum kommen und sich von den Fortschritten des Rembrandtbildes überzeugen würden. Unbefangen gestattete Vivian das.

Nach Verlauf einer Stunde hielt Vivian es für angezeigt, wieder aufzubrechen. Es war nun alles Nötige besprochen worden, und sie brauchte nun eigentlich nur noch ihrem Vormund Bericht zu erstatten.

Die beiden Herren erhoben sich zugleich mit ihr und begleiteten sie bis zum Ausgang des Hotels. Gern hätte Lord Londry Vivian sein gemietetes Auto zur Verfügung gestellt, aber er wusste nicht einmal, ob sie das annehmen würde, und wollte sich jedenfalls keine Absage holen. So standen die beiden vor dem Portal und sahen ihr nach, wie sie schlank und aufrecht dahinschritt. Dann sahen sie sich beide an, ohne ein Wort zu sagen. Sie hatten kein Verlangen danach, in den Teeraum zurückzukehren. Sie nahmen in der Halle an einem kleinen Tisch Platz. Sie rauchten eine Zigarette, sahen den Rauchwölkchen nach und – dachten beide sehr angelegentlich an Vivian Bruns.

***

Vivian beschloss, gleich jetzt zu ihrem Vormund zu gehen. So brauchte sie nicht ihre Arbeitszeit daranzugeben. Leichten, beschwingten Schritts begab sie sich zur Elektrischen, die sie in die Nähe der Wohnung ihres Vormunds führen sollte.

Diese lag in Charlottenburg, in einer der kleinen, stillen Nebenstraßen, in denen man vergessen kann, dass man sich in der Riesenstadt Berlin befindet. Vivian war diese Straße wohl bekannt, hatte sie doch fast ihre ganze Jugend hier verlebt. Sie kannte jedes Haus, jeden Laden, jedes Schaufenster. Und obwohl sie noch nicht lange aus dieser Straße fortgezogen war, dünkte es sie, als hätten sich Welten zwischen ihr und diesem Idyll aufgebaut.

Bald war sie bis an die Haustür gekommen, die zur Wohnung ihres Vormunds, des Rechnungsrats Karl Holstein, führte. Sie musste zwei Stufen emporsteigen und dann die schmale Haustür öffnen. Hier gab es noch keinen Portier und keine verschlossene Tür, durch die kein gewöhnlicher Sterblicher ohne weiteres Einlass findet. Die Tür öffnete sich unter Vivians Hand sehr leicht. Schnell schritt sie durch den schlecht beleuchteten Hausflur, und ein Lächeln flog über ihre Züge, als sie daran dachte, dass sie in kurzer Zeit für mindestens ein Jahr in einem englischen Schloss weilen würde.

Im ersten Stockwerk zog sie die Wohnungsklingel, und gleich darauf öffnete ein kleines, halbwüchsiges Dienstmädchen die Tür.

Es grinste Vivian mit breitem Lächeln an. „Gotte doch! Das Fräulein Vivian! Guten Tag auch!“

Freundlich sah Vivian von ihrer stolzen Höhe auf sie hinab. „Guten Tag, Meta! Sind die Herrschaften zu Hause?“

„Jawohl, alle drei sind vorhanden, Fräulein Vivian.“ Meta strahlte. Vivian war die einzige Person, die ihr in diesem Haus von Zeit zu Zeit ein gutes, freundliches Wort gegönnt hatte. Das vergaß Meta nicht.

Vivian trat ein, und Meta schloss hinter ihr die Korridortür. Dann schoss sie auf eine andere Tür zu, öffnete diese nicht gerade geräuschlos und rief ins Zimmer hinein: „Das Fräulein Vivian ist da!“

Lächelnd nickte Vivian ihr zu, als sie, an ihr vorüberschreitend, das Zimmer betrat. Ihren Augen bot sich ein Bild, das sie mit größter Genauigkeit hätte malen können, wenn es nur nicht gar zu langweilig gewesen wäre.

Es war das Wohnzimmer der Familie Holstein. Auf dem altmodischen Sofa saß der Herr Rechnungsrat, eine ausgebreitete Zeitung vor sich. Neben ihm, ganz in die Ecke gedrückt, hatte seine Frau, Tante Marga, Platz gefunden. Dem Paar gegenüber saß Base Ida, der einzige Spross dieser Ehe.

Alle drei Gesichter wandten sich ihr zu.

„Ah, das Fräulein Vivian? Und so elegant und vornehm? Du machst wohl sehr gute Geschäfte mit deinen Bildern, dass du dich so kleiden kannst“, sagte Ida gehässig und sah neidisch zu der schönen, stolzen Erscheinung der Eintretenden auf.

„Was verschafft uns die hohe Ehre?“, fragte der Vormund spöttisch.

Und Tante Marta meint wenig liebevoll: „Wenn du den Tee mit uns hast trinken wollen, kommst du zu spät – er ist alle geworden.“

Vivian hatte das Gefühl, dass sie entweder laut lachen oder laut schreien müsse, um sich von dem zu befreien, was ihr auf einmal wie ein Alp auf der Brust lag.

Sie tat aber keines von beiden, sondern sagte nur: „Ich danke, Tante Marta, Tee habe ich bereits getrunken. Darf ich mich zu euch setzen? Ich habe einiges mit euch zu besprechen.“

Mit einer Handbewegung, als teile er eine große Gnade aus, zeigte der Rechnungsrat auf einen Stuhl. Sie ließ sich darauf nieder, nachdem sie Hut, Jacke und Handschuhe abgelegt hatte.

„Was hast du uns zu sagen?“, fragte der Rat kühl und von oben herab.

Vivian musste sich bezwingen, ihm nicht ins Gesicht zu lachen, wie sie es schon früher oftmals gern getan hätte. „Ich wollte euch davon Mitteilung machen, dass ich in wenigen Wochen nach England gehen werde.“

„Nach England? Was willst du denn dort?“, fragte der Vormund barsch.

„Ich habe den Auftrag erhalten, eine Anzahl von Gemälden alter Meister in einem englischen Schloss zu kopieren.“

Der Vormund sah sein Mündel geradezu strafend an. „Das ist doch nur ein schlechter Scherz! Ich muss mir dergleichen verbitten“, stieß er ziemlich empört heraus.

Vivian blieb ruhig. „Es ist durchaus kein Scherz. Soeben komme ich aus dem Hotel Adlon, wo ich mit Lord Londry alles nötige vereinbart habe.“

„Du hast vermutlich mit ihm geliebäugelt, und deshalb will er dich anstellen; denn deine Malereien sind doch nicht so viel wert, dass du einen derartigen Auftrag bekommen würdest“, stellte Ida gehässig fest.

Vivian sah sie mitleidig an. „Arme Ida, wie bist du zu bedauern“, sagte sie leise vor sich hin. Aber Ida hatte es doch gehört und bekam vor Ärger einen roten Kopf.

Der Rechnungsrat aber fuhr seine Tochter an: „Halte den Mund, bis du gefragt wirst!“ Und zu Vivian gewandt, fuhr er fort: „Was sind das für Fantastereien? Hast du dir wirklich von irgendeinem Schwindler weismachen lassen, dass er dich nach England auf sein Schloss holen will? Liegt wohl im Mond, dieses Schloss?“

„Nein, in der Grafschaft Kent, es heißt Londrycastle. Und ich bin gekommen, dich zu bitten, mir deine vormundschaftliche Erlaubnis zu geben, nach England gehen zu können.“

Der Rechnungsrat schlug wütend mit der Hand auf den Tisch. „Ausgeschlossen, ganz ausgeschlossen! Ich werde mich hüten, dir diese Erlaubnis zu geben! Einem Schwindler bist du in die Hände gefallen, einem Betrüger, den dein hübsches Gesicht verlockt hat! Soll es dir gehen, wie es einst deiner Mutter ergangen ist? Nein, nein; solange du noch unter meiner Vormundschaft stehst, gebe ich dir die Erlaubnis nicht, dich auf ein solches Abenteuer einzulassen.“

Vivian war bei Erwähnung ihrer Mutter das Blut ins Gesicht gestiegen. Sie sagte jetzt hart und kalt: „Meine Mutter lasse bitte aus dem Spiel, sie ist tot. Im Übrigen wirst du mir doch wohl die Erlaubnis geben müssen, da du andernfalls meinem Fortkommen hindernd im Weg stündest. Ich müsste mich sonst an das Vormundschaftsgericht wenden. Zu deiner Beruhigung kann ich dir sagen, dass es sich um eine ganz ernsthafte Sache handelt. Ihr scheint mir allerdings nicht zuzutrauen, dass meine bescheidenen Fähigkeiten es mir ermöglichen, einen derartigen Auftrag auszuführen. Lord Londry ist anderer Ansicht. Er besitzt eine große Anzahl Gemälde, die sehr kostbar sind und von denen ich Kopien für ein ihm gehörendes Jagdschloss anfertigen soll.“

Der Vormund und seine Tochter lachten gehässig auf. Höhnisch sahen sie Vivian an, und Tante Marta schüttelte bekümmert den Kopf.

„So ein Unsinn!“, sagte sie.

Und Ida rief höhnisch: „Für so dumm hätte ich dich nicht gehalten!“

Der Vormund aber fragte entrüstet: „Glaubst du wirklich, dass es sich um einen ernst zu nehmenden Auftrag handelt? Dann kannst du mir Leid tun. Selbstverständlich ist das alles bloßer Schwindel.“

Vivian schloss einen Augenblick die Augen, weil sie es nicht länger ertragen zu können glaubte, in diese drei Gesichter zu sehen. Dann sagte sie sehr ruhig: „Ich selbst brauche keine Beweise, dass es sich um einen ernst zu nehmenden Auftrag handelt; aber weil ich annahm, dass du nicht so leicht zu überzeugen sein würdest, habe ich den Lord um Zustimmung gebeten, dass du dich bei der Englischen Botschaft nach ihm erkundigen kannst. Im Übrigen wird mein Auftraggeber morgen bei der Deutschen Bank ein Konto auf meinen Namen eröffnen, auf das er eine Garantiesumme für mich einzahlt.“

Jetzt starrten alle drei Vivian an, als hörten sie nicht recht, und die immer wache Habgier des Rechnungsrats regte sich sogleich.

„Ich werde auf der Deutschen Bank anfragen, ob das stimmt. Und wenn ja, wird es das beste sein, du gibst mir eine Bankvollmacht, damit ich den Betrag auf mein Konto übertragen lassen kann. Das ist sicherer für dich.“

„Ich wüsste nicht, warum das sicherer sein sollte.“

„Wie alt ist denn dieser Lord Londry?“, fragte die praktische Tante Marta.

„Das kann ich dir nicht genau sagen, ich denke, dass er so um die Mitte vierzig sein wird.“

„Nun, das ist noch nicht zu alt, um Torheiten zu begehen. Ist er wenigstens verheiratet?“

„Er ist Witwer, hat seine Frau bei der Geburt eines Sohnes verloren, der tot zur Welt kam. Aber in seinem Haus lebt eine würdige alte Dame, eine Hausdame, unter deren Schutz ich mich stellen soll.“

Von dem jungen Percy sagte Vivian lieber nichts, obwohl sie annehmen musste, dass auch er in Londrycastle lebte.

Ida lachte höhnisch. „Na, wer weiß! Ich an deiner Stelle würde nicht mit ihm gehen, lieber sterben.“

Vivian sah die Kusine wieder mit einem mitleidigen Blick an und sagte nichts als: „Arme Ida!“

Diese fuhr auf. „Ich verbitte mir, dass du mich immer bedauerst!“

„Es ist das einzige Gefühl, das ich für dich aufbringen kann, Ida. Lass uns nicht im Groll auseinander gehen, vielleicht sehen wir uns nie wieder.“

Ida zuckte die Achseln, als sei ihr das sehr gleichgültig.

Vivian wandte sich nun wieder dem Vormund zu. „Wirst du dich nach Lord Londry erkundigen, Onkel Karl?“

„Es ist meine Pflicht!“, sagte der Vormund würdevoll.

Vivian gab ihm noch einige Auskünfte und verabschiedete sich dann höflich, aber ohne eine Spur von Wärme.

Als sie draußen war, begannen Tante Marta und Ida über sie herzufallen. Es stand bei diesen beiden Frauen fest, dass Vivian nur auf schlechtem Weg ein derartiges Glück gefunden haben könnte. Es erschien ihnen ganz unmöglich, dass Vivians Können allein den vornehmen Lord dazu bewogen haben sollte, sie aufzufordern, zu ihm auf sein Schloss zu kommen. Und vielleicht hatten sie wirklich darin Recht, dass der Lord andere Beweggründe für seine Handlungsweise hatte; nur dass diese ganz anderer Art waren, als sie bei ihrer niedrigen Denkweise annahmen.

***

Vivian verging die Zeit wie im Flug. Solange sie Tageslicht hatte, malte sie in dem Rembrandtsaal, und sobald es dunkel wurde, machte sie Besorgungen. Sie sagte sich, dass sie sich noch einige Kleider anschaffen müsse, denn Lord Londry hatte ihr wohl nicht ohne Grund einen sehr reichlichen Vorschuss gezahlt. Er mochte wünschen, dass sie in seinem Schloss gut gekleidet sei. So schaffte sie sich zwei hübsche, wenn auch einfache Abendkleider und einige andere Sachen an. Sie wollte anständig auftreten können; das war sie dem Lord, der ihr einen so glänzenden Auftrag erteilt hatte, schuldig.

Der Vormund hatte sie einige Tage nach ihrem letzten Besuch in ihrer Wohnung aufgesucht und ihr erklärt, die eingezogenen Erkundigungen über Lord Londry seien so ausgefallen, dass er sie mit ihm nach England gehen lassen könne. Auch die Garantiesumme sei auf der Bank eingegangen. Er sei zwar nach wie vor der Meinung, dass das Geld auf seinem Konto besser aufgehoben sei, da sie ihm aber absolut keine Vollmacht zu geben wünsche, müsse sie eben die Verantwortung dafür allein tragen. Im Übrigen möge sie nie vergessen, welche gute Erziehung sie in seinem Hause genommen habe, wo Tante Marta ihr das leuchtende Vorbild einer hochwertigen Frau gewesen sie und wo auch ihre streng tugendhafte Base Ida ihr ein gutes Beispiel gegeben habe, wie ein anständiges Mädchen sich verhalten solle. Er hoffe sehr, sie werde ihm keine Schande machen, nun er sie noch weiter als in der letzten Zeit aus dem Bereich seiner Obhut lassen müsse.

Für Vivian waren diese salbungsvollen Worte geradezu quälend; sie war sich bewusst, solcher Vorbilder nicht bedurft zu haben. Und sie hätte ihm gern gesagt, dass es durchaus nicht ihr Ehrgeiz sei, seiner Frau und seiner Tochter nachzuarten. Aber das unterließ sie aus Schonung für ihn und seine Familie.

Nun war die Rembrandtkopie fertig. Vivian hatte sie abgeliefert und das vereinbarte Honorar erhalten. Ihr Auftraggeber äußerte sich sehr zufrieden über ihr Werk.

Auch die Vorbereitungen für die Reise waren abgeschlossen; die Koffer, ein alter und ein neuer, standen gepackt und zur Abholung bereit, und das Handgepäck mit den nötigen Kleinigkeiten für die Reise war auch schon geschlossen. Ihre kleine Wohnung hatte Vivian einer Kollegin überlassen können, die sehr froh darüber war und alles bestens instand zu halten versprach. Und nun wartete sie mit Ungeduld auf das Auto, das ihr Gepäck abholen sollte. Ihr Herz klopfte jetzt doch wieder ein wenig bänglich, und sie fragte sich, ob wirklich alles Wahrheit sei, was sie erlebt hatte und noch erleben sollte. Aber dann atmete sie auf; das Gepäckauto mit einem Hausdiener aus dem Hotel hielt vor der Tür, und gleich darauf klingelte es draußen.

Die Koffer wurden wirklich abgeholt, und bald darauf kam auch das Auto, das sie zum Bahnhof brachte.

Schon ehe sie dort ausstieg, sah sie die beiden Herren vor dem Eingang warten und nach ihr Ausschau halten. Neben ihnen stand ein Hausdiener, der Vivians Handgepäck ergriff und es ihr nachtrug.

Die Herren begrüßten Vivian. Sie nahmen mit Vergnügen wahr, wie elegant und vornehm sie in ihrem Reisekleid aussah. Sie schritten mit ihr durch die Bahnhofshalle den Bahnsteig entlang und hielten vor einem Durchgangswagen an.

Artig halfen sie Vivian beim Einsteigen und führten sie in ein vorbestelltes Abteil erster Klasse. Vivian sah fassungslos hinein, wagte aber nichts zu sagen, als Percy sie nötigte, sich auf einem der Fensterplätze niederzulassen.

Er klappte dann, als sei das ganz selbstverständlich, das kleine Tischchen vor ihr auf, legte Lektüre, einige Rosen und eine Bonboniere vor sie hin und fragte artig, ob sie noch irgendwelche Wünsche habe. Vivian atmete tief und schwer wie im Traum.

Dann sah sie zu Lord Londry hin, der sich ihr gegenüber niedergelassen hatte, und sagte ganz verzagt: „Lieber Gott, nein, Sie lassen mir ja gar nichts zu wünschen übrig. Soll ich denn wirklich in diesem Abteil hier reisen?“

Percy nahm neben seinem Vetter Platz, und der Lord erwiderte ruhig: „Da ich mit meinem Vetter ohnedies dieses Abteil hatte freihalten lassen, wäre es unnütz gewesen, für Sie noch in einem anderen einen Platz zu belegen.“

Das leuchtete Vivian ein.

Nach einer Weile fragte der Lord, während er Vivian ihre Reisekarte überreichte: „Wie kommen Sie als Deutsche eigentlich zu dem englischen Vornamen Vivian?“

„Eine meiner Großmütter war Engländerin; man hat mir ihren Namen gegeben.“

„Ah, also fließt auch in Ihren Adern englisches Blut, Miss Bruns“, sagte Percy. „Deshalb sprechen Sie auch ein so ausgezeichnetes Englisch. Das muss doch angeboren sein!“

Etwas glitt wie ein Schatten über Vivians Stirn, und sie begann schnell von etwas anderem zu sprechen. Die Herren gingen auch ungesäumt darauf ein, und man unterhielt sich wieder einmal über die Kunst, besonders über die Malerei.

Dabei wurde Vivian, wie immer, sehr lebhaft, und die Zeit verging schnell, bis man zum Mittagessen in den Speisewagen gerufen wurde. Percy hatte bereits drei Karten genommen und geleitete Vivian besorgt nach dem Speisewagen, damit sie infolge des Rüttelns des Zuges nicht rechts oder links anstieße.

Lord Londry war etwas neidisch auf seinen Vetter, und als Vivian kurz vor ihm den Speisewagen betrat, sagte er zu ihm: „Auf dem Rückweg werde ich sie beschützen.“

Percy sah lachend zu ihm zurück. „Soll geschehen! Verzeih, dass ich mich vordrängte.“

Sie lachten sich aber dabei an. Dann saßen sie an einem der sauber gedeckten Speisewagentische; Vivian am Fenster, Lord Londry ihr gegenüber und Percy neben dem Vetter.

Die Herren hatten ihr heimliche Freude daran, wie gewandt Vivian sich bei Tisch benahm. Und immer lieber wurde ihnen diese junge Dame; immer mehr freuten sie sich darauf, dass sie nun eine Zeitlang, hoffentlich sogar für immer, mit ihnen in Londrycastle leben würde.

So verlief die Reise sehr angenehm für alle Teile. Man begab sich sofort an Bord des Dampfers, und auch da staunte Vivian wieder, wie prächtig sie untergebracht wurde. Sie freute sich an der herrlichen Seereise, die von schönstem Maiwetter begünstigt wurde, und fand es wundervoll, dass die beiden Herren so ritterlich um sie bemüht waren. Sie sagte sich, dass sie zeitlebens von dieser Reise in der Erinnerung zehren würde.

Am Abend des ersten Tages der Überfahrt nach England stand Vivian in Gedanken verloren an der Reling und schaute auf die leicht bewegten Meereswogen. Die Herren waren in die Bar gegangen, um sich einen Drink mischen zu lassen und dabei eine Zigarette zu rauchen. Vivian benutzte diese Zeit zu einer Deckpromenade und stand nun verträumt am Schiffsgeländer.

Sie wusste nicht, ob sie vor Glück und Freude jauchzen oder in einer unbestimmten Angst vor etwas Unnennbarem weinen sollte.

Jedenfalls war sie so bis in die tiefsten Tiefen ihres Innern erregt wie nie zuvor. Plötzlich schrak sie zusammen. Sie bemerkte, dass jemand neben sie trat, und sah sich nach ihm um. Es war Percy.

Über dem Arm trug er ein zusammengelegtes Tuch. „Mein Vetter und ich fürchteten, Sie könnten sich ohne genügenden Schutz der Abendkühle ausgesetzt haben. Ich bin beauftragt, Ihnen dieses Tuch zu bringen, damit Sie sich darin einhüllen können. Auf dem Wasser muss man vorsichtig sein.“

„Es ist überaus liebenswürdig von Lord Londry und Ihnen, meiner so besorgt zu bedenken. Es ist aber eigentlich gar nicht kühl.“

„Aber es steigen feuchte Dünste auf. Dies ist ihre erste Seereise, und wenn sie auch nur kurz ist, einen Rheumatismus hat man sich schnell geholt.“ Ohne sich beirren zu lassen, entfaltete er das Tuch und legte es über ihren nicht gerade sehr warmen Mantel.

Lächelnd, aber mit feucht schimmernden Augen sah sie zu ihm auf. „Es ist außerordentlich liebenswürdig von Ihnen beiden, und ich danke Ihnen herzlich für Ihre Mühe.“

„Es bedarf keines Dankes, es ist doch selbstverständlich, da Sie sich für diese Reise uns anvertraut haben. Mein Vetter wäre außer sich, wenn Sie sich erkälten würden.“

Sie atmete tief auf. „Lord Londry ist ein sehr gütiger und ritterlicher Mann. Ich gerate immer tiefer in seine Schuld.“

„Die Sie dadurch abtragen können, dass Sie ihm ein wenig helfen, über trübe Stimmungen hinwegzukommen.“

„Wüsste ich nur, wie ich das anfangen sollte!“

„Sie brauchen nichts zu tun, als ihn durch ein fröhliches Wesen und durch Ihre geistvollen Plaudereien abzulenken.“

Ganz hilflos zuckte sie die Achseln. „Was können meine bescheidenen Plaudereien einem so hochstehenden Mann bedeuten?“

„Sie dürfen eben nicht daran denken, dass er ein hochstehender Mann ist; denken Sie lieber daran, dass er ein einsamer Mensch ist, der sich nach etwas Freundlichkeit und Teilnahme sehnt.“

„Ist er denn so einsam? Er hat doch Sie!“

„Was können wir beiden Männer einander geben? Unsereiner besitzt nicht das Feingefühl, besitzt noch manches andere nicht, was den Frauen eigen ist. Jahrelang lebte mein Vetter auf seinem großen Schloss allein mit seiner Hausdame, bis ich auf seinen Wunsch zu ihm kam. Ich bin von Hause aus vermögenslos; er gewährte mir ein sorgloses Leben.“

Sie nickte versonnen. „Er ist ein selten großmütiger Mensch.“

„Ich hoffe, auch Sie fühlen sich zu ihm hingezogen.“

„Sehr. Hoffentlich kann ich ihn mit meinen Arbeiten zufrieden stellen.“

„Davon bin ich überzeugt. Aber Sie werden ihm auch eine große Wohltat erweisen, einfach dadurch, dass Sie da sind, dass Sie an seinem Leben in Londrycastle teilnehmen, dass Sie ihn ablenken von seinen trüben Gedanken. Er hat es in seinem Leben nicht immer so leicht gehabt wie jetzt. Auch er war einst ein armer Schlucker, hat den Weltkrieg mit all seinen Schrecknissen mitgemacht und auch sonst viel Schlimmes erlebt, ehe es dazu kam, dass er Lord Londry wurde. Dann heiratete er eine Dame, die nicht nur schön, sondern auch klug und gütig war und ihm volles Verstehen entgegenbrachte. Fünf Jahre lebte er in schönster Eintracht mit ihr. Vollends aber schien sein Glück auf den Gipfel gelangt zu sein, als er die Hoffnung hatte, dass seine Frau ihm ein Kind schenken würde; und statt dass dieser sehnliche Wunsch in Erfüllung ging, verlor er an einem Tag Frau und Kind.“

„Wie bedauernswert ist er, trotz seines Reichtums, trotz seiner bevorzugten Stellung!“

„Nicht wahr? Aber das Schlimmste ist, dass er unter einer Schuld leidet, die er vor vielen Jahren ohne es zu wissen und zu wollen auf sich geladen hat. Er möchte so gerne gutmachen, aber der einzige Mensch, an dem er gutmachen könnte, sträubt sich dagegen. Und das quält ihn. Können Sie das verstehen?“

Sie nickte. „Oh, nur zu gut! Aber wenn ihn doch danach verlangt, gutzumachen, und der andere will es ihm nicht gestatten, dann kann man ihm das doch unmöglich anrechnen.“ Das sagte Vivian mit herzlicher Teilnahme.

Percy sah sie aufmerksam an; es war, als wollte er etwas äußern, hielt es aber zurück, indem er die Lippen fest zusammenpresste.

Eine Weile standen die beiden jungen Menschen schweigend nebeneinander und sahen auf das Flimmern des Mondlichts auf den Wellen.

Sie schraken zusammen, als auf einmal Lord Londry zu ihnen trat. „Wundervoller Mondschein! So recht kann man den doch nur auf dem Wasser genießen“, sagte er.

„Wir haben ihn ebenfalls bewundert, Miss Bruns und ich; es war sehr gut, dass ich ihr auf deine Veranlassung ein Tuch brachte, denn es ist ziemlich kühl.“

„Aber wundervolle Luft! Wie gefällt Ihnen Ihre erste Seereise, Miss Bruns?“, fragte der Lord.

Vivian wandte ihm ihre Augen zu. „Es ist einzig schön auf dem Meer. Man möchte niederknien und Gott danken, dass er so viel Herrliches geschaffen hat.“

Die beiden Herren sahen sie mit seltsam weichen Blicken an. Ihr süßes und doch so stolzes Gesicht zeigte eine tiefe Ergriffenheit, ihre Worte kamen aus einem frommen Herzen, waren nicht nur so hingesprochen; das empfanden sie.

Sie plauderten noch eine Weile zusammen, dann aber riet Lord Londry, das Deck zu verlassen; man könne noch ein halbes Stündchen im Salon verplaudern, ehe man zur Ruhe gehe.

Vivian und Percy waren sofort einverstanden. So saß man noch über eine Stunde zusammen und unterhielt sich sehr angeregt.

Am nächsten Morgen war wieder das schönste Wetter, das man sich für eine Seefahrt wünschen konnte. Vivian war schon sehr zeitig aufgestanden und auf Deck gegangen.

Die Herren hatten ihr gestern das ganze Schiff gezeigt und ihr alles erklärt, was sie wissen wollte. Sie waren dazu wohl imstande, denn sie waren seeerfahrene Männer, die große Reisen gemacht hatten und – gleich vielen ihrer Landsleute – sogar in Indien gewesen waren.

Als Vivian, in einen warmen Mantel gehüllt, die Deckpromenade entlangschritt, kamen ihr auf einmal die beiden Herren entgegen.

„Hallo, Miss Bruns, schon auf Deck? Wir glaubten, die ersten zu sein und wollten Sie hier erwarten!“, rief Percy ihr zu.

Sie lachte ihn fröhlich an und begrüßte die Herren. „Ich konnte es nicht mehr aushalten, als ich die Sonne scheinen sah. Da musste ich heraus. Bedenken Sie doch, dass diese Seereise und die, die ich nach getaner Arbeit wieder heimwärts machen werde, meinen ganzen Bedarf an dergleichen für alle Zeiten meines Lebens decken müssen. Da darf ich keine Minute auslassen.“

„Nun, nun, es ist doch noch nicht gewiss, dass Sie nicht noch andere Seereisen machen werden“, sagte Lord Londry, Vivians blühendes Gesicht mit Wohlgefallen betrachtend.

Sie lachte ihn an. „Doch, das ist ziemlich sicher, und ich bin auch so zufrieden. Sie kennen ja meine Ansicht, dass man etwas besonders Herrliches sparsam genießen soll.“

„Trotzdem muss ich offen gestehen, dass ich jetzt durchaus bereit bin, sämtliche Genüsse eines guten Frühstücks zur See in mich aufzunehmen. Sie nicht auch, Miss Bruns?“, fragte Percy lachend.

„Ich glaube“, erwiderte sie, „dass auch ich tüchtig zulangen werde; es ist fabelhaft, wie hungrig die Seeluft macht.“

„Es soll Menschen geben, die nur dieses angeregten Appetits wegen Seereisen unternehmen“, bemerkte der Lord.

„Das ist allerdings eine etwas kostspielige Appetitanregung.“

Man ging miteinander in den Frühstücksraum, und es darf nicht verschwiegen werden, dass Vivian kaum hinter den Herren zurückstand; sie langte tapfer zu.

Nach dem Frühstück machte man einen Deckspaziergang und sah verschiedenen Bordspielen zu, die Vivian samt und sonders unbekannt waren. Die Herren waren jedoch Kenner und machten ihre Bemerkungen darüber. Percy kündete Vivian an, dass sie alle diese Arten von Sport in Londrycastle gleichfalls würde treiben können.

Sie sah ihn erstaunt an. „Oh, ich werde andere Beschäftigung haben, Mister Londry.“

„Auch wir haben noch andere Beschäftigungen; aber gerade wenn Sie den ganzen Tag in der Galerie sitzen und den Geruch der Farben einatmen, ist es nötig, dass Sie auch genügend ins Freie kommen“, beeilte sich der Lord einzuwerfen; den ihm lag sehr viel daran, dass Vivian nicht so schnell mit ihrer Aufgabe fertig würde.

Percy kam ihm verständnisvoll zu Hilfe. „Das ist selbstverständlich. Einige Stunden am Tag gehören dem Sport. Ich denke, mein Vetter wird Ihnen auch ein gutes Pferd zur Verfügung stellen, damit Sie mit uns ausreiten können.“

Ganz erschrocken sah Vivian zu ihm hinüber. „Ich soll reiten?“, fragte sie, als sei ihr das unfassbar. „Ganz gewiss; Londrycastle liegt ziemlich weit entfernt von aller Nachbarschaft, und das Auto mag man nicht immer benutzen. Wir werden zuweilen zu Pferde unsere Nachbarn besuchen.“

Vivian sah den Lord unsicher an, sie war ganz blass geworden. „Aber ich kann ja gar nicht reiten, und solcher Luxus ziemt sich auch nicht für mich.“

„So werde ich Sie lehren zu reiten“, sagte der Lord ruhig und bestimmt, wobei Percy ihn ein wenig neidisch ansah, da er lieber gern selbst den Reitlehrer für Vivian abgegeben hätte. Aber er konnte seinen Vetter verstehen und half ihm großmütig noch weiter.

„Machen Sie nicht so erstaunte Augen, Miss Bruns! An englische Verhältnisse müssen Sie sich schon gewöhnen, wenn Sie für so lange Zeit in Londrycastle weilen. Alle unsere Damen reiten.“

Sie seufzte auf. „Ja, Ihre vornehmen Damen, das glaube ich schon. Aber wie käme ich dazu?“

„Oh, mitgefangen, mitgehangen, darum werden Sie nicht herumkommen. Sie glauben nicht, was für ein Vergnügen es ist, auf dem grünen Rasen dahinzutraben. Ich hoffe doch, dass Sie keine Angst vor einem Pferd haben?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nein; Angst habe ich nicht! Es muss herrlich sein, reiten zu können, aber Sie müssen schon verstehen, wie unerhört es mir erscheint, auf einen Pferderücken steigen zu sollen. Ich werde mir vorkommen wie eine Dame der großen Welt und bin doch nur ein armes, kleines Mädel.“

„Nun, Ihre Großmutter war doch, wie Sie sagten, Engländerin; auch sie hat sicherlich reiten können.“

Vivian wurde rot. „Das weiß ich nicht, aber bei uns in Deutschland reiten nur sehr vornehme oder sehr reiche Damen. Deshalb kommt es mir so fabelhaft vor, dass ich es tun soll.“

Percy zuckte gelassen die Achseln, als könne er ihr Empfinden nicht verstehen. „Darein werden Sie sich aber schon fügen müssen, Miss Bruns, wie in manches andere, was Ihnen bei uns ungewöhnlich erscheinen wird. England ist eben nicht Deutschland.“

Sie musste plötzlich lachen und sagte schelmisch: „Wenn ich dann wieder nach Berlin zurückgekehrt sein und wieder in meiner Zweizimmerwohnung oder im Museumssaal sitzen werde, dann werde ich glauben, dies alles geträumt zu haben.“

„Das können Sie ja nachher ruhig tun. Aber jetzt glauben Sie nur daran, dass Sie sich gegen keine neue englische Gepflogenheit sträuben dürfen.“

Sie lächelte etwas beklommen. „Also ich sträube mich gegen nichts mehr, was Lord Londry für gut und richtig hält. Er wird nichts anordnen, was nicht sein darf.“

Der Lord sah sie strahlend an. „Eine so gute Meinung haben Sie von mir?“

„Die beste, Mylord“, erwiderte sie schlicht, aber es lag eine so ehrliche Wärme in ihren Worten, dass er ihr dafür hätte die Hand küssen mögen.

Aber er sagte nur: „Das freut mich aufrichtig, Miss Bruns!“

***