Hrabans geheimnisvolle Reise zum Kontinent des Lächelns - Lotar Martin Kamm - E-Book

Hrabans geheimnisvolle Reise zum Kontinent des Lächelns E-Book

Lotar Martin Kamm

4,8

Beschreibung

Manchmal würde Hraban am liebsten einfach seine grüne Bettdecke über den Kopf ziehen, keine einzige Frage, Sorgen und Nöte an sich heranlassen, weil in letzter Zeit sowohl seine Eltern als auch Bert, sein bester Freund, von ihm zu viel abverlangten. Neulich bemerkte doch tatsächlich Papa am Küchentisch, Hraban sollte auf alle Fälle in der Lage sein, selbstständig den Müll rauszubringen, ohne dass Mama ihn oft daran erinnere... ...und 18 weitere Kurzgeschichten.

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Seitenzahl: 129

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Inhaltsverzeichnis

Als die Welt in Flammen stand

Als Mutter Erde den Atem anhielt

An der Schwelle eines neuen Zeitalters

Business as usual

Chantal läßt sich nicht zweimal bitten

Charlottes Reise durch die Unendlichkeit

Das Märchen vom Gasbar ohne Furcht und Tadel

Das Märchen von der heilen Welt

Der einsame Wolf und das Mädchen Lia

Dornburg - als rätselhafte Kräfte ihm begegneten

Eine Fahrt ins Blaue

Hrabans geheimnisvolle Reise zum Kontinent des Lächelns

Mitten im Atlantik

Nächtliche Besucher

Neulich am Strand

Pias Versuche

Trügerische Landidylle

UFO-Begegnungen mit Katzenjammer

Weihnachten im Tal der Elfen

Als die Welt in Flammen stand

Giseles Versuche einer aussichtslosen Flucht

Langsam lösten sich die ersten Gedanken in willkommene Erinnerungen an lieblichere Zeiten auf, überschlugen sich förmlich angesichts des rasant herannahenden Ereignisses, welches zunächst ziemlich überraschend eintrat. Niemand hatte mit einer dermaßen schnellen Entwicklung gerechnet, obwohl eigentlich genügend klare Indizien vorhanden waren, aber die meisten diese einfach verdrängt hatten, sie nicht wahrhaben wollten.

Nunmehr befanden sie sich mitten im Geschehen. Die nähere Umgebung erzitterte wie eine lodernd heiße Flamme, unsichtbar flackernd und dennoch gerade so mit dem bloßen Auge wahrnehmbar, ähnlich wie wir alle es kennen vom Lagerfeuer. Nur, daß diese undefinierbare Erscheinung bei den meisten eine gewisse Schockstarre hervorrief, sie nahezu bewegungslos kaum in der Lage waren, sich vom Fleck weg zu bewegen.

Die ersten unter ihnen sackten bereits zusammen, als Gisele nur noch eines kannte: weglaufen, so schnell wie möglich, sofortigst! Im Handumdrehen war die 23-jährige Rothaarige aufgesprungen, warf noch einen entsetzten Blick zurück auf die gespenstische Szenerie und verschwand leicht geduckt laufend hinter einer Reihe geparkter Autos an jenem Mittwoch nachmittag im Juli 2015. Überall registrierte sie hektisches Treiben, Glas zersplitterte, Detonationen waren nicht zu überhören, instinktiv hielt Gisele sich beide Ohren zu, stolperte kurz über eine weiße Katze, die mit weit aufgerissenen Augen in ihren Eingeweiden lag.

Dieses grauenhafte Bild hatte keine Chance, sich in ihrem jungen Gedächtnis einzunisten, zu viele heftige Eindrücke prasselten auf sie ein, entführten sie in eine gänzlich andere Welt als alles bis hierher Geschehene. Ihr wurde schlagartig bewußt, der Unterschied zwischen „geschönt manipulierte Fernsehberichte“ über Kampfhandlungen sowie Katastrophen und der sich jetzt abzeichnenden Realität. Die ließ sich aber nicht einfach per Fernbedienung ausschalten, sondern bedrohte ihr augenblickliches Leben. Was tun, fragte sie sich ständig verzweifelt, versuchte nicht die Orientierung zu verlieren trotz aufkommender Angst, die aber noch weit entfernt sie nicht unmittelbar berührte.

Lag genau darin eine Gelegenheit, rechtzeitig noch den Überblick für sich zu wahren, bevor sie in unvermittelte Fallen tappte oder Gefahren übersah? Gisele wußte im selben Moment, daß sie besser all ihre geistige Gegenwart aufbringen mußte. Das tat sie relativ bestimmt und erfolgreich. Ein verzweifelter Polizist meinte, er müsse sich an ihr festklammern, weil eine Horde wutentbrannter Rocker ihm hinterherrannte, doch Gisele drehte sich geschickt mit einer 90-Grad-Bewegung, ließ sehr kurz ihr rechtes Knie nach vorne schnellen, traf dessen Gemächt heftigst, so daß der Uniformierte zusammensackend von ihr abließ, sie weiterlaufen konnte. Sie hörte noch die jubelnden Rocker und kümmerte sich nicht weiter drum. Plötzlich bemerkte sie eine ganz andere Gefahr, die um ein vielfaches bedrohlicher ihr entgegentrat: eine Rotte wildgewordene Hunde, mindestens neun oder ein Dutzend, wie sie gerade noch erkennen konnte, ein Alpha-Rüde sie bereits zähnefletschend besprang. Mit einem gezielten Schlag auf dessen empfindliche Nase schickte sie ihn ins Reich der Träume, aus diesem er wohl nie wieder erwachen würde, weil das Stahl des Schlagrings den gesamten Oberkiefer zertrümmert hatte, der Anführer der Rotte röchelnd am Boden liegend erstickte. Wimmernd und reißausnehmend ergriffen die anderen die Flucht, mit einer solchen Gegenwehr hatten sie wohl nicht gerechnet.

Wer jetzt glaubte, eine personifizierte Lara Croft würde sich mal locker eben so der entflammten Welt entgegenstellen, befand sich im Irrtum. Gisele hatte lediglich wenigstens gelernt, sich mit einfachen, aber wirkungsvollen Kampftechniken zu wehren, bevor ein feindliches Gegenüber ihr Böses anzutun vermochte. Das schützte sie in diesen Momenten.

Giseles Versuche einer aussichtslosen Flucht

Doch da warteten noch manche jener gefährlichen Momente auf Gisele, die Umgebung erzitterte unaufhörlich, überall herrschte Chaos, schreiende Menschen liefen wirr durch die Gegend, schier grenzenlose Panik vermischte sich mit abgrundtiefem Haß, niemand konnte mehr dem anderen trauen, in Sekundenbruchteilen entschied Sympathie und Antipathie über das Leben des vermeindlichen Feindes. Hatte sie sich noch nachmittags vor einer Rotte Hunde in Sicherheit bringen können, eskalierten inzwischen die offensichtlichen Gewaltszenen. Dabei versuchte sie dennoch die letzten Tage zuvor zu reflektieren, erkannte plötzlich den Zusammenhang zwischen jenen Ereignissen und den zurückliegenden der letzten Jahre. Stets verlautete die Botschaft bei kritischen Querdenkern, daß die Regierungen sich längst von ihren Völkern abgewandt hatten, gemeinsam mit geldgierigen Konzernen der Pharma-, Rüstungs- und Ölindustrie, um nur die drei mal zu erwähnen, aber auch selbst mit kriminellen Elementen der Prostitution und dem Drogenmilieu sich arrangierten.

Der erreichte Profit schweißte zusammen, erschuf Allianzen, gegen die sämtliche Aussteiger, Spirituelle und eben Querdenker kaum eine Chance hatten, aus dieser menschenverachtenden Umklammerung sich zu befreien. Alles ordnete sich dem Willen dieser mächtigen Weltenbeherrscher unter, das Schreckgespenst von der NWO war Wirklichkeit geworden, ohne daß es den Völkern gelang, dies zu verhindern. Und auch Gisele war sich stets dessen bewußt gewesen.

Aber was nutzten all diese Überlegeungen, wenn nunmehr in ihrer unmittelbaren Umgebung letztlich Krieg ausbrach, denn als was anderes konnte sie es nicht mehr deuten. Kurz zuvor hatte ein Marschflugkörper zwei Straßenzüge weiter ein Bankgebäude getroffen, welches daraufhin in sich zusammenbrach. Eine kräftige Hand packte plötzlich ihre rechte Schulter und dessen linker Arm war im Begriff, ihre Taille zu umklammern, sie herum zu reißen. Was der Soldat völlig unterschätzte, betraf ihre geschulten Reflexe.

Sie ergriff seinen rechten Unterarm, beugte sich schlagartig nach vorne, so daß er unweigerlich gegen ihr Gesäß knallte, was ihr wiederum die Gelegenheit gab, über die Hüfte mit einer gleichzeitig heftigen Drehbewegung ihn auf den Boden zu schleudern. Im nächsten Moment hatte sie zielsicher seinen linken Arm ergriffen, ihren rechten Fuß in sein Kreuz gestemmt, kniete sich nieder und drückte seinen Arm heftigst nach oben. Ein Aufschrei war die Folge.

Ihr Glück war ihr hold, weil der Soldat Handschellen mit sich trug, die sie sofortigst einsetzte, seine Hände auf seinem Rücken fixierte, anschließend aufstand und ihn achtlos zurückließ. Kaum hatte Gisele daraufhin die Straße überquert, sah sie von weitem eine Kolonne Militärfahrzeuge auf sich zufahren. Im nächsten Augenblick hechtete sie daher in ein Geschäft, dessen Glastür offen stand. Geistesgegenwärtig duckte sie sich, warf einen scharfen Rundblick in den Schreibwarenladen, entdeckte ganz hinten eine Tür, rannte auf sie zu, stieß sie auf und befand sich im Treppenhaus.

Schon vernahm sie gezielte Befehle von den in den Laden hereinstürmenden Soldaten, als die 23-Jährige sich kurzentschlossen nach draußen begab, einen Hof schnellstens durchquerte, mit einem geschickten Satz über eine mannshohe Mauer sprang und dahinter weich in einem Blumenbeet landete, sich abrollte, aufsprang und ihre Flucht sofortigst fortsetzte. Die Rothaarigee wußte jetzt nur zu genau, daß die Soldaten nicht locker ließen. Zum zweiten Mal war das Glück auf ihrer Seite, stand dort doch am Haus eine Kawasaki KLE 650 Versys, wobei gar der Schlüssel steckte. Kurzentschlossen schwang sie sich auf das Sportmotorrad und fuhr im Nu davon, als gerade die wutentbrannten Soldaten über die Mauer sprangen. Zu spät, das Bike war entschieden zu schnell, Gisele ihren Verfolgern entkommen.

Giseles Versuche einer aussichtslosen Flucht

Normalerweise macht Bikefahren richtiggehend Spaß, wenn befreit aufatmend, den entgegenfliegenden Horizont im Visier, unzählige Assoziationen durch den Kopf schnellen, das Gefühl der Geschwindigkeit, des Rausches, vom Allerwertesten über den gekrümmten Rücken verteilend sich in wohlige Wärme auflöst. Kurz, Steppenwolfs „Born To Be Wild“ wurde nicht zufällig zum Biker-Hymnensong, er unterstreicht das pure Freiheitsgefühl.

Allerdings konnte Gisele derartige Gefühle nicht hegen, als sie just den Soldaten entkommen unterwegs war auf der Kawasaki in Richtung Autobahn, hin und wieder aus dem Hinterhalt irgendwelche Kugeln an ihrem Helm vorbeischossen, diese sie zum Glück nicht trafen. Die Sonne längst untergegangen, die anbrechende Nacht dennoch taghell erleuchtet vom Feuer ringsrum, zogen obendrein überall Rauchschwaden auf, Menschen liefen völlig verzweifelt gehetzt durch die brennende Landschaft, manche kreuzten achtlos ihren Weg, Gisele vermochte jedesmal gerade noch auszuweichen.

Schon hatte sie die Autobahn erreicht, als sie zur Rechten einen Hubschrauber bemerkte, der einen Suchscheinwerfer auf sie warf. Im nächsten Moment sah sie im Augenwinkel das Mündungsfeuer eines Maschinengewehrs, konnte geschickt gerade noch ausweichen, bremste äußerst scharf, schleuderte daher ein wenig, brachte aber das Bike an der Leitplanke zum Stehen und sprang sofort die Böschung hinab. Wie ein gehetztes Wild lief Gisele zunächst in ein Gebüsch und warf sich zu Boden. Der Helikopter umkreiste das Motorrad, jedoch die Besatzung hatte sie im rund fünfzig Meter weiter entfernten Grün nicht bemerkt, stand ein wenig ratlos neben der Kawasaki.

'Erst einmal tief durchatmen, mich sortieren. Was verbleibt mir noch?', waren ihre Gedanken. Sie wußte, daß sie vorerst sich nicht entfernen konnte, da bereits ein Jeep keine zehn Meter von ihr stand, überall Soldaten mit großen Taschenlampen die Gegend durchforsteten. In solch aussichtsloser Lage hatte sie eigentlich überhaupt keine Chance, als plötzlich jemand von hinten sie sanft berührte, ihr sofort den Mund zuhielt, ihr per Handzeichen zu verstehen gab, sie möge ganz still sein. Erstaunt blickte sie in wunderschöne grüne Augen einer Schwarzhaarigen, die zugleich Gisele aufforderte, ihr zu folgen.

Einige Schritte weiter befand sich ein Gullideckel, ihre Befreierin ging voraus, stieg hinab in den Schacht, forderte Gisele in eindeutiger Geste auf, mitzukommen und den Gullideckel von unten wieder auf den Eingang zu ziehen. Kaum geschehen, hörten die Beiden noch aufgeregte Stimmen ganz in der Nähe. Doch die Verfolger ahnten nichts, während die Frauen immer tiefer hinabstiegen. Marlene stellte sich kurz vor, gab Gisele zu verstehen, daß sie schon länger gewußt hatte, was da auf alle zukommen würde, so daß sie zusammen mit Gleichgesinnten sich hatten halbwegs vorbereiten können.

Zunächst durchfuhr Gisele eine Welle der Erleichterung, nach einem längeren Fußmarsch erklommen sie erneut eine Leiter und gelangten an einer etwas ruhigeren Straße am Rande der Stadt, die die Rothaarige allerdings nicht kannte. Eine Gruppe junger Menschen kam ihnen entgegen. Unerwartet spürten alle gleichzeitig eine merkwürdige riesige Spannung um sich herum, gerade so, wie wenn die gesamte Erde extrem innig und tief die Luft anhalten würde. Dann erfolgte ein Blitz, scharf, heller als jedwedes Sonnenlicht, verglühte gleichzeitig alles unter unendlich hoher Hitze, der atomare Einschlag vernichtete sämtliche Materie im Rausch seiner erbarmungslosen Urgewalt.

"Das wahre Grauen läßt nicht mit sich handeln." (Peter Rudi)

Als Mutter Erde den Atem anhielt

Zu Beginn einer ahnungsvollen Kälte

Grauzonen überragten den noch jungen Tag, der nicht im geringsten vielversprechend ihnen entgegenblickte mit seinen dunklen Wolkenpaketen, die nahezu bedrohlich unheimlich vom fernen Horizont ziemlich rasch ihnen lautlos entgegenschwebten. Trotzdem wagten sie einen schnellen Spurt über den Hof, obwohl ihnen Mama dies eindringlich verboten hatte. Aber die stets forschende Neugier hatte die beiden dazu angetrieben, die strengen Worte von Tanja, ihrer Mutter, einfach zu mißachten, zumal Amelie und Steven alles andere als stille Jugendliche waren.

In den letzten Tagen rumorte es erneut im ganzen Land, eigentlich fast überall in Europa, nachdem schreckliche Kriege im Osten des Kontinents die jahrzehntelang verwöhnte westeuropäische Bevölkerung aus ihrem arglos konsumorientierten Dornröschenschlaf schlagartig geweckt hatte. Bis auf einige wenige, die rechtzeitig in wacher Vorahnung das Weite gesucht hatten, weltweit verstreut Schutz suchten und fanden. Jenen galt kaum noch Aufmerksamkeit, zumal vor einigen Monaten das gesamte Nachrichtennetz seitens hintersinniger Politik einfach gekappt wurde nebst der Möglichkeit, sich per Internet zu informieren. Andere Kommunikationsstrategien waren plötzlich gefragt und begehrenswerte Wunschträume innerhalb der alleingelassenen Bevölkerung, die da ausharrte, was noch geschehen vermochte.

Die Photographin hatte sich erst in der vergangenen Nacht gefragt gehabt, ob es das schon gewesen sein könne, als vierzigjährige Alleinerziehende mit zwei jugendlichen Kindern dem nahen Tod entgegenzublicken. Niemand in ihrer Nachbarschaft wußte genaues, Gerüchte verbreiteten eine schreckliche Gewißheit, daß wohl überall Gewalt toben mußte, zumal in ganz weiter Ferne ebenso das Grollen schwerer Waffengefechte zu vernehmen war. Darüberhinaus hatte vor zwei Wochen des nachts ein extrem grell aufleuchtender Blitz, der obendrein ewiglange Sekunden anhielt, alles erleuchtet, war durch sämtliche Ritzen und Nischen gedrungen, wobei gleichzeitig eine spürbare Wärme sich im selben Moment ausbreitete, ganz ähnlich wie dies Höhensonnen taten, erinnerte sich Tanja.

Und ihre Kinder? Die verstanden die Welt nicht mehr, zuvor spielte sich das Leben fast sorglos ab, obwohl manch warnende Stimmen in der Schule, im Freundes-und Bekanntenkreis ihrer Mutter von einem bevorstehenden Krieg sprachen, wollte niemand wahrhaben, daß er jemals eintreten würde. Verständlicherweise. Bedenkt man, daß ein himmelweiter Unterschied darin bestand, irgendwelches Leid auf den Mattscheiben von Monitoren zu betrachten, über Kriegsschauplätze, als wenn eine schreckliche Realität urplötzlich sie heimsuchte.

Die ersten schweren Regentropfen fielen vom Himmel, trafen sie eigentlich nicht unbedingt unerwartet, und doch erschraken beide etwas, konnten dennoch rechtzeitig den alten Schuppen erreichen. Laut quitschend ächzte der schwere Torflügel, den Steven mit aller Kraft aufriß, dabei ein Holzsplitter jäh in seinen rechten Handballen stieß, er kurz aufschrie. Amelie ergriff zielsicher das Ende des Splitters und zog ihn heraus, stemmte sich dabei gegen das Tor, welches den Raum wieder verdunkelte, nachdem es knarrend sich wieder geschlossen hatte Da standen die beiden Geschwister nun, schauten erwartungsvoll ins dämmrige Chaos scheinbar wahllos abgestellter Kisten, Kartons, Schrott, alter Möbel und sogar einem Oldtimer.

Und brennende Teile vom Himmel herabfielen

Ein dunkelgraues Mäuschen huschte panikartig an ihnen vorbei, besser gesagt zwischen den Füßen der wie gelähmt verharrenden Amelie, die zwar kurz aufschreien wollte, allerdings keinen Ton herausbekam. Stattdessen krampfhaft Stevens Jackenärmel ergriff und sich zitternd festkrallte.

„Aber Schwesterherz, die Maus hat viel mehr Angst vor dir, ist doch nichts passiert. Schau hin, sie hat sich längst zwischen den Kartons verkrochen“, raunte ihr leise der ältere Bruder zu. Langsam faßte die Zwölfjährige wieder Mut, ließ los und ging vorsichtig, immer noch verunsichert zu dem Oldtimer. Es handelte sich um einen orangefarbenen Opel Kadett C, wahrscheinlich Baujahr 1972 wie ihr Steven flüsternd erklärte, zielsicher die Fahrertür öffnete und sich ans Steuer setzte. Dabei fiel ihm sofort das Tapedeck des Autoradios auf, auch daß eine Cassette sich dort drin befand.

'Ob die Batterie noch funktioniert?', überlegte Steven, entschied sich im gleichen Moment, es auszuprobieren, drückte auf „Power“ und drehte den Lautstärkeregler nach rechts. „There's a giant doing cartwheels, a statue wearin' high heels.”, erklang da. 'Wow, ein Song von Creedence Clearwater Revival, nur welcher?', grübelte der zwei Jahre ältere Bruder, fand die leere Cassettenhülle im Handschuhfach. Das mußte sich um den 1970 erschienenen Song „Lookin' Out My Back Door“ handeln, erkannte er zugleich mit kurzem Blick auf der Songliste. Sein Vater hatte jene Musik oftmals laut angehört, wenn ihre Mutter nachts gerarbeitet hatte. Amelie schwang rythmisch ihre Hüften zur Musik.

Plötzlich vernahmen die Geschwister ein sehr laut näher kommendes Brummen, Steven warf sich erschrocken auf den Beifahrersitz duckend nach unten, während seine Schwester unter den Kadett kroch, dabei ihr linker Jackenärmel bis zum Ellenbogen aufriß. Dann stürzte ganz hinten irgendetwas schweres aufs Schuppendach, kullerte lautstark herunter und schlug scheppernd auf einen Schrotthaufen. Gleichzeitig wurde das Tor aufgerissen, zwei Uniformierte stürmten hinein. Ein Lichtkegel von einer großen Stabtaschenlampfe durchbrach den Raum, die beiden entdeckten die Geschwister aber nicht.

Der größere der Uniformierten schrie seinem Kumpel zu, hier sei wohl nichts, besser sie würden wieder verschwinden, außerdem sollen gleich die nächsten Bomben fallen. Daraufhin verließen sie den Schuppen wieder, Amelie und Steven atmeteten zunächst erleichert auf.