Im Weinberg der Liebe - Juergen von Rehberg - E-Book

Im Weinberg der Liebe E-Book

Juergen von Rehberg

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Beschreibung

Martin Joswig - auf der Suche nach dem eigenen ICH - trifft auf Veronika Winkler, einer exaltierten Schönheit und verfällt ihr. Er wird in ein Leben hineingezwungen, das ihn immer weiter von sich selbst entfernen lässt. Eines Tages hat er eine kurze Begegnung mit einer Frau, die ihn auf Anhieb verzaubert und längst vergessene Gefühle in ihm erweckt. Durch Zufall trifft er sie viele Jahre später, und durch sie findet er zurück in ein Leben, das ihm endlich die Erfüllung gibt, nach der er so viele Jahre vergebens gesucht hatte. Eine Geschichte mit vielen Schicksalsschlägen, Liebe, Verzicht, Tristesse; aber auch mit einer Prise Humor.

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Die letzten Sonnenstrahlen ließen sich auf dem Rücken kleiner Wellen, ausgelöst durch ein vorbeifahrendes Schiff, sanft ans Ufer tragen.

Schilfrohre, welche den Uferrand säumten, wiegten sich zu der Musik des Schiffsmotors hin und her, und das Klatschen des Wassers an die unterste Stufe der Treppe, die ins Wasser führte, klang wie dezenter Applaus.

Martin Joswig, ein Endvierziger und äußerst erfolgreich in seinem Beruf als Geschäftsführer in der Firma seines Schwiegervaters, sah dem Motorschiff noch lange Zeit nach.

Kindheitserinnerungen wurden wach. Er dachte an die unbeschwerte Zeit zurück, als er mit anderen Kindern auf Schiffe zu schwamm, um sie zu entern und ein Stück weit flussaufwärts mitzufahren.

Damals hatten die Schiffe noch keinen eigenen Motor und wurden von einem Schlepper gezogen. Und das Entern ging auch nur dann, wenn die gezogenen Schiffe voll beladen waren und ihre Bordwand nur wenig aus dem Wasser ragte.

Martins Blick wanderte über den Fluss hinauf zu der alten Burg, hinter der sich die Sonne allmählich zur Ruhe begab.

Der Fluss war an dieser Stelle nicht sehr breit, vielleicht um die einhundert Meter, und das Hinüberschwimmen auf die andere Seite war eine der vielen Mutproben, die es als Kinder zu bestehen galt.

Das Schiff war schon fast aus Martins Blickfeld entschwunden, und das Wasser, das gerade noch an die Stufe der kleinen Treppe heftig geschlagen hatte, begnügte sich jetzt mit einem sanften Anstupsen.

Martin kam in letzter Zeit öfter an den Fluss. Hier konnte er ungestört nachdenken. Für eine kurze Zeit war er frei von allen Zwängen. Keine Firma, keine Probleme mit einer Frau, die nur noch auf dem Papier mit ihm verheiratet war.

Plötzlich gewahrte er ein Kinderspielzeug, das auf dem Wasser langsam vorbeitrieb. Es handelte sich um ein kleines Segelboot aus Plastik. Und wieder ergriff ihn eine Erinnerung aus seiner Kindheit. Er saß an einem Bach und ließ sein Segelschiff zu Wasser.

Ein Stück Baumrinde, etwa in der Größe der Hand eines Erwachsenen, in der Mitte ein Loch, in welches ein kleiner Haselnussstock hineingesteckt war, und ein Stück weißes Tuch, das als Segel diente.

Das selbstgebastelte Schifflein trieb auf dem Wasser langsam dahin, begleitet von dem kleinen Jungen, der mit stolzgeschwellter Brust am Ufer nebenherlief.

Ein lautes Rufen riss Martin aus seinen Gedanken. Es musste von einem Kind stammen. Das verzweifelte Rufen galt deutlich erkennbar dem Plastikschifflein.

Martin hatte das steuerlose Segelboot mit einem Stecken an Land gezogen und hielt es in der Hand. In diesem Augenblick kam ein etwa fünf bis sechs Jahre altes Kind atemlos herangestürmt, und im Gefolge eine Frau, die wohl die Mutter des Knaben sein musste.

„Gott sei Dank“, sagte die Frau, die bei näherem Betrachten wohl recht spät Mutter geworden zu sein schien.

„Vielen Dank, mein Herr“, sagte die Frau, die ebenfalls leicht außer Atem war, „Sie haben meinem Enkel den Tag gerettet.“

Der kleine Mann wollte begierig nach seinem Segelboot greifen, wurde aber von seiner Großmutter mit den Worten „zuerst bedankst du dich bei dem freundlichen Herrn“, zurückgehalten.

Und der Besitzer des Segelschiffes, vor dessen Bauch die Fernsteuerung herumbaumelte, verbeugte sich leicht und sagte dann brav:

„Vielen Dank, lieber Herr, dass Sie mein Schiff gerettet haben.“

„Sehr gern, junger Mann“, antwortete Martin Joswig, der gerade im höchsten Maße über das Geschehene erstaunt war.

Er überreichte dem Knaben das Schifflein und sagte zu der Frau, in welcher er nur schwerlich eine Großmutter sehen konnte:

„Es ist überraschend und wohltuend, dass es so etwas noch gibt.“

„Was meinen Sie?“, fragte die Frau.

„Nun, dass sich ein Kind noch artig bedankt“, antwortete Martin Joswig.

„Das ist ja wohl das Mindeste und selbstverständlich“, antwortete die Frau.

„Nicht in meiner Welt“, antwortete Martin Joswig und fügte hinzu:

„Erlauben Sie, dass ich mich vorstelle, mein Name ist Martin Joswig.“

„Das freut mich Herr Joswig“, antwortete die Frau, „ich heiße Emma Berger, und ich danke Ihnen noch einmal herzlich für die tollkühne Rettungsaktion. Und der kleine Mann hier heißt Kevin.“

Martin Joswig musste lachen, als er die entgegengestreckte Hand von Emma Berger ergriff und ihr dabei ins Gesicht schaute.

Während Kevin an seiner Fernsteuerung herumhantierte, verfingen sich die Blicke der beiden Erwachsenen für einen kurzen Augenblick.

„Soso, das ist also ihr Enkel Kevin“, sagte Martin Joswig, der noch immer die Hand von Emma Berger in der seinen hielt.

„Mir wäre Franz oder Peter auch lieber gewesen“, erwiderte Emma Berger und löste ihre Hand dabei, „aber das ist wohl zu uncool.“

„Das ist der amerikanische Zeitgeist, der uns umweht und unsere eigenen Werte hinwegfegt“, sagte Martin Joswig.

Emma Berger lächelte und wieder löste es bei Martin Joswig ein wohliges Gefühl aus. Und bevor er darauf reagieren konnte, sagte Emma Berger:

„Wir haben Ihre Zeit schon viel zu lange in Anspruch genommen und es wird auch höchste Zeit, dass wir gehen. Kevins Mutter macht sich sonst noch Sorgen.“

Martin Joswig beugte sich zu dem kleinen Mann, der noch immer mit der Fernsteuerung beschäftigt war und sagte:

„Ich habe mich sehr gefreut deine Bekanntschaft gemacht zu haben, Kevin, und ich hoffe, dass du das Problem in den Griff bekommen wirst.“

Kevin bedankte sich für den frommen Wunsch des Mannes, der sein Segelschiff gerettet hatte, mit einem breiten Grinsen.

„Nochmals ganz herzlichen Dank, Herr Joswig für Ihre Hilfe. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie noch einen schönen Abend.“

Martin Joswig war überrascht über diese Worte.

„Was für eine bemerkenswerte Frau und was für eine tolle Beobachterin“, dachte er bei sich, „sie musste seinen Ehering bemerkt haben, wie sonst hätte sie das sonst sagen können.“ Und wie von selbst kamen die Worte über seine Lippen:

„Ich danke Ihnen für den freundlichen Wunsch und für das wunderbare Erlebnis Sie kennengelernt zu haben.“

Als Emma Berger mit ihrem Enkel schon einige Meter weit entfernt war, drehte sie sich noch einmal um und hob ihre Hand zu einem Lebewohl.

Martin Joswig spürte einen Stich in seinem Herzen. Er wollte der Frau spontan nachlaufen, aber eine unsichtbare Hand hielt ihn zurück.

In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken.

„Wer war diese Frau und würde er sie jemals wiedersehen?“

Als Emma Berger und der kleine Kevin schon seinen Blicken entschwunden waren, setzte sich Martin Joswig wieder auf die oberste Stufe der kleinen Treppe.

Die Sonne war nun endgültig hinter dem Dach der Burg über dem Fluss verschwunden. Eine feine Tristesse beschlich den Mann, in welchem noch vor kurzem Gefühle wiedererweckt worden waren, von denen er nicht einmal mehr wusste, dass er sie noch hatte.

*****

„Du kommst spät, wir haben uns schon Sorgen gemacht.“

Mit diesen Worten begrüßte Veronika WinklerJoswig ihren Ehemann, als er das Zimmer betrat. Sie ging auf ihn zu und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Wir haben schon zu Abend gegessen; aber wenn du möchtest, dann kann das Mädchen dir etwas warm machen.“

Martin Joswig, dem die Alkoholfahne seiner Gattin nicht entgangen war, obwohl ein kräftiges Parfum dagegen ankämpfte, antwortete:

„Das ist lieb von dir, aber ich habe keinen Hunger. Ich gehe auch gleich ins Arbeitszimmer.“

An diesem Abend wurde Martin Joswig noch mehr als sonst bewusst, wie groß seine Abneigung für seine Ehefrau war.

Es war nicht nur die Oberflächlichkeit von Veronika, mit der sie anderen Menschen begegnete, welche Martin abstieß, es war ebenso ihr verlogenes Verhalten ihm gegenüber.

Martin hatte Veronika mehr als einmal darauf hingewiesen, dass das „Mädchen“, wie sie die Hausangestellte Stefanie zu nennen pflegte, auch einen Namen hätte. Aber es bewirkte nichts.

Veronika war nun einmal das verwöhnte Einzelkind eines reichen Papas, der seinen Liebling ein Leben lang anhimmelte.

*****

Martin stammte aus einem „guten Hause“, wie man damals zu sagen pflegte, als er noch die Schulbank drückte.

Da waren sein Papa Ernst-Wilhelm, Oberstaatsanwalt und dem Preußischen noch immer stark verhaftet, und die liebe Mama Hilde, Tochter eines Krämers, der zwar nicht zur Oberschicht gehörte, aber über ein beträchtliches Vermögen verfügte.

Was lag näher, als dass ein mittelloser, aufstrebender, junger Mann, dessen Eltern mit ihm vor den Russen geflohen waren, nach seinem Studium als Assessor einer „guten Partie“ gegenüber nicht abgeneigt war.

Martins Großvater Heinrich Joswig stimmte der Hochzeit seines Sohnes Ernst-Wilhelm nur äußerst widerwillig zu, beugte sich jedoch mit einem gezwungenen Lächeln im Hinblick darauf, dass der Schwiegervater seines Sohnes, der Krämer August Vierling im Stadtrat saß und somit Steigbügelhalter für die Karriere seines Sprösslings werden könnte.

Und so geschah es dann auch:

Pompöse Hochzeit, ausgerichtet vom Brautvater Vierling – Geburt von Martin August Joswig – und schon sehr bald die Ernennung zum Staatsanwalt.

Schmerzlicher Dorn in der Seele von Großvater Heinrich war der Zweitname, welcher dem kleinen Martin verpasst wurde. Heinrich hätte ihm allemal besser gefallen als August.

Martin war von Anfang an der Liebling der ganzen Familie. Seine Erziehung gebärdete sich als ein einziger Machtkampf zwischen seinen Eltern. Der Disziplin des Vaters stand die grenzenlose Liebe der Mutter gegenüber.

Hinzu kamen noch die Großeltern beider Seiten, welche einen Narren an dem Knaben gefressen hatten. Das sollte sich auch nicht ändern, als Jahre später ein Geschwisterchen in Form eines Mädchens hinzukam.

Martin erwies sich in der Volksschule als guter Schüler, und die logische Folge war das Hinüberwechseln in das Schiller-Gymnasium.

Sein Vater, inzwischen zum Oberstaatsanwalt avanciert und überzeugter Rotarier, gehörte zur Upperclass der Stadt. Er war sogar ein Jahr lang Governor dieses Clubs.

Martin, der eigentlich so etwas wie Stolz darüber empfinden sollte, was sein Vater machte, reagierte völlig konträr.

Der massive Druck, welchen sein Vater auf ihn ausübte, drohte ihn zu ersticken. Höchstleistungen wurden gefordert und ohne Wenn und Aber auch erwartet, eben ganz im Sinne der Joswiger.

Martins Gene tendierten jedoch eher in Richtung der Vierlingers, die es zwar zu etwas gebracht hatten, aber ohne die ihnen fremde preußische Zucht und Ordnung.

Im Rotarier-Club war alles versammelt, was in der Stadt Rang und Namen hatte: Der Gerichtspräsident ebenso wie der Direktor des Gymnasiums, der kaufmännische Leiter des Krankenhauses, der Generaldirektor der „Winkler-Werke“ und viele andere mehr.

Letzterer sollte im späteren Leben des Martin Joswig noch eine große Rolle spielen. Genauer gesagt, dessen lieb Töchterlein.

Was die holde Weiblichkeit im Leben des Martin Joswig angeht, so war diese dem Knaben mehr als zugetan. Er war gern gesehener Gast bei Parties, welche von Mitschülern und Mitschülerinnen veranstaltet wurden.

Es war die Zeit von Rock and Roll, Petticoats und wilden Parties. Und es war die Zeit der übergroßen Lebenslust. Es war aber auch die Zeit der Proteste. Und das war somit ohne Zweifel auch die Zeit von Martin Joswig.

Bei irgendwelchen Protestaktionen war er stets vorne mit dabei, sehr zum Leidwesen seines alten Herrn, dessen Ermahnungen ebenso wenig fruchteten wie die flehentlichen Bitten solchen Veranstaltungen fernzubleiben.

Martin gefiel sich in seiner Rolle als kleiner Revoluzzer sehr, und sie brachte ihm die bedingungslose Hingabe der Mädchen ein. Und das sehr wohl auch in körperlicher Hinsicht.

Es gefiel ihm umschwärmt zu sein, und er kostete es voll aus. Seine Beziehungen hielten jedoch nicht lange und so manch gebrochenes Herz ging auf seine Rechnung.

Das Abitur hatte den Charakter eines Geschenks, denn dass er die Prüfung bestanden hatte, war nicht primär auf seinen schulischen Leistungen zurückzuführen, als vielmehr auf die guten Connections im Rotary Club seines Vaters.

Nach dem Abitur fuhr Martin erst einmal für zwei Wochen ans Meer. Sein Vater hatte ihm den „Erholungsurlaub“ finanziert, nicht jedoch ohne Martin vorher das Versprechen abzunehmen, sich nach dem Urlaub für das Jura-Studium anzumelden.

Martin hatte sich für „La Gomera“, die Insel der Seligen entschieden. Was sein Vater nicht wusste, war, dass sich sein Sohn mit dem Gedanken trug für immer auf der Insel zu bleiben.

Zu jener Zeit gab es im „Valle Gran Rey“, auch liebevoll nur „Valle“ genannt, weder Strom noch Telefon. Aber sehr viel Liebe. Es war die Hochblüte der „Hippie-Zeit“.

Verlief die erste Woche noch recht gut, so litt der verwöhnte junge Mann im Verlauf der zweiten Woche heftig unter Entzugserscheinungen.

Die sanitären Verhältnisse, die sehr schlichte Schlafstelle - meistens unter freiem Himmel - und anderes mehr verloren doch sehr schnell ihren speziellen Reiz.

Die Zivilisation streckte ihre Hand nach Martin aus, und er ergriff sie willig. Als er wieder im Flieger in die Heimat saß, empfand er eine rechte Freude.

So kam es dann, dass Martin Joswig ein „Studiosus Juris“ wurde und damit seinen Vater mit großem Stolz erfüllte.

Aber dessen nicht genug, gefiel es dem jungen Studenten der Rechtswissenschaften sich einer schlagenden Verbindung anzuschließen.

Dadurch verfügte er über ein äußerst wirkungsvolles Ventil, über welches er den Dampf ablassen konnte, der sich durch das mehr oder weniger aufgezwungene Studium ohne Unterlass bei ihm bildete.

Es dauerte auch nicht lange, und Martin konnte seine erste Mensur mittels eines Schmisses belegen, der sein schönes Antlitz noch viel mehr zur Geltung brachte.

„Mensur“, das ist jener unsinnige Fechtkampf, in dessen Verlauf sich zwei offenkundig noch nicht erwachsene Menschen mit scharfen Waffen, „Schläger“ genannt, gegenseitig auf den Kopf hauen.

Das „Pauken“, wie man diese Tätigkeit nennt, wird von den Verbindungen als wichtige Hilfe zur Persönlichkeitsbildung angesehen.

Was jedoch die besagte Persönlichkeitsbildung anging, so sollte diese bei Martin erst wesentlich später als erwartet einsetzen.

Eine andere Mensur als die mit Waffen ist die „Biermensur“, auch „Bierjunge“ oder „Bierduell“ genannt. Hierbei gilt es sein Gefäß in größtmöglicher Geschwindigkeit zu leeren und danach senkrecht abzusetzen.

Zuweilen wird auch vor dem Trinken ein Zweizeiler verlangt, wie beispielsweise:

„Saufen ist das allerbest

schon zu Christi Zeit gewest.“

Martin Joswig war bei solchen Anlässen immer gern zugegen. Man könnte sagen, dass er viel Zeit damit verbrachte, sowohl Mensuren mit einem „Schläger“ als auch und mit dem Bierhumpen zu bestreiten.

Die wenige Zeit, die neben diesen Tätigkeiten zur Persönlichkeitsbildung und dem gelegentlichen Lernen übrigblieb, widmete Martin dem anderen Geschlecht.

Dabei handelte es sich primär nicht um junge Damen der Gesellschaft, sondern vielmehr um die Weiblichkeit „aus dem niederen Volke“.

Eine davon hieß Renate Volkmann und war eine nette und äußerst hübsche Verkäuferin. Und wie es das Schicksal wollte, wurde sie vom Herrn Studiosus schwanger.

Nun war guter Rat teuer. Die „Frucht der Sünde“ gebären, das ging auf gar keinen Fall. Damit wäre die hoffnungsvolle Karriere des Martin Joswig jäh zu Ende gewesen, noch bevor sie richtig begonnen hatte.

Und wieder schlug das Schicksal gnadenlos zu. Renate Volkmann hatte einen Abortus. Die genauen Umstände kamen nie so recht ans Tageslicht.

Der Vater von Hermann war über die Maße erleichtert. Martin selbst war es ebenso; aber auch ein wenig traurig.

Und Renate Volkmann war um eine Erfahrung reicher und hatte erst einmal von Männern die Nase voll.

Kaum war dieses „Malheur“ ausgestanden, kam schon das nächste um die Ecke. Martin schmiss die Zwischenprüfung und wurde exmatrikuliert.

Im Hause Joswig brodelte es gewaltig. Papa Ernst-Wilhelm hatte Schaum vorm Mund, als er vom Versagen seines Sprösslings erfuhr.

„Von mir bekommst du keinen Pfennig mehr“, so seine Drohung, „sieh zu, was du aus deinem weiteren Leben machst.“

Und das tat Martin Joswig dann auch. Er meldete sich freiwillig zum Militär, mit dem Fernziel Offizier zu werden. So verfügte er über ein geregeltes Einkommen, Kleidung und Unterkunft und den nötigen Abstand zu seinem Elternhaus.

*****

Es waren wohl die klaren Strukturen, welche Martin auf die Erfolgsspur gebracht hatten. Und vielleicht auch ein wenig ein aus dem Nichts aufgetretener Ehrgeiz es schaffen zu wollen.

Martin hatte seit damals sein Elternhaus nicht mehr betreten. Er traf sich jedoch gelegentlich heimlich mit seiner Mutter in einem Kaffeehaus.

Erst viele Jahre später kam es zu einem Wiedersehen mit dem Vater. Es war anlässlich des alljährlich stattfindenden Regimentsballs in der Kaserne.

Major Martin Joswig begrüßte seinen Vater, den Oberstaatsanwalt Ernst-Wilhelm Joswig. Es war ein berührendes Wiedersehen.