Im Wilden Westen Nordamerikas 15: Der Schatz der Kristallhöhle - Axel J. Halbach - E-Book

Im Wilden Westen Nordamerikas 15: Der Schatz der Kristallhöhle E-Book

Axel J. Halbach

0,0

Beschreibung

Old Shatterhand, Sam Hawkens und Hobble-Frank ist es gelungen, das entführte Mädchen zu befreien und zu Verwandten zu bringen. Einer davon ist der Kazike des Pueblos Zuni. Dessen Bruder tut sich mit dem Letzten der Räuberbande zusammen, um die Karte des Aztekenschatzes zu entziffern. Er will den Reichtum für sich selbst beanspruchen. Nach dem Fest des Neuen Feuers entbrennt ein Wettlauf, um als Erster am Fundort zu sein.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 177

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Im Wilden Westen NordamerikasDER SCHATZ DER KRISTALLHÖHLE

In dieser Reihe bisher erschienen

2201 Aufbruch ins Ungewisse

2202 Auf der Spur

2203 Der schwarze Josh

2204 In den Fängen des Ku-Klux-Klan

2205 Heiße Fracht für Juarez

2206 Maximilians Gold

2207 Der Schwur der Blutsbrüder

2208 Zwischen Apachen und Comanchen

2209 Der Geist von Rio Pecos

2210 Fragwürdige Gentlemen

2211 Jenseits der Grenze

2212 Kein Glück in Arizona

2213 Unter Blutsbrüdern

2214 Im Land der Saguaros

2215 Der Schatz der Kristallhöhle

Axel J. Halbach

Der Schatz der Kristallhöhle

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannHerausgeber: H. W. SteinTitelbild: Ralph KretschmannLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-446-6Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1.

Anira saß hinter Sam und hielt sich mit ihren Armen an seinem schmächtigen Körper fest, der jetzt so richtig erkennbar war, nachdem die ledernen Hüllen seiner Trapperkleidung ihren Besitzer gewechselt hatten. Anira kannte den Weg natürlich genau, sodass es trotz der Dunkelheit nicht schwierig war, direkt nach Zuni zu finden. Nach etwa einer halben Stunde kündigten erste Lichtpunkte im Dunkel vor ihnen den Pueblo an und ein paar Minuten später hatten sie dessen östlichen Außenbereich erreicht.

Anira leitete ihn in das Dorf hinein, wo sich, wie sie sagte, etwa nach 200 Metern auf der linken Seite das Haus des Kaziken befinden würde, das sich äußerlich kaum von den anderen unterschied. Es war lediglich etwas größer als die meisten anderen, aber ebenso wie diese nur über eine Leiter hinauf zum ersten Stock zu erreichen. Dort befanden sich dann die Eingangstür, Fensteröffnungen und wiederum je eine Leiter zum zweiten und zum letzten, dem dritten Stockwerk.

Die beiden waren nur noch etwa vierzig Meter von diesem Haus entfernt, als aus dem Dunkel der Nacht zwei Personen, Fußgänger, auftauchten, die auf ein dem Gebäude des Kaziken gegenüberliegendes Haus zugingen.

„Bück dich, rasch, mach dich ganz klein! Einer von den beiden ist der Rote Joe!“, flüsterte Sam.

Anira schrumpfte sofort zu nur noch einem Schatten zusammen und flüsterte zurück: „Der andere ist der Bruder meines Großvaters! Was haben die beiden miteinander zu tun?“

Diese Frage sollte zumindest teilweise von den beiden Fußgängern selbst beantwortet werden, denn deutlich vernehmbar waren die folgenden Worte des Indios: „Gringo – du fällst mir auf die Nerven! Was willst du mir schon bieten können, was für mich von Vorteil wäre, von großem Vorteil sogar, wie du sagst? Aber gut, da du so sehr von dir überzeugt bist, will ich dich zumindest anhören, auch wenn es glatte Zeitverschwendung ist. Komm in einer halben Stunde in mein Haus, dann kannst du mir ja deine angeblich so wichtigen Informationen geben!“

Mit diesen Worten stieg der Indio die Leiter zu seinem Haus herauf und der Rote Joe ging den Weg zurück, den die beiden gerade gekommen waren und wo er kurz darauf in der Dunkelheit verschwand.

„Was hat das nun wieder zu bedeuten? Der Rote Joe und der Bruder deines Großvaters?“, fragte Sam, als sie gemächlich die letzten Meter bis zum Haus des Kaziken zurücklegten.

„Nichts Gutes!“, antwortete Anira. „Osuna – so heißt der Bruder des Kaziken – ist kein angenehmer Mensch! Wo immer es möglich ist, opponiert er gegen meinen Großvater, mit dessen Politik er überhaupt nicht einverstanden ist! Dass sich ausgerechnet diese beiden jetzt getroffen haben ...“

„Vielleicht Zufall, vielleicht aber auch nicht! Manchmal passieren die merkwürdigsten Dinge! Ich könnte mir denken ...“

„Was meinst du?“

„Dass dieser Joe vielleicht glaubt, dass der Bruder des Kaziken ihm die Schatzkarte erklären kann?“

„Da wird Osuna ihn enttäuschen müssen! Ich habe diese Karte zwar noch nicht gesehen, ich bin mir aber sicher, dass sie bestimmte geheime Zeichen enthält, die auf den Ort des Verstecks hinweisen, und diese Zeichen kennt nur mein Großvater. Die Kenntnis dieser uralten Aztekensymbole wird immer nur vom Obersten des Volkes an dessen direkten gewählten Nachfolger weitergegeben – und das ist derzeit mein Großvater, der oberste Kazike. Niemand anders wird die Symbole zu deuten wissen und entziffern können.“

„Umso wichtiger ist es, zu erfahren, was die beiden zu bereden haben. Ich muss unbedingt wissen, was dieser Bandit Joe meint, diesem Osuna bieten zu können. Irgendeine Teufelei könnte dahinterstecken. Ich muss versuchen, deren Gespräch zu belauschen. In einer halben Stunde treffen sie sich – bis dahin muss ich bereit sein! Deshalb werde ich jetzt nur dich schnell zu deinem Großvater in Sicherheit bringen, da zunächst niemand hier im Pueblo von deiner Anwesenheit erfahren soll. Alles Weitere dann später.“

Sams Maultier legte die letzten Meter bis zum Haus des Kaziken zurück. Aus einer Fensteröffnung im ersten Stock drang Lichtschein heraus, sonst aber war alles still und menschenleer, auch die Straße. Sollten sie einfach die Leiter hinaufsteigen? Wer aber kümmerte sich dann um Mary? Bevor Sam eine diesbezügliche Frage stellen konnte, stieß Anira einen nur halblauten, besonderen Pfiff aus, der eine erstaunliche Wirkung hatte. Unmittelbar danach öffnete sich die Tür des Hauses im oberen Stock und heraus kam ein mittelgroßer, weißhaariger Indio von vielleicht sechzig Jahren, gefolgt von einer nur wenige Jahre jüngeren Frau.

Anira machte sofort ein bestimmtes Zeichen und legte einen Finger als Zeichen des Schweigens auf ihren Mund. Trotz ihrer Verkleidung hatte man sie aber sofort erkannt und auch die Geste richtig gedeutet. Die Frau kam die Leiter herunter und aus einem hinteren Teil des Hauses kam ein junger Indio, der sich Marys annahm, nachdem Anira und Sam von dem Maultier abgestiegen waren. Wie sich herausstellte, befand sich im hinteren, unteren Teil des Gebäudes ein Stall, in den Mary jetzt geführt wurde, während die Frau Anira herzlich umarmte, ohne aber ein Wort dazu zu sagen.

Wie Sam erst später erfuhr, was aber schon jetzt gesagt werden soll, ist: Bei der Indio-Frau handelte es sich um die seit vielen Jahren im Haus des Kaziken tätige Haushälterin; die Frau des Kaziken war schon vor langer Zeit gestorben. Und noch eine andere Besonderheit gab es bei diesem Anwesen des Kaziken: Von dem Stall im hinteren Teil des Gebäudes führte eine Treppe im Inneren des Gebäudes in die oberen Stockwerke – eine Besonderheit, die bei diesen Indio-Bauten nur sehr selten zu finden war und von deren Existenz kaum jemand im Pueblo wusste. Diese Besonderheit sollte in den kommenden Tagen noch von Bedeutung werden.

Dann stiegen alle die Leiter zum oberen Stockwerk hinauf – zuerst Anira, die ebenso lautlos, aber nicht weniger herzlich von ihrem oben bei der Tür wartenden Großvater begrüßt wurde, dann die Indio-Frau und als letzter Sam. Unmittelbar danach waren alle im Inneren des Hauses verschwunden und erst jetzt wurde Anira mit Fragen überschüttet und Sam mit freundlichen, zugleich aber auch sehr fragenden Blicken bedacht. Dies betraf nicht nur seine Anwesenheit, sondern auch sein Äußeres, bot er doch ohne seine Westmann-Kleidung, die Anira jetzt ablegte, ein mehr als skurriles Bild, wie es einem nicht jeden Tag vor Augen kam. Sam sagte, während er wieder sein Lederwams anzog: „Señor e Señora – dieses überraschende, plötzliche und geheimnisvolle ­Auftauchen von Anira und mir muss für Euch alle völlig unbegreiflich sein. Es bedarf einer Erklärung – die aber kann Euch zunächst nur Anira geben, denn ich muss sofort wieder verschwinden. Auch diesen Grund wird Anira Euch nennen. Alles zusammen ist eine sehr lange Geschichte, die nicht mit wenigen Worten erzählt werden kann. Wichtig ist im Augenblick nur, dass die Anwesenheit von Anira hier im Haus, ihre Rückkehr nach Zuni, so lange wie möglich geheim bleibt. Näheres dazu kann ich vielleicht sagen, wenn ich wiederkomme. Jetzt aber muss ich schleunigst verschwinden. Übrigens werden in Kürze noch zwei Freunde von mir kommen. Anira weiß auch hier Bescheid und wird Euch alles erklären. Auch diese beiden sollten möglichst rasch und ohne großes Aufsehen hier im Haus verschwinden. Das alles hört sich natürlich für Euch sehr geheimnisvoll an, hat aber sehr handfeste Gründe, wie bald jedem klar sein wird, wenn ich mich nicht irre, hi hi hi! Bis bald, so long, hasta pronto!“

Sam verließ das Haus, stieg die Leiter hinunter und ging einige Meter den Weg zurück, den er gekommen war, bis er vor dem Gebäude des Osuna auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen blieb, sich eine dunkle Ecke suchte und auch fand, von der aus er die immer noch menschenleere Straße gut beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Dann harrte er der Dinge, die da kommen würden. Wie beim Haus des Kaziken schien auch hier aus einem Fenster im ersten Stock das flackernde Licht einer Petroleumlampe, sonst war alles ruhig. Es dauerte nicht mehr lange, dann näherte sich von links eine schemenhafte Gestalt dem Gebäude Osunas, die ohne zu zögern die Leiter emporstieg und nach einem kurzen Klopfen an der dortigen Tür eingelassen wurde. Auch wenn angesichts der herrschenden Dunkelheit keine Einzelheiten auszumachen waren, konnte es sich bei dieser Person ohne Zweifel nur um den Roten Joe handeln.

Sam wartete noch einen kurzen Augenblick, dann hatte auch er unhörbar die Leiter erklommen und sich an das erleuchtete Fenster geschlichen. Ein ganz kurzer, vorsichtiger Blick hinein gab Gewissheit: Der Kazikenbruder Osuna und der Rote Joe saßen an einem Tisch einander gegenüber, nicht allzu weit von dem offenen Fenster entfernt. Osuna hatte immerhin zwei Gläser und eine Karaffe mit Wein auf den Tisch gestellt, zu einem Gespräch zwischen den beiden aber war es offenbar noch nicht gekommen, das Osuna jetzt jedoch eröffnete und das Sam ohne Schwierigkeiten verfolgen konnte: „Gringo – ich weiß immer noch nicht, warum ich dir eigentlich einen Teil meiner kostbaren Zeit widme und dir dazu auch noch einen Rotwein serviere! Was willst, was kannst du schon wissen, das für mich von Vorteil sein soll, zumal du gerade erst hier in Zuni angekommen bist? Außerdem kenne ich die Gringos – die haben immer nur ihren eigenen Vorteil im Auge! Wie heißt du überhaupt?“

„Man nennt mich Joe.“

„Kein sehr origineller Name – aber immerhin, er ist leicht zu merken. Und was ist es nun, was du mir an so ungeheuer Wichtigem berichten willst?“

„Ich kann dir bei deinen Absichten helfen.“

„Was willst du von meinen Absichten wissen? Wir kennen uns nicht, haben uns noch nie gesehen!“

„Warte nur ab! Du strebst nach Macht, Einfluss und Reichtum!“

„Wer tut das nicht? Wenn das alles ist, was du ...“

„Du willst den jetzigen Kaziken, deinen Bruder, stürzen und selbst Kazike werden!“

„Diablo! Wer hat dir ... wie kommst du auf diese völlig abwegige Idee?“

„Du hast vor, das Fest des Neuen Feuers für diesen Plan zu nutzen.“

„Maldición – verflucht! Wer ... wie ... wie kommst du auf diesen völlig irrwitzigen Gedanken?“

„Ich weiß es, das muss dir genügen. Und ich weiß noch viel mehr.“

„Das ... das ... kannst du ... ein Gringo ... überhaupt nicht wissen!“

„Du wirst sehen, dass dem doch so ist. Du suchst nach einem Druckmittel, um den Kaziken gegebenenfalls freiwillig zum Rücktritt zu zwingen.“

„Ach so? Und jetzt willst du mir raten, wie ich hier am besten vorgehen soll?“

„Nicht unbedingt. Ich wollte dir nur sagen, dass ich dieses von dir gesuchte Druckmittel habe.“

„Lachhaft! Was könnte das wohl sein?“

„Anira.“

„Anira!“ Osuna hatte seine Stimme nicht mehr in Gewalt, so überrascht war er von dieser plötzlichen Eröffnung. „Anira! Was weißt du von Anira, was hast du mit ihr zu tun, der du ja nun gerade erst hier im Pueblo eingetroffen bist?“

„Ich habe sie.“

„Du hast sie? Bist du verrückt? Ich weiß zufällig ganz genau, dass sich die Enkelin des Kaziken zwei Tagesreisen von hier entfernt auf der Hacienda del Arroyo aufhält, und du willst mir weismachen, dass dem nicht so ist? Du musst wirklich verrückt sein, ein Schwindler, ein Lügner!“

„Wollen wir das Versteckspiel aufgeben? Du bist ein pícaro, ein Spitzbube, mehr als das – und ich auch, wenn ich ehrlich bin. Ich wiederhole: Ich habe Anira in meiner Gewalt, seit Tagen schon, und wenn du zugibst, dass alles zutrifft, was ich über dich und deine Absichten gesagt habe, dann will ich dir auch erzählen, wie es dazu gekommen ist.“

„Gringo ... Joe ... du ... nun gut, du weißt scheinbar wirklich mehr über mich, als ich dachte, auch wenn mir völlig schleierhaft ist, wie du zu diesem Wissen gekommen bist. Aber lassen wir das. Es ist richtig, ich habe die Absicht, meinen Bruder als Kaziken abzulösen, weil ich mit dessen Amtsführung und Politik nicht einverstanden bin.“

„Und es gibt nur ein einziges Mittel, ihn freiwillig zum Rücktritt zu bewegen – indem er mit Anira, ihrer Gesundheit und Freiheit, erpresst wird!“

„Das ist ... richtig.“

„Dann höre, wie sie in meine Gewalt gekommen ist.“

In kurzen Zügen berichtete der Rote Joe jetzt, wie er mit seinen Kumpanen Anira entführt hatte, welch tödlichen Streich diese ihnen in der moorigen Senke gespielt hatte, und dass er sie jetzt vorläufig in den felsigen Hügeln etwa eine halbe Stunde östlich von Zuni gefesselt zurückgelassen hatte. Und er erwähnte auch, dass er, Joe, dies ebenfalls in der Absicht getan hatte, Anira beim Kaziken als Druckmittel zu verwenden.

„Auch du – als Druckmittel? Willst du vielleicht auch Kazike werden?“ Osuna konnte ein lautes Lachen nicht unterdrücken.

„Das nicht, das versichere ich dir! Aber ich will reich werden – und du auch, wie ich weiß! Wie willst du sonst die Versprechungen erfüllen, die du deinen gleichgesinnten Indio-Freunden gemacht hast?“

„Auch das weißt du? Madre de Dios – du bist ein Teufel! Und über Anira kannst du dich ... und mich ... reich machen? Ich verstehe nicht!“

„Du wirst es gleich verstehen! Schau her – aber halte deine gierigen Hände zurück!“

Der Rote Joe holte jetzt aus einer Innentasche seiner Jacke ein pergamentartiges Papier heraus, bei dem es sich um die aztekische Schatzkarte des Pater Eusebius handelte. Gleichzeitig legte er aber auch seinen Revolver schussbereit daneben und sagte: „Wirf einen Blick hierauf – aber halte deine Finger im Zaum! Weißt du, um was es sich bei diesem Pergament handelt?“

Osuna warf nur einen kurzen Blick auf das Dokument und zuckte zusammen: „Por Dios! Es ist ... es ist ... die Karte ... über das Versteck ... eines vor Jahrhunderten ... in Sicherheit gebrachten ... Aztekenschatzes! Seit urdenklichen Zeiten ... geht das Gerücht ..., dass eine solche Karte existiert! Woher ... woher ...?“

„Das geht dich nichts an. Wichtig ist nur: Kannst du diese merkwürdigen Zeichen enträtseln?“

„Nein. Das kann nur der Kazike. Dieses Wissen wird immer nur vom obersten Kaziken zum nächsten übergeben. Wie ... wie ist das nur möglich? Du ... ein Fremder ... du hast ...“

„Wichtig ist nur: Wir wissen jetzt, dass es den Schatz tatsächlich gibt – und wir haben eine Karte, die zu ihm führt, die wir aber nicht lesen können – das soll der Kazike für uns tun und dafür ist Anira mein, unser Druckmittel!“

„Wahrhaftig – du bist ein Teufel und ein Geschenk des Himmels zugleich! Um Anira zu retten, wird mein Bruder alles tun – und uns verraten, was diese Zeichen zu bedeuten haben! Ich werde endlich reich sein ...!“

„Wir!“

„Wir, ja – wir werden reich sein – und ich kann alle meine Pläne verwirklichen! Gringo – woher auch immer du dein Wissen hast – wir sind ein Team! Du hast nicht zu viel versprochen!“

„Sagte ich es nicht gleich zu Beginn? Durch diese verdammte Hexe habe ich meine Freunde verloren – sie darf uns nicht entkommen, aber durch dich und deine Anhänger bin ich wieder stark! Ich werde morgen früh Anira ...“

„Nicht du allein – ich werde mit einigen meiner Freunde mitkommen, es darf auf keinen Fall etwas dazwischen kommen! Du brauchst uns, damit wir sie an einem sicheren Ort verstecken können.“

„Einverstanden. Das Versteck des Schatzes werden wir so in Erfahrung bringen. Aber was ist mit deiner Absicht, selbst Kazike zu werden?“

„Ich habe einen Plan, auf dem Fest des Neuen Feuers ... aber der geht dich nichts an. Das betrifft nur mich und meine Verbündeten. Ich gebe zu – das Gespräch, das Treffen mit dir war doch keine Zeitverschwendung. Bezüglich Anira und des Aztekenschatzes arbeiten wir zusammen – alles andere aber hat mit dir dann nichts mehr zu tun. Lass uns anstoßen – in der Karaffe ist noch für jeden ein gutes Glas – und dann treffen wir uns morgen früh um acht Uhr, um Anira zu holen. Wir werden sie in einem Schuppen unterbringen, der sich sehr wahrscheinlich in der Nähe ihres Verstecks befindet.“

Der Rote Joe stimmte zu. Diesen Schuppen kannte er – hatte er doch dort alles erfahren, was jetzt zu dieser für ihn so überaus günstigen Wendung geführt hatte. Natürlich dachte er nicht im Entferntesten daran, den Schatz mit diesen Indios zu teilen – aber wer weiß, vielleicht dachte Osuna genauso? Nun – er, Joe, würde seine Schäfchen hier schon ins Trockene bringen – was waren diese heruntergekommenen Indios schon gegen ihn? Aber für den Augenblick, als Hilfstruppe, durften sie ganz nützlich sein. Alles Weitere würde sich dann aus dem Augenblick heraus ergeben. Er hob sein wieder gefülltes Glas und prostete Osuna zu.

Dies war für Sam das Zeichen, jetzt schleunigst zu verschwinden – unhörbar war er wieder bei der Leiter und stieg sie katzengleich hinunter. Ein paar Schritte quer über die Straße und dann im Schatten der Gebäude – der Mond stand inzwischen in voller Pracht, aber schräg am Himmel, sodass er diesen Schatten warf – bis zum Haus des Kaziken war es nur ein Katzensprung. Er wusste, dass auch Old Shatterhand und Hobble-Frank inzwischen dort ­eingetroffen waren, denn er hatte sie die Straße entlang reiten hören.

Dort kletterte er geschwind die Leiter wieder hinauf, ein kurzes Klopfen an der Tür und er befand sich wieder im Inneren des Gebäudes, das der Kazike bewohnte. Das dortige große Wohn-­Esszimmer war zwar etwas komfortabler, aber immer noch sehr spartanisch eingerichtet mit dem Raum verglichen, in dem Osuna und der Rote Joe gerade das von ihm belauschte Gespräch geführt hatten.

Erwartungsvoll blickten ihn fünf Augenpaare an – der Kazike, Anira, die Haushälterin, Old Shatterhand und Frank. Wie deren Verhalten zu entnehmen war, hatte man sich inzwischen nicht nur gegenseitig bekannt gemacht, sondern alle waren auch genauestens über die vergangenen Ereignisse informiert und ganz besonders natürlich über die geheimnisvolle Schatzkarte, deren Existenz der Kazike jetzt mit den Worten: „Es gibt sie, es gibt sie wirklich! Die Götter der Azteken sind uns gnädig gesinnt! Was für enorme Mengen Gold und Silber sind vor Jahrhunderten nach Spanien geflossen und wurden dort zur Grundlage für das spanische Weltreich, während die Hochkultur der Azteken – und andere – gnadenlos zerstört wurde! So gibt es doch noch eine kleine ausgleichende Gerechtigkeit! Der Schatz wird mein Volk aus seiner so armen Gegenwart in eine bessere Zukunft führen!“, kommentierte. Jetzt aber waren alle sehr gespannt auf das, was Sam zu berichten hatte.

Sam ließ sich nicht lange bitten. Als alle an einem großen Tisch in der Mitte des Raumes Platz genommen hatten, gab er annähernd wortgetreu das Gespräch wieder, das er belauscht hatte und die Zuhörer erwartungsgemäß in große Aufregung versetzte.

„Er will ... er will ... Kazike werden!“, rief Anira erschrocken aus. „Was hat Osuna mit meinem Großvater vor? Ich wusste, dass er ein schlechter Mensch ist, aber dass ... aber dass ... er so weit geht ...“

„Das ist ... tatsächlich ... sehr ernst zu nehmen“, schaltete der Kazike sich ein. „Ich weiß, dass mein Bruder einen ruchlosen Charakter hat und bei der Verfolgung seiner Ziele vor nichts zurückschreckt. Welch eine Tragik für mein Volk, sollte sein Vorhaben gelingen! Er wird meine Untertanen in extreme Armut und Knechtschaft führen, denn ich weiß, dass er ein Anhänger vieler alter Azteken-Rituale ist.“

„Die bis zu Menschenopfer gingen“, fügte ich hinzu.

„Menschenopfer, ja! Der menschliche Opferkult stand bei den Azteken im Zentrum ihrer Religion! Die anschließende Verspeisung der Opfer war bei ihnen eine rituelle Handlung, kein wildes Gelage. Um genügend Menschenopfer zu haben, wurden Feldzüge gegen andere Völker unternommen – aber nicht nur deren Gefangene waren die Opfer! Habt Ihr eine Ahnung, wie viele Leben der menschliche Opferkult der Azteken gekostet hat?“

„Nein“, antwortete ich, „aber es dürften sehr viele gewesen sein.“

„Die genaue Zahl der Opfer ist natürlich nicht bekannt und auch umstritten. Man nimmt an, dass die damaligen Missionare und Konquistadoren übertrieben haben, um ihre eigenen Taten zu rechtfertigen. Deshalb liegt die Zahl der Schätzungen weit auseinander – man geht von einigen Tausend bis zu 50.000 Menschenopfer aus – pro Jahr! Pro Jahr! Die Spanier sahen diese Opferrituale natürlich als ein Werk des Teufels an.“

„Ungeheuerlich, unglaublich! Und Ihr glaubt, dass Euer Bruder das wieder einführen will?“

„Nein. Das ist selbst ihm in der heutigen Zeit nicht mehr möglich. Aber wer weiß, welche anderen Teufeleien er sich ausdenkt?“

„Wir werden seinen Plan, wie immer dieser auch aussieht, zu verhindern wissen!“

„Wir müssen, wir müssen! Und dazu gehört, dass wir den Plan des Schatzes in die Hände bekommen!“

„Wohl wahr! Und es scheint immer schon ein Gerücht gegeben zu haben, dass ein solcher Schatz noch irgendwo existiert?“