Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 21: Schwarzes Elfenbein - Axel J. Halbach - E-Book

Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 21: Schwarzes Elfenbein E-Book

Axel J. Halbach

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sir David Lindsay, bekannt für seine Abenteuerlust und Sammelleidenschaft altertümlicher Relikte, erfährt von Ruinen in der Libyschen Wüste, die von einem Sandsturm freigelegt wurden. Es gelingt ihm, seine Freunde Kara ben Nemsi und Hadschi Halef Omar zu einer gemeinsamen Forschungsreise zu überreden.Der ungeduldige Lord reist voraus. Doch dann wird er überfallen und entführt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 354

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kara Ben NemsiSCHWARZES ELFENBEIN

In dieser Reihe bisher erschienen

1801 Die Rückkehr des Schut

1802 Die Rache des Schut

1803 Der Fluch des Schut

1804 In der Gewalt des Schut

1805 Das Geheimnis des Schut

1806 Der Krieg des Schut

1807 Die Schatzräuber und die Felsenstadt

1808 Das Königsgrab in der Felsenstadt

1809 Das Vermächtnis aus der Felsenstadt

1810 Die Shejitana

1811 Im Reich der Shejitana

1812 Königin Shejitana

1813 Die Reise zum Toten Meer

1814 Die Stadt am Toten Meer

1815 In der roten Wüste

1816 Die El-Wahabiya-Bande

1817 Karawanentod

1818 Auf dem Weg zu Halef

1819 Im Tal der Herba Juvenilis

1820 Der Blick des Tetrapylon

1821 Schwarzes Elfenbein

1822 Von Leptis Magna in den Dschebel Nefusa

Kara Ben Nemsi

Schwarzes Elfenbein

Eine Reiseerzählung nach den Charakterenvon Karl May

Aufgeschrieben von Axel J. Halbach

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Ralph KretschmannUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-131-1

Ein Sandsturm mit ungeahnten Folgen

Der britische Adel hat im Verlauf etlicher Jahrhunderte wahrlich besondere und auch skurrile Typen hervorgebracht, und zu diesen gehört nicht zuletzt der über viele Ecken mit dem englischen Königshaus verwandte Sir David Lindsay. Zu dessen besonderer Leidenschaft gehört vor allem das Sammeln von Hinterlassenschaften längst vergangener Kulturen, auch wenn dann die von ihm so überaus hoch geschätzten Schalen, Tonkrüge und Tontöpfe nicht unbedingt bis in das Reich der Sumerer oder der altägyptischen Pharaonen zurückzuverfolgen waren, sondern den Brennofen nicht selten erst vor wenigen Jahren verlassen hatten und anschließend einem gekonnten Alterungsprozess unterzogen worden waren. Wie der eingeweihte Leser weiß, war dies jedoch beileibe nicht sein einziges Hobby.

Wenn Sir David etwas liebt, dann sind es Abenteuer, und davon hatte er im Verlauf der Jahre zweifellos mehr erlebt als alle seine Adelsgenossen – das kann ich umso nachdrücklicher bestätigen, als ich mich bei seinen Abenteuern meist in seiner Begleitung befand, wobei er mich immer mit Shatterhand ben Nemsi anzureden pflegte. Sammelleidenschaft und Abenteuerlust waren aber beileibe nicht seine einzigen Neigungen und Eigenschaften. Sehr positiv hervorzuheben ist die Tatsache, dass sich sein Reichtum und die damit verbundene finanzielle Unabhängigkeit nicht in einer irgendwie unangenehmen Art und Weise äußerte, sondern genau im Gegenteil in einer der jeweiligen Situation angepassten ausgesprochenen Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit. Ebenso wenig dürfen seine gelassene Unerschrockenheit und Tapferkeit in gefährlichen Situationen unerwähnt bleiben, die einerseits zwar ihresgleichen suchen, andererseits aber auch schon zu manchen unüberlegten Aktionen und Leichtsinn geführt haben. Er war und ist ein Original, da gibt es nicht den geringsten Zweifel.

Natürlich ist besagter Sir David auch, wie es sich für jeden Vertreter des britischen Adels gehört, Mitglied in einem der renommierten Londoner Clubs – in seinem Fall des Travellers Club, denn kein anderer hätte besser zu ihm gepasst. Allerdings wurden seine Clubbesuche im Laufe der Zeit immer seltener und das aus einem sehr verständlichen Grund: Seine ungewöhnlichen und oft tatsächlich haarsträubenden Erlebnisse, die er vor den anderen Clubmitgliedern in der Erwartung staunender Anerkennung zum Besten gab, stießen bei eben diesen Clubgenossen immer häufiger nur auf mildes Lächeln mit der Bemerkung, dass seine Phantasie wahrlich nichts zu wünschen übrig lasse – man glaubte ihm schlicht und einfach nicht. So verständlich eine solche Reaktion einerseits angesichts der oft kaum für möglich gehaltenen Erlebnisse war, so sehr traf dies Sir David andererseits bis ins Mark, denn seine Wahrheitsliebe war ebenso unbestritten. „Bloody ignorant fellows, diese ­verknöcherten Kolonialbeamten, die während ihrer Amtszeit in Indien, Afrika oder Papua Neuguinea ihren fetten Hintern kaum von der sonnigen Terrasse ihres Amtssitzes fortbewegt haben“, war noch eine milde Kennzeichnung seiner Clubgenossen, mit denen er schließlich immer weniger zu tun haben wollte.

Selbiger Sir David also – ich hoffe, ihn damit einigermaßen charakteristisch beschrieben zu haben – saß gegenwärtig am Schreibtisch seines Arbeitszimmers in seinem Landhaus im Norden von London, etwas außerhalb von Hampstead, vor sich die noch ungelesene Times des Tages, und schlug voller Frust mit der Faust auf die Tischplatte, wobei er die Erinnerungen an seine früheren Reisen an der Wand und in den Regalen ihm gegenüber im Blick hatte.

„Damn it all! Kann dieses erbärmliche Landleben in foggy old London nicht mehr ertragen! I really can’t stand it any more! Warum lässt dieser Shatterhand ben Nemsi nichts von sich hören? Mit ihm immer Abenteuer, great, wonderful adventure! But no! Nothing! What a boring, dull, tiresome existence!“

Und wieder krachte seine Faust so kräftig auf die Mahagoni­platte seines Schreibtischs, dass es fast eine Delle gegeben hätte. Dabei verrutschte die Zeitung ein wenig und sein Blick fiel auf eine Meldung, die sein Interesse weckte und die nachstehend in deutscher Über­setzung wiedergegeben ist:

Legt historischer Sandsturm antike Ruinen frei?

Viele Wochen wütete in der südlichen libyschen Sahara ein Sandsturm nie gekannten Ausmaßes, der das ganze bisherige Landschaftsbild zu verändern scheint. Kein einziger der wenigen Bewohner der Region kann sich an Vergleichbares zu seinen Lebzeiten erinnern. Wo sich früher flache Kiesterrassen erstreckten, türmen sich jetzt bis zu einhundert Meter hohe Sanddünen, und an anderer Stelle legte der Sturm felderähnliche Strukturen frei, als ob hier einmal Ackerbau betrieben worden wäre. Am erstaunlichsten aber ist der Bericht eines Reisenden, der offenbar nur mit knapper Not diesem Inferno entkommen ist und der behauptet, vor sich im Nebel des Sand­wirbels plötzlich einen sich konisch nach oben verjüngenden Turm gesehen zu haben, bis dieses schemenhafte Bild wieder in den Nebelschwaden des Sandes verschwand. Experten, mit denen dieser Reisende später sprach, halten diesen Eindruck allerdings für eine Sinnestäuschung, wie es sie angesichts der herrschenden Umstände und der ständig wechselnden Lichtverhältnisse in der Unendlichkeit konturloser Wüste immer wieder gegeben hat. Eine genaue Angabe zum Ort seiner Wahrnehmung konnte der Reisende nicht machen, dessen Bericht auch deshalb sehr bezweifelt wird, weil es eine größere menschliche Ansiedlung – und um eine solche müsste es sich bei Turmbauten ohne Zweifel handeln – in derartiger Entfernung von der Küste mit Sicherheit nie gegeben hat.

So weit der Artikel. Sir David war natürlich sofort fasziniert. Unbekannte Ruinen irgendwo in der Wüste? Das gab zu jeder Art von Spekulation Anlass! Libyen? Im südlichen Libyen? Hatte er nicht ... war da nicht ...? Er stand auf, ging an den reichlich mit Reiseliteratur gefüllten Bücherschrank und zog nach einigem Suchen einen schon arg vergilbten Band heraus, dem sein Autor David Penrose vor fast einhundert Jahren den vielversprechenden Titel Unexpected Treasures in the Fezzan Desert gegeben hatte, denn das Erscheinungsjahr des Reise­berichts war mit 1725 angegeben.

Sir David hatte noch nie einen näheren Blick in diesen antiquarisch erstandenen Band geworfen, wusste aber, dass sich der Fezzan im südlichen Libyen etwa auf der Höhe des Längengrades von Tripolis erstreckte. Jetzt aber war sein Interesse geweckt und er begann, die brüchigen Seiten vorsichtig umzublättern. Wie zur damaligen vor-fotografischen Zeit üblich, hatte der Autor seine Ein­drücke mit recht gekonnten Federzeichnungen festgehalten, und nachdem er die vierte, fünfte, sechste Seite umgeblättert hatte, hielt er plötzlich wie vom Donner gerührt inne: Zwischen welligen, mäßig hohen Sand­dünen fand er die Zeichnung eines sich konisch, kegelförmig nach oben verjüngenden Turms und daneben einige eingezeichnete Mauerreste, deren weiteren Verlauf der Sand dann verdeckte. An der linken Seite des Turms reckte dann noch ein mächtiges, blätterloses Baum­gerippe seine dürren Äste und Zweige gen Himmel. Das war doch ... das konnte doch ... war das möglich ... war das etwa ...?

In diesem Augenblick klopfte es und sein Butler James betrat den Raum. Schnell legte Sir David einen Papierschnipsel zwischen die betreffenden Seiten, klappte das Buch zu und blickte seinen Butler fragend an.

„Sir – ein Besucher wünscht Sie zu sprechen ...“

„Ein Besucher? Wer ist es? Kenne ich ihn?“

„Hardly, Sir. Eine äußerlich etwas aus dem Rahmen fallende Erscheinung. Seinen Namen gab er mit Alexander Winkelmann an.“

„Winkelmann? A German? Nie gehört! Was will er?“

„Das hat er mir nicht gesagt – nur so viel, dass er Ihnen etwas zu berichten habe, das mit Sicherheit Ihr Interesse findet.“

„Well – glaube ich zwar kaum, aber kann ja auch nicht schaden – bitte ihn herein.“

Kurze Zeit später betrat ein junger Mann – er mochte etwa Anfang dreißig sein – das Arbeitszimmer. Schlank, bartlos, mit dichten dunklen Haaren, etwa einsachtzig groß, mit intelligenten Gesichtszügen, deren hervorstechendstes Merkmal klare und freundliche blaue Augen waren. Auffällig war jedoch seine im kühlen und nebligen London immerhin ungewöhnliche Kleidung, denn der junge Mann trug einen eher zu den Tropen passenden Kakianzug und kräftige Lederschuhe gleicher Farbe. Ohne zu zögern trat dieser jetzt vor den Schreibtisch, verbeugte sich leicht und sagte: „Sir David Lindsay, wie ich vermute? Ich bin wirklich froh, Sie endlich gefunden zu haben. Mein Name – Alexander Winkelmann – wird Ihnen zwar gar nichts sagen, der Ihrige sagt mir aber umso mehr!“

Sir David stand auf, man gab sich die Hand und er deutete dann auf eine Sitzgelegenheit am Schreibtisch ihm gegenüber.

„Indeed – never heard of you. Sie sind Deutscher, apparently? I admit – Sie sprechen ein hervorragendes Englisch – aber was ist der Grund Ihres überraschenden Besuches? Wieso sagt Ihnen mein Name etwas?“

„Das ist kaum mit nur wenigen Worten zusammenzufassen. Ich bin ... ich war ...“

Da fiel das Auge des jungen Mannes zufällig auf die vor ihm liegende Times und auf den von Sir David mit einem dicken roten Strich kenntlich gemachten Artikel über den Sandsturm in der libyschen Wüste.

„Ich ... ich sehe ... Mylord ... Sie haben schon ...“

„Ich ... habe schon? What do you mean?“

„Hier, Sir – die Pressemeldung über den Sandsturm ...“

„Well, yes – that’s right ... aber ... was ... was hat das mit Ihrem Besuch zu tun?“

„Nun – sozusagen alles! Ich bin der Reisende, von dem in diesem Artikel die Rede ist!“

„Damn it all! Hölle und Teufel! Really? Phantastic! Aber wie, by Jove, sind Sie im Zusammenhang damit ausgerechnet auf mich gekommen? Und wer oder was sind Sie überhaupt, by all means?“

„Sie haben völlig recht, diese Erklärung bin ich Ihnen noch schuldig. Ich bin Professor der Archäologie an der Universität zu Köln und auf die römischen und noch früheren Kulturen im Mittelmeerraum spezialisiert. Ich befand mich mit einem einheimischen Führer auf einer Forschungsreise im südlichen Libyen, als dieser unvorstellbare Sandsturm losbrach. Er wütete fast zwei Wochen lang ohne Unterbrechung und wenn ich nicht mit meinem Begleiter in einer dem Sturm abgewandten kleinen Felshöhle zufällig Zuflucht gefunden hätte – ich ... ich wäre jetzt wohl kaum hier.“

„Incredible! But you survived and came back! Wie ... wie war das möglich?“

„Ich ... ich weiß es eigentlich selbst nicht genau. Nach diesen vielen sturmdurchtosten Tagen – am Anfang hatten wir zum Glück noch ausreichend Wasser und Nahrung bei uns, auch Futter für unsere Kamele – aber das neigte sich immer mehr dem Ende zu ... kurz und gut – nach dieser Zeit war ich völlig orientierungslos geworden. Ohne meinen Führer und ohne die Hilfe von Menschen in kleinen Ortschaften, die wir unterwegs passierten, hätte ich nie wieder Tripolis und den Weg zurück nach Europa gefunden.“

„Understandable! Lucky fellow! Aber ... by all means ... was hat das alles mit mir zu tun? Warum kommen Sie jetzt ausgerechnet zu mir?“

„Das ist schnell erklärt. Ich hatte hier in London einen Termin bei der National Geografic Society und kam deshalb vorübergehend bei einem Freund unter, der Mitglied im Travellers Club ...“

„Ha! Travellers Club! Eingebildete, ignorante, bornierte Gesellschaft! Und dort?“

„Nun – mein Freund nahm mich als Gast dorthin mit, um von meinen kürzlichen Erlebnissen zu berichten ... und vor allem von diesem Turm ...“

„Der Turm? Er war keine Sinnestäuschung? Er war wirklich dort?“

„So klar vor meinen Augen, wie ich jetzt vor Ihnen sitze! Aber niemand, weder bei der National Geografic Society noch im Travellers Club, hat mir geglaubt! Man bewunderte nur meine Phantasie und empfahl mir, meine phantastische Geschichte doch Ihnen zum Besten zu geben – Sie hätten eine ähnlich ausgeprägte Phantasie! Damit wissen Sie nun, wie ich ausgerechnet hierher zu Ihnen gekommen bin!“

„Right, yes, verstehe – but why, warum?“

„Liegt das nicht auf der Hand? Eine alte, vergessene Kultur ... ich als Archäologe ... was könnte dort alles unter dem Sand verborgen liegen? Vielleicht seit Jahrhunderten, Jahrtausenden verschüttet, verdeckt – und jetzt zumindest in Teilen wieder zugänglich! Es muss dort auch Wasser gegeben haben, viel Wasser ... an der linken Seite des Turms ragten, ebenfalls vom Sand freigelegt, der Stamm und das Geäst eines Baumes, möglicher­weise einer Jahrtausende alten Zeder, aus dem Sandmeer heraus – natürlich abgestorben, aber konserviert, immer noch im festen, felsigen Untergrund verankert ...“

„Baum! Zeder! Das ist ... das ist ... absolutely phantastic!“

„Wie ... wieso ... was ist daran so ...“

„Believe it or not – genau diesen Turm ... und die Zeder ... habe ich auch gesehen ... kurz bevor Sie kamen!“

„Jetzt ... verstehe ich ... überhaupt nichts mehr! Was meinen Sie? Wieso können Sie gesehen haben, was ich ...“

Anstatt zu antworten, nahm Sir David das antiquarische Buch zur Hand, in dem er zuvor geblättert hatte, schlug die von ihm kenntlich gemachte Stelle auf und hielt seinem Besucher die Seite mit der Federzeichnung hin.

„Un... un... unglaublich! Unfassbar! Genau ... genau das ... habe ich gesehen! Wie ist das möglich? Wie haben Sie ...“

„Es war keine Sinnestäuschung, so viel steht jetzt eindeutig fest! Sie haben eine versunkene, vergessene Stadt wiederentdeckt – und niemand hat Ihnen geglaubt! Wir beide sind jetzt die Einzigen, die von ihrer realen Existenz wissen! Und das bedeutet ...“

„Das bedeutet?“

„Dass dort möglicherweise unglaubliche Schätze auf uns warten – archäologischer, aber vielleicht auch noch anderer Art! Im Verlauf der Jahrhunderte müssen ähnliche Stürme, wie Sie sie erlebt haben, immer wieder Teile der Ruinen aufgedeckt und wieder verschüttet haben – incredible ... impossible! Dieser Reisebericht ... vor 160 Jahren ...“

„Vor 160 Jahren? Wirklich unglaublich! Und Sie ... Sie sagen ... auf uns warten?“

„Natürlich! That goes without saying! Wir müssen dorthin ... der geheimnisvollen Stadt auf den Grund gehen! Und Sie kennen den Weg!“

„Sir David – ein ganz geheimer Gedanke, eine Hoffnung von mir war, Sie vielleicht für ein solches Unternehmen interessieren zu können! Aber da gibt es leider zwei Probleme, verehrter Lord! Zum einen: Ich habe keinen Penny mehr, um eine solche Expedition finanzieren zu können! Und zum anderen: Wie ich schon sagte, bin ich nach dem überstandenen Sandsturm völlig orientierungslos gewesen ... natürlich weiß ich ungefähr, wo ich den Turm in diesen unendlichen wüstenhaften Weiten gesehen haben muss ... aber eine genaue Vorstellung davon habe ich überhaupt nicht mehr!“

„Regrettable, really! But ... wait ... look here!“

Sir David deutete auf den bislang nicht näher beachteten Text auf der Gegenseite zur Federzeichnung ... und da war tatsächlich unter Angabe von einigen Ortsnamen und von bestimmten naturgegebenen Kennzeichen sogar von einer groben Schätzung von Längen- und Breitengrad des Fundortes die Rede – eine bessere Beschreibung war kaum erforderlich.

„Phantastisch! Das Glück verfolgt uns!“

„Indeed! Aber – we must keep the secret! Sonst lösen wir eine Völkerwanderung dorthin aus! Mache eine copy, eine Abschrift der Wegbeschreibung, jetzt, sofort, eine für Sie und eine für mich. Das Buch, of course, bleibt hier.“

Um seinen Worten Taten folgen zu lassen, begann Sir David sofort, die Angaben im Reisebericht des David Penrose abzuschreiben und übergab eine der Abschriften seinem Besucher.

„Keep it! Most valuable! Niemand darf wissen, um was es sich handelt! Habe dort ein Kreuz gemacht, wo auch dieser Penrose offenbar den ungefähren Standort bei der Skizze seiner Wegbeschreibung kennzeichnete.“

„Für Sie, Mylord, ist eine gemeinsame Expedition dorthin offenbar schon eine abgemachte Sache! Aber ... wie ich schon sagte ... das kostet ...“

„Financially – no problem! Habe genug von diesem schnöden Mammon! Aber ... first of all ... um was für eine versunkene Kultur könnte es sich bei diesen Ruinen denn überhaupt handeln? Sicher eine römische Hinterlassenschaft?“

„Wohl kaum. So weit von der Küste entfernt dürfte für die Römer kein Anlass bestanden haben, neben ­Leptis Magna, der großartigen Ruinenstadt etwa 120 Kilo­meter östlich von Tripolis, noch Hunderte von Kilometern landeinwärts in Sand und Fels eine weitere größere Siedlung ins Leben zu rufen. Bei Leptis Magna übrigens handelt es sich um die größte erhaltene antike Stadt der Welt überhaupt!“

„Well, may be – können Sie am besten beurteilen. Aber vielleicht ... der noch immer gesuchte ... Palast der Königin von Saba?“

„Das halte ich für absolut ausgeschlossen. Antike Quellen legen ihren Palast in das heutige Jemen, andere in die Region um Aksum in Äthiopien. Vor Kurzem wurden in Dungur bei Aksum die Überreste eines Palastes gefunden, der angeblich der sagenumwobenen Königin gehört haben könnte. Aber im Inneren der libyschen Wüste? Nie und nimmer!“

„Too bad! Wäre Sensation gewesen, for sure! Aber – what else?“

„In alten ägyptischen Quellen ist unter anderem auch von einer verschollenen Stadt namens Iram oder Irem die Rede, um 1450 vor Christus soll sie existiert haben. Die Lokalisierung dieser Stadt ist sehr umstritten – die Rede ist von Afrika am oberen Nil, vom südlichen Roten Meer und sogar von Randgebieten Asiens, vom Libanon aus im Landesinneren. Aber wie dem auch sei – mit unserer Entdeckung dürfte auch Iram nicht das Geringste zu tun haben.“

„All devils! Was bleibt dann noch?“

„Ich bin überzeugt, dass es sich nur um eine von der Geschichte vergessene Ansiedlung der Phönizier handeln kann! Diese – ein altes Händler- und Seefahrervolk – lebten an der Mittelmeerküste von Karthago im Westen bis nach Tyros, im heutigen Syrien, im Osten. Ihre Blütezeit war um das Jahr 1000 vor Christus und später. Mit ihren kunstvollen Metallwaren, Elfenbeinschnitzereien und zahlreichen anderen Fertigprodukten trieben sie Handel mit allen damaligen Großreichen und Staaten in der Nachbarschaft. Ihre Waren waren im gesamten Mittelmeerraum überaus beliebt.“

„Well, yes, habe davon gehört. Aber unsere Stadt – if I may say so – liegt nicht an der Küste, sondern mitten in der Wüste!“

„Das stimmt zwar – aber das Klima kann damals ganz anders gewesen sein, die Zeder beim Turm spricht für viel Wasser – wobei die Zeder übrigens ein ganz besonderes Exportprodukt der Phönizier war, weil sie sich hervorragend für den damaligen Schiffsbau eignete. Und die Elfenbeinschnitzereien sprechen für eine Verbindung zu Schwarzafrika ...“

„Phantastic! That’s it! Eine unbekannte phönizische Stadt! Unbelievable riches – buried for ages! Wann ging das phönizische Reich eigentlich unter, by the way?“

„Die reichen phönizischen Städte wurden im Laufe der Zeit immer mehr zu einem ernsthaften Gegner für das aufstrebende Rom. Der Niedergang der Phönizier begann allerdings schon mit der Zerstörung von Tyros durch Alexander dem Großen im Jahr 332 vor Christus – den Schlussstrich zogen dann die Römer 146 vor Christus mit der Eroberung und Zerstörung von Karthago.“

„Well – more than 2.000 years ago! Great! Unbelievable! Let’s go, at once, sofort, before anyone else ...“

„Sir David – das muss noch sorgfältig überlegt und vorbereitet werden! Und so sehr ich darauf brenne, das Geheimnis dieser Ruinen zu ergründen, so sehr habe ich auch das Bedürfnis nach einer kleinen Ruhepause, ein Besuch bei meinen Eltern, Freunden und Kollegen in Deutschland eingeschlossen!“

„Well, yes – understandable. Damn it all – Germany! My best friend ... Shatterhand ben Nemsi ... er muss mitkommen, sure as hell! Ohne ihn solche Reisen manchmal rather dangerous!“

„Shatterhand ben Nemsi? Wer ist denn das nun wieder?“

Sir David erklärte jetzt seine vieljährige Freundschaft mit mir, wobei ihm zugutegehalten werden muss, dass er meine Rolle bei unseren vielen gemeinsam überstandenen Abenteuern aus gutem Grund keineswegs schmälerte. Das alles erfuhr ich natürlich erst später. Sir David schloss: „Well, you see – Shatterhand ben Nemsi ist absolutely indispensable! We cannot go without him! Ohne ihn – really, ich mag mir gar nicht ausmalen, wie das eine oder andere Erlebnis sonst ausgegangen wäre! Aber mit ihm – be sure, Erfolg ist guaranteed!“

„Nun – ich gebe zu, dieser Shatterhand scheint wirklich einige Qualitäten zu haben, die uns bei einem solchen Vorhaben mehr als nützlich sein können! Aber wie ...“

„Clear as peasoup! Sie fahren nach good old Germany, besuchen Ihre Freunde dort und dann unseren Mister Shatterhand in Radebeul, bei Dresden. Und dort überzeugen Sie ihn, dass er mitmachen muss, by all means!“

„Und wenn er nicht will oder kann – oder vielleicht sogar gerade selbst auf Reisen ist?“

„Ist er nicht! Bekam kürzlich Brief – war in den Staaten und ist dort um ein Haar zu Tode gekommen1 – aber, lucky fellow, immer nur almost, nearly! Deshalb brauchen wir ihn, absolutely, no discussion!“

„Dass wir ihn gut gebrauchen können nach allem, was Sie mir erzählt haben, will ich nicht bestreiten. Aber – gerade von einer anderen offenbar lebensgefährlichen Reise zurück – ich glaube kaum ...“

„Right – that may be a problem. Habe aber ein Mittel dagegen, falls er Nein sagen sollte!“

„Wirklich? Was könnte das denn für ein Mittel sein?“

„Well – a rather simple one! Werde unsere Reise vorbereiten, at once, und fahren – alleine, mit meiner Jacht, nach Tripolis, waren schon einmal zusammen dort, for hunting a white panther, phantastic adventure, unbelievable! Und werde auch Halef telegrafieren – prächtiger Kerl, ebenso indispensable, um mich dort mit ihm zu treffen. Wenn Sie das diesem Shatterhand erzählen, wird er mitkommen, no doubt, not at all!“

„Nun – mag ja sein, hoffentlich haben Sie recht. Wenn Sie tatsächlich mit den Reisevorbereitungen sofort beginnen wollen – wann etwa wären Sie denn dann in Tripolis?“

„Well – may be in five, six weeks! Meine Jacht Lindsay wird dort im Hafen nicht zu verfehlen sein! Vielleicht bin ich aber auch an Land in der gleichen Pension, in der wir uns damals getroffen haben. Hat wonderful Blick auf den Hafen! Will meet you there – Sie und Shatterhand ben Nemsi from the North, Halef from the East! Wird wahrscheinlich mit Schiff von Port Said kommen. And we are all together again – absolutely wonderful!“

„Sir David – stellen Sie sich das nicht alles ein bisschen zu einfach vor? Das kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit, viele Vorbereitungen, und das nicht zu knapp! So eine Expedition ...“

„Nonsense – money no problem, wie schon gesagt. Und Vorbereitungen – habe Übung! Werden alle Details dann in Tripolis besprechen. Remember – we must be the first! Deshalb – no delay! Und halten Sie Ihren Mund! Otherwise ...“

„Selbstverständlich. Gilt für Sie aber auch! Dann ... dann ...“

„Dann ist alles geregelt, phantastic! New advenure! Sehen uns in Tripolis! Mister ... Mister ... may I call you simply Alex? Diese German Namen – they are all so complicated!“

„Natürlich, Sir David – ich fühle mich geehrt! Dann also ...“

„In five, six weeks time! Und beste Grüße an Mister Shatterhand ... geben Sie sich alle Mühe!“

„Darauf können Sie sich verlassen – nicht zuletzt auch im eigenen Interesse!“

Damit trennte man sich und Sir David blieb in einem Zustand höchster positiver Erregung zurück. Wie sich doch die Zukunftsperspektiven von einem Augenblick zum anderen so grundlegend ändern können! Er rief seinen Butler.

„James – holen Sie mir den Kapitän der Lindsay her! At once! Sofort! Es geht wieder los! Unbelievable!“

*

Wie schon erwähnt habe ich von dieser Vorgeschichte des phönizischen Turms – wenn es sich denn tatsächlich um einen solchen handeln sollte – erst später erfahren, nämlich nach einem Gespräch mit Alexander Winkelmann, nachdem mich ein Telegramm von Sir David erreicht hatte, das – ohne weitere Einzelheiten zu nennen – den baldigen Besuch dieses Herrn bei mir ankündigte. Ich machte mir keine weiteren Gedanken, um was es sich dabei wohl handeln könne. Wahrscheinlich wieder einer der vielen Autogrammjäger.

Im Augenblick saß ich an meinem Schreibtisch und versuchte, mit den Aufzeichnungen meiner letzten Reise in den Wilden Westen etwas weiterzukommen – was mir aber schwerfiel, weil ich immer noch sehr verärgert über meinen letzten Besuch bei meinem Onkel Friedrich Holunderbusch in Waldeshausen bei Kötschenbroda war. Auch wenn man dem ehemaligen Förster und Haudegen bei den preußischen Kürassieren seine zeitweise schlechte, gichtgeplagte Laune zugutehalten musste – meine lebensgefährlichen Abenteuer und Verletzungen bei den Apachen in der Sierra Madre für Kratzer meines Rosengartens und das Ganze für eine – immerhin bewunderte – Gabe meiner Phantasie zu halten, ging dann doch eindeutig zu weit!

Und das war nicht das Einzige, das mich gedanklich von der notwendigen Konzentration abhielt. Vor mir lag ein Schreiben von Halef, meines treuen Begleiters auf vielen Reisen im Orient, das ... ach was, ich gebe einfach dessen Wortlaut im Folgenden wieder:

Verehrter Sihdi, du treuloser Quell meiner immerwährenden Hoffnung.

Wann gönnst du mir endlich wieder die Freude und Glückseligkeit deiner Gegenwart? Länger, viel länger als der zweimalige Lauf der Sonne vom erwachenden Frühling bis hin zu den kalten Tagen des Winters ist es her, seitdem du mich mit den Strahlen deiner unvergleichlichen Anwesenheit beglückt hast und ich den berauschenden Ton deiner Baruhdi er Rad, deiner Donnerflinte, und deiner ihr Ziel nie verfehlenden Bundukijet et Tekrar, deiner Flinte der Wiederholung, gehört habe! Seitdem mein Sohn Kara ben Halef herangewachsen und seine Auserwählte gefunden hat, plagen mich die Erinnerungen an so viele gemeinsame Erlebnisse, bei denen allein schon unser Anblick die Söhne der Finsternis und des Verderbens in ungeheuerliche Todesfurcht gestürzt hat!

Hast du das alles vergessen? Ist dein Gedächtnis zu einem Sieb geworden, durch das der Sand der Vergangenheit hindurchfließt, ohne dass auch nur ein Körnchen haften bleibt? Hanneh, meine ehemals schönste Blume der unendlichen Wüste, erinnert inzwischen mit ihren vollen Formen an die Eleganz eines Nilpferds, sodass sich mein Tatendrang nach einer abenteuerlichen Abwesenheit in deiner Gesellschaft sehnt! Wie lange willst du mich noch darben lassen, der ich den in meinen Gliedern steckenden Rost der Jahre endlich ebenso wieder abschütteln will wie der unreine Dschaf, der Land­streicher, die Bakk, die stinkende Wanze der Abscheulichkeit?

Muss ich noch mehr sagen, nachdem mein Inneres einem Bir es Taami, einem Brunnen der Tränen, gleicht? Dein Herz ist immer ein Quell gütiger Herablassung gewesen – ich hoffe, dass der Zeitenlauf daran ebenso wenig geändert hat, wie mein Wunsch nach deiner Gegenwart unermesslich geworden ist! Sorge dafür, dass die Gnade unserer Gemeinschaft wieder den Glanz meiner Seele verklärt! Allah jimaßik bilcher – Allah schenke dir einen glücklichen Abend und dein nächster Morgen sei gesegnet wie der Aufgang der Sonne! Komme bald! Ich warte auf dich wie Abu l’Ifrid, der Vater des obersten Teufels, sich auf die Seelen derjenigen stürzt, die wir zur Hölle geschickt haben!

As-Salam Alaykum – Friede sei mit dir!

Dein immerwährender Freund und Beschützer

Hadschi Halef Omar ben Hadschi Abdul Abbas ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah

Ja – das war Halef, wie er sich unlösbar in meiner Erinnerung befand, ein Freund, wie es keinen zweiten je gegeben hat, und ein Original, das man ein weiteres Mal vergeblich suchen würde. Ich gebe zu – seine Worte berührten mich. Aber konnte ich ihnen Folge leisten, noch nicht lange aus den Staaten zurückgekehrt und mit der dringend notwendigen Niederschrift meiner dortigen Erlebnisse befasst, denn mein Verleger Fehsenfeld setzte mich wieder einmal erheblich unter Druck? Nein – das war jetzt leider nicht möglich. Ich würde ihm schreiben, dass mich seine Sehnsucht nach erneuter Gemeinsamkeit tief aufgewühlt habe und dass mich meine nächste Reise auf jeden Fall zu ihm und den Haddedihn führen würde, dass diese aber wegen anderer Verpflichtungen zu meinem großen Bedauern noch eine kleine Weile auf sich warten lassen müsse.

Nun gut – den Ärger über meinen Onkel sollte ich vergessen. Schließlich musste ich auch mir selbst gegenüber eingestehen, dass die oft haarsträubenden Erlebnisse vieler vergangener Jahre eigentlich gar nicht so unbeschadet, wie es bei mir eben und glücklicherweise der Fall war, hätten überstanden werden können. Schwamm drüber! Mein Manuskript wartete! Und dieser ­Alexander ­Winkelmann? Was mochte er wollen? Vermutlich wirklich nicht mehr als ein Autogramm, nachdem ihm der gute Lord sicher von so mancher Episode unserer gemeinsamen Reisen erzählt hatte. Dieser Besuch dürfte also keine lange Unterbrechung bedeuten. An die Arbeit!

In diesem Augenblick schellte die Türglocke. Da meine Haushälterin heute frei hatte, öffnete ich selbst. Wenn man den Teufel – oder wen auch immer – an die Wand malt: Er war es, dieser Winkelmann, an den ich gerade gedacht hatte und den ich nach gegenseitiger Begrüßung in das Wohnzimmer bat. Als der junge Mann – ­unsympathisch war er mir durchaus nicht – mich dort mit großen und erstaunten Augen ansah, ohne irgendwie auf den Grund seines Besuches zu sprechen zu kommen, musste ich die Initiative ergreifen.

„Junger Mann – Sie blicken mich an, als ob ich ein Geist sei! Heraus damit – was ist Ihr Anliegen? Sir David hat bei der Ankündigung Ihres Besuches kein Wort darüber verlauten lassen!“

„Ich ... ich ... ich habe ... Sie mir ganz anders vorgestellt!“

„Soso! Hat der Abenteuer suchende Lord vielleicht wieder ein wenig aufgeschnitten, übertrieben? Wie hat er mich denn dargestellt? Als unverwundbaren, muskelbepackten Preisboxer?“

„N... nein ... das ... überhaupt nicht! Nur ... weil er doch sagte ... was Sie alles erlebt haben ... und ohne Sie würde er sich auf keinen Fall in dieses neue Abenteuer, wie er es nannte, stürzen ...“

„Neues ... Abenteuer? Dann sind Sie nicht hier, um ein Autogramm ... oder Ähnliches ...?“

„Nein – wieso? War davon die Rede? Nein ... natürlich ... Sie haben ja keine Ahnung ...! Ich muss alles erklären, damit Sie wissen, worum es überhaupt geht!“

Und der junge Mann begann zu erzählen. Ich muss zugeben – seine Erlebnisse in der libyschen Wüste begannen mich durchaus zu interessieren, versetzten sie mich doch gedanklich in Zeiten und Situationen, die mir wahrlich nicht fremd waren. In der Sahara war sicher im Laufe der Zeit so manches vom Sand verschüttet worden und dann vielleicht irgendwann wiederaufgetaucht. Warum nicht auch mal ein Turm und eine abgestorbene Zeder? Ich sagte: „Da haben Sie wirklich eine mehr als gefährliche Situation, in die ich mich gut hineinversetzen kann, unbeschadet überstanden! Aber was hat das ...“

„Verstehen Sie nicht? Eine untergegangene, vergessene phönizische Stadt ... aller Voraussicht nach ...“

„Je nun – sollen sich doch die Archäologen darum kümmern! Was hat das mit uns, mit mir zu tun?“

„Ich bin Archäologe – und mit Ihnen hat es insofern etwas zu tun, als Sir David die Suche nach diesen unbekannten Ruinen auf keinen Fall nur mit mir, sondern auch mit Ihnen zusammen unternehmen will!“

„Mit mir? Sie können doch zusammen mit anderen Kollegen eine großartige Expedition starten! Und wenn der Lord dabei mitmachen will – meinetwegen! Die Geldmittel dazu hat er ja.“

„Darum geht es nicht. Er ... ich ... wir wollen ... die Suche und Erforschung dieser Ruinen alleine in Angriff nehmen ... niemand sonst darf davon erfahren!“

„Aha! Um wissenschaftlichen Ruhm zu sammeln ...“

„Niemand hat mir diese Entdeckung im südlichen Libyen, im Fezzan, geglaubt! Man hat sie für eine Sinnes­täuschung oder gar reine Phantasie gehalten! Und mich für einen Phantasten! Das muss ich widerlegen!“

„Diesen persönlichen Beweggrund verstehe ich. Aber ich sehe trotzdem nicht, was ich damit zu tun haben sollte! Außerdem bin ich, wie der Lord vielleicht erwähnt hat, gerade selbst vor nicht langer Zeit von einer ausgedehnten und auch gefährlichen Reise zurückgekehrt und habe deshalb im Augenblick alle Hände voll ...“

„Ich hatte die gleichen Bedenken Sir David gegenüber ... aber ... das Problem ist ... er ist ... mit seiner Jacht ... schon unterwegs ...“

„Wie bitte? Alleine? Unmöglich! Das ist wieder einer seiner unüberlegten Husarenstreiche, der schlimme Folgen haben kann! Und Sie?“

„Ich soll ihn in Tripolis treffen ... aber ... mit Ihnen zusammen!“

„Das ist Erpressung, schlicht und einfach! Sie beide alleine – unmöglich!“

„Das weiß er auch – aber er glaubt, nur auf diese Weise wären Sie ... bei auch von ihm erwarteter anfänglicher Ablehnung ... vielleicht doch bereit ... Übrigens hat er auch einem gewissen ... Hadschi Halef Omar ... telegrafiert, ebenfalls nach Tripolis zu kommen – offenbar ein langjähriger Freund von ihm und eben auch ein landeskundiger Beduine ... und natürlich hat er diesem auch mitgeteilt, dass Sie dabei sein werden ...“

Hadschi Halef Omar! Natürlich dachte ich sofort an dessen Brief, der so unmissverständlich zum Ausdruck brachte ... was war der Lord doch für ein trickreicher, gerissener Schlaumeier! Natürlich wusste er genau, dass ich ihn nie alleine in dieses Abenteuer schlittern lassen würde ... und dann noch Halef ... ich wusste, jetzt war eine Ablehnung meinerseits unmöglich geworden ...

„Also ... in drei Teufels Namen ... seit wann ist der Lord denn schon unterwegs und wann soll das Treffen in Tripolis stattfinden?“

„Ich bin nach meinem letzten Gespräch mit ihm sofort nach Deutschland gefahren, zunächst um Familie, Freunde und Kollegen zu besuchen – das ist jetzt drei Wochen her. Sir David meinte bei unserem letzten Treffen; in etwa zwei Wochen fahrbereit zu sein und dann wollte er so etwa zwei, höchstens drei Wochen später in Tripolis eintreffen, dann dort im Hafen vor Anker gehen und auf uns beide sowie auf diesen Halef in der gleichen Pension mit Blick auf den Hafen warten, in der Sie beide offenbar schon vor einigen Jahren einmal zusammen waren.“

„Ja – an die Pension kann ich mich gut erinnern. Auch damals hatte der Lord eine Schnapsidee – wollte im Regenwald von Ghana einen weißen Panther fangen, von dem in der Times die Rede gewesen war! Man sollte ihm dieses Blatt verbieten! Dann wird er also schon in einer guten Woche in Tripolis eintreffen! Wir ... wir haben nicht mehr viel Zeit ...“

„Sie ... Sie machen also mit, Mister Shatterhand ben Nemsi – wenn ich Sie auch so nennen darf?“

„Habe nichts dagegen. Was bleibt mir unter diesen Umständen anderes übrig? Sir David hat wieder einmal richtig kalkuliert ...“

„Er war sich seiner Sache sicher, das stimmt. Ich danke Ihnen sehr, auch in seinem Namen!“

„Nun gut – zum Glück spreche ich fließend Arabisch und auch Halef wird uns das nötige Lokalkolorit verleihen, was für unsere Unternehmung sehr wichtig ist. Aber zur Sache – wir müssen uns beeilen, wenn wir Sir David nicht zu lange warten lassen wollen. Zwei, drei Tage brauche ich hier noch, dann kann es losgehen. Ich schlage vor, wir nehmen – mit welchem Verkehrsmittel auch immer – den Landweg nach Genua und dort wird es nicht schwierig sein, eine Schiffspassage nach Tripolis zu finden, zumal Libyen ja derzeit eine Art italienische Kolonie ist.“

„Mister Shatterhand ... ich ... ich ...“

„Lassen wir das – Ihnen ist ja überhaupt nichts vorzuwerfen. Sie sind ja nur erfolgreicher Erfüllungsgehilfe – und Fachmann, natürlich. Dann also auf ein gemein­sames Abenteuer! Darf ich Sie auch einfach Alex nennen ... schließlich steuern wir doch auf eine ziemlich enge Gemeinschaft zu ...“

„Aber natürlich – mit Freuden!“

„Wir treffen uns hier in drei Tagen abmarschbereit wieder. Ich arrangiere alles Notwendige.“

„Hoffen wir, dass das Glück in mehrfacher Weise auf unserer Seite ist!“

„Hoffen wir es, mein Lieber! Und nun an die Arbeit.“

Ein Tag endet ja nicht immer so, wie man ihn sich am Anfang vorgestellt hat – dieser Besuch von Alex war ein exemplarischer Beweis dafür! Dann also auf zu einem neuen ... Abenteuer, wie der gute Lord sagen würde. Und ich muss zugeben – auf das Wiedersehen mit ihm und ganz besonders mit Halef freute ich mich schon!

Ein verhängnisvoller Fehler

Sir David war etwa sechs Wochen nach seinem Treffen mit Alex und nach einer problemlosen Fahrt gut in Tripolis eingetroffen – durch den Kanal, durch eine erstaunlich ruhige Biskaya und dann an Gibraltar vorbei in das Mittelmeer hinein, das wie ein spiegelglatter See vor ihm lag. Im Hafen von Tripolis ankerte er an der Reede und genoss den herrlichen Blick vom Hafengelände aus auf die weiße, vom Grün durchsetzte Silhouette der Stadt.

Er erinnerte sich – wann hatte er hier zuletzt vor Anker gelegen? Zehn Jahre? Nein – so lange war es noch nicht her, aber sehr viel weniger konnten es auch nicht gewesen sein. Was hatte er damals doch für eine verrückte Idee gehabt – einen weißen Panther fangen zu wollen, den es natürlich gar nicht gab, zumindest nicht als ­Panther! Aber auch damals war eine Meldung in der Times der Ausgangspunkt einer doch sehr abwechslungsreichen Reise gewesen – um das Mindeste zu sagen! Ob auch diesmal ...? Er war überzeugt davon, hoffte es sogar.

Noch war niemand seiner Freunde, mit denen er sich verabredet hatte, eingetroffen. Das hatte er aber auch nicht erwartet. Halef würde von den Weidegründen der Haddedihn per Kamel bis nach Port Said und von dort mit einem Schiff nach Tripolis wohl am längsten brauchen. Und Shatterhand ben Nemsi – er war sich mehr als sicher, dass dieser zusammen mit Alex kommen würde, aber auch das konnte noch ein paar Tage dauern.

Während sein Kapitän samt Mannschaft im Hafen an Bord der Lindsay bleiben würde, machte er sich auf, die Pension zu suchen, in der er damals mit seinen Freunden genächtigt hatte – das war dann doch bequemer als in seiner Kajüte auf der Jacht. Und tatsächlich – er fand sie sofort, es war alles unverändert geblieben und schon bald konnte er wieder von deren Dachterrasse aus seine schmucke, strahlend weiße Lindsay bewundern, die ein absoluter Blickfang im Hafengelände war.

Was jetzt tun? Von Halef war die Nachricht gekommen, dass er sich sofort auf den Weg machen würde. Auf den Weg machen? Nun ja – das konnte er auch. Ein kleiner Rundgang durch die Altstadt war immer eine Augenweide: Verwinkelte Gässchen, hinter den begrenzenden Mauern oft wunderbare tropische Gärten mit herrschaftlichen Häusern im Hintergrund, in bestimmten Vierteln aber auch nur ärmliche Hütten, vor denen schmutzige Kinder spielten, streunende Hunde und Katzen, ab und zu ein Eselskarren oder auch ein Lasten tragendes Kamel mit Waren für den Souk. Dann natürlich die Vielfalt von ihren Geschäften nachgehenden Menschen – vornehm gekleidete Männer in blütenweißem Haik oder Kaftan, viele aber auch nur mit schäbigem braunem Umhang und armseligen Filzpantoffeln. Frauen dagegen waren fast überhaupt nicht zu sehen und wenn eine einmal an einer Ecke oder vor der Tür ihrer Behausung stand und Sir Davids ansichtig wurde, verschwand sie sofort aus seinem Blickfeld.

Ihren Geschäften nachgehend – ja, da hatte er auch noch eine Aufgabe vor sich. Die Wegbeschreibung zu den geheimnisvollen Ruinen – auf den in London verfügbaren Karten hatte er vergeblich versucht, die um ein in dem Buch eingezeichnetes Kreuz herum angeführten drei Dörfer zu finden – zwischen der Oase Ghat ganz im Süden und Ghadames viel weiter im Norden gab es von Mursuk im Osten abgesehen fast nur einen weißen Fleck und Mursuk war auf jeden Fall viel zu weit östlich, wie Alex sagte. Wie hießen doch diese Dörfer, in deren Kreuzungspunkt in der Mitte der offenbare Strandort des Turms eingezeichnet war?

Misa, Egri und el-Gatrun – wo, zum Teufel, waren diese früheren Dörfer einzuordnen? Sehr wahrscheinlich gab es diese gar nicht mehr oder aber der Maßstab der Karten war zu klein. Aber es musste doch möglich sein, zumindest hier in Tripolis noch eine ältere und diversifiziertere Karte des libyschen Hinterlands aufzutreiben – damit wollte er sich jetzt sofort befassen. Und natürlich benötigte er auch noch die passende Kleidung für den sicher längeren Aufenthalt tief im Inneren der Wüste.

Gedacht, getan. Gleich am folgenden Tag war Sir David unterwegs, um das der Wüste angepasste Outfit zu erstehen, wobei er sich an dem orientierte, was Alex bei seinem Besuch in London getragen hatte; hinzu kam dann noch ein Tropenhelm der neuesten Mode. Um im Ort nicht allzu sehr als Fremder aufzufallen, kleidete er sich in der Pension sofort um und machte sich dann auf die Suche nach einem Geschäft, das die gewünschte Karte haben könnte.

Das war gar nicht so einfach. Mehrfach bekam er nur ein Kopfschütteln als Antwort oder man verwies ihn an irgendeinen anderen Stand im Souk, meist ebenso erfolglos. Endlich aber hatte er Glück. Ein Laden mit der vielversprechenden Werbung Alles für den Wüstenfuchs präsentierte in seiner Auslage auch Kartenmaterial und Sir David trat voller Hoffnung ein.

„Ah, verehrter Effendi – wie ich sehe, sind Sie auf dem Weg ins Landesinnere? Nach alten Schätzen suchen?“

„How do you kn... – no, not at all! Suche nur ...“

„Oder nach Leptis Magna? Den Weg kann der vornehme Herr sich sparen – wir haben alles hier! Amphoren, 2.000 Jahre alt, wunderbare Figuren, uralt, Töpfe, Kannen, antike Öllämpchen und Münzen, Schmuck aus Elfenbein, sogar aus Gold, alles echt ... alles was das Herz begehrt!“

Ohne eine Antwort abzuwarten verschwand der Verkäufer im Dunkel eines Hinterraums. Sir David hatte sofort eine Abneigung gegen diesen Typ gefasst – ­unterwürfig, aber mit verschlagenem, stechendem Blick, und ein schlecht gepflegter Bart machte sein Gesicht mit einer hervorstehenden Hakennase auch nicht anziehender. Seine Kleidung war fleckig und abgetragen, auch schien er irgendwie zu hinken, wie Sir David bei dessen Rückkehr mit einem Arm voller Krimskrams erneut feststellte.

„Hier, verehrter Herr – nirgendwo besser und preiswerter! Dies hier ... Sie finden nirgends ...“

Sir David winkte ab. Was er von diesen angeblich antiken Meisterwerken zu halten hatte, wusste er aus eigener Erfahrung nur zu genau.

„No, nothing, not at all! Suche maps, altes Karten­material, das das Landesinnere zeigt, wie es vor vielleicht hundert Jahren gewesen ist – I mean, the name of small villages and where they are situated!“

„Oh – das ist ... das ist ... sicher die Vorbereitung für eine Expedition?“

„N... no, not at all. Ich ... ich schreibe ein Buch – historical, you know? Soll so realistic sein wie möglich! ­Therefore ...“

„Ah – verstehe, verstehe! Um ... um welche Ortsnamen handelt es sich denn?“

„Impossible to remember – muss nachsehen!“

Sir David holte seine Abschrift der Wegbeschreibung aus der Tasche und nannte die Namen Misa, Egri und el-Gatrun.

„Nie gehört, verehrter Herr! Die sind auch für mich neu! Wo sollen sie denn liegen? Ob sie sich auf einer meiner alten Karten befinden, kann ich so nicht sagen. Geben Sie mir Ihren Zettel – ich werde dann nachsehen, ob sich diese Dörfer irgendwo auf einer meiner alten Karten wiederfinden lassen – Sie verstehen, Effendi, diese alten Karten müssen vor Licht, Staub und Feuchtigkeit geschützt werden. Ich habe sie im Hinterzimmer.“

Sir David leuchtete das ein und er gab die Weg­beschreibung, die die Überschrift Sandsturm/Turm trug, dem Hinkefuß, der anschließend mit dem Zettel im Dunkel des Hinterzimmers verschwand. Sir David wartete. Es dauerte ... dauerte eigentlich zu lange ... aber natürlich ... man musste ja erst suchen ...

Endlich kam der unangenehme Kerl wieder – und tatsächlich, neben dem Zettel mit der Wegbeschreibung, den er dem Lord zurückgab, hatte er auch eine arg vergilbte und an den Rändern schon eingerissene Karte in der Hand.

„Sie haben Glück, verehrter Effendi – die auf Ihrem Zettel angeführten Ortsnamen sind auf dieser alten Karte tatsächlich vorhanden, weit im Süden, noch hinter dem Dschebel Nefusa und der Hammada Hamra ...“

Sir David warf einen Blick auf die Karte.