Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 19: Im Tal der Herba Juvenilis - Axel J. Halbach - E-Book

Kara Ben Nemsi - Neue Abenteuer 19: Im Tal der Herba Juvenilis E-Book

Axel J. Halbach

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Beschreibung

Ein beschwerlicher und gefährlicher Ritt durch die Arabische Wüste führt Kara ben Nemsi, Halef, Sir David und einen weiteren Begleiter in das Dorf Nachi am Rand des Hadschar-Gebirges. Dort treffen sie auf völlig ungewöhnliche Erscheinungen, die sich vermutlich nur im Zusammenhang mit der von ihnen gesuchten Pflanze erklären lassen. Als sie schließlich selbst in das Tal der Herba Juvenilis gelangen, wird ihnen deren Gefährlichkeit deutlich vor Augen geführt. Nur durch den Einsatz des vierten Begleiters, bei dem es sich um einen Mitarbeiter des Royal Institute of Biology in London handelt, wird es der Gruppe möglich, diese Pflanze erfolgreich zu bekämpfen, ohne sie aber vermutlich für alle Zeiten beseitigen zu können.

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Kara Ben NemsiIM TAL DER HERBA JUVENILIS

In dieser Reihe bisher erschienen

1801 Die Rückkehr des Schut

1802 Die Rache des Schut

1803 Der Fluch des Schut

1804 In der Gewalt des Schut

1805 Das Geheimnis des Schut

1806 Der Krieg des Schut

1807 Die Schatzräuber und die Felsenstadt

1808 Das Königsgrab in der Felsenstadt

1809 Das Vermächtnis aus der Felsenstadt

1810 Die Shejitana

1811 Im Reich der Shejitana

1812 Königin Shejitana

1813 Die Reise zum Toten Meer

1814 Die Stadt am Toten Meer

1815 In der roten Wüste

1816 Die El-Wahabiya-Bande

1817 Karawanentod

1818 Auf dem Weg zu Halef

1819 Im Tal der Herba Juvenilis

Kara Ben Nemsi

Im Tal der Herba Juvenilis

Eine Reiseerzählung nach den Charakterenvon Karl May

Aufgeschrieben von Axel J. Halbach

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Ralph KretschmannUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-128-1Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Beim Eremiten der Felsengrotten

Halef, Sir David, Sam und ich waren wieder auf Pad, wie man in Südafrika sagen würde. Die einzige Übernachtung auf unserem Weg zu den Felsengrotten hatten wir in den Räumen der verlassenen Karawanserei verbracht und kamen jetzt unserem Ziel, dem Felsgrottengebirge, immer näher. Jetzt wurde es für mich doch langsam Zeit, Halef endlich zu fragen: „Lieber Halef – vor Kurzem wolltest du mich doch einmal unterbrechen, als der Begriff dieses mir völlig unbekannten Felsengebirges im Süden fiel – was hattest du mir damals sagen wollen?“

„Sihdi – das ist richtig! Tatsächlich waren wir beide zusammen ja bisher eigentlich nur in Richtung Norden unterwegs gewesen – unsere zahlreichen gemeinsamen Abenteuer im Wilden Kurdistan und Umgebung legen davon reichlich Zeugnis ab! Diese südliche Richtung aber, über die Karawanserei hinaus, war auch für mich lange Zeit ein unbeschriebenes Blatt – was hatte ich dort zu suchen? Das hat sich aber seit etwa zwei Jahren entscheidend geändert!“

„Warum? Wieso? Was …?“

„Warte nur ab! Als Erstes möchte ich dir dieses sonderbare Gebirge ein wenig beschreiben! Du wirst sehen: Je näher wir ihm kommen, umso stärker wird die Wüste zur Linken zurücktreten, während rechts immer höhere Felsengebirge emporwachsen, die sich – immer wieder von Buchten unterbrochen – wie ein Vorgebirge aneinanderreihen. Bei näherer Betrachtung ist einem dann nicht einmal klar, ob diese Formationen wirklich nur naturgegeben oder zum Teil sogar auf die Tätigkeit menschlicher Händen zurückzuführen sind!

Dein Auge wird Mauern, Säulen, Zinnen, Erker, fensterähnliche Öffnungen und große bogenförmige Toreingänge wahrzunehmen glauben! Diese wirklich fremd­artigen Felsen begleiten dich fort und fort, bis du schließlich wie in der Art eines Hufeisens von diesen felsigen Gebilden umgeben bist. Und über diesen Felsen schweben viele Musur es Bahra, die großen ­Wüstengeier, deren Anwesenheit auf eine Ansammlung mehrerer Menschen oder Tiere jenseits der diese verdeckenden Felsen schließen lässt …“

„Man ist dort scheinbar in eine völlig unberührte Wildnis hineingeraten …?“

„So ist es! Aber diese Wildnis ist dennoch nicht vollkommen unberührt! Denn als ich einmal rein zufällig das erste Mal dort vorbeikam, trat plötzlich und völlig überraschend aus einem dieser Torbogen ein Mann heraus und kam auf mich zu …“

„Das … das … das musst du mir nun wirklich näher erklären!“

„Höre nur zu! Es war ein alter Mann, kein Araber oder Beduine aus dieser Gegend – seine verschlissene Kleidung und sein Aussehen ließen auf einen Targi, einen Tuareg schließen, wie sie weit entfernt von hier im Süden Algeriens oder Libyens zu Hause sind! Er war in einen langen weißen Burnus gehüllt, und eine Kapuze bedeckte sein dunkles, fettiges Haar! Trotz seines Alters war er von großer und kräftiger Gestalt. Sein volles Gesicht zeigte die für einen Tuareg typische Abplattung um seine Wangenknochen herum. Er hatte eine kurze, fast stumpf­förmige Nase, ein rundes Kinn und zwei kleine, aber kluge und mir gegenüber sehr freundliche Augen … nur das Litham trug er nicht, den Gesichtsschleier, der bei den Targi nur die Augen frei lässt …“

„Halef – das hast du hervorragend beschrieben! Aber – wie konntest du dir alle diese so typischen Kennzeichen eines Tuareg bei dieser nur einzigen Begegnung merken?“

„Du hast recht, Sihdi – das wäre mir sicher nicht möglich gewesen! Aber es ist eben nicht bei dieser ersten Begegnung geblieben! Dieses Zusammentreffen ist jetzt etwa zwei Jahre her – und seitdem bin ich, zum Teil auch gemeinsam mit einem oder zweien meiner Haddedihn, fast jeden Monat dort gewesen, um diesen Einsiedler der Felsengrotten mit dem zu versorgen, was ihm die Tiere des Gebirges nicht bringen können …“

„Die Tiere des Gebirges? Das verstehe ich nicht! Was hat dieser Targi mit den Tieren dort zu tun?“

„Das betrifft etwas, was du erst selber wirst sehen müssen, um es zu glauben! Dieser Targi hat mit den Tieren dort ein ganz ungewöhnliches, kaum zu glaubendes Verhältnis aufgebaut! Sie kommen ihm zu Hilfe, wenn er bedroht wird – damit meine ich vor allem die Schlangen, Schakale oder großen Wildkatzen, die er mit einer besonderen Pfeife herbeirufen kann! Die Tiere tun ihm nicht das Geringste an, sondern verteidigen ihn vehement, wenn Gefahr droht! Darüber hinaus tragen die Schakale und Wildkatzen sogar zu seiner Ernährung bei, wenn sie ihm zum Beispiel ein Kaninchen oder einen Hasen als Mittags- oder Abendmahlzeit bringen!“

„Das geht jetzt allerdings über mein Verständnis hinaus! Ähnliches habe ich noch nie gehört oder gar erlebt! Ich muss zugeben, Halef – das erscheint mir doch alles ziemlich unglaubwürdig! Außerdem würde ein Kaninchen wohl kaum für seinen Lebensunterhalt ausreichen!“

„Natürlich nicht! Aber wir, die Haddedihn, versorgen ihn ja etwa einmal im Monat mit allen sonst noch notwendigen Nahrungsmitteln wie zum Beispiel frisches Gemüse und Obst, die dort in den trockenen Felsen nicht wachsen! Und natürlich auch mit anderen notwendigen Dingen, um die er uns bittet! Klare Wasserquellen aus den Bergen gibt es zum Glück genug, und es kommen dort auch keine Großkatzen wie Leoparden oder Panther vor – bei denen wäre ich mir trotz seiner übernatürlichen Fähigkeiten und Verhaltensweisen den Tieren gegenüber nicht so sicher!“

„Verhaltensweisen? Übernatürliche Fähigkeiten? Was meinst du damit?“

„Das musst du erst selbst erleben! Er hat offenbar nicht nur den siebten, sondern auch noch einen achten oder gar neunten Sinn! Seine Gesten und Augen sagen den Tieren, dass er ihr Freund ist – wie ich schon sagte: Er kann regelrecht mit ihnen kommunizieren! Und seine Fähigkeiten gehen noch weit darüber hinaus! Er ist irgendwie eine Art Hellseher – er spürt, nein, er weiß, wenn etwas auf ihn oder andere zukommt, er kann vor Eintritt des Ereignisses darauf reagieren und vor allem auch jeden Menschen sofort richtig einschätzen, der auf ihn zukommt und der ihm bis dahin unbekannt war. Er ist eben mit mir unbegreiflichen übernatürlichen Sinnen ausgestattet.“

„Halef – das alles hast du zwar sehr gut beschrieben, aber dennoch erscheint mir vieles davon doch mehr als unwahrscheinlich! Auf so viele Spekulationen oder Ahnungen habe ich noch nie eine Reaktion, eine Planung begründet! Außerdem sind wir jetzt vollkommen von unserem eigentlichen Thema abgekommen – wir sind hinter den Buschräubern her und nicht hinter einem offenbar mit besonderen Fähigkeiten ausgestatteten Eremiten! Und wer weiß, was die Buschräuber diesem doch recht seltsamen und einsam lebenden Menschen angetan haben!“

„Keine Sorge, Sihdi! Im günstigsten Fall werden diese drei Burschen schleunigst das Weite gesucht haben!“

„Mögest Du recht haben! Aber deren geplanter Überfall auf uns?“

„Der wird ihnen eben nie und nimmer möglich gewesen sein!“

„Deine Zuversicht in allen Ehren! Aber ich kann mir nicht helfen – Du scheinst mir inzwischen selbst einige mir bislang unbekannte Sinne zu haben! Auf der einen Seite diese drei brutalen Buschräuber und auf der anderen ein nicht nur seltsamer, sondern wohl auch recht harmloser, tierliebender Einzelgänger …“

„Es wird genauso gewesen sein, wie ich es dir gesagt habe! Warte nur ab, bis uns der Eremit – wie du ihn nennst – von seiner Begegnung mit den Buschräubern berichtet! Außerdem dürften diese Burschen von der Anwesenheit des dort lebenden eigentümlichen Menschen nichts gewusst und ebenso wenig dürften sie von dessen Namen gehört haben, unter dem dieser Tuareg bei uns, bei den Haddedihn und anderen, bekannt geworden ist!“

„Ein Name? Was für ein Name?“

„Wir haben ihn Pelewan Bei genannt, und auch er selbst gibt sich jetzt diesen Namen. Als Pelewan Bei wird im Grunde ein auf den Aberglauben der Araber zurückzuführender Geist bezeichnet. Diesen Aberglauben hat sich der Targi zu Nutze gemacht: Ein Pelewan Bei kann nicht sterben; sein Leib sieht zwar aus wie Fleisch und Blut, aber keine Kugel, keine Lanze kann ihn treffen oder gar töten! Du siehst ihn nicht, selbst wenn er an deiner Seite steht – und dennoch ist er manchmal da, direkt neben dir – und schon wieder verschwunden, bevor du ihn hättest berühren oder gar festhalten können! Und sein Blick durchdringt alles, seine Sinne lesen die Gedanken der anderen wie ein Buch …“

„Halef – das alles ist für mich, für jeden von uns“ – ich hatte natürlich die wesentlichen Aussagen von Halef meinen nicht Arabisch kundigen Freunden in Kurzform übersetzt – „kaum zu glauben und noch viel weniger zu begreifen! Fast habe ich das Gefühl, dass auch bei dir der Aberglaube ein wenig durchgegangen ist! Aber – lassen wir doch alles auf uns zukommen – wir werden ja sehen, was uns erwartet!“

Dabei blieb es, und wir ritten langsam weiter. Mir war wohl noch nie so zweifelnd und unerklärlich zumute wie jetzt, als uns nur noch wenige Kilometer von dem Felsengrottengebirge trennten, deren erste Ausläufer schon in der Ferne zu erkennen waren – und dann traf alles genauso ein, wie Halef es uns beschrieben hatte: um uns herum die teilweise menschlichen Aktivitäten ähnelnden Naturgebilde, nichts Lebendiges war bis jetzt zu sehen gewesen, nur über uns schwebten die von Halef erwähnten Musur es Bahra …

Vor uns öffnete sich ein teilweise von einer Felswand überdachter Platz, wir stiegen ab – und in genau diesem Augenblick trat aus einem der umliegenden Torbögen genau der Mann hervor, den Halef uns so gut beschrieben hatte! Er kam auf uns zu und streckte uns beide Arme grüßend entgegen.

„Ahla wa Salahu wa Marhaba – seid alle auf das Herzlichste begrüßt! Ich habe euch seit Stunden erwartet!“

„Wie … wie … wie kann das sein? Du bist … Du wirst … Pelewan Bei genannt? Auch dir ein Ahla wa Salahu – ein herzliches Willkommen! Aber … ich bin …“

„Du bist in deinem Kopf noch ein wenig durcheinander – das kann ich gut verstehen! Halef wird dir Dinge erzählt haben, die du einfach nicht glauben kannst! Aber warte nur ab! Ja – ich werde hier Pelewan Bei genannt und habe diesen Namen dann gerne auch selbst angenommen. Ich kenne euch alle: Du bist ein tapferer Emir aus dem Frankenland, der für Gerechtigkeit und gegen das Böse in der Welt kämpft! Und dieser junge Emir neben dir, ebenfalls aus dem Frankenland, sieht sich mit seinen wachsamen Augen so interessiert nach den verschiedenen ihm hier unbekannten Pflanzen um, dass er nur ein Botaniker sein kann! Und dein langjähriger Freund aus dem Belad del Inglesi schließlich ist ein sehr lieber und großzügiger Mensch, der manchmal allerdings ziemlich verrückte Ideen hat! Natürlich weiß ich das vor allem, weil mir Halef schon einiges über euch berichtet hat!

Ich bin mir sicher: Eure Fragen an mich werden nicht zu zählen sein! Folgt mir deshalb in meine gute Stube, wie ich sie nenne – dort haben wir es ein wenig bequemer und können alles besprechen, was euch im Kopf herumgeht …“

Der Pelewan Bei ging zurück durch den Torbogen, aus dem er gekommen war, und wir folgten ihm. Unsere Dromedare blieben natürlich draußen. Halef kam mit einem Sack über dem Rücken, der wahrscheinlich die Mitbringsel der Haddedihn enthielt.

Wir betraten einen mittelgroßen Raum, ringsum von Felswänden begrenzt, die aber zahlreiche Lücken ­aufwiesen. In der Mitte dieses Raumes stand ein flacher Felsblock, der wohl als Tisch diente, und um diesen Felsen herum befanden sich mehrere kleinere, mit weichem Heu abgefederte runde Holzteile als Sitzgelegenheit, auf denen wir Platz nahmen.

Wir blickten uns an, und ich schüttelte leicht den Kopf.

„Ich gebe zu – mir kommt das alles noch sehr unwirklich vor! Erlaube mir, Pelewan Bei, deshalb bitte als Erstes die Frage: Wie, warum und seit wann bist du überhaupt hierhergekommen? Weit entfernt von deiner Heimat als Tuareg?“

„Das ist eine sehr verwirrende Geschichte – zweifellos ebenso verwirrend, wie ich es als Person für euch bin! Deshalb werde ich über meine Vergangenheit auch kein Wort verlieren, denn sie spielt für die Gegenwart überhaupt keine Rolle mehr!

Ich bin inzwischen ein alter Mann geworden – mit Mitte Siebzig bin ich für die hiesige Bevölkerung sogar schon uralt! Und ich habe mir seit langem einen Platz gesucht, an dem ich ungestört und in Frieden auf meinen Lebensabend warten kann. Diesen Platz habe ich hier in mehr als idealer Weise gefunden – zusammen mit den Tieren, die mich hier umgeben und die meine engsten Freunde geworden sind!“

„Halef hat uns davon erzählt – manches davon ist für mich aber immer noch unbegreiflich! Und wo sind sie überhaupt, diese Tiere? Ich habe noch kein einziges gesehen!“

„Sie sind alle da und haben sich längst hinter diesen Felsen versammelt! Sie warten nur darauf, dass ich ihnen ein Zeichen gebe. Ja – es trifft sicherlich zu, dass ich über gewisse übernatürliche Fähigkeiten und Vorahnungen verfüge, die mir in meinem vergangenen Leben schon mehrfach fast zum Verhängnis geworden sind. Mein Hauptproblem war dabei, dass der Mensch im Prinzip leider der natürliche Feind aller Tiere ist – was vielen von ihnen schon zum endgültigen Verhängnis geworden ist. Jedes Tier hat instinktiv Angst vor ihm.

Das war für mich unerträglich! Erst hier konnte ich ohne Störung von außen ein mehr als enges Verhältnis zu ihnen und ihr Vertrauen zu mir aufbauen! Das beruhigte meine Seele, und so wurde unser Verhältnis zueinander zu einer echten Symbiose. Halef wird dir davon erzählt haben.“

„Das hat er. Aber wo sind sie denn nun, diese deine Tiere?“

Als Antwort stieß Pelewan Bei nur einen kurzen, aber irgendwie sonderbaren Pfiff aus …

Mir, uns allen blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen – wie aus dem Nichts kamen sie aus allen Öffnungen der Felsen um uns herum heraus: Dutzende von Schakalen, Wildkatzen und zahlloses weiteres kleineres Getier … aber keine Hasen oder Kaninchen!

Die Tiere hatten sich in einem Halbkreis vor uns versammelt. An vorderster Stelle befanden sich die Schakale, hinter ihnen die hier recht großen, sehr wehrhaft aussehenden Wildkatzen und dann noch weiter hinten kleineres Getier. Diese Tiere sahen uns mit freundlichen, teilweise sogar liebevollen Augen an. Ihre Gesten zeigten nicht die geringste Scheu, von einer möglichen Aggressivität ganz zu schweigen.

„Du vermisst Hasen, Kaninchen und andere kleinere Säugetiere? Diese gehören zu den natürlichen Beute­tieren dieser ganzen Gruppe hier – die naturgegebene Fressfeindschaft zwischen den Tieren selbst blieb natürlich bestehen – zu uns aber, zu den guten Menschen, haben sie alle ihre Scheu verloren.“

„Wie kann das sein? Wie erkennen sie …? Ich kann meine Gedanken nicht in Worte fassen!“

Auch Sir David konnte sich jetzt nicht mehr zurückhalten, dieses unglaubliche Geschehen in Worte zu fassen.

„But I can – that’s absolutely unbelievable! That’s magic! That’s impossible! Du bist ein Zauberer, Pelewan Bei! Wie war es dir möglich … I can’t believe it! Who has ever seen solch ein unfassbares event? It is, by Jove, absolutely incredible, ohne jedes Vorbild, ohne vorhersehbare Entwicklung!“

„Das ist mein Geheimnis! Das ist meine Sprache mit den Tieren! Mehr kann und will ich dazu nicht sagen.“

Mir wurde das alles immer rätselhafter. Dieser Pelewan Bei musste tatsächlich über völlig ungewöhnliche Sinne verfügen, die nachzuvollziehen mein Vermögen übertraf! Um unser vielfältiges und mehr als erstauntes Schweigen zu unterbrechen, musste ich ihm jetzt aber eine Frage stellen, die uns wieder ein wenig in eine verständliche Gegenwart zurückführen sollte.

„Pelewan Bei – vor nicht allzu langer Zeit müssen hier drei Männer vorbeigekommen sein – was haben sie gemacht? Was ist dann geschehen? Ich habe nichts von deren möglicher Anwesenheit hier bemerkt!“

„Auf diese Frage habe ich gewartet! Bei diesen drei Männern wusste ich sofort, dass es sich um böse, um sehr böse Menschen handelte! Dazu bedurfte es gar nicht mehr der Worte, die sie miteinander wechselten, bevor sie hierher, zu mir herein, kamen!

Ihr sollt genau erfahren, was dann geschehen ist – am besten gebe ich Euch den Ablauf dessen, was sich nun hier abspielte, so wortgetreu wie möglich wieder, damit ihr den ganzen Vorgang lebendig vor Augen habt! Zuvor aber kommt noch eine kleine Demonstration von mir, damit ihr mit eigenen Augen sehen könnt, wie ich meine Verteidigung hier aktiviere. Passt auf – aber erschreckt euch nicht! Euch wird nicht das Geringste geschehen!“

Er holte eine kleine, selbstgemachte Pfeife hervor und stieß in kurzer Folge drei Töne in unterschiedlicher Höhe heraus.

Jetzt konnten wir trotz seiner Worte unser aller Erschrecken nicht verbergen: So, wie die anderen Tiere vor ihnen, kamen aus allen Ecken, Löchern und Winkeln Schlangen hervor, in der Überzahl die überaus giftige Assaleh, die todbringende Wüstenschlange, aber auch andere, deren Art ich nicht kannte. Sie bildeten noch vor den anderen ­Tieren einen Halbkreis um uns herum und sahen Pelewan mit fragenden Augen an. Dieser machte mit den Händen ein Kreuz vor seiner Brust, es folgte ein weiterer andersartiger Pfiff mit seiner Pfeife, und dann wies er mit dem rechten Arm auf die verschiedenen Schlupflöcher, aus denen die Schlangen gekommen waren. Wie auf Befehl wandten sich diese jetzt um und verschwanden wieder durch die Ritzen, Löcher und Winkel, aus denen sie gekommen waren.

„Das ist zumindest ein Teil meiner Verteidigung“, sagte er, „aber ich will euch ja im Detail berichten, wie mein Treffen mit den Buschräubern hier abgelaufen ist.

Sie kamen an und ließen ihre Dromedare genau dort stehen, wo sich jetzt auch die euren befinden. Dann vernahm ich folgenden Wortwechsel:

„Allah verfluche diese Hitze! Aber wir haben unser Ziel erreicht! Wahrhaftig – dies ist ein idealer Ort, um diesen reichen Briten in die Hände zu bekommen und Kara ben Nemsi mit den anderen in die Dschehenna zu schicken! Steigt ab und bindet die Kamele irgendwo fest. Wir werden uns erst einmal etwas umsehen – der Torbogen dort scheint mir geeignet, hinter ihm die umliegende Gegend etwas zu erkunden. Nehmt eure Gewehre mit – wer weiß, ob es hier Panther oder Leoparden gibt!“

„Klar, Boss! Mit diesen Felsengrotten hast du einen wunderbaren Hinterhalt ausgewählt!“