IQ . Dummheit muss sterben - Roman Just - E-Book

IQ . Dummheit muss sterben E-Book

Roman Just

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Beschreibung

Drei prominente Tote an drei verschiedenen Orten in den USA:Zuerst ein unbeliebter Bürgermeister, danach der eher verachtete Star einer Serie, schließlich ein Gouverneur. Chris Falken, Agent des FBI, wird zu seinem Leidwesen beauftragt, den Killer zu schnappen. Als es weitere fragwürdig angesehene und berühmte Tote gibt, gerät der Ermittler unter immensen Druck, doch immer wieder gelingt es ihm, weiter ermitteln zu dürfen. Der Grund: Der Ermittler weiß mehr, als er seinen Vorgesetzten mitgeteilt hat.Was weiß Falken und wird er seinen Job behalten, seine Ehre wiederherstellen und den irren Mörder schnappen?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Über den Autor

Zur Person:

Vor 30 Monaten

Vor 28 Monaten

Heute

24 Monate bis zur Gegenwart

22 Monate bis zur Gegenwart

20 Monate bis zur Gegenwart

19 Monate bis zur Gegenwart

15 Monate bis zur Gegenwart

Zeitraffer

12 Wochen bis zur Gegenwart

9 Wochen bis zur Gegenwart

6 Wochen bis zur Gegenwart

3 Wochen bis zur Gegenwart

1 Woche bis zur Gegenwart

Gegenwart

5 Tage später

4 Monate später

1 Jahr danach

Impressum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

IQ

Dummheit muss sterben

 

Thriller/Psychothriller

von Roman Just

 

Über den Autor

Roman Just ist in der Welt der Literatur in verschiedenen Genres unterwegs. Mit den Thrillern der "Tatort-Boston-Reihe" hat er den Einstieg in die Literaturwelt begonnen, sie anschließend mit den "Gelsenkrimis" fortgesetzt. Neben den Thrillern und Krimis arbeitet er an einer mehrteiligen Dystopie und einer historischen Familiensaga, hinzu kommen Ausflüge in andere Genres.

Der Autor und bekennender Selfpublisher ist Jahrgang 1961, lebt in Gelsenkirchen, leidet mit dem vor Ort ansässigen Fußballclub seit 1971 zu allen Zeiten mit, spielt außerdem gerne mit Mitmenschen Schach und beschäftigt sich leider nur noch gelegentlich mit der Astronomie.

Der Selfpublisher betreibt auf seiner Homepage zu allen seinen veröffentlichten Titeln Leserunden, außerdem bietet er einen Leserkreis, an dem ebenfalls aktiv teilgenommen werden kann.

Mehr über den Autor und seine Titel gibt es hier:

https://www.gelsenkrimi.de

https://www.gelsenkrimi.de/ueber-mich

https://www.gelsenkrimi.de/leserkreis/leserunden

https://www.gelsenkrimi.de/leserkreis

https://www.gelsenkrimi.de/gelsenshop

 

 

Zur Person:

Sternzeichen: Jungfrau

Gewicht: Im Moment viel zu viel

Erlernter Beruf: Kellner

Derzeit tätig als: Autor/Selfpublisher

Charaktereigenschaften: Impulsiv/Hilfsbereit

Laster: Nie zufrieden mit einem Ergebnis

Vorteil: Meistens sehr geduldig

Er mag: Klare Aussagen

Er mag nicht: Gier und Neid

Er kann nicht: Den Mund halten

Er kann: Zuhören

Er hasst: Tyrannen und selbstverliebte Subjekte

Er liebt: Das Leben

Er will: Ziele erreichen

Er will nicht: Unterordnen

Er steht für: Menschlichkeit

Er verachtet: Hass, Mobbing, Eitelkeit

Er denkt: Auch Einfaches ist nicht einfach zu erledigen

Er meint: Die Achtung und der Respekt vor der Würde eines Menschen werden durch das Gendern nicht gestärkt. 

 

 

Vor 30 Monaten

R

on, der von seinen Freunden einst Ronny genannt wurde, war mit Leidenschaft dabei, sein Gewehr zu reinigen. Inzwischen gab es in seinem Umfeld keine Kameraden mehr, sie alle hatten sich mit einer Ausnahme von ihm abgewandt. Hass, Ekel Verachtung, es waren Eigenschaften, die sich Ron in den vergangenen Monaten zu eigen gemacht hatte. Sie trieben ihn in eine Isolation, welche seine ehemaligen Gefährten nicht ertragen und miterleben konnten. Dabei war Ron einst ein äußerst beliebter Zeitgenosse, so wohl in seiner Jugend als auch später in seinem Berufsleben. Er zeigte in jenen Tagen Charaktereigenschaften, die keineswegs selbstverständlich waren. Bei ihnen handelte es nicht um weltbewegende Dinge, stattdessen gehörten sie im jeweiligen Alter zum Alltag, unter dem Vorbehalt, sich in einer Welt zu befinden, wo das Motto galt, der Stärkere hilft dem Schwächeren. Dadurch erlangte Ron in der Schul- und Studienzeit den Ruf eines Samariters, der ihn wiederum zu einem Mädchenschwarm werden ließ. Ronnie unterstützte Mitschüler bei Schulaufgaben, erteilte schwerfällig Lernenden Nachhilfeunterricht, schrieb vereinzelt ihre Prüfungen, ohne das es die Lehrerschaft mitbekam. Er war eben deutlich klüger als so mancher Schüler. Wer über ein seinesgleichen geistig enormes Potenzial verfügte, dem fiel es außerdem leicht, den Mathelehrer oder Schuldirektor auszutricksen. Spielerisch durchlief er die Schule, mit Bestnote schloss er das Studium ab. Rechtsanwaltskanzleien rissen sich um ihn.

Genial bewies er in den folgenden Jahren zunächst die Unschuld von Schuldigen, später als renommierter Anwalt, erstritt er vor Gericht von angeblich unantastbaren Konzernen millionenschwere Entschädigungszahlungen für ungerecht behandelte Mitarbeiter und geschädigte Familien. Er gewann Sammelklagen, brachte unbesiegbar eingestufte Lobbyisten zu Fall. Neben dem ungewöhnlichen IQ schien auch ein nicht endend wollender Erfolgsweg Ron "Ronny" Broulin in die Wiege gelegt worden zu sein. Doch jede Siegesserie, offenbar schrieb es das Leben so vor, erhielt irgendwann einmal einen Riss.

Bei Ron geschah es nicht über Nacht, sondern schleichend. Dem Rechtsanwalt wurden durch die Prozesse nach und nach die Augen für eine ihm bis dahin unbekannte Realität geöffnet. Beigetragen dazu hatten sämtliche Gerichtsverhandlungen gegen die unternehmerische und private Oberschicht. Wegen dem Vorgehen, Benehmen und den angewendeten, oft unlauteren Taktiken der beklagten Gegenparteien, sah er Recht, Ordnung und Sicherheit in Gefahr. Zunehmend, mit jedem neuen Termin vor Gericht, gestand er sich ein, das die vorhandenen Gräben in der Gesellschaft, die Kluft zwischen Regierungen und Bürgern, täglich breiter und tiefer zu werden drohten. Amerika, ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten, bot mittlerweile ärmeren Leuten und Menschen aus der Mittelschicht kaum noch erfreuliche Zukunftsperspektiven. Das ehemals wahre Märchen "Vom Tellerwäscher zum Millionär" gehörte zu einer Vergangenheit, welche in keinem Laden oder an einer Straßenkreuzung gefunden werden konnte. Verschwunden waren die alteingesessenen Geschäfte, die Straßenkünstler, selbst die Würstchenstände waren weniger, dafür die "Hot-Dogs" teurer geworden. Überall existierten Missstände, Engpässe und Miseren, keineswegs jedoch dort, wo die Verantwortlichen der miserablen Zustände arbeiteten und wohnten. Mit der Zeit hatte Ron begriffen, das sich den Wohlhabenden stets Möglichkeiten offenbarten, um finanziell unterlegene Gesellschaftsschichten bis zum letzten Cent auszusaugen. Sie gingen wie Vampire vor und schreckten nicht davor zurück, bei Bedarf die Ärmsten und Wehrlosesten wegen irgendwelcher Gewinne zu missbrauchen.

Ron konnte längst belegen, dass die Mehrheit der Aktionäre mittlerer bis riesiger Unternehmen, die Vorstände solcher Firmen und auch die reichsten Privatunternehmer der Welt ihr Vermögen einer unmenschlichen Skrupellosigkeit zu verdanken hatten. Im wahrsten Sinne des Wortes wurde über Leichen gegangen, allerorts und überall. Der normale Mensch, ob verschuldet oder finanziell solide, ob in gehobener Stellung beziehungsweise arbeitslos, er wurde als Dividende betrachtet. Unabhängig des Geschlechts, der Herkunft, der Religion und des gegenwärtigen Daseins: Wer nicht stinkreich war, für den blieben zwei Lostöpfe übrig, die ausschließlich von Reichen und Mächtigen kontrolliert wurden. In einem Topf landeten die bedeutungslosen Versuchskaninchen und der Teil der Bürger, die in ihrem Leben ohnehin niemals etwas erreicht hätten. In dem anderen Gefäß befanden sich Leute, die sämtliche Wirtschaftszweige am Laufen hielten, ohne zu jammern und zu kostspielig zu werden. Ronnys Absichten, die Welt etwas besser zu machen, scheiterten kläglich. Ron Broulin hatte keinesfalls vor, sich gegen die bestehenden Systeme aufzulehnen, dadurch hätte er sich nur Feinde geschaffen, ansonsten nichts erreicht. Sein Ziel bestand darin, da und dort der Gerechtigkeit auf die Sprünge zu helfen. Sein ehrenwertes Anliegen begann mit einem brisanten Fall, dem ein Trinkwasserskandal zugrunde lag. Ohne es vorab zu ahnen, fing er in der Angelegenheit zu bohren an, lief während den Recherchen gegen taube Ohren, schweigende Münder und verschlossene Wände. Trotzdem gelang es ihm zu erfahren, wer seine Gegner in einem eventuellen Verfahren gewesen wären: Der Gouverneur des Bundesstaates Michigan, der Bürgermeister und Stadtrat von Flint, der damals achtgrößten Stadt der Region, letztlich auch der einstige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der sich in jenen Tagen alles andere als loyal zu seinen Bürgern gegeben hatte. Was war passiert?

Wegen Sparmaßnahmen hatte die Stadtverwaltung von Flint beschlossen, den Bezug des teureren Trinkwassers aus dem Huronsee einzustellen. Stattdessen wurde die Trinkwasseraufbereitung ab April 2014 mit Wasser des mit Chemikalien verseuchten Flint-Flusses betrieben. Die aggressive Flüssigkeit griff in der Folge die veralteten Wasserleitungen der Stadt an, die überwiegend aus Bleirohren bestanden. Zum damaligen Zeitpunkt lebten ungefähr neunzehntausend Kinder unter der überwiegend schwarzen Bevölkerung, die Einwohnerzahl belief sich auf etwas mehr als einhunderttausend Bürger. Durch das mit Blei kontaminierte Trinkwasser kam es zu gesundheitlichen Schäden, aber den Beschwerden der Menschen schenkte die Stadtverwaltung kein Gehör, obwohl es bereits im Jahr der Inbetriebnahme vermehrt zu Symptomen wie Haarausfall, Erbrechen und Hautausschlägen gekommen war. Erst als der Skandal landesweit für Aufsehen sorgte, woraufhin die Umweltschutzbehörden Druck auszuüben anfingen, trafen die Betroffenen, von denen viele wegen der Bleivergiftung jahrzehntelang unter Spätfolgen leiden würden, auf offene Ohren und Türen. Der Trinkwasserskandal schlug hohe Wellen, erhielt den traurigen Symbolstatus für die sozialen Ungerechtigkeiten in den USA. Trotzdem sah US-Präsident Barack Obama, dem bei einem Besuch der Stadt ein Glas Wasser vergeblich angeboten wurde, keinen Handlungsbedarf. Erst Anfang 2016 wurde durch ihn der Notstand ausgerufen.

In der darauffolgenden Zeit begann die Einwohnerzahl von Flint zu sinken, betrug 2020 nur noch rund achtzigtausend Seelen. Bis in die Gegenwart machten viele Stadtbewohner von Wasserflaschen Gebrauch, daran konnten die ausgetauschten Bleileitungen und der neuerliche Bezug von Trinkwasser aus dem Huronsee nichts ändern. Der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Dokumentarfilmer und Autor "Michael Moore", der in Flint das Licht der Welt erblickt hatte, ging in seinem Film "Fahrenheit 9/11" mit einem ganzen Kapitel dem Trinkwasserskandal in seiner Heimatstadt erneut auf die Spur. Mehrfach hatte sich Ron Broulin den Film angesehen, der sich überwiegend mit der Wahl 2016 befasste und sich mit den Konsequenzen auseinandersetzte, die Donald Trump zum Nachfolger Barack Obamas werden ließen. Nach unzähligen Nachforschungen, Gesprächen mit Beteiligten und Opfern, anwaltlichen Ermittlungen gegen Verantwortliche und deren Unterstützer, ebenso gegen Mitwisser und Wegsehende, entschloss sich Ron zu einem unerwarteten und radikalen Schritt. Schuld daran waren der letzte und der amtierenden US-Präsident. Er sah zwischen dem verblödeten Egomanen Trump und dem Möchtegern-Weltverbesserer Obama keine Unterschiede.

Bewusster Missbrauch der Macht, Unterwürfigkeit gegenüber Lobbyisten, Verrat an den Bürgern, die andere Ansichten vertraten. In seinen Augen hatten die mächtigsten Staatsoberhäupter der Welt die Verfassung und ihr Amt mit Füßen getreten, ebenso mit Schmutz beworfen. Deswegen zog er bezüglich des Trinkwasserskandals fortan die Fäden aus dem Hintergrund. Achtzehn Monate mussten vergehen, bis ein Vergleich zustande kam. Während all der Wochen fanden intensive Streitgespräche in Büros, am Telefon, auch bei Anhörungen im Gerichtssaal statt. Die Beklagten, der Bundesstaat Michigan und die Stadt Flint, wussten jede Hintertür zu nutzen, welche ihnen durch die Gesetzgebung zugänglich wurde. Es nützte alles nichts. Im August 2020 geschah es: Die Opfer des mit Blei verseuchten Trinkwassers erhielten einen Schadensersatz in Höhe von 626 Millionen Dollar zugesprochen. Mindestens zwölf Todesopfer konnten bis dahin eindeutig der aus dem Wasserhahn fließenden krankheitserregenden Brühe zugeordnet werden. Nicht nur deshalb besaß die Einigung über die Entschädigungssumme einen üblen, bleihaltigen Nachgeschmack. Das Urteil, ausgesprochen durch eine über die Vorkommnisse angewiderte Bezirksrichterin, beinhaltete zusätzlichen Sprengstoff. Ron Broulin erkannte, dass es trotz des Vergleichs und Urteils seinem Team vorbehalten blieb, ihrerseits diverse Gesetzeslücken in Anspruch zu nehmen. Ein derartiges Vorgehen hätte zwangsläufig zu Privatklagen geführt, wodurch es möglich geworden wäre, die Stadtverwaltung von Flint, den Gouverneur von Michigan und den Präsidenten der Vereinigten Staaten zunächst vor ein Zivilgericht zu bringen. Ein Schuldspruch würde später erlauben, vor die "Grand Jury" zu ziehen. Ronnie kannte die Lücken in der amerikanischen Rechtsprechung, durch die andererseits oft erst im Nachhinein Recht gesprochen werden konnte.

Allerdings waren die Verteidiger der beklagten Parteien keine Nieten in ihrem Job, sahen die Gefahren, mit denen sie unter Umständen in absehbarer Zukunft zu kämpfen hätten. Damit wurde ein Spiel angepfiffen, welches man ansonsten nur in Streifen aus "Hollywood" sehen konnte, doch irgendwoher mussten die Drehbuchautoren, Produzenten und Filmstudios ihre Ideen hernehmen. Insofern war es für die Filmemacher in Amerika relativ einfach, an mysteriöse und spannende Geschichten heranzukommen.

Die Reichen, Mächtigen, die Lobbyisten, die Politik, das FBI und die CIA, sogar die Stars und Sternchen lieferten täglich neuen Stoff. Es war egal, ob nur die Wahrheit verfilmt, oder die Story mit einer Zutat an Fantasie angereichert wurde. In Amerika musste nicht lange gewartet werden, bis die verrückteste Geschichte in Konkurrenz zur Realität stand. Zweifler in dieser Hinsicht gab es genug, aber diese Leute hatten vergessen oder wussten nicht, dass fast alle Menschen die meisten technischen Errungenschaften in der Gegenwart vor einhundert Jahren als Hirngespinst bezeichnet und für unmöglich gehalten hatten. Nahezu achtzig Prozent der entwickelten Fortschritte gehörten inzwischen zu den Selbstverständlichkeiten im Alltag des Lebens. Computer, Handy, Kaffee- und Waschmaschine, die Telekommunikation insgesamt, Fernsehen, Video, Streaming, ein großer Teil der Geräte in der Küche, im Werkzeugraum und selbst im Kinderzimmer, vor einem Jahrhundert existierten die Gegenstände nicht. Außer da und dort bereits in einem Stummfilm oder Buch.

Das der Vergleich für die Opfer des Trinkwasserskandals ein Segen war, konnte niemand bestreiten. Allerdings ließ sich trotz der gewaltigen Entschädigungssumme die verloren gegangene Gesundheit nicht zurückkaufen. Immerhin hatte sich das Recht vorübergehend vollumfänglich durchgesetzt, was wiederum ein von der Öffentlichkeit unbemerktes Unrecht ins Rollen brachte. Der Name des Geschädigten lautete diesmal: Ron "Ronnie" Broulin. Die Intelligenz, Ruhe, die Routine, Weitsicht, die selbstbewusste Herangehensweise, seine durchaus vorhandene Abgebrühtheit und nie nachlassende Hartnäckigkeit, sämtliche Eigenschaften des Rechtsanwalts hatten in den Kanzleien seiner Kontrahenten Unruhe und Sorgen ausgelöst. Niemals durfte ein gesamter Stadtrat samt Bürgermeister, der Gouverneur eines Bundesstaates und schon gar nicht ein ehemaliger US-Präsident vor ein Gericht gezerrt werden. Mit Ron ging es unerklärlicherweise plötzlich steil bergab. Sein Erfolgsweg verwandelte sich in eine Trümmerlandschaft, die ihm die Zulassung als Anwalt entzog. Sein Aufbegehren gegen die Ungerechtigkeiten kosteten ihn seine Ehe, Kinder, Verwandte und Freunde.

Der Untergang eines Superstars, der das amerikanische Rechtssystem einer nie zuvor erlebten Gesundheitskur unterzogen hätte, wäre perfekt gewesen, wenn Ron nicht seinen IQ gehabt und die ihm dadurch verliehene Weitsicht benutzt hätte. Finanziell war er in den Jahren davor unabhängig geworden. Sein Ego drängte ihn nicht zu einem Rundumschlag und Comeback in die Anwaltsszene. Eigentlich war er trotz der ungerechtfertigt zugefügten Niederlagen mit seinem Leben zufrieden, jedoch nicht mit dem, was um ihn herum vor sich ging. Die Gesellschaft zerbrach, damit auch sein Land, die Reichen wurden immer wohlhabender, die Armen immer ärmer. Die Gegebenheiten wurden durch altbekannte Umstände drastisch verschärft. Die Schlagworte besaßen weltweit Gültigkeit, zu seinem Unmut in manchen Bereichen besonders in den Vereinigten Staaten. Sie lauteten unter anderem: Rassenhass, Diskriminierung, Meinungsfreiheit, Würde. Mehrere Dutzend Worte konnte er in diesem Bezug aufzählen, wem wäre damit geholfen?

Dann geschah etwas, was Ron Broulins Niedergang stoppen und sein Leben vollkommen verändern sollte. Der ehemalige Bürgermeister von Flint, inzwischen Rentner, war einem Anschlag zum Opfer gefallen. Kurzzeitig geriet deswegen auch Ron ins Visier des FBI, schließlich hatte er gegen die Stadt und das Stadtoberhaupt einen Prozess geführt. Dass er mit dem Attentat nichts zu tun hatte, stellte sich schnell heraus. Doch im Gegensatz zu seinem Glauben war die Angelegenheit damit für ihn nicht beendet, sondern nahm erst richtig Fahrt auf. Ron, der kläglich gescheiterte Weltverbesserer, mittlerweile ein immerzu schlecht gelaunter Einzelgänger, hatte sich radikal verändert. Sein Charme gehörte der Vergangenheit an. Die routinemäßigen Ermittlungen gegen ihn hatten das Fass des Erträglichen endgültig zum Überlaufen gebracht. Der sympathische, aufstrebende, letztlich ungemein erfolgreiche "Staranwalt" wurde zu einem verbitterten Mann, dem nur noch eine Leidenschaft geblieben war, die der Jagd. Allein zog er los, um in den Wäldern Montanas oder in den Höhen der Rocky Mountains einen Hirsch oder Elch zu erlegen, aber auch dabei schien sich seine Pechsträhne fortzusetzen. Meistens lief ihm nämlich nur ein Hase vor das Jagdgewehr, den er dann auch noch verfehlte.

Etliche Wochen nach dem Mord an dem Bürgermeister erwies sich der Schütze eindeutig treffsicherer als Ron. Auf die gleiche Weise wie das erste Opfer wurde ein Schauspieler, der sehr merkwürdige Ansichten vertrat, aus großer Entfernung erschossen. Die ermittelnde Behörde, das FBI, schrieb beide Tötungsdelikte einem Täter zu, trat ansonsten bei der Suche nach dem Attentäter auf der Stelle. Ron konnte nicht ahnen, dass sich sein Dasein bis dahin bereits zu verändern begonnen hatte. Der tödliche Anschlag auf den Hauptdarsteller einiger niveaulosen Serien, die dennoch außergewöhnlich erfolgreich waren, gab seinem Leben eine unerwartete Wende.

 

Vor 28 Monaten

D

er Mord an dem Schauspieler, der seinen Ruhm mehr der Verbreitung von Verschwörungstheorien als seinem darstellerischen Können zu verdanken hatte, ließ das Schicksal boshaft werden. Betroffen war Oliver Glass. Zu Unrecht geriet er in das Fadenkreuz des "Federal Bureau of Investigation". Im Grunde erging es ihm wie Ron. Zwar wurde er als Tatverdächtiger bald ausgeschlossen, aber der Verdacht gegen ihn und die Verhöre hinterließen bei ihm einen üblen Nachgeschmack.

Oliver und Ron konnten unterschiedlicher nicht sein, besaßen nur zwei Gemeinsamkeiten. Beide verfügten über einen Waffenschein und gingen gern auf die Jagd. Weitere Ähnlichkeiten existierten nicht. Im Gegensatz zu Ron war Oliver bei der Army gewesen, davor und danach las sich sein Werdegang wie ein schlechtes Zeugnis. Mit gutem Willen und etwas Nachsicht hätte es auch als durchschnittlich betrachtet werden können. Immerhin gehörte Oliver nicht zu den schulischen Versagern, denen sich aufgrund schlechter Schulnoten kaum berufliche Perspektiven boten. Im Gegensatz zu anderen Mitschülern war er nicht ins kriminelle Milieu abgerutscht, ebenso ließ er von Drogen und Alkohol die Finger weg. Vor der Zeit beim Militär hatte er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Während dieser Tage brach der Kontakt zu seinen Eltern ab, da er ihren Erwartungen nicht gerecht geworden war und sich ständig diesbezüglich Vorwürfe anhören musste. Er zog von zu Hause aus, brach in eine ihm unbekannte Welt auf.

Oliver lebte in den Tag hinein, blieb länger, wo es ihm gefiel, brach seine Zelte ab, wenn ihm sein Umfeld nicht passte. Zusammengefasst war er ein Nomade, der einen Bundesstaat nach dem anderen durchstreifte, bis es ihm gegen den Strich ging. Er trat der Army bei, blieb ein paar Jahre bei dem Club, nach Einsätzen im Irak und Afghanistan beendete er dieses Kapitel seines Lebens. Von der Eintönigkeit in den Einsatzländern angefressen, die durch den Wunsch beseelt wurde, nie wieder von einer Wüste umgeben zu sein, zog er nach Montana. Ohne zu wissen, sich damit in die Nähe Rons begeben zu haben, schlug er dort seine Zelte auf. Er eröffnete eine Autowerkstatt, denn die Arbeit an Motoren, Reifen und Karosserien machte ihm Spaß. Zudem schien er in diesem Metier eine besondere Gabe zu besitzen, da er sogar Autos zum Laufen brachte, die anderswo als schrottreif bezeichnet worden wären. Seine Fähigkeiten sprachen sich herum und obwohl sich praktisch mitten im Nirgendwo zu befinden, der kleine Betrieb boomte.

Ab und zu gab es Tage, an denen Oliver mit Wehmut an seine Eltern dachte. In diesen Zeitspannen frage er sich, ob sie auf das von ihm erreichte stolz sein würden. Dabei kam ihm immer wieder der gleiche Gedanke. Eine Werkstatt wie die seine lag weit unter ihrer Vorstellung. Mutter und Vater hatten anderes von ihm erwartet, einen gehobenen Beruf, der ihm und ihnen Ansehen verschafft hätte. Die Erkenntnis nagte an Olivers Gemüt, konnte in gewisser Weise mit Rons Verbitterung verglichen werden. Womöglich war es nur eine Frage der Zeit, vielleicht nur eine Laune des Alltags, jedenfalls lernten sich die beiden kennen, als Ron irgendwann mit seinem Geländewagen die Werkstatt von Oliver aufsuchte. Die zwei so verschiedenen und eher schweigsamen Männer kamen erst so richtig ins Gespräch, nachdem der ehemalige Soldat auf dem Rücksitz des einstigen Staranwalts ein Jagdgewehr liegen sah. Die Redefaulheit wich einem Wasserfall an Sätzen, die sich ausschließlich um die Leidenschaft der Jagd drehten. Irgendwie ging ein Ruck durch die Kerle. Es begann mit gelegentlichen Treffen auf einen Drink, bei diesen Gesprächen wurde neben dem Hobby und den Waffenscheinen eine weitere, ziemlich sonderbar anmutende Verbindung zueinander festgestellt. Sowohl Ron als auch Oliver waren in den vergangenen Wochen vom FBI wegen der Tötungsdelikte vernommen worden.

Bei Ron Broulin wirkte das Vorgehen der zuständigen Behörde in den Mordfällen im Nachhinein wie eine Zwangsläufigkeit, die sich nicht umgehen ließ. Die Entfernung zwischen seinem Wohnort und dem Tatort an dem Bürgermeister spielte dabei für das FBI zunächst keine Rolle. Zwischen Montana und Michigan lagen drei Bundesstaaten. Ron hätte Norddakota, Minnesota und Wisconsin durchfahren müssen um nach Flint in Michigan zu gelangen. Montana und Illinois hingegen trennten nur die Bundesstaaten Süddakota und Iowa, deshalb geriet Oliver vorübergehend in den Kreis der Verdächtigen. Schuld daran waren seine Schießkünste, die er als Scharfschütze bei der Army unter Beweis gestellt hatte. Rückblickend gesehen schweißten die Verhöre Oliver und Ron zusammen, ließen eine Freundschaft entstehen, die zu gemeinsamen Jagdausflügen führte. Fast alle vierzehn Tage trafen sie sich, zogen durch die Wälder, hin und wieder trafen sie sich unter der Woche in einer Bar oder einem Restaurant. Die Männerfreundschaft nahm Formen an, die einem Duo Rechnung getragen hätte, welches nur untereinander offen und ehrlich sprechen konnte.

Oliver war bei weitem nicht so verbittert wie Ron, auch nicht so gebildet wie dieser, stattdessen strahlte er auf seltsame Art eine erniedrigte Frohnatur aus. Trotz der Unterhaltungen mit Ron, seinen positiv gestimmten Kunden in der Werkstatt, dass von seinen Eltern ihm vorgehaltene Versagen blieb in seiner Seele wie Kleister an Tapeten haften. Die verletzten Gefühle wären nicht imstande gewesen, aus Oliver einen depressiven und hasserfüllten Menschen zu machen, er war und blieb vor allem von seinem IQ her ein erwachsenes Kind.

 

Heute

O

liver legte den gereinigten Lauf seines Jagdgewehrs zur Seite. Ihm war es nicht entgangen, das Ron in den letzten Minuten mehr mit seinen Gedanken als mit seiner Waffe beschäftigt war. »Womit haderst du? Mit deinem Geld, der gewonnen Freiheit, den verlorenen Verpflichtungen?«, fragte er, setzte anschließend ein freches Lächeln auf. Er konnte es sich leisten, niemand besaß einen derartigen Zugang in Rons Seele wie er. Das es sich so verhielt, lag an ihren gemeinsamen Gesprächen, der Freude an der Jagd in den Wäldern Montanas. Dazu gehörte außerdem das Faible für den Aufenthalt in der Natur, gelegentliche Streifzüge durch Bars aller Art, auch mal ein Gang in ein Spielcasino oder Bordell, nur um Menschen beobachten zu können. All das verband sie inzwischen wie Brüder, die sich irgendwann aus den Augen und nach langer Zeit wiedergefunden hatten. Mit einem Unterschied, der sich nicht ändern ließ. Der IQ Olivers lag knapp über der Toleranzgrenze, die Ron ansonsten als dämlich bezeichnen würde. Nichtsdestotrotz, die Freundschaft zwischen ihnen war aufrichtiger als manch eine Ehe.

Ohne es abwertend darstellen zu wollen, für Ron war Oliver ein menschlicher Ausgleich geworden. Früher befand er sich ständig im Umfeld von Leuten, die klüger sein wollten als er. In solchen kontroversen Dialogen kam er sich oft wie ein mechanisches Wesen vor, das auf keinen Fall seinem verbalen Gegenüber einen Tritt in den Arsch oder gegen das Schienbein versetzen durfte. Im Vergleich dazu, war Oliver herrlich einfach, fast schon naiver als naiv, dafür stets ehrlich und offen. In sekundenschnelle gelang es Ron sein geputztes, zerlegtes Gewehr zusammenzubauen, woraufhin er Olivers lächeln erwiderte und sagte: »Geld! Ja, ich habe genug davon, aber zugleich gesehen, erkannt, gelernt und miterlebt, dass ich mir dadurch weder Gerechtigkeit erkaufen noch das Leben verlängern kann. Mit der gewonnenen Freiheit sprichst du sicher meine Frau, Kinder, Angehörigen und Freunde an. Um ehrlich zu sein, mir fehlt niemand, womit es nichts zu hadern gibt. Deine Äußerung zu meinen Verpflichtungen bezieht sich sicher auf meinen früheren Job. Nein, ich vermisse keine der Pflichten, im Gegenteil.«

»Bist du dir sicher? Überzeugend klang es nicht, glücklich und zufrieden siehst du auch nicht aus.«

»Meine düstere Miene hat nichts mit der Vergangenheit zu tun, sondern bezieht sich auf die Gegenwart. Ich bin mir nicht sicher, wozu das Treffen gut sein soll.«

Olivers Augenbrauen zuckten. »Inwiefern?«

Rons Lippen wurden schmäler. »Warum hier, wieso nicht bei ihm, in einer Kneipe, in deinen oder meinen vier Wänden. Ich weiß nicht, ich habe ein ungutes Gefühl.«

»Der Mann ist in Ordnung, ich bürge für ihn. Überleg doch mal, welche Chancen sich uns bieten«, sagte Oliver, fuhr ungewohnt eindringlich fort: »Du behauptest mit allem zufrieden zu sein, lügst dich damit selbst an. Ich für meinen Teil bin zufrieden, aber einer Veränderung gegenüber nicht abgeneigt, schon gar nicht, wenn ich mehr verdienen kann, ohne dafür mehr tun zu müssen. Ich weiß, du hältst mich für dämlich, was im Vergleich zu deiner Bildung zutrifft. Aber es bedeutet nicht, dass ich komplett verblödet bin. Für dich ist es eine einmalige Chance, die sich so nie wieder ergeben wird. Der Tag kommt, an dem deine ganzen Ersparnisse aufgebraucht sind, was dann?

---ENDE DER LESEPROBE---