Jagdrecht Sachsen-Anhalt - Thorsten Franz - E-Book

Jagdrecht Sachsen-Anhalt E-Book

Thorsten Franz

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Beschreibung

Jagd und Waffenbesitz sind in Deutschland streng reglementiert. Schon wegen Ordnungswidrigkeiten kann ein Jäger seinen Jagdschein verlieren. Eine sichere Kenntnis der die Jagdausübung regelnden vielen Vorschriften ist daher für Jäger wichtig. Das Handbuch gibt Jägern in gut verständlicher Sprache in nahezu allen die Jagd betreffenden Fragen Rechtssicherheit. Über 1800-mal werden Gerichtsentscheidungen zitiert. Für Jagdgenossen enthält das Buch eine gründliche Darstellung des Rechts der Jagdgenossenschaft und der Jagdpacht. Das Handbuch ist aber auch als Nachschlagewerk für Jagdschüler geeignet. Jagdrecht weist viele landesrechtliche Besonderheiten auf. Das Handbuch stellt die Rechtslage auf Grundlage des in Sachsen-Anhallt geltenden Rechts dar. Die zweite Auflage ist mit Ausnahme einer Layoutkorrktur mit der Erstauflage Mai 2024 identisch.

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Vorwort

Bei der im Mai 2024 erschienenen Erstauflage des Handbuchs wurde die Titelseite versehentlich auf Seite 2 gedruckt. Die Zweitauflage dient der Korrektur dieses Fehlers. Sie ist im Übrigen mit der Erstauflage identisch.

Das vorliegende Werk entstand auf Grundlage des Buchs „Jagdrecht Sachsen-Anhalt“ (5. Aufl., 2023). Die bisherige Kurzdarstellung des Jagdrechts wurde zu einem Nachschlagewerk erweitert (mit 1800 Rechtsprechungsnachweisen) und soll daher nun „Handbuch“ heißen. Ergänzt und vertieft wurden zahlreiche Themen, vor allem des Rechts der Jagdpacht, der Jagdgenossenschaft und des Wildschadensersatzes sowie des Waffenrechts.

Selbstverständlich wendet sich der Untertitel des Handbuchs im generischen Maskulinum auch an Sie, liebe Jägerinnen, Jagdschülerinnen und Jagdgenossinnen. Anders als bei der Jagd, wo es geboten ist, das Wild seinem Geschlecht nach als weiblich oder männlich anzusprechen, spreche ich alle der besseren Lesbarkeit des Textes wegen, im Folgenden geschlechtsneutral an. Überhaupt wurde auf leichte Lesbarkeit auch für Nichtjuristen Wert gelegt, weshalb Paragrafen-, Rechtsprechungs- und Literaturangaben nicht im Fließtext, sondern in den Fußnoten untergebracht sind.

Mit Änderungen des für die Jagd geltenden Rechts ist weiterhin zu rechnen. So dürfte die Einbringung eines Entwurfs für eine Novelle des Waffenrechts in das Gesetzgebungsverfahren bevorstehen. Diese dürfte u.a. die Zulässigkeit der jagdlichen Verwendung von Vorrichtungen, die das Ziel beleuchten, regeln, um die Bejagung des Schwarzwildes und invasiver Arten zu erleichtern.

Das Werk ist auf dem Stand vom 1.04.2024. Hinweise auf Fehler und Fehlendes sind willkommen ([email protected]). An mich gerichtete Jagdrechtsfragen kann ich leider nur beantworten, wenn sie von Freunden und Verwandten stammen.

Thorsten Franzim August 2024

Inhaltsverzeichnis

Teil 1 - Jagdausübung regelndes Recht

A. Bundes- und Landesjagdrecht

I. Jagdrecht als Rechtsgebiet

II. Jagdrecht als individuelles Recht der Grundeigentümer

1. Inhalt des Rechts

a) Jagdrecht als Bestandteil des Grundeigentums

b) Aneignungsrecht

c) Hegerecht und -pflicht

aa) Bestandsregulierung

bb) Biotopverbessernde Maßnahmen

cc) Wildfütterung

dd) Aussetzen von Wild

ee) Hegegemeinschaft

ff) Schutz des Wildes

2. Bindung an den Jagdbezirk

a) Eigenjagdbezirke

b) Gemeinschaftliche Jagdbezirke

c) Abweichungen von der Regel

d)

Rechtsschutz bei Streitigkeiten um die Zugehörigkeit von Flächen

e) Jagdgenossenschaftsrecht

f) Ruhen der Jagd/Befriedeter Bezirk

g) Jagd in Schutzgebieten und Jagdgehegen

3. Haftung für Wildschäden

III. Jagdausübungsrecht

1. Verhältnis von Jagdrecht und Jagdausübungsrecht

2. Jagdpacht

3. Jagderlaubnis

4. Jagdschutz

5. Jagdliche Einrichtungen

6. Haftung für Schäden durch Jagdausübung

IV. Beschränkungen der Jagdausübung

1. Jagdschein

a) Jagdscheinzwang und Versagungsgründe

b) Jägerprüfung

c) Mitwirkungspflichten

d) Zuverlässigkeitsprüfung

e) Arten und Inhalte von Jagdscheinen, Verlängerung

f) Ungültigerklärung und Einziehung

g) Kontrollen der Aufbewahrung

h) Einziehung von Gegenständen

i) Jagdabgabe

j) Ausnahmen von der Jagdscheinpflicht

k) Rechtsschutz

2. Jagdbezirk

a) Reviersystem

b) Jagd außerhalb des eigenen Reviers, insbes. Wildfolge

c) Jägernotwegerecht

3. Wild

4. Abschussplan

5. Jagdzeiten

6. Jagdmethoden und Weidgerechtigkeit

a) Weidgerechtigkeit und Brauchtum

b) Sachliche Verbote

c) Vorgaben für besondere Jagdmethoden

d) Verhalten nach der Schussabgabe

e) Jagdhunde

7. Jagdwaffen

V. Verwaltung des Jagdwesens

1. Jagdbehörden

2. Jagdrechtliche Zuständigkeiten von Forstbehörde und Gemeinde

3. Jagdbeirat/Kreisjägermeister/Landesjägerschaft

B. Waffenrecht

I. Rechtsquellen, Grundaussage und Grundbegriffe

1. Rechtsquellen

2. Grundaussage

3. Grundbegriffe

II. Gesetzliche Anforderungen an Jagdwaffen

1. Amtlicher Beschuss

2. Waffenbezogene Beschränkungen nach dem BJagdG

III. Personenbezogene gesetzliche Anforderungen

1. Erwerb und Besitz von Waffen

a) Jagdscheininhaber

b) Jagdschüler

c) Erben von Waffen

2. Sonderregelungen für Personen unter 18 Jahren

3. Maßnahmen der Behörde bei Rechtsverstößen

IV. Anforderungen im Hinblick auf Ort und Art des Umgangs mit Waffen

1. Führen im Revier

2. Führen außerhalb des Reviers

3. Schussabgabe

4. Aufbewahrung

5. Überlassung an Dritte

6. Verkauf von Waffen

7. Abhandenkommen/Zerstörung

V. Anforderungen an die Munition

1. Zulässige Munition

2. Erwerb und Besitz von Munition

3. Verkauf von Munition

C. Naturschutzrecht (mit Waldrecht sowie Feld- und Forstordnungsrecht)

I. Rechtsgrundlagen, Ziele und Grundsätze

II. Eingriffsgenehmigung

III. Flächen- und Objektschutz

IV. Artenschutzrecht

V. Naturschutzverwaltung/Verbandsbeteiligung

VI. Waldrecht

VII. Recht der Feld- und Forstordnung

D. Fleischhygienerecht

I. Fleischuntersuchung bei Haarwild

II. Trichinenuntersuchung bei fleischfressendem Wild

III. Fleischuntersuchung beim Federwild

IV. Wildhackfleisch

E. Tierseuchenrecht

I. Wildseuchen

II. Tollwut-Verordnung

III. Schweinepest-Verordnung

F. Tierschutzrecht/Tierhalterrecht

I. Tierschutzrecht

II. Tierhalterrecht

G. Versicherungsschutz und Verkehrssicherung

I. Versicherungspflicht

II. Umgang mit Schusswaffen

III. Verhalten auf Gesellschaftsjagden

IV. Fallenjagd, Nachsuche und Bau jagdlicher Einrichtungen

Teil 2 – Prüfungsfragen

A. Grundfragen des Jagdrechts

B. Musterfragenkatalog Jägerprüfung

C. Antworten

Teil 3 – Vorschriftensammlung

A. Bundesjagdgesetz

B. Landesjagdgesetz für Sachsen-Anhalt

C. Verordnung zur Durchführung des Landesjagdgesetzes

D. Ausführungsbestimmungen zum Landesjagdgesetz

E. Unfallverhütungsvorschrift VSG 4.4

F. Jagdzeiten in Sachsen-Anhalt

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Teil 1 – Jagdausübung regelndes Recht

A. Bundes- und Landesjagdrecht

I. Jagdrecht als Rechtsgebiet

1

Das Wort „Jagdrecht“ hat mehrere Bedeutungen. Zum einen versteht man hierunter ein Rechtsgebiet, zum anderen ein individuelles Recht. Jagdrecht als Rechtsgebiet ist die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die das Jagdwesen regeln.1 Jagdrecht als Rechtsgebiet ist nicht in einem einzigen Gesetzeswerk enthalten.2 Es findet sich verstreut vor allem in den Jagdgesetzen und Jagdverordnungen des Bundes und der Länder.3 Das Recht der Jagd ist ein sehr altes Rechtsgebiet.4

2

Das Jagdrecht als Rechtsgebiet dient vor allem einem gerechten Ausgleich der Interessen der Jagdausübenden (an Jagd und Hege des Wildes) mit den Interessen der Grundeigentümer und den Nutzungsinteressen der Land- und Forstwirtschaft.5 Es gestaltet zudem die Rechtsverhältnisse zwischen den Jagdausübenden. Außerdem geht es um das öffentliche Interesse am Artenschutz. Viele jagdrechtliche Regelungen, wie z.B. die Hegepflicht, die sog. sachlichen Verbote oder die Schonzeitenregelungen, sind der Sache nach Artenschutzrecht, weil sie auf den Schutz von Tieren wildlebender Arten zielen.6 Schließlich dienen manche Regelungen der Vermeidung unnötiger Leiden und Qualen von Tieren und sind damit der Sache nach Tierschutzrecht.

Die meisten Vorschriften des Jagdrechts zählen zum Öffentlichen Recht, das Staat und Private in ein Über-/Unterordnungsverhältnis stellt7 bzw. sich notwendigerweise an Hoheitsträger richtet8. Dies wird besonders deutlich, wo sich in Ge- und Verboten die Hoheitsmacht des Staates ausdrückt (z.B. Jagdverbot in Schonzeit) bzw. Normen explizit Hoheitsträger adressieren (z.B. Erlass jagdrechtlicher Verfügungen). Das Jagdrecht wird daher von vielen (insgesamt) dem (Besonderen) Verwaltungsrecht zugeordnet. Daneben existieren aber auch Vorschriften eines „Jagdprivatrechts“, die in spezifischer Weise das (jagdbezogene) Verhältnis von Privaten regeln. Dazu zählen etwa jagdspezifische Regelungen zum Jagdpachtvertrag, zur Aneignung von Wild, zu Wildfolgevereinbarungen oder zur Ersatzpflicht für Wild- und Jagdschaden. Außerdem existiert ein „Jagdstrafrecht“ im Sinne jagdspezifischer Strafrechtsnormen. Beispiele sind die Straftatbestände Jagdwilderei9 oder der strafbare Abschuss ganzjährig zu schonenden Wildes10. Die Unterscheidung des Jagdrechts nach den drei Zweigen der Rechtsordnung hat vor allem Bedeutung für die Frage, welche Gerichtsbarkeit für einen Jagdrechtsstreit zuständig ist.11

3

Ein europäisches Jagdrecht im Sinne eines eigenständigen Rechtsgebiets existiert nicht.12 Es gibt nur wenige jagdbezogene Gesetzeswerke der EU wie die Tellereisenverbotsverordnung13 und die Richtlinie zur Regelung der gesundheitlichen und tierseuchenrechtlichen Fragen beim Erlegen von Wild und bei der Vermarktung von Wildfleisch14. Daneben finden sich noch jagdbezogene Einzelregelungen in unionsrechtlichen Naturschutz-, Tierseuchen-15 oder Lebensmittelgesetzen (z.B. in der Fauna-Flora-Habitat- und der Vogelschutz-Richtlinie16). Seit dem 15.02.2023 gilt ein EU-weites Verbot, Bleimunition in oder im Umkreis von 100 Metern von Feuchtgebieten zu verschießen oder mitzuführen.17

4

Der Bund hat heute eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Jagdwesen.18 Noch auf alter Rechtsgrundlage,19 als Rahmengesetz, erlassen hat der Bund das Bundesjagdgesetz. Es nimmt innerhalb des Jagdrechts eine zentrale Stellung ein. Es gilt zwar in allen Bundesländern, jedoch dürfen die Länder jeweils von seinen Vorgaben abweichen.20 Zwischen den Bundesländern bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede im geltenden Jagdrecht (!), auch wenn die Grundzüge des Jagdrechts überall gleich sind.21 Auch in Sachsen-Anhalt wurden die Vorgaben des Bundesjagdgesetzes an einigen Stellen durch Landesrecht verändert und ergänzt.22

5

Das Bundesjagdrecht besteht zudem aus einigen Bundesverordnungen, wie die Jagdzeitenverordnung, von der das Land aber ebenfalls Abweichungen bestimmt hat.23 Nicht zum Bundesjagdrecht (im formellen Sinn) zählen die für die Jagdausübung geltenden Gesetze des Waffenrechts. Zumindest die in spezifischer Weise das Jagdwesen betreffenden Waffengesetze können aber als Jagdrecht im weiteren Sinne bezeichnet werden.24

6

Die Länder haben das Recht zur Abweichung vom Bundesrecht, ausgenommen das Recht der Jagdscheine.25 Zentrales Regelungswerk des Landesjagdrechts ist das Landesjagdgesetz.26 Es wird vor allem durch eine Durchführungsverordnung27 konkretisiert. Auf der Ebene unterhalb der Jagdgesetze des Parlaments und der Jagdverordnungen28 der Verwaltung finden sich so genannte Verwaltungsvorschriften (Erlasse, Richtlinien etc.).29 Insoweit ist in Sachsen-Anhalt vor allem die

Hegerichtlinie hervorzuheben.30

7

Wer die Jagd ausübt, muss nicht lediglich Vorschriften des Jagdrechts im engeren Sinne beachten. Im Zusammenhang mit der Jagdausübung sind auch Vorschriften des Waffenrechts, des Naturschutz-, des Forst-, des Feld- und Forstordnungs- sowie des Lebensmittelrechts zu beachten und daher jagdscheinrelevant.

II. Jagdrecht als individuelles Recht

1. Inhalt des Jagdrechts

a) Jagdrecht als Bestandteil des Grundeigentums

8

Jagdrecht im Sinne eines individuellen Rechts ist die ausschließliche Befugnis auf einem bestimmten Gebiet Wild zu hegen, zu bejagen und es sich anzueignen.31 Das Jagdrecht steht in Deutschland dem jeweiligen Grundeigentümer zu.32 Dies kann eine Einzelperson, eine Personenmehrheit (Eigentümergemeinschaft etc.) oder eine juristische Person (GmbH, eingetragener Verein etc.) sein. Miteigentümer können Anträge gegenüber der Jagdgenossenschaft nur gemeinschaftlich stellen, Ansprüche nur gemeinschaftlich geltend machen.33 Eine Erbengemeinschaft ist zwar nicht rechtsfähig,34 jedoch können die Mitglieder ihr Erbe gegenüber Jagdbehörde und Jagdgenossenschaft nur gemeinschaftlich verwalten.35 Jeder Miterbe muss an den zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Erbes erforderlichen Maßnahmen gegenüber Jagdbehörde, Jagdgenossenschaft oder Jagdpächter mitwirken.36 Geht es um die Verwaltung des Nachlasses im Verwaltungsverfahren, steht der Erbengemeinschaft als solcher das vom Verfahren betroffene Recht zu.37

Das Jagdrecht ist untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden.38 Im Falle von Flächen, die niemandem gehören (Meeresstrand, Küstengewässer, Haff, Wasserläufe, herrenlos gewordene Grundstücke etc.), steht das Jagdrecht den Ländern zu.39

Aus dem Jagdrecht des Eigentümers folgt allerdings – anders als der missverständliche Begriff nahelegt! – nicht zugleich das Recht auch tatsächlich auf dem eigenen Grund zu jagen.40 Soweit in der Umgangssprache davon die Rede ist, jemand stehe in einem Revier das „Jagdrecht“ zu, ist hiermit meist nicht das Jagdrecht, sondern das hieraus abgeleitete Jagdausübungsrecht gemeint. Jagdrecht und Jagdausübungsrecht sind also streng zu unterscheiden. Sie können, müssen aber nicht in einer Person vereint sein. Jagdrecht und Jagdausübungsrecht fallen zusammen, wenn ein Jagdscheininhaber Eigentümer eines unverpachteten Eigenjagdbezirks ist.41 Im Falle des gemeinschaftlichen Jagdbezirks steht hingegen das Jagdausübungsrecht der Jagdgenossenschaft zu,42 die allerdings das Recht in der Regel verpachtet.

Da das Jagdrecht ein individuelles Rechtsgut des Rechtsinhabers ist, kann er rechtswidrige Beeinträchtigungen seines Rechts abwehren43 und bei Schäden infolge von Rechtsverletzungen vom Schädiger Schadensersatz verlangen44.

b) Aneignungsrecht

9

Aus dem Jagdrecht leitet sich das Recht zur Aneignung des Wildes ab. Aneignung von Wild bedeutet, dass der Jagdausübungsberechtigte mit der Erlangung der unmittelbaren Herrschaftsgewalt über zuvor herrenloses Wild das Eigentum am Tierkörper erlangt.45 Herrenlos sind wilde Tiere46, die sich in Freiheit befinden.47 Dabei kann es sich auch um aus einem Wildgehege entlaufene Exemplare einer Wildtierart handeln, wenn sie weder einen Rückkehrwillen haben, noch vom Eigentümer unverzüglich verfolgt werden bzw. wenn dieser die Verfolgung aufgegeben hat.48 Das von angestellten Jägern oder Jagdgästen erlegte Wild wird mit Inbesitznahme durch sie Eigentum des Jagdausübungsberechtigten. Sie handeln insoweit als dessen Besitzdiener.49 Der Jagdausübungsberechtigte muss ihnen lediglich das gewohnheitsrechtlich anerkannte „kleine Jägerrecht“50 überlassen und – sofern nichts anderes vereinbart ist – die Trophäen des rechtmäßig erlegten Wildes übereignen.51 Eigentum erlangt der Jagdausübungsberechtigte am Wild auch dann, wenn Treiber oder Jagdhelfer das Wild für ihn als Besitzdiener in Besitz nehmen. Hingegen erlangt der Wilderer kein Eigentum am Wildkörper.

9a

Ein Aneignungsrecht besteht auch an Wild, das der Jagdausübungsberechtigte52 in seinem Revier krankgeschossen hat und dann nach zulässiger53 Nachsuche im Nachbarrevier streckt oder tot auffindet.54 Wechselt ein krankgeschossenes Stück ins Nachbarrevier und wird dort von einem anderen gestreckt, hat der Jagdausübungsberechtigte (des Reviers, in dem krankgeschossen wurde) einen Anspruch auf Herausgabe des Wildkörpers.55 Wer als „Erleger“ gilt, hat hierfür keine Bedeutung.56 Diese Frage kann aber Bedeutung erlangen, wenn ein Stück innerhalb eines Reviers von mehreren Jagdausübungsberechtigten oder Begehungsscheininhabern getroffen wird (und im selben Revier verendet). Wem in diesem Fall das Aneignungsrecht zusteht, richtet sich nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen.57

Der Jagdausübungsberechtigte hat das Recht, das seinem Aneignungsrecht unterliegende Wild zu verwerten.58 So kann er etwa Wildkörper zur Präparation verkaufen, Bälge und Trophäen verkaufen oder das Wildbret vermarkten, wobei insoweit das Fleischhygienerecht59 zu beachten ist. Einnahmen aus der Vermarktung unterliegen dem Einkommensteuerrecht.60

10

Bei einem Wildunfall verendete Stücke bleiben herrenlos.61 Nur der Aneignungsberechtigte kann die Herrenlosigkeit beenden, während der Fahrzeuglenker zwar Besitz (tatsächliche Sachherrschaft), nie jedoch Eigentum an dem Stück erlangen kann. Nimmt er Unfallwild mit, begeht er Jagdwilderei. Er darf das verendete Stück im Interesse der Verkehrssicherheit lediglich von der Straße an den Straßenrand verbringen. Die Entscheidung über die Verwertung bzw. Entsorgung62 liegt allen beim Jagdausübungsberechtigten. Eine Aneignungspflicht hat er nicht. Der Fahrzeugführer ist (bußgeldbewehrt)63 verpflichtet, einen Wildunfall mit Schalenwild unverzüglich einer Polizeibehörde, dem Jagdaufseher oder dem Jagdausübungsberechtigten anzuzeigen,64 damit der Jagdausübungsberechtigte von seinem Aneignungsrecht Gebrauch machen und notfalls das Leiden des Stücks beenden kann. Wird das Wildbret jedoch nur deshalb entwertet, weil die Anzeige unterbleibt, kann er vom Unfallverursacher Schadensersatz verlangen.65 Welche Ansprüche Jagdausübungsberechtigten im Einzelnen gegen Unfallverursacher und Straßenverkehrsbehörden zustehen, muss jedoch als ungeklärt bezeichnet werden.66 Ein Anspruch gegen Straßenverkehrsbehörden auf das Aufstellen von Wildschutzzäunen besteht jedenfalls nicht.67 Nach einer Rechtsansicht muss der Unfallverursacher dem Jagdausübungsberechtigten die Kosten für die ordnungsgemäße Beseitigung des Tierkörpers als notwendige Aufwendungen erstatten.68 Die Straßenbehörde hat keinen Anspruch auf Erstattung der Entsorgungskosten für Unfallwild.69 Der Fahrzeugführer bzw. -halter hat grundsätzlich keine Ersatzansprüche gegen den Revierinhaber wegen eines Wildunfalls.70 Revierinhaber haften auch im Übrigen grundsätzlich nicht für die Verletzung von Personen oder Sachen durch flüchtendes Wild.71 Etwas anderes muss aber dann gelten, wenn der Unfall gerade durch ein pflichtwidriges vorwerfbares Verhalten des Jagdausübungsberechtigten verursacht wurde, etwa im Hinblick auf den Verstoß gegen Sicherheitsanforderungen für Drückjagden an stark befahrenen Straßen.

Der Schaden durch vom Wild verursachte Verkehrsunfälle ist in der Regel durch die jeweilige Fahrzeugteileversicherung (sog. Teilkasko) des Fahrzeughalters abgedeckt. Es bedarf insoweit eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem Zusammenstoß mit Haarwild und dem eingetretenen Schaden.72 Die Teilkaskoversicherung deckt auch sog. Rettungskosten zur Vermeidung eines Unfalls mit Haarwild. Die Wildschadenklausel der Teilkaskoversicherung erfasst über Anstoßschäden hinaus auch solche Schäden, die durch eine Fehlreaktion infolge des Aufpralls eingetreten sind.73 In der Sachversicherung setzt die Rettungspflicht des Versicherungsnehmers nicht voraus, dass der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, sondern es genügt, dass er unmittelbar bevorsteht. Für die Erstattung von Rettungskosten zur Vermeidung eines Zusammenstoßes eines Kraftfahrzeugs mit Haarwild kommt es auch nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer selbst oder ein berechtigter Fahrer die Rettungstätigkeit ausgeübt hat.74 Der Versicherer ist aber im Falle eines grob fahrlässigen Irrtums des Versicherungsnehmers über die Notwendigkeit von Rettungskosten nicht zum Kostenersatz verpflichtet.75 Die ist etwa anzunehmen, wenn der Fahrer bei einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 90 km/h einem Feldhasen auszuweichen versucht und es hierdurch zu dem Schaden kommt76 oder wenn der Unfall durch ein grob fahrlässiges Ausweichen vor einem Marder verursacht wird.77 Auch im Falle eines Fuchses wurde die Notwendigkeit des Ausweichens verneint.78

Der Geschädigte muss den Wildschaden regelmäßig nach den Versicherungsbedingungen unverzüglich der Polizei melden. Verletzt er diese Obliegenheit, wird die Versicherung von der Leistungspflicht frei.79

11

Das Aneignungsrecht umfasst auch die (ausschließliche) Befugnis, sich krankes oder verendetes Wild, Fallwild und Abwurfstangen80 sowie die Eier von Federwild anzueignen.81 Dies macht deutlich, dass die Aneignung nicht notwendig der Wildbret-Verwertung dienen muss. Die ansonsten nach der Bundeswildschutzverordnung82 geltenden Besitz-, Vermarktungs- und sonstigen Verbote für bestimmte Wildarten,83 insbesondere für die meisten Flugwildarten, lassen ausdrücklich das Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten unberührt.84 Die entgeltliche Weitergabe dieser Tiere an Dritte ist jedoch erheblich eingeschränkt.85 Zu beachten ist auch das Verbot des Ausnehmens der Gelege von Federwild.86

Das Aneignungsrecht gilt nur für Wild. Tiere der besonders oder streng geschützten Arten sind in der Regel kein Wild, so dass der Jäger hier kein Aneignungsrecht hat. Für sie gilt ein Verbot der Inbesitznahme.87 So ist etwa der Besitz einer tot aufgefundenen Waldohreule durch den Jagdausübungsberechtigten selbst dann unzulässig, wenn er sie präparieren und zu Demonstrationszwecken im Rahmen der Jägerausbildung verwenden will.88 Nur im Hinblick auf diejenigen besonders oder streng geschützte Arten, die Wild sind, verdrängt das Jagdrecht das artenschutzrechtliche Inbesitznahme-Verbot und es besteht das jagdliche Aneignungsrecht. So darf sich der Revierinhaber etwa einen im Revier tot aufgefundenen Mäusebussard aneignen.89 Der Jagdausübungsberechtigte darf sich in seinem Jagdrevier sogar aufgefundene tote Tiere der streng geschützten Arten des Anhang A der EU-Artenschutzverordnung (>) aneignen (und präparieren lassen), sofern diese Wild sind. Dies betrifft vom Haarwild Luchs, Fischotter sowie Wildkatze (und den hier nicht heimischen Wisent)90 und vom Federwild Turteltaube, Knäkente, Moorente, Großtrappe und alle heimischen Greifvögel91. Er darf Totfunde von Anh. A-Arten aber nicht verkaufen. Insoweit gilt ein Vermarktungsverbot.92 Er darf im Übrigen auch tote Vögel von europäischen Vogelarten93, soweit diese dem Jagdrecht unterliegen, zum persönlichen Gebrauch oder als Hausrat ohne eine Ausnahme oder Befreiung aus einem Drittstaat unmittelbar in das Inland verbringen.94 Durch die genannten jagd- und artenschutzrechtlichen Besitz- und Vermarktungsverbote wird vor allem der Erwerb von Tieren durch Tierpräparatoren erheblich beschränkt, weswegen beim Ankauf des Tieres vom Präparator stets geklärt sein sollte, ob der Veräußerer zu Besitz und Verkauf berechtigt ist.95

c) Hegerecht und -pflicht

12

Das Jagdrecht umfasst nicht nur das Recht zur Hege,96 sondern auch die Pflicht zur Hege.97 Die Pflicht zur Hege hat, wem das Jagdrecht zusteht. Dies sind zwar auch die jeweiligen Grundeigentümer, jedoch trifft die Pflicht zumindest im vertraglichen Innenverhältnis zwischen Grundeigentümern und Jagdpächtern regelmäßig den jagdausübungsberechtigten Pächter.98 Unter Hege versteht man alle Maßnahmen des Jagdausübungsberechtigten, die auf die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen99Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und die Sicherung seiner Lebensgrundlagen zielen.100 Sie muss so durchgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forstund fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden.101 Wild darf nicht „überhegt“ werden. Maßnahmen der Hege sind neben der Bestandsregulierung in erster Linie solche zur Biotopschaffung, -verbesserung und Biotopvernetzung, nur in sehr engen Grenzen auch die Fütterung und das Aussetzen von Wild. Sie umfassen aber auch Maßnahmen zum Schutz des Wildes.

aa) Bestandsregulierung

13

Der Abschussplan102 für Schalenwild, aber auch der Abschuss sonstigen jagdbaren Wildes muss dem gesetzlichen Ziel der Hege gerecht werden. Jeder Abschuss soll auch ein Abschuss im Rahmen der konkreten Hegeziele sein. Die Bestandsregulierung des Wildes zählt daher letztlich der Sache nach ebenfalls zur Hege, soweit sie dazu dient, eine Überpopulation einer Wildart einzudämmen, die zu übermäßigen Wildschäden führen würde, der Gesundheit des Wildes abträglich wäre oder andere Tierarten verdrängen würde. Zudem kann der Abschuss zur Bekämpfung bzw. Prävention von Seuchen geboten sein.

Bestandsregulierung setzt vorherige Bestandserfassung voraus. Der Jagdausübungsberechtigte muss sich vor Abschüssen einen Überblick über den Bestand der zu bejagenden Wildarten verschafft haben.103 Diese Pflicht gilt nicht nur im Hinblick auf die Wildarten des Abschussplans, sondern aufgrund der Hegepflicht für alle Wildarten, die bejagt werden, zumal (von Ausnahmen abgesehen) keine Art in ihrem Bestand gefährdet werden darf.104 Zur Bestandserfassung reichen weder bloße Vermutungen aus, noch bedarf es wildbiologischer Untersuchungen. Notwendig und ausreichend ist eine Schätzung auf der Grundlage zumutbarer Beobachtung von Wild und Wildspuren (Trittsiegel, Verbissschäden etc.).105 Wer daher etwa einen Dachs streckt, bevor er den Dachsbestand im Revier oder in Nachbarrevieren nachvollziehbar geschätzt hat, verstößt gegen die Hegepflicht.

Hege bedeutet auch, dass grundsätzlich keine Art der jagdbaren Tiere in ihrem Bestand gefährdet wird (Verbot der Ausrottung). Bei bestandsgefährdeten Arten, wie dem Rebhuhn,106 gebietet die Hegepflicht den Jagdverzicht (!). Das Verbot der Bestandsgefährdung gilt nicht für die Arten Waschbär, Marderhund, Mink, Nutria und Nilgans.107 Zudem kann die Jagdbehörde gebietsweise aus Gründen der Landeskultur oder Wildschadensvermeidung den Totalabschuss anderer Wildarten durch eine Schonzeitenaufhebung zulassen.108

13a

Um krankgeschossenes oder schwerkrankes Wild vor vermeidbaren Schmerzen und Leiden zu bewahren, muss dieses unverzüglich erlegt werden.109 Man spricht insoweit meist von einem „Hegeabschuss“.110 Die Regelung des Hegeabschusses erlaubt und verpflichtet insbesondere dazu, Wild auch über den Abschussplan hinaus zu erlegen, wenn dies zur Vermeidung von Qualen krankgeschossenen und schwerkranken Wildes nötig ist.111 Dies gilt entsprechend im Hinblick auf die Schonzeitregelung und das Nachtjagdverbot112. Nicht nötig ist der Abschuss, wenn es (ausnahmsweise) genügt und möglich ist, das Stück zu fangen und zu versorgen.113 Ein Abschuss von krankgeschossenem oder schwerkrankem Wild über den Abschussplan hinaus (oder außerhalb der Schonzeiten etc.) ist mithin zulässig (und gesetzlich geboten), um die leidenden Stücke vor weiteren bzw. drohenden starken Schmerzen oder Leiden zu bewahren.114 Schwerkrank ist auch kümmerndes Wild, nicht aber sog. „Kümmerer“.115 Die Pflicht zum Abschuss trifft jeden befugten Jäger (wie den Jagdgast), der ein solches Stück sicher beschießen kann, unabhängig davon, ob er das Stück selbst krankgeschossen hat.116 Ob etwa ein von der Dasselfliege befallenes Stück oder ein Perückenbock „schwerkrank“ sind, kann erst anhand weiterer Merkmale beurteilt werden, die den Schluss auf ein schweres Leiden zulassen. Das Stück muss objektiv krankgeschossen oder schwerkrank sein. Eine fahrlässige Fehlansprache geht zu Lasten des Erlegers und kann seine Unzuverlässigkeit begründen. Die bloße Behauptung, ein Stück sei schwerkrank gewesen, kann nach den Umständen für Behörde und Gericht als widerlegt gelten, etwa wenn das Stück keine schweren äußeren Verletzungen hat, vom Durchschnittsgewicht nicht abweicht und der Erleger dem Jagdausübungsberechtigten den für ein gesundes Stück marktüblichen Preis gezahlt hat.117

Verursacher von Wildunfällen oder zufällig am Unfallort anwesende Jagdscheininhaber haben mangels Jagdausübungsrechts selbst dann kein Recht zur Tötung angefahrenen Wildes, wenn es erkennbar dem Tod geweiht ist und stark leidet. Da die Rechtslage bis heute nicht vollständig geklärt scheint, ist es ratsam, in diesen Fällen als Revierfremder einen Fangschuss nur nach Kontaktaufnahme mit der und Billigung durch die Polizei abzugeben.118

bb) Biotopverbessernde Maßnahmen

14

Zur Hege gehören insbesondere biotopverbessernde Maßnahmen (einschließlich der Schaffung und Vernetzung von Biotopen).119 Sie zielen vor allem auf mehr Ruhe, Deckung und Äsung des Wildes ab. Zu nennen sind insoweit z.B. die Anlage von Feldholzinseln oder Pflanzungen entlang von Wegen einer ausgeräumten Feldflur.120

In der Aufgabe der Biotopverbesserung ist als „Minus“ die Aufgabe enthalten, rechtswidrige

Biotopbeeinträchtigung und -zerstörung abzuwehren. So sollte der Jäger etwa folgende Biotopbeeinträchtigungen und -zerstörungen bekämpfen: rechtswidriges Roden von Gebüschen, Beschädigung oder Zerstörung sonstiger gesetzlich geschützter Biotope, rechtswidriges Wegpflügen und „Totspritzen“ gemeindlicher Feldwegeseitenstreifen, Missachtung des Gewässerrandstreifenschutzes oder eine Gewässerunterhaltung, die nicht die gesetzlich gebotene Rücksicht auf das Gewässer und seiner Ufer als Lebensraum nimmt.121

Die Pflicht, biotopverbessernde Maßnahmen durchzuführen, ist nicht bußgeldbewehrt, so dass sie tatsächlich eher Appellcharakter hat. Zudem ist ihre Erfüllung abhängig von tatsächlichen (geeignete Flächen, finanzielle Mittel etc.) und rechtlichen Voraussetzungen (Einwilligung der Grundeigentümer etc.). Biotopverbesserung wird vom Land,122vom Landesjagdverband123 und mitunter von Jagdgenossenschaften124 gefördert. Dies gilt sinngemäß für das gesetzliche Gebot, die natürlichen Bedingungen für das Vorkommen der einzelnen Wildarten (Biotope) zu erhalten und nach Möglichkeit wiederherzustellen sowie vorhandene Biotope nicht zu beeinträchtigen.125

cc) Wildfütterung

15

Die Wildfütterung ist im Grundsatz verboten und nur in Ausnahmefällen erlaubt.126 Ohne besondere Genehmigung zulässig sind nur die Fütterung in Notzeiten (Notfütterung) und die (anzeigepflichtige) Eingewöhnungsfütterung für ausgesetztes Wild.127 Von einer Notzeit lässt sich nur sprechen, wenn das Wild wegen extremer Witterungs- oder Bodenverhältnisse, etwa länger anhaltender hoher Schneelagen, Harsch oder Hochwasser, keine ausreichende Äsung erlangen kann.128 Ob eine Notzeit vorliegt, richtet sich nicht nach der Einschätzung des Jägers, sondern wird von der jeweiligen Jagdbehörde wildartbezogen festgelegt.129 Angesichts immer milderer Winter ist in Sachsen-Anhalt nur im Falle eines ganz außergewöhnlich langen, kalten und schneereichen Winters eine Notzeitfeststellung für stark betroffene Regionen (z.B. Hochharz) zu erwarten.130 Wird eine Notzeit festgestellt, so ist die ausreichende Fütterung sogar eine Rechtspflicht des Revierinhabers,131 ihr Unterlassen indes nicht bußgeldbewehrt.132

Nur mit besonderer Genehmigung der Jagdbehörde sind die Ablenkfütterung zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden133 und die Schaufütterung zu Fremdenverkehrszwecken gestattet.134 Ob ein Anspruch auf Genehmigung entstehen kann, ist, soweit ersichtlich, bislang nicht entschieden. Dem Grundsatz nach dürfte zumindest ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Genehmigung einer Ablenkfütterung in Betracht kommen, wenn nur die Ablenkfütterung ein zulässiges und geeignetes Mittel ist, drohende übermäßige Wildschäden zu verhindern.135 Auch im Hinblick auf die Schaufütterung ist ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung anzuerkennen.

Eine zulässige Hegemaßnahme ist die Anlage von Wildäckern jedenfalls dann, wenn sie im Falle unzureichender bzw. artenarmer Äsung das Äsungsangebot mit heimischen wildwachsenden Pflanzen verbessert. In der Jagdrechtsliteratur wird sogar die Praxis der Anlage von Wildäckern mit Mais oder anderen Ackerfrüchten für zulässig gehalten.136 Ob dem die Verwaltungsgerichte

im Land folgen oder dies als unzulässige Wildfütterung werten werden, erscheint offen, weil derartige Wildäcker der Sache nach nicht anders wie das (unzulässige) massenhafte Ausbringen von Futtermitteln für Wild wirken. Eindeutig unzulässig ist die Anlage von Wildäckern in FFH-Gebieten, wenn dies einen dortigen Lebensraumtyp verändert.137 Die in engen Grenzen zulässige Lockfütterung zur Bejagung (sog. Kirrung) gilt nach dem Landesrecht nicht als „Fütterung“ im Sinne des Gesetzes.138

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Für die Fütterung gelten verschiedene Futtermittelverbote. Die Fütterung von Wild mit proteinhaltigen Erzeugnissen, mit Fetten aus Gewebe warmblütiger Landtiere, mit Fischen oder Fischteilen, mit Mischfuttermitteln, die diese Einzelfuttermittel enthalten, sowie mit Futtermitteln, die durch eine industrielle Aufarbeitung ihre natürliche Rohfaserzusammensetzung verloren haben, ist verboten (ausgenommen auszuwildernde Fasanen- und Rebhuhnküken).139 Zur Fütterung von Schalenwild sind als Futtermittel ohne Zusätze Heu, Grassilage, heimische Baumfrüchte (Buchecker, Eichel etc.) sowie Hackfrüchte zugelassen.140 Zu den Hackfrüchten zählt man Kartoffeln, Zuckerrüben, Futterrüben, Feldgemüse und Mais. Unzulässig als Futtermittel ist daher etwa das Ausbringen von Apfel- oder Weintrester (Treber),141 von Küchenabfällen, Brot und anderen Backwaren oder Südfrüchten. Werden landwirtschaftliche Produkte, die als verbotene Futtermittel gelten, ausgenommen Heu, in der freien Landschaft nicht nur vorübergehend gelagert, dürfen diese außerhalb von Notzeiten dem Schalenwild nicht zugänglich sein.142

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Nicht zu den Hegemaßnahmen zählt das Kirren. Unter der Kirrung von Wild versteht man das gelegentliche Ausbringen von Lockfutter in geringen Mengen zur erleichterten Bejagung des Wildes.143 Sie ist nach neuer Rechtslage im Grundsatz für sämtliche Wildarten zulässig (!).144

Zulässige Kirrmittel sind nicht die zulässigen Futtermittel (!). Als Kirrmittel für Schalenwild dürfen ausschließlich heimische Baumfrüchte, Mais oder Getreide ausgebracht werden.145 Unzulässig ist daher etwa die Kirrung mit Backwaren, Fertigfuttermitteln (Hundefutter etc.), Kartoffeln, Wurst oder Zuckerrüben. Zulässig sind die Handausbringung und die Ausbringung unter Verwendung einfacher mechanischer Vorrichtungen.146 Eine einfache Vorrichtung ist etwa die Maistrommel, nicht aber ein elektrischer Kirrautomat mit Sensor.147 Keine Ausbringung ist die (zulässige) Bevorratung von Mais in geschlossenen Fässern (Kirrfässern).148 Bei der Handausbringung ist die Kirrmittelmenge so zu bemessen, dass am Kirrplatz nicht mehr als drei Kilogramm Kirrmittel verfügbar sind. Hingegen dürfen die mechanischen Vorrichtungen ein Fassungsvermögen von höchstens fünf Kilogramm besitzen.

Zur Kirrung von Raubwild dürfen Wildaufbrüche verwendet werden.149 Sie müssen am Luderplatz nicht vor der Aufnahme durch das Wild geschützt sein.150 Die Verwendung von Schlachtabfällen ist auch nach dem Tierkörperbeseitigungsrecht unzulässig. Die angeführten Wildarten dürfen selbstverständlich an der Kirrung erlegt werden.151 Keine Kirrung ist die erwähnte Ablenkfütterung zur Verhinderung von Wildschäden. An ihr darf i.Ü. das Schadwild nicht bejagt werden.

17a

Der Einsatz von Lockstoffen bzw. Lockmitteln ist gesetzlich nicht explizit geregelt. Üblich ist etwa die Verwendung von Buchenholzteer oder Lockmitteln in Raubwildfallen. Soweit das Ausbringen einen Eingriff in das Grundeigentum darstellt, bedarf es der Zustimmung der Eigentümer. Buchenholzteer darf nicht in Gewässer gelangen. Salzsteine sind Lockmittel, wenn an der Salzlecke gejagt werden soll. Die Anlage von Salzlecken in NATURA 2000-Gebieten ist nach näherer Maßgabe der entsprechenden Verordnung stark eingeschränkt.

dd) Aussetzen von Wild

18

Zu den Hegemaßnahmen zählt auch das Aussetzen von Wild.152 Dies ist in Sachsen-Anhalt allerdings nur eingeschränkt zulässig.153 Der Revierinhaber darf Wild in seinem Jagdbezirk nur mit schriftlicher Genehmigung der oberen Jagdbehörde aussetzen.154 Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Maßnahme aus Gründen der Hege notwendig ist und Schäden für die Land- und Forstwirtschaft nicht zu befürchten sind.155 Nicht genehmigungsfähig ist das Aussetzen von Waschbär, Marderhund, Mink, Nutria, Aaskrähe, Elster und Nilgans.156 Verboten ist es, eingefangenes oder aufgezogenes Wild später als vier Wochen vor Beginn der Jagdausübung auf dieses Wild auszusetzen.157

Das Aussetzen von Tieren einer fremden Tierart in der freien Natur (z.B. nicht-heimische Entenoder Fasanenarten) bedarf der Genehmigung der obersten Jagdbehörde.158 Als fremd gelten Tierarten, die bei Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes, d.h. am 1. April 1953, in Deutschland frei lebend nicht heimisch waren. Die Genehmigung, Tiere einer solchen Art in der freien Wildbahn auszusetzen, darf nur erteilt werden, wenn die Art die heimische Tierwelt wesentlich bereichert und Schäden für die öffentliche Sicherheit, die Landespflege, die heimische Tierwelt, die Landoder Forstwirtschaft nicht zu befürchten sind.159 Haustiere dürfen generell nicht ausgesetzt werden.160

Gefahrenabwehrmaßnahmen gegen das unter Verstoß gegen das Jagdrecht erfolgte Aussetzen oder Füttern ausgesetzter Tiere sind mangels einer besonderen jagdrechtlichen Rechtsgrundlage auf die polizeiliche Generalklausel zu stützen.161

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Das Ausbringen von Tieren in die freie Natur bedarf dem Grundsatz nach auch einer naturschutzrechtlichen Genehmigung.162 Dies gilt nicht für Wild, deren Art im betreffenden Gebiet in freier Natur in den letzten 100 Jahren vorkommt oder vorkam.163 Genehmigungspflichtig ist aber etwa das Aussetzen heimischer Eulen (z.B. Uhu)164 oder von Exoten165. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten der Mitgliedstaaten nicht auszuschließen ist.166 Etwaige Zweifel gehen zu Lasten der Antragsteller, zumal z.B. Neozoen ein unkalkulierbares Risiko für die heimische Tier- und Pflanzenwelt darstellen können.

20

Zur Hege im weiteren Sinne zählt auch die Haltung von jagdbaren Tierarten in Gehegen, in denen die Tiere auf ihre Auswilderung vorbereitet werden sollen (etwa Wald- und Feldhühner). Derartige Auswilderungsgehege bzw. Volieren können (je nach Standort, Größe und Bauart) bau- und naturschutzrechtlichen Anforderungen unterliegen.167 Die Errichtung von Tiergehegen ist im Grundsatz anzeigepflichtig.168 Die Anzeigepflicht entfällt jedoch bei Auswilderungsgehegen für dem Jagdrecht unterliegende Tierarten, in denen die Tiere jeweils nicht länger als einen Monat verbleiben sowie u.a. bei Tiergehegen von nicht mehr als 50 qm, die keine Tiere besonders geschützter Arten enthalten, und Tiergehegen, in denen nicht mehr als fünf Tiere der Arten Rothirsch, Damhirsch, Reh, Mufflon oder Wildschwein gehalten werden.169 Soweit nach dem BJagdG Schwarzwild nur in solchen Einfriedungen „gehegt“ werden darf, die ein Ausbrechen verhindern,170 geht es nicht um den allgemeinen Hegebegriff des BJagdG, sondern um Hegen im Sinne des Haltens von Schwarzwild in Gehegen, seien es (unzulässige)171 Jagd- oder sonstige (zulässige) Tiergehege.172 Für Tiergehege gelten im Übrigen neben der Anzeigepflicht auch materielle naturschutzrechtliche173 und baurechtliche174 Anforderungen. Sie können etwa wegen der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes unzulässig sein.175

ee) Schutz des Wildes

20a

Zur Hege zählen auch Maßnahmen zum Schutz des Wildes.176 Hegemaßnahmen sind daher insbesondere Maßnahmen zum Schutz des Wildes vor Wilderei, Tötungen durch Straßenverkehr oder durch Mäh- und Erntemaschinen, rechtswidrigen Zerstörungen und Beschädigungen von Wildbiotopen, rechtswidrigen Störungen des Wildes und der Schutz des Wildes vor Krankheiten. Jagdschutzmaßnahmen sind daher in der Regel zugleich Hegemaßnahmen. In einem weiteren Sinne sind daher auch Straf- und Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen wildschädigender Handlungen der Sache nach Hegemaßnahmen, etwa wegen des bedingt vorsätzlichen Tötens von Rehkitzen durch Kreiselmäher.177 Aus der Hegepflicht kann aber keine Pflicht zur Erstattung von Straf- und Ordnungswidrigkeitsanzeigen abgeleitet werden, da dies für eine effektive Hege (und die Sicherheit der Jagd) im Einzelfall sogar kontraproduktiv sein kann.

ff) Hegegemeinschaft

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Jagdausübungsberechtigte räumlich zusammenhängender Jagdbezirke können sich zu einer Hegegemeinschaft zusammenschließen (freiwillige Hegegemeinschaft).178 Zur gemeinsamen Hege und Bejagung von Rot-, Dam-, Muffel- oder Rehwild sollen sie sich zu Hegegemeinschaften zusammenschließen.179 Jagdbehördlich anerkannte Hegegemeinschaften können den Abschuss in einem gemeinsamen Abschussplan regeln.180 Die Anerkennung als Hegegemeinschaft setzt vor allem voraus, dass die einheitliche Bewirtschaftung der Jagd für die betreffende Wildart in dem Gebiet der Gemeinschaft biologisch und jagdwirtschaftlich zweckmäßig ist.181 Über die Abschussplanung hinaus kann die Hegegemeinschaft auf der Basis einheitlicher Abstimmung Lebensraumgutachten und Artenschutzprogramme erstellen und Maßnahmen für ausreichende Äsungs-, Deckungs- und Ruhebereiche ergreifen.182 Die Länder können die Bildung von Zwangshegegemeinschaften regeln.183 In Sachsen-Anhalt sind aber Zwangszusammenschlüsse nicht vorgesehen.184

Umgangssprachlich werden Hegegemeinschaften mitunter als „Hegeringe“ bezeichnet. Dies ist missverständlich, weil auch die Zusammenschlüsse der Mitglieder des Landesjagdverbandes unterhalb der Kreisebene Hegeringe heißen.

2. Bindung an den Jagdbezirk

a) Eigenjagdbezirke

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Das Jagdausübungsrecht bezieht sich auf einen bestimmten Jagdbezirk. Zur Jagdausübung berechtigt ist der Rechtsinhaber nur innerhalb seines Jagdbezirks.185 Den Jagdbezirk bezeichnet man auch als „Jagdrevier“ und den Jagdausübungsberechtigten als Revierinhaber186. Zu unterscheiden sind Eigenjagdbezirke und gemeinschaftliche Jagdbezirke.187 Im Grundsatz gilt, dass zusammenhängende Grundflächen eines Eigentümers von mindestens 75 Hektar188 einen Eigenjagdbezirk bilden.189 Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbare Flächen handelt. Die Flächen müssen also nicht zu diesen Zwecken tatsächlich genutzt werden,190 sondern es reicht aus, dass sie diesen Zwecken dienstbar gemacht werden könnten.191 Wird eine Fläche zu einem anderen Zweck genutzt, beseitigt dies nicht ihre Eigenschaft als land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbare Fläche, sofern diese anderweitige Nutzung nur vorübergehend ist.192 Keine land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbare Fläche ist aber etwa die innerhalb eines Autobahndreiecks liegende Fläche.193

Ein Eigenjagdbezirk entsteht kraft Gesetzes.194 Die Jagdbehörde kann bei Zweifeln durch konstitutiv-feststellenden Verwaltungsakt die verbindliche Feststellung treffen, dass ein Eigenjagdbezirk entstanden ist.195 Die Einrichtung eines Eigenjagdbezirkes durch Verwaltungsakt ist nicht bereits deshalb nichtig, weil Zweifel bestehen, ob bei seinem Erlass die gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen.196 Unerheblich für die Entstehung des Eigenjagdbezirks ist im Übrigen, aus welchen Motiven eine Person die Grundflächen erworben hat.197

Kauft ein Jagdgenosse so viel Fläche hinzu, dass der Schwellenwert von 75 ha überschritten wird, entsteht insoweit ein Eigenjagdbezirk. Ist der bisherige gemeinschaftliche Jagdbezirk verpachtet, bleibt der Erwerber grundsätzlich an den Pachtvertrag gebunden (Kauf bricht nicht Pacht).198 Die Bildung des Eigenjagdbezirks hat mithin, abgesehen vom Verpächterwechsel, auf den Pachtvertrag keinen Einfluss. Geschützt wird aber nur der Fortbestand des Pachtvertrags, der beim Eintritt der Voraussetzungen für die Entstehung des Eigenjagdbezirkes bereits läuft.199 Wird während eines laufenden Pachtvertrags der Pachtvertrag willkürlich vorzeitig verlängert bzw. aufgelöst und mit dem bisherigen Pächter neu geschlossen, um eine Übernahme des Reviers durch den Inhaber des Eigenjagdbezirks hinauszuschieben, gilt diese Vereinbarung nicht gegenüber dem Inhaber der Eigenjagd.200

22a

Für einen Zusammenhang von Grundflächen ist es grundsätzlich erforderlich, dass die Teilflächen durch kein fremdes Grundstück unterbrochen werden. Der Zusammenhang kann aber auch dadurch bestehen, dass die Teilflächen zwar nicht über einen mehr oder weniger großen Streckenabschnitt aneinander liegen, aber sich doch in einem einzigen Punkt berühren („Punktverbindung“), so dass der Jagdausübungsberechtigte keinen fremden Jagdbezirk betreten muss, um von einer auf die andere Teilfläche zu gelangen.201 So mag etwa ein schmaler Grundstücksstreifen von 30 x 170 m Flächen zu einem Eigenjagdbezirk verbinden.202 Ein Zusammenhang ist aber bei einem Abstand von 30 m zwischen auseinanderliegenden Flächen nicht gegeben.203 Grundflächen, die sich nicht unmittelbar berühren, können ausnahmsweise als „zusammenhängend" gelten, insofern natürliche und künstliche Wasserläufe, Wege, Triften und Eisenbahnkörper sowie ähnliche Flächen den Zusammenhang eines Jagdbezirks nicht unterbrechen.204 Wenn daher beiderseits eines Weges Flächen eines Jagdbezirks liegen, gelten diese als zusammenhängend, obwohl sich die Flächen nicht berühren. Weisen Flächen nach ihrer äußeren Gestalt Ähnlichkeit mit (den durch ihre Schmalheit charakterisierten) Wegen, Wasserläufen, Triften und Bahnkörpern auf (v.a. „Handtuchparzellen“), gelten sie gleichwohl nicht als „ähnliche Flächen“, wenn sie einen erheblich größeren hegerisch-jagdlichen Wert besitzen als das gesetzliche Vergleichsobjekt „Weg“.205

22b

Im Eigenjagdbezirk ist der Eigentümer Inhaber des Jagdrechts und grundsätzlich auch jagdausübungsberechtigt.206 Eigentümer in diesem Sinne ist entweder eine Einzelperson oder eine Personengemeinschaft.207 Besitzt der Eigentümer indes keinen Jahresjagdschein (bzw. kann er gar keinen besitzen, weil er keine natürliche Person ist – etwa eine juristische Person) und wird die Jagd weder durch Verpachtung noch durch angestellte Jäger ausgeübt, so wird sie von demjenigen ausgeübt, den der Verfügungsberechtigte der Jagdbehörde benennt (z.B. Sohn oder Tochter des Eigentümers).208 Sofern im Hinblick auf die Benannten keine Hinderungsgründe vorliegen (fehlender Jagdschein, Überschreiten der zulässigen Personenhöchstzahl oder der 1000 Hektar-Grenze in einer Person, fehlendes Einverständnis209 etc.)210, werden sie zum Revierinhaber.211 Ein weiterer Sonderfall ist der Verzicht des Eigentümers auf die Selbständigkeit des Jagdbezirks, so dass seine Flächen Bestandteil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks werden.212

Streiten der Inhaber des Eigenjagdbezirks und der bisherige Pächter gerichtlich wie außergerichtlich über das Bestehen bzw. Fortbestehen eines Pachtverhältnisses und werden hierdurch ordnungsgemäße Bejagung und Jagdschutz gefährdet, kann die Jagdbehörde von Amts wegen oder auf Antrag des Eigentümers dem Pächter die Jagdausübung untersagen und einen Notjäger bestellen, soweit dies nötig ist, um ordnungsgemäße Bejagung und Jagdschutz im Revier bis zur gerichtlichen Klärung des Fortbestehens bzw. der Verlängerung des Pachtverhältnisses sicherzustellen. Insoweit besteht in Sachsen-Anhalt zwar eine Regelungslücke,213 jedoch kann – aufgrund Vergleichbarkeit der Interessenlage – eine Gefahrenabwehrverfügung auf eine analoge Anwendung der polizeilichen Generalklausel gestützt werden.214 Der Notjäger nimmt seine Aufgaben, einschließlich der Vermarktung des Wildbrets, nach näherer Maßgabe seiner behördlichen Bestellung treuhänderisch, je nach Ausgang des Rechtsstreits, entweder für den Inhaber des Jagdbezirks oder für den Pächter wahr. In diesen Fällen liegt ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis zwischen dem Notjäger als Treuhänder und dem Eigentümer bzw. Pächter vor, auf das die BGB-Vorschriften über den Auftrag entsprechend angewendet werden können.215 So hat etwa der im Rechtsstreit gegen den Eigentümer obsiegende Pächter einen Anspruch auf Herausgabe des Erlöses aus dem Wildbretverkauf abzüglich der notwendigen Aufwendungen des Notjägers. Das Vorstehende gilt für gemeinschaftliche Jagdbezirke entsprechend.

b) Gemeinschaftliche Jagdbezirke

23

Sonstige Grundflächen einer Gemeinde216 oder abgesonderten Gemarkung bilden (unabhängig von ihrer land-, forst- oder fischereiwirtschaftlichen Nutzbarkeit!) einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk.217 Wenn die Jagdbehörde nichts anderes festlegt, verläuft die Grenze des jeweiligen Jagdbezirks entlang der Grenzen der zum Jagdbezirk gehörenden Flurstücke der Gemeinde (bzw. der abgesonderten Gemarkung). Die jagdbehördliche Grenzfestlegung ist gegenüber der Jagdgenossenschaft (wie gegenüber dem Eigentümer eines Eigenjagdbezirks) ein Verwaltungsakt.218

Dabei kann es sich um einen (der Klärung einer Streitfrage dienenden) feststellenden Verwaltungsakt oder einen die Grenzen verändernden Verwaltungsakt in Gestalt einer Abrundungsverfügung handeln.219 Ein Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes zur Grenzfeststellung dürfte abzulehnen sein, während ein Anspruch auf Erlass einer Abrundungsverfügung im Einzelfall bestehen kann.220 Auf Antrag, etwa des Pächters benachbarter Bezirke,221 können gemeindegebietsübergreifend gemeinschaftliche Jagdbezirke gebildet werden.222 In Sachsen-Anhalt beträgt die Mindestgröße des gemeinschaftlichen Jagdbezirks grundsätzlich 250 Hektar.223 Werden von einem Jagdbezirk Grundflächen zur Abrundung abgetrennt, so verliert er seine Eigenschaft als Jagdbezirk auch dann nicht, wenn er nach der Abtrennung nicht mehr die vorgeschriebene Mindestgröße besitzt.224 Im gemeinschaftlichen Jagdbezirk sind die Grundeigentümer Inhaber des Jagdrechts, jedoch ist jagdausübungsberechtigt im Grundsatz die aus den Grundeigentümern gebildete Jagdgenossenschaft.225 Die Bildung von Jagdgenossenschaften erfolgte in Sachsen-Anhalt mit Inkrafttreten des Landesjagdgesetzes.

c) Abweichungen von der Regel

24

Das geschilderte System der Verteilung der Grundflächen auf Eigenjagdbezirke und gemeinschaftliche Jagdbezirke wird in verschiedener Weise modifiziert. So kann ein Eigentümer eines Eigenjagdbezirks gegenüber der Jagdbehörde schriftlich auf die Selbständigkeit seines Bezirks verzichten.226 Hierdurch wird dieser Bestandteil des gemeinschaftlichen Jagdbezirks des Gemeindegebiets – sofern ihn die Jagdbehörde nicht durch besondere Verfügung anderen Jagdbezirken angliedert.227 Zudem kann durch freiwillige Vereinbarung oder behördliche Verfügung der Zuschnitt der Bezirke jagdlichen Erfordernissen angepasst werden. In Betracht kommen hierfür die Abrundung, die Zusammenlegung und die Teilung von Jagdbezirken.

Jagdbezirke können durch Abtrennung, Angliederung oder Austausch von Grundflächen durch Vertrag (einvernehmlich) oder von Amts wegen (zwangsweise) abgerundet werden, wenn dies aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist (Abrundung).228 Ein Abrundungsvertrag bedarf der Schriftform und ist der Jagdbehörde anzuzeigen.229 Er ist nach vorzugswürdiger Sicht ein privatrechtlicher Vertrag.230 Er ist ein besonderer Vertrag mit Elementen des Pachtvertrags, der auch bestimmte öffentlich-rechtliche Wirkungen hat.231

Behördliche Abrundungsverfügungen sind abzugrenzen von bloßen (deklaratorischen) Feststellungs- bzw. Klarstellungsverfügungen, die wegen Streit bzw. Unklarheit den Grenzverlauf verbindlich festlegen.232 Die (konstitutive) behördliche Abrundungsverfügung bewirkt eine dauerhafte Änderung von Jagdbezirksgrenzen.233 Die Abrundung kann auch eine Rückgliederung sein.234 Die mit der Aufhebung einer bestandskräftigen jagdrechtlichen Abrundungsverfügung einhergehende Rückgliederung zuvor angegliederter bzw. abgetrennter Flächen an den ursprünglichen Jagdbezirk bedarf (wie seinerzeit die aufgehobene Verfügung selbst) einer Rechtfertigung durch Erfordernisse der Jagdpflege und Jagdausübung.235 Es reicht nicht aus, dass die frühere Abrundung nicht mehr in demselben Maße für Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist wie zum Zeitpunkt ihres Erlasses.236 Behördliche Abrundungsverfügungen nach dem Reichsjagdgesetz gelten in Sachsen-Anhalt wegen der Diskontinuität des Jagdrechtssystems nicht fort, sofern sie nicht bei Neuordnung des Reviersystem ab 1990 in Bezug genommen wurden.237 Abrundungsverfügungen sind auch in Bezug auf Eigenjagdbezirke möglich.238 Abrundungsverfügungen zu Eigenjagdbezirken bleiben von kommunalen Neugliederungsmaßnahmen unberührt.239 Ihre Wirksamkeit entfällt nicht automatisch aufgrund einer Gemeindegebietsreform.240 Das BJagdG enthält keinen Rechtssatz, wonach Abrundungsverfügungen ihre Wirksamkeit verlieren.241 Hingegen verändern sich gemeinschaftliche Jagdbezirke durch Gemeindeneugliederungen automatisch entsprechend.242 Die Abrundung bleibt hingegen von einer katastermäßigen Umgemarkung ohne Veränderung des Gemeindegebiets unberührt, auch wenn sich eine frühere Jagdbezirksteilung an Gemarkungsgrenzen orientiert hat.243 Eine Angliederungsverfügung bezüglich einer jagdbezirksfreien Enklave ist aufzuheben, wenn die Fläche aufgrund Eigentümerwechsel einem Eigenjagdbezirk zuwächst.244 Die Abrundung wirkt sich auch auf die Amtszeit der Jagdvorstände der betroffenen Jagdgenossenschaften aus.245

Rechtsfehler von Abrundungsverfügungen lassen deren Wirksamkeit grundsätzlich unberührt und bewirken grundsätzlich nur deren Anfechtbarkeit und Aufhebbarkeit.246 Eine Nichtigkeit liegt nur bei schweren, offenkundigen Rechtsverstößen vor.247

Ob und inwieweit Ansprüche auf Erlass oder Änderung von Abrundungsverfügungen bestehen können, muss als ungeklärt bezeichnet werden. Hierzu liegt, soweit ersichtlich, kaum substantielle Rechtsprechung vor.248 Im Hinblick auf die Bedeutung der Abrundung für die Ausnutzung des Eigentumsgrundrechts sind jedenfalls bei Vorliegen der Abrundungsvoraussetzungen in Fällen schwerer Beeinträchtigung der (jagdlichen) Nutzbarkeit des Eigentums Ansprüche anzuerkennen, sofern die Abrundung die schützenswerten Eigentumsinteressen des Eigentümers Nachbarreviers nicht mehr als nur unerheblich beeinträchtigen würde. In Betracht kommen auch Amtshaftungsansprüche, wenn ohne die Abrundung übermäßige Wildschäden nicht verhindert werden können. Entschieden wurde indes, dass dem Grundsatz nach keine Amtspflicht bestehe, eine jagdbezirksfreie Fläche an den benachbarten Jagdbezirk anzugliedern, um dem Eigentümer oder Pächter dieser Grundflächen einen Anspruch auf Wildschadensersatz zu verschaffen.249

Gesetzlich geregelt ist ein Anspruch des Grundeigentümers, dessen Fläche in einen Eigenjagdbezirk eingegliedert wird, auf angemessene Entschädigung in Höhe des für diese Fläche ortsüblichen Pachtzinses.250

24a

Ein Erfordernis der Jagdpflege und Jagdausübung zur Abrundung ist anzunehmen, wenn sich die Abrundung aus der Sicht eines neutralen, jagdlich erfahrenen Betrachters nach den örtlichen Verhältnissen als sachdienlich aufdrängt.251 Jagdpflege meint die Hege und Jagdausübung die Technik der Bejagung.252 Die unbestimmten Rechtsbegriffe gewähren kein Ermessen, sondern ihre Anwendung ist gerichtlich voll überprüfbar.253 Weder begründen bloße Unzuträglichkeiten oder Schwierigkeiten der Bejagung ein Erfordernis, noch genügt hierfür die bloße jagdliche Vorteilhaftigkeit der Abrundung254 bzw. ihre bloße Zweckmäßigkeit255 oder Praktikabilität. Die Abrundung muss vielmehr objektiv geboten sein.256 Mitunter wird vertreten, dass zwingende Gründe die Abrundung erfordern müssen.257 Andere vertreten, dass jedenfalls keine zwingenden Gründe dergestalt erforderlich sind, dass die Hindernisse die Jagdausübung geradezu unmöglich machen.258 Eine Abrundung kann etwa dadurch begründet sein, dass ein Jagdbezirk schon aufgrund seines Zuschnitts eine Jagd vor allem an den Reviergrenzen erwarten lässt und damit die Gefahr von Grenzverstößen und unzulässiger Wildfolge schafft.259 Auch Sicherheitsbelange können ein Erfordernis der Abrundung begründen.260 Keine zwingende Notwendigkeit zur „Abrundung“ eines Jagdbezirks folgt etwa daraus, dass die Grenze zweier Jagdbezirke an der Wald-Feld-Linie verläuft, so dass das Wild aus seinem Einstand in das Feld wechselt.261 Die Einheitlichkeit des Lebensraumes für das Wild rechtfertigt eine Angliederung nicht zwingend, weil das Jagdrecht an das Grundstückseigentum und das Jagdausübungsrecht an die Jagdbezirke und nicht an die Lebensräume des Wildes geknüpft ist.262 Keinen Grund für eine Abrundung (und im Übrigen auch keinen Anfechtungsgrund) stellt das fehlende Vertrauen des Eigentümers oder Miteigentümers in die Person des Jagdausübungsberechtigten dar.263 Eine Angliederungsverfügung setzt nicht voraus, dass die zugeschlagene Fläche uneingeschränkt bejagbar ist.264 Allerdings steht ein bloßer Handtuchzugang der Angliederung entgegen.265 Die Verfügung muss hinreichend bestimmt sein.266 An der Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Abrundungsverfügung dürfte in der Regel kein besonderes Interesse bestehen.267 Liegt ein Erfordernis der Abrundung vor, so besteht auch ein aus dem Eigentumsgrundrecht abzuleitender Anspruch auf Erlass der Abrundungsverfügung.

Die Jagdbehörde kann einen Abrundungsvertrag beanstanden, wenn die Abrundung nicht erforderlich ist.268 Dabei ist ein Austausch von Flächen ungefähr gleicher Größe anzustreben, d.h. die Gesamtfläche der Bezirke soll sich per Saldo möglichst nicht bzw. kaum verändern.269

24b

Ausnahmsweise kann die Jagdbehörde auch kleinere Gebiete ab 200 Hektar als selbständige (gemeinschaftliche) Jagdbezirke festsetzen, wenn Belange der Jagdpflege nicht entgegenstehen.270 Sinkt die Größe allerdings unter 200 Hektar, hat die Jagdbehörde diese Flächen benachbarten Jagdbezirken anzugliedern (Angliederung).271 Dies gilt entsprechend, wenn infolge einer Befriedung von Teilflächen (s.u.) die tatsächlich bejagbare Fläche auf weniger als 100 Hektar sinkt.272

25

Die Jagdbehörde kann einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk in mehrere selbständige, mindestens 250 Hektar große gemeinschaftliche Jagdbezirke teilen, wenn sich die Mehrheit der Jagdgenossen nach der Kopfzahl und nach der Fläche der Grundstücke, mit denen sie der Jagdgenossenschaft angehören, für diese Teilung erklärt und Belange der Jagdpflege nicht entgegenstehen.273 Mit der Teilung ihres Jagdbezirks ist die dazugehörige Jagdgenossenschaft aufgelöst.274

26

Sonderregelungen gelten, wenn Bezirke infolge einer Gemeindegebietsreform zusammengelegt werden.275 Auf Antrag kann ein Jagdbezirk auch über Gemeindegrenzen hinweg eingerichtet werden. Voraussetzung der Zusammenlegung von zusammenhängenden Grundflächen mehrerer

Gemeinden ist, dass sie zusammen die Erfordernisse eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks erfüllen.276 Mit der Zusammenlegung hört die dazugehörige Jagdgenossenschaft zu bestehen auf.277

Die Jagdbehörde hat die Verfügung über die Angliederung, Teilung oder Zusammenlegung gemeinschaftlicher Jagdbezirke den beteiligten Jagdgenossenschaften und Gemeinden zuzustellen und die Verfügung öffentlich bekannt zu machen.278

Führt eine Gebietsreform nur zur Verkleinerung eines Gemeindegebietes, scheidet der davon betroffene Gebietsteil automatisch auch aus dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk dieser Gemeinde aus.279

d) Rechtsschutz bei Streitigkeiten um die Zugehörigkeit von Flächen

26a

Der Rechtsschutz gestaltet sich wie folgt: Gegen die Verwaltungsakte Abrundungs-, Teilungsoder Zusammenlegungsanordnung können die Adressaten Anfechtungswiderspruch und Anfechtungsklage erheben. Wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet, können die Adressaten die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragen.280 Ergeht die Verfügung gegen mehrere Adressaten, sind auf die Klage eines Adressaten die übrigen im Verwaltungsprozess notwendig beizuladen.281 Der Jagdpächter gilt bei Feststellungsstreitigkeiten über die Grenzen von Jagdbezirken grundsätzlich nur als mittelbar Betroffener und sei daher nicht notwendig beizuladen.282 Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hält indes eine unmittelbare Rechtsbetroffenheit bei Angliederungsrechtsstreitigkeiten für möglich, wenn die Entscheidung (ausnahmsweise) eine direkte Durchgriffswirkung gegenüber dem Jagdpächter hat.283 Auch das OVG Rheinland-Pfalz284 hat entschieden, dass einem Jagdpächter ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Wirksamkeit eines Abrundungsvertrages zustehe, wenn der Vertragspartner seines Verpächters mit der Behauptung der Nichtigkeit des Vertrages das Jagdausübungsrecht auf den vom Vertrag erfassten Teilen seines Reviers in Anspruch nimmt.

Abrundungsentscheidungen können jedenfalls in die Rechte von Jagdgenossenschaften285, in die Rechte des Inhabers einer Eigenjagd286 und in die des Eigentümers betroffener jagdbezirksfreier Flächen287 eingreifen. So stellt etwa der unfreiwillige Verlust eines Eigenjagdbezirks durch eine behördliche Entscheidung einen Eingriff in das Eigentumsrecht dar (der eine staatliche Entschädigungspflicht auslösen kann).288 Umstritten ist, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen eine Abrundungsverfügung den Jagdpächter der betroffenen Grundstücke in eigenen Rechten verletzen kann.289 Die Rechtsprechung verneint ein Klagerecht des Jagdpächters gegen eine Angliederungsverfügung.290 Ebenso wird die Klagebefugnis des Jagdpächters gegen einen rein feststellenden Verwaltungsakt über die Zugehörigkeit von Flächen zu Jagdbezirken verneint.291

Nach hier vertretener Ansicht ist eine Widerspruchs-, Klage- bzw. Antragsbefugnis des Jagdpächters anzuerkennen, wenn seine Jagdausübung durch die Angliederung mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Dies folgt daraus, dass die Regelungen über die Abrundung nicht allein Eigentumsinteressen dient, sondern auch das Interesse an einer konfliktfreien, sicheren Jagdausübung schützt. Diesen Zweck dürfte der Gesetzgeber zumindest auch im Interesse der Jagdpächter verfolgen, deren Aufgaben und Rechte in vielfältiger Hinsicht Gegenstand des Jagdrechts sind. Der Jagdpächter hat nicht nur, wie die Rechtsprechung mitunter betont, nur die Stellung eines schuldrechtlich Berechtigten, sondern er hat infolge des Pachtvertrags auch zahlreiche öffentlich-rechtliche Rechte und Pflichten. Insoweit wirken Angliederung oder Zugehörigkeitsfeststellung nicht nur als ein vom Gesetzgeber unbeabsichtigter Rechtsreflex zugunsten oder zulasten von Pächtern, sondern sind auch die Interessen an der ordnungsgemäßen, effektiven wie gefahrlosen Bejagung als Interessen öffentlicher und privater Natur zu berücksichtigen.

Die Zugehörigkeit eines Grundstücks zu einem Jagdbezirk kann ein durch die allgemeine Feststellungsklage feststellungsfähiges Rechtsverhältnis sein.292 Dies gilt entsprechend für die Nichtzugehörigkeit. Die Klage soll auch gegen den Inhaber eines anderen Jagdbezirks gerichtet werden können.293 Unzulässig ist aber mangels feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses (und mangels unmittelbarer Rechtsbetroffenheit) eine Feststellungsklage eines Jagdgenossen gegen die Genossenschaft, die sich auf die Feststellung richtet, dass ein Beigeladener Grundeigentümer infolge der Nichtigkeit eines Abrundungsvertrages nicht Inhaber eines Eigenjagdbezirks geworden ist.294

Der Anspruch auf Erlass einer Abrundungsverfügung kann bei Ablehnung der Abrundung mit Verpflichtungswiderspruch und Verpflichtungsklage verfolgt werden. In Ausnahmefällen ist auch ein Bedürfnis für den Eilrechtsschutz durch eine einstweilige Anordnung vorstellbar. In keinem Fall besteht aber ein Anordnungsanspruch gegen den Eigentümer eines Eigenjagdbezirks, der sich weigert, einen Abrundungsvertrag zu schließen, weil allenfalls ein Anspruch gegen die Jagdbehörde auf Erlass einer Abrundungsverfügung bestehen kann.295

Gegen eine Befriedungsanordnung sind Anfechtungswiderspruch und -klage statthaft. Klagebefugt ist jedenfalls der Eigentümer, dessen Grundstück durch die jagdbehördliche Anordnung entgegen seinem Willen befriedet wird.296

Für die Begründung der Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil betreffend eine Angliederungsverfügung gelten strenge Substantiierungsanforderungen.297 So reicht es etwa nicht, die Jagdbezirksfreiheit von Flurstücken zu behaupten bzw. das Entstehen eines Eigenjagdbezirks mit der Begründung zu bestreiten, der streitgegenständliche Bescheid sei „evident gesetzeswidrig“, der Eigenjagdbezirk sei „gleichsam von vorne bis hinten“ eine „krasse jagdrechtliche Fehlgeburt“.298

Streitigkeiten über die Wirksamkeit oder der Inhalt eines Abrundungsvertrages sind nach vorzugswürdiger Ansicht zivilrechtliche Streitigkeiten.299 Auf diese findet die ZPO Anwendung. Für die Streitwertberechnung in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten gilt die ZPO entsprechend.300

e) Jagdgenossenschaftsrecht

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Im gemeinschaftlichen Jagdbezirk bilden die Eigentümer301 der zusammengeschlossenen Grundflächen (die „Jagdgenossen“) eine Jagdgenossenschaft.302 Sie ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts303 unter Aufsicht der Jagdbehörde304. Es besteht im Grundsatz Pflichtmitgliedschaft.305 Die Zwangsmitgliedschaft ist, auch für Eigentümer kleinerer Grundflächen, verfassungskonform.306 Aufgabe der Genossenschaft ist es, ihr Jagdausübungsrecht307 am gemeinschaftlichen Jagdbezirk gemeinschaftlich zu nutzen und zu verwalten.308

Ihre Organe sind Jagdvorstand und (Mitglieder- bzw.) Genossenschaftsversammlung. Der Jagdvorstand führt die Beschlüsse der Genossenschaft aus,309 besorgt die laufende Geschäftsführung und vertritt die Genossenschaft gerichtlich wie außergerichtlich.310 Seine Vertretungsmacht kann durch die Satzung beschränkt werden.311 Hierfür reicht es aber nicht aus, dass der Jagdvorstand nach der Satzung an die Beschlüsse der Genossenschaftsversammlung gebunden ist.312 Eine Beschränkung der Vertretungsmacht nach außen muss vielmehr in der Satzung eindeutig zum Ausdruck kommen.313 Rechtsgeschäftliche Erklärungen des Vorstands, welche die Bindungen im Innenverhältnis missachten, binden die Genossenschaft aber nicht, wenn der Vertragspartner mit dem Vorstand bewusst zum Schaden der Genossenschaft zusammenwirkt (sog. kollusives Zusammenwirken), der Vorstand seine Vertretungsmacht erkennbar missbraucht oder von ihr in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch macht.314 Der Vorstand kann einzelne seiner Mitglieder auf der Grundlage eines Mehrheitsbeschlusses aller Vorstandsmitglieder zu bestimmten Rechtsgeschäften bzw. Prozesshandlungen ermächtigen. Hat ein Vorstandsmitglied bei einem solchen Beschluss über die Erteilung einer Prozessvollmacht für ein Vorstandsmitglied nicht mitabgestimmt, ist eine Prozessvollmacht unwirksam, auch wenn die bei der Abstimmung anwesenden Vorstandsmitglieder den Abwesenden ohnehin überstimmt hätten.315 Der Vorsitzende kann sich von seinen Beisitzern formlos bevollmächtigen lassen, allein im Namen des Jagdvorstands handeln zu dürfen.316 Spricht er aber etwa eine Kündigung des Pachtvertrags aus, obwohl nach der Satzung nur alle Mitglieder des Vorstands gemeinsam hierfür zuständig sind, ist die Kündigung unwirksam.317

Der Jagdvorstand wird von den Mitgliedern der Jagdgenossenschaft gewählt.318 Meist ist eine Amtszeit von vier Jagdjahren vorgesehen.319 Die Amtszeit eines Vorstandsmitglieds kann vorzeitig enden durch Tod, Amtsverzicht, Abwahl oder die Notwendigkeit einer vorzeitigen Neuwahl des Gesamtvorstandes nach Unanfechtbarkeit einer Abrundungsverfügung.320 Die (vorzeitige) Abwahl eines Vorstandsmitglieds richtet sich nach den Vorgaben der Satzung, im Übrigen nach allgemeinem Verwaltungsrecht. Hiernach muss ein wichtiger Grund für die vorzeitige Abberufung vorliegen.321

Hat die Genossenschaft die von der obersten Jagdbehörde veröffentlichte Mustersatzung beschlossen, ist der Vorstand dreigliedrig und besteht aus Vorsitzendem (auch Jagdvorsteher genannt), Schriftführer (Schriftwart) und Kassenführer (Kassenwart).322 Die Vorstandsmitglieder müssen nicht Jagdgenossen sein.323 Eine Ämterhäufung ist zulässig, sofern die Satzung nicht mehrere Vorstandsmitglieder vorschreibt. Die Satzung kann entweder eine bestimmte Anzahl bzw. Mindestanzahl von Vorstandsmitgliedern vorsehen oder nur bestimmte Vorstandsämter aufführen. Werden nur Ämter aufgeführt, ohne eine Zahl bzw. Minderzahl vorzugeben, ist dem Grundsatz nach eine personenidentische Ämterausübung zulässig.324 Die Satzung kann eine Aufwandsentschädigung für Vorstandsmitglieder vorsehen. Unabhängig hiervon können die Vorstandsmitglieder von der Jagdgenossenschaft Aufwandsersatz für ihre notwendigen Aufwendungen zur Erfüllung ihrer Aufgaben verlangen (z.B. Umschläge und Briefporto für notwendige Schreiben).

27a

Solange die Jagdgenossenschaft keinen Jagdvorstand gewählt hat, nimmt der „Gemeindevorstand“ die Geschäfte der Genossenschaft als sog. Notvorstand wahr.325 Dies gilt auch dann, wenn die Wahl unwirksam war oder die Amtszeit abgelaufen ist.326 In Sachsen-Anhalt ist Notvorstand kraft ausdrücklicher Regelung der Hauptverwaltungsbeamte der Gemeinde, das heißt der Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister.327 Ihm stehen alle Kompetenzen eines gewählten Jagdvorstandes zu.328

27b

Oberstes Organ der Genossenschaft ist nicht der Vorstand, sondern die Mitgliederversammlung.329 Soweit nichts anderes durch Satzung oder Beschluss geregelt ist, entscheidet die Versammlung über die Nutzung der Jagd,330 d.h. über Abschluss, Änderung, Verlängerung oder Beendigung von Pachtverträgen. Im Hinblick auf das Auswahlverfahren331 und die Auswahlkriterien332 besitzt die Genossenschaft einen großen Spielraum. Nicht auf den Vorstand übertragbar ist ihre Aufgabe, über die Verwendung des Reinertrags (d.h. Einnahmen abzüglich notwendiger Kosten)333 der Verpachtung zu beschließen.334 „Zum Reinertrag einer Jagdgenossenschaft gehören alle geldwerten Leistungen, die ihr aufgrund vertraglicher Vereinbarung als Erlös für die Jagdnutzung zufließen, nach Abzug der mit der Erzielung des Ertrags notwendig verbundenen Aufwendungen.“335 Nicht zu den Einnahmen gezählt werden vertragliche Sonderleistungen der Jagdpächter wie die vertragliche Verpflichtung zur Veranstaltung eines Jagdessens oder Ausflugs, auch wenn diesen Leistungen vertraglich ein bestimmter Geldwert zugeschrieben ist.336 Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Sonderleistungen in einem angemessenen Verhältnis zur Hauptleistung in Gestalt des Pachtzinses stehen und auch kein Umgehungsgeschäft zur Reduzierung des Auskehranspruchs darstellen.337

Von den Erlösen sind nur die notwendigen Aufwendungen abzugsfähig, d.h. die sich aus der gesetzlichen Aufgabe der Jagdgenossenschaft ergeben.338 „Zum Reinertrag einer Jagdgenossenschaft gehören alle ihr zufließenden Erlöse abzüglich der mit der Erzielung des Ertrags notwendig verbundenen Aufwendungen. Die Kosten eines Jagdgenossen für Maßnahmen zur Verhütung von Wildschäden an seinen Waldgrundstücken (hier: einer Gemeinde für ihren Körperschaftswald) sind keine Aufwendungen der Jagdgenossenschaft und dürfen daher nicht ertragsmindernd abgezogen werden.“339 Verwaltungskosten in Gestalt einer Aufwandentschädigung des Vorstandes gehören nur zu den notwendigen Aufwendungen, wenn hierüber Beschluss gefasst wurde.340 Ansatzfähig sind etwa Kontoführungsgebühren für das Bankkonto der Genossenschaft oder Portokosten für notwendige Antwortschreiben an die Jagdbehörde. Die Kosten für eine Prozessführung der Genossenschaft gegen einen Jagdgenossen wegen Unterlassung beleidigender Äußerungen des Jagdgenossen gegenüber dem Vorstand sind keine notwendigen Aufwendungen.341 Keine notwendigen Aufwendungen sind auch Kosten der Jagdgenossenschaft für ihre gesellschaftlichen Veranstaltungen wie Jagdball oder Osterfeuer.342 Keine notwendigen Aufwendungen sind Kosten für die Anschaffung, Abschreibungen, Reparaturen und Wartung von Maschinen, die nicht der unmittelbaren Aufgabenerfüllung der Jagdgenossenschaft dienen.343 Dies gilt etwa für Maishackgeräte, Milchtestgeräte, Kehrbesen, Mulchbesen und Holzspalter, die zur Nutzung durch die Jagdgenossen angeschafft wurden.344 Nicht abzugsfähig sind auch ohne Rechtsgrund an Jagdgenossen ausgezahlte Aufwendungsentschädigungen.345 Die Jagdgenossenschaft ist nicht befugt, geldwerte Leistungen des Jagdpächters durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit ihm vom auskehrpflichtigen Reinertrag auszusondern.346 Nicht gesetzlich geregelt ist die Erhebung einer Umlage von den Jagdgenossen, die der Deckung von die Einnahmen übersteigenden Ausgaben eines Jagdjahrs dient.347

Die Versammlung kann den Reinertrag nach dem Verhältnis der Flächenanteile ihrer beteiligten Grundstücke auf die Jagdgenossen verteilen (Verteilung nach Flächenanteilen) oder eine teilweise oder völlige anderweitige Verwendung beschließen (z.B. für Biotopverbesserung und Landschaftspflege). Unzulässig ist es, den Ertrag nicht nach den Flächenanteilen auf die Eigentümer, sondern nach der Ergiebigkeit bzw. dem jagdlichen Wert der Flächen auf die Jagdgenossen zu verteilen.348

27c

Jeder Jagdgenosse kann verlangen, dass ihm sein rechnerischer Anteil am Reinertrag ausbezahlt wird (sog. Auskehr- oder Auskehrungsanspruch).349 Der Anspruch berechnet sich nach dem Verhältnis seines Flächenanteils seiner Grundstücke am Gesamtgebiet der Genossenschaft und dem durchschnittlichen Pachtpreis pro Hektar.350 Beschließt die Jagdgenossenschaft die anderweitige Verwendung des Reinertrags der Jagdnutzung im Voraus zeitlich unbegrenzt, kann ein Jagdgenosse die Auszahlung des anteiligen Reinertrags ebenfalls im Voraus für zukünftige Jagdjahre geltend machen.351 Ohne vorausgehenden entsprechenden Beschluss der Versammlung kann der Anspruch aber nicht im Voraus geltend gemacht werden.352

Sofern der Anspruch nicht bereits im Voraus schriftlich geltend gemacht wurde, muss er schriftlich oder zur Niederschrift beim Jagdvorstand binnen eines Monats nach der Bekanntmachung des Beschlusses, dass der Reinertrag nicht ausschließlich nach den Flächenanteilen verteilt wird, geltend gemacht werden (Monatsfrist des Auskehranspruchs).353 Mit der gesetzlichen Regelung, dass der Ertrag nach dem Verhältnis des Flächeninhalts der beteiligten Grundstücke der Jagdgenossen verteilt wird, ist es nicht vereinbar, nach der Ergiebigkeit und dem jagdlichen Wert der Flächen der Jagdgenossen zu differenzieren.354 Im Übrigen kann der Jagdgenosse durch schriftliche Erklärung unbefristet bis auf Widerruf verlangen, dass ihm stets der Reinertrag nach seinem Flächenanteil ausbezahlt wird.355 Der Auszahlungsanspruch für das jeweilige Jagdjahr verjährt nach drei Jahren.356 Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Jagdjahres. Ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen besteht nicht.357 Einer Geltendmachung eines fälligen Anspruchs kann der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen.358 Wurde dem Jagdgenossen das Recht eingeräumt, seine unbefristete Zustimmung zu einer Überlassung des Reinertrags an die Gemeinde zu widerrufen, dann entsteht sein Auskehranspruch mit dem Widerruf.359 M.a.W. gilt ein Verzicht auf die Geltendmachung des Auskehranspruchs nicht zwingend auf Dauer, sondern grundsätzlich nur für das jeweilige Jagdjahr.

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Die Jagdgenossenschaft muss eine Satzung beschließen.360 Die Satzung bedarf der jagdbehördlichen Genehmigung.361 Beschließt die Genossenschaft die vom (für das Jagdwesen zuständigen) Ministerium erlassene Mustersatzung, reicht die Anzeige des Beschlusses aus.362 Die Mustersatzung ist auch für diejenigen Jagdgenossenschaften verbindlich, die innerhalb einer von der Jagdbehörde gesetzten Frist keine ausreichende Satzung aufgestellt haben.363

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Die Satzungen der Jagdgenossenschaften sehen in der Regel vor, dass mindestens einmal im Jahr eine Sitzung der Genossenschaftsversammlung stattfindet.364 Besteht ein Hindernis, handelt der Vorstand in Notgeschäftsführung.365 Ist die Art und Weise der Ankündigung der Sitzung nicht durch Satzung geregelt, muss in geeigneter Weise eingeladen werden. Dies erfordert zumindest die ortsübliche Verkündung der Einladung samt Tagesordnung366 in der Gemeinde (bzw. Stadt), in deren Gebiet sich der gemeinschaftliche Jagdbezirk befindet. Ortsfremde haben nach herrschender Ansicht keinen Anspruch auf persönliche Einladung.367 Die ordnungsgemäße Einberufung der Versammlung ist unabdingbare Voraussetzung der Wirksamkeit der von der Versammlung gefassten Beschlüsse.368 Die Ladung zur Sitzung muss der Ladungsfrist der Satzung entsprechen. Ist keine Ladungsfrist geregelt, muss die Frist angemessen sein. Wird die Ladungsfrist nicht beachtet, so sind die gefassten Beschlüsse (auch nach Jahren) unwirksam, denn die Einhaltung einer Ladungsfrist stellt einen wesentlichen zwingenden Verfahrensgrundsatz dar.369

Die Mitgliederversammlung entscheidet in nicht-öffentlicher Sitzung.370 Sofern nicht einstimmig die Öffentlichkeit oder bestimmte Nicht-Jagdgenossen zugelassen werden, dürfen daher nur die Jagdgenossen an der Sitzung teilnehmen.371 Die Jagdgenossenschaft ist nicht verpflichtet, Pachtbewerber, Jagdpächter, Ehepartner von Jagdgenossen oder Pressevertreter zur Sitzung zuzulassen (sofern diese keine Jagdgenossen sind). Zuzulassen sind nur Vorstandsmitglieder, die keine Jagdgenossen sind und Vertreter der Aufsichtsbehörde. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nicht-Öffentlichkeit stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar und bewirkt die Nichtigkeit des Beschlusses.372

Stimmberechtigt sind nur die Mitglieder der Jagdgenossenschaft, d.h. die Jagdgenossen. Lebenspartner oder Kinder von Jagdgenossen, Jagdpächter, Gemeinde- und Pressevertreter etc. dürfen nur mitstimmen, wenn sie auch Jagdgenossen bzw. von Jagdgenossen ordnungsgemäß bevollmächtigt sind, das Stimmrecht wahrzunehmen. Ist ein Bewerber um die Pachtvergabe selbst Jagdgenosse, darf er nach Ansicht des VG Magdeburg gleichwohl über den Abschluss eines Pachtertrages mit ihm abstimmen.373 Auch der Jagdpächter darf über eigene Angelegenheiten, wie etwa die Kündigung des Pachtvertrages mitabstimmen, sofern er Jagdgenosse ist. Dies ist Ausfluss seines Eigentumsrechts.

29a

Die Jagdgenossenschaftsversammlung entscheidet durch Beschluss. Beschlüsse der Genossenschaft sind öffentlich-rechtliche Akte korporativer Willensbildung, die nur im Innenverhältnis der Genossenschaft wirken, daher keine Verwaltungsakte.374 Alle Beschlüsse der Genossenschaft bedürfen sowohl der Mehrheit der abgegebenen Stimmen als auch der Mehrheit der bei der Abstimmung vertretenen Grundflächen (Prinzip der doppelten Mehrheit).375 Ob die Mehrheit erreicht wurde, ist anhand des von der Genossenschaft zu führenden Jagdkatasters zu überprüfen.376 Jagdgenossen können sich durch andere bei der Stimmabgabe vertreten lassen, jedoch bedarf dies einer schriftlichen Vollmacht, auf der die Unterschrift amtlich beglaubigt wurde.377