John Sinclair 2053 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2053 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

In rasender Geschwindigkeit stürzte ich in die Tiefe!
In einen schwarzen, absolut lichtlosen Schlund, angefüllt mit Kälte, Angst und Hoffnungslosigkeit. Die Furcht umklammerte mich mit eiskalter Faust. Dabei war es weniger die Angst vor dem Aufprall, als vielmehr die unbeschreibliche Panik im Angesicht des Bösen schlechthin.
Denn was auch immer mich am Ende meines Sturzes erwartete, es war schlimmer als der Tod ...

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EPUB

Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Fahr zur Hölle, Sinclair!

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5419-5

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Fahr zur Hölle, Sinclair!

(2. Teil)

von Ian Rolf Hill

In rasender Geschwindigkeit stürzte ich in die Tiefe!

In einen schwarzen, absolut lichtlosen Schlund, angefüllt mit Kälte, Angst und Hoffnungslosigkeit.

Die Furcht umklammerte mich mit eiskalter Faust. Dabei war es weniger die Angst vor dem Aufprall als vielmehr die unbeschreibliche Panik im Angesicht des Bösen schlechthin.

Denn was auch immer mich am Ende meines Sturzes erwartete, es war schlimmer als der Tod.

Asmodis, der Teufel, hatte mich in die Falle gelockt, mich meiner Waffen beraubt und von meinen Freunden isoliert. Und er hatte die Chance genutzt, mich in sein Reich, in die Verdammnis, zu schleudern.

Seine letzten Worte hallten in meinem Schädel wider, während ich unaufhaltsam dem Verderben entgegenraste: »Fahr zur Hölle, Sinclair!«

Ben Essex, Special Agent des MI5, glaubte zu träumen. Und das nicht im positiven Sinne. Vielmehr wähnte er sich in einem schlimmen Albtraum, nur dass man aus Albträumen in der Regel ziemlich schnell erwachte.

Allein die Schmerzen in Brust und Kopf verrieten ihm, dass er weder schlief noch träumte. Alles um ihn herum war Wirklichkeit. Eine wahnwitzige, mörderische und geradezu groteske Wirklichkeit.

Es hatte beinahe routinemäßig begonnen. Gemeinsam mit dem Scotland-Yard-Beamten John Sinclair hatte er dem militärischen Sperrgebiet Peelham einen Besuch abstatten sollen. Doch kaum hatten sie das Highland Inn, in dem Major di Samos sein Hauptquartier errichtet hatte, betreten, da war im wahrsten Sinn des Wortes die Hölle losgebrochen.

Plötzlich sah sich Ben von grauenhaften Kreaturen durch die Nacht gehetzt. Verfolgt von den eigenen Leuten, die sich in abscheuliche Monster verwandelt hatten. Und dann war dieses kleine, unschuldige Mädchen aufgetaucht, hatte ihm vom Dach eines einstöckigen Hauses aus zugewinkt und ihn schließlich auf kindlich-naive Weise dazu aufgefordert, es zu fangen, wenn er überleben wollte.

Für Ben konnte das nur eines bedeuten: Die Kleine war wahnsinnig!

Doch er konnte es sich in seiner Lage nicht leisten, wählerisch zu sein.

Also folgte er dem Mädchen!

Er ignorierte das Brüllen und Fauchen in seinem Rücken, wagte nicht, auch nur einen Blick über die Schulter zurückzuwerfen. Stattdessen fixierte er das Mädchen, dessen Aufmachung aussah, als ginge es zu einer Theateraufführung, in der es die Hauptrolle als Alice im Wunderland spielte.

Die dunkelblonden Haare waren zu zwei neckischen Zöpfen gebunden, die keck über den kurzen Puffärmeln des weißen Rüschenkleidchens wippten. Darunter sah Ben nackte Kniekehlen und die Bündchen der langen, ebenfalls weißen Strümpfe, deren Enden mit den Füßen in schwarzen Lackschuhen verschwanden, die auf dem Pflaster ein klackerndes Echo hinterließen.

Vollkommen absurd, aber immerhin schien sich die Kleine bestens in dem Ort auszukennen. Essex folgte ihr in eine handtuchschmale Gasse. Für einen Moment wurde die Furcht, in der Falle zu sitzen, übermächtig und drohte ihn auf der Stelle zu lähmen wie einen Fuchs im Scheinwerferlicht.

Doch niemand erwartete sie am Ende der Gasse. Dafür gelangten sie auf eine breitere Straße, und Ben wollte sich instinktiv nach rechts wenden, wo in derselben Sekunde drei Silhouetten auftauchten und das Feuer eröffneten. Zum Glück war das Mädchen auf der Hut und war längst nach links abgebogen, wo sich eine weitere Gasse auftat. Es sprang behände über einen niedrigen Bohlenzaun, hinter dem sich ein sorgfältig gepflegter Vorgarten befand.

Ben flog förmlich hinterher, rollte sich über die Schulter ab, während die Projektile der Maschinenpistolen wie tödliche Hornissen an ihm vorbeijagten. Das Knattern der automatischen Waffen verriet dem Agenten, dass scharf geschossen wurde.

Offenbar legte man keinen Wert mehr darauf, ihn lebend zu fangen. Möglicherweise war die nicht letale Munition, mit der man anfangs Jagd auf ihn gemacht hatte, ohnehin nicht für ihn gedacht gewesen.

Was bedeutete, dass man John Sinclair haben wollte und vermutlich auch bekommen hatte.

Essex wälzte sich über das feuchte Gras und schrie auf, als Druck auf die lädierten Rippen ausgeübt wurde. Für einen Moment blieb ihm die Luft weg. Er hatte aus der Rolle heraus auf die Beine kommen wollen, doch es gelang ihm nicht. In den Knien knickte er ein, fiel nach vorne und musste sich mit beiden Armen abstützen. Das Gras, das in der Finsternis gräulich schimmerte, verschwamm vor seinen Augen.

Nur eine klitzekleine Verschnaufpause, mehr nicht.

Sein Atem ging schwer und stoßweise. Verflucht, er musste sich bei der Flucht stärker verletzt haben als angenommen. Unendlich langsam hob er den Kopf, sah das bleiche, erschrockene Gesicht des Mädchens hinter der Ecke der Hausmauer hervorlugen. Plötzlich sah die Kleine wie ein gewöhnliches, verängstigtes Kind aus, und da wusste er, dass die Verfolger ihn eingeholt hatten.

Ben holte schnaufend Luft, wollte dem Mädchen zurufen, dass es abhauen solle, jeden Moment damit rechnend, dass die MPis der Häscher losratterten und ihn perforierten. Aber kein Laut drang über seine Lippen.

Auch das Krachen der Schüsse blieb aus. Dafür trat die Kleine hinter der Hausecke hervor, verharrte dicht vor dem kauernden Agenten und öffnete den Mund. Ben glaubte, seinen Augen nicht zu trauen, als ihr Unterkiefer immer weiter herunterklappte und beinahe die Brust berührte. Kein Mensch konnte den Mund so weit öffnen, ohne dass er sich den Kiefer aushakte.

Im ersten Moment schob er es auf seine geduckte Haltung und die Tränen, die die Perspektive verschleierten, doch die feuchten, knirschenden Laute redeten eine deutliche Sprache. Er würgte und schmeckte bitteren Speichel auf der Zunge. Und dann kamen die Fliegen.

In einem kompakten, schwarzen Strom schossen sie aus dem Mund des Mädchens, jagten in einem breiten Strahl über Essex hinweg, der die gurgelnden Schreie der Verfolger dicht in seinem Rücken vernahm. Die Rufe gingen fast in dem ohrenbetäubenden Summen unter, das die zahllosen Insekten produzierten.

Er wusste nicht, was die Fliegen mit den Männern anstellten, wie sie sie aufhielten, wichtig war nur, dass sie es taten. Das Mädchen und die Fliegen hatten ihm das Leben gerettet! Ben verdankte es einzig und allein seiner Ausbildung, dass er nicht vor Schreck gelähmt auf dem Boden hocken blieb oder einen Gedanken daran verschwendete, wie es zigtausende Fliegen geschafft hatten, in dem kleinen Mädchen zu überleben. Oder wie sie überhaupt in das Kind hineingelangt waren.

Ben stemmte sich auf die Beine, warf sich vorwärts und ergriff im Laufen das Mädchen, aus dessen Mund immer noch vereinzelte Schmeißfliegen hervorschossen. Ben rannte um die Hausecke, gelangte über einen plattierten Weg in den Innenhof.

Kaum befanden sie sich auf der Rückseite des Hauses, fing das Mädchen an, mit den Beinen zu strampeln. »Lass mich runter«, rief es beinahe empört.

Es klang wirklich wie ein normales Kind und nicht wie ein totenbleiches Mädchen, aus dessen Rachen eben noch tausende von Fliegen geströmt waren. Es war der reinste Irrsinn, und Ben Essex glaubte in diesen Momenten tatsächlich, dass er es war, der den Verstand verloren hatte.

Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, befolgte er den Befehl des Kindes. Es nahm ihn wortlos bei der Hand und rannte weiter. An der Rückseite des Hauses entlang, auf das Nachbargrundstück zu. Sie mussten herumliegendem Spielzeug und Gartengeräten ausweichen, und Essex ächzte überrascht, als das Mädchen unvermittelt an seinem Arm riss und ihn nach links zog, wo sich ein Geräteschuppen schwarz in der Dunkelheit der Nacht abhob.

Ben rechnete damit, dass das Mädchen die Tür aufziehen würde, um sich darin zu verstecken, doch dem war nicht so. Stattdessen hetzten die beiden ungleichen Menschen an der Seitenwand des Schuppens vorbei. Dahinter wuchsen Fichten und Wacholdersträucher, die eine natürlich Barriere bildeten.

Nadelbewehrte Zweige peitschten Ben ins Gesicht und rissen blutige Striemen in die Haut, als ihn das Mädchen ohne Rücksicht auf Verluste einfach hinter sich herzog. Und dann standen sie erneut auf einer schmalen Straße.

»Komm schon!«, rief seine Retterin. »Gleich haben wir es geschafft.«

Das ließ sich Ben nicht zweimal sagen, auch wenn er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wo, um alles in der Welt, sie in diesem Kaff in Sicherheit sein sollten. Wenig später sah er es, als sich der dreistöckige Kasten aus der Finsternis schälte.

Er kannte den Bau, schließlich war er nicht zum ersten Mal in Peelham.

Es war die Grundschule!

Noch gut einhundertfünfzig Yards bis zum Ziel. Höchstens zweihundert.

Das Mädchen ließ seine Hand los und fing an zu rennen. Ben wollte hinterher, trotz des heftigen Seitenstechens, doch das stoßweise Atmen forderte Tribut. In seinem Blut befand sich zu wenig Sauerstoff, und mit einem Mal begann sich die Welt um ihn herum zu drehen. Ein dumpfes Schnauben und Grunzen drang an seine Ohren, dann stolperte er auch schon über die eigenen Beine, sah das Pflaster der Straße rasend schnell auf sich zukommen und schaffte es gerade noch, sich im Sturz zu drehen, sodass er mit dem Rücken aufschlug.

Er wollte das Kinn auf die Brust drücken, damit sein Hinterkopf nicht auf den Asphalt schlug, aber dafür war es zu spät. Sterne zerplatzten vor seinen Augen, und als er wieder klar sehen konnte, ragte das echsenartige Monster, das den Piloten Brian auf dem Gewissen hatte, vor ihm auf.

Es öffnete das Maul und brüllte!

Heißer, flockiger Geifer sprühte von den Lefzen und klatschte Ben ins Gesicht. Dann ließ es sich auf die affenartigen Arme sinken, um sich auf sein wehrloses Opfer zu stürzen.

Ben hörte die panischen Schreie des Mädchens, wollte noch die Pistole aus dem Schulterhalfter reißen. Zu spät. Das Maul mit den mörderischen Hauern wurde riesengroß und nahm sein gesamtes Blickfeld ein, als das Ungeheuer zum finalen Biss ansetzte.

***

Bill Conolly schrie und schluchzte in einem, als er seine tote Frau sah.

Das erste Mal, seit er sie zuletzt vor einem Jahr in den Armen gehalten hatte, das Haupt mit dem gebrochenen Hals, auf die Hände gebettet.

Seine Frau!

Doch war sie wirklich tot gewesen?

Wieso starrte sie ihn dann mit weit aufgerissenen Augen an? Das Gesicht zu einer Fratze der Angst und der Qual verzerrt?

Die Lippen zeigten ein widerliches, sardonisches Grinsen, als habe Sheila noch im Sarg liegend einen Tetanuskrampf erlitten.

Die Arme waren grotesk angewinkelt und an den Leib gepresst. Die rechte Hand in Höhe des Herzens in die Brust gekrallt, die linke nach vorne gerichtet. Die blutigen, bis auf die Knochen abgeschabten Kuppen zeigten mit den gesplitterten Nägeln auf sein Gesicht, als wolle sie ihm die Augen auskratzen.

»Warum hast du das getan?«

Es war, als höre er wieder ihre Stimme, dabei war es lediglich das Echo der Erinnerung, das er vernahm. Diese Frage hatte sie ihm vor kaum drei Stunden am Telefon gestellt, als sie ihn aus dem Jenseits heraus angerufen hatte. Damit er sie ausgraben und ihre sterblichen Überreste nach Avalon bringen konnte, wo sie endlich Frieden finden würde.

Frieden, der ihr im Grab nicht vergönnt gewesen war!

Bill sank auf die Knie, strich mit der Hand zärtlich über die Wange der Toten. Ihre zarte, unversehrte Wange!

Sheila Conolly, seit einem Jahr tot, sah aus, als wäre sie erst gestern verstorben. Wie sehr hatte er sich vor ihrem Anblick gefürchtet! Vor den Spuren der Verwesung, die ihr Gesicht und ihren Körper zeichnen mussten. Doch nichts von alledem war zu sehen. Die Haut präsentierte sich makellos, abgesehen von der graublauen Färbung. Sie sah aus wie Marmor.

In diesen Sekunden wäre es ihm lieber gewesen, eine normale Leiche mit den zu erwartenden Zersetzungserscheinungen zu sehen als dieses von Grauen und Panik verzerrte Antlitz. Mit beiden Händen griff Bill in den Sarg, schob die Finger unter das blonde, seidig schimmernde Haar, hob den Kopf an und presste Sheilas eiskalte Wange gegen seine.

Sanft wiegte er sie hin und her.

Bis das leise Stöhnen an seine Ohren drang!

Kleine Eiskristalle rieselten seinen Rücken entlang über die Wirbelsäule.

Er schauderte. Sein Herz setzte für einen Schlag aus, weil er dachte, der Laut wäre aus Sheilas Mund gedrungen. Bill richtete sich ein winziges Stück auf, starrte aus tränenverschleierten Augen auf die Grimasse seiner toten Frau, die weiterhin das fratzenhafte Totengrinsen zeigte.

Und wieder wehte das leise Stöhnen über den Friedhof.

Doch es kam nicht aus Sheilas Mund, sondern war hinter ihm erklungen.

Jane Collins!

In den letzten Minuten hatte er die Privatdetektivin vollkommen vergessen – die ehemalige Hexe! Obwohl sie dem Teufel angeblich längst abgeschworen hatte, hatte sie immer noch latente Kräfte. Gut möglich, dass sie es gewesen war, die Sheila in einen scheintoten Zustand versetzt hatte, damit sie beigesetzt werden konnte, ohne dass jemand Wind davon bekam, dass seine Frau noch lebte.

Erst im Sarg war dann der Bann von ihr abgefallen, doch da war es natürlich längst zu spät gewesen. Zorn wallte in Bill Conolly auf, als er Sheilas Kopf vorsichtig auf das samtene Unterteil des Sargs bettete. Der weiße Stoff war klamm vor Feuchtigkeit und schmutzig von dem Dreck, der an seinen Händen klebte und in die Totenkiste gerutscht war.

Unendlich langsam, als würden Bleigewichte an Gliedern und Hals hängen, richtete sich der Reporter auf und wandte sich um. Da lag sie auf dem sandigen Kies des Weges. Die Mörderin seiner Frau. Die Hexe!

Bills Gesicht verzerrte sich vor Abscheu, und seine Hände zitterten, als er den Griff des Spatens umfasste und auf die ohnmächtige Privatdetektivin zuging.

Privatdetektivin … nein, sie war nicht mehr als eine Hexe, eine Teufelsdienerin, die ihrem Meister Asmodis immer noch hörig war. Und er, Bill Conolly, würde sie jetzt endgültig vernichten.

Die Zeit der Schonung war vorbei. Lange genug hatte er mit ansehen müssen, wie Sinclair sich mit ihren Feinden verbrüderte. Sogar mit der blonden Bestie Justine Cavallo hatte er paktiert.

Neben der reglosen Gestalt der Hexe blieb Bill stehen. Er riss den Spaten mit beiden Armen in die Höhe, holte weit über den Kopf aus – und zögerte.

Die Augen der Privatdetektivin standen halb offen, die Lider zuckten. Noch lebte Jane Collins, doch das würde sich in den nächsten Sekunden ändern. Der Schweiß lief Bill über die Stirn in die Augen. Er focht einen inneren Kampf aus. Widerstand regte sich in ihm, der ihn davon abhielt, die Freundin zu ermorden.

Aber sie war doch selbst eine Mörderin. Eine eiskalte Killerin, die seine Frau auf dem Gewissen hatte. Was musste Sheila für Qualen ausgestanden haben, als sie im Sarg zu Bewusstsein kam und erkennen musste, dass sie lebendig begraben worden war?

Die Augen quollen ihm aus den Höhlen. Er presste die Kiefer aufeinander, und die Adern und Sehnen an seinem Hals traten dick hervor. Jetzt! Nur ein rascher, kraftvoller Schlag, dann war es vollbracht!

Aber war das nicht viel zu billig für diese Hexe?

Ein Lichtreflex am Rande der Wahrnehmung erregte seine Aufmerksamkeit.

Bill hob den Blick, den Spaten immer noch mit beiden Fäusten über den Kopf haltend. Aus schmalen Schlitzen starrte er durch den feinen Nieselregen in die finstere Nacht hinein. Zwei grelle Lichtpunkte tanzten über die Grabsteine und verschwanden ab und zu hinter den Bäumen und Sträuchern, nur um kurz darauf erneut zu erscheinen.

Es waren die Lichter von Taschenlampen, und in derselben Sekunde, als die Erkenntnis in sein Bewusstsein drang, da vernahm der Reporter auch die Stimmen zweier Männer, die sich unaufhaltsam seiner Position näherten.

Die Detektivin zu seinen Füßen stöhnte wieder. Es klang leise, schmerzerfüllt und erbarmungswürdig. Wo kam das Blut so plötzlich her, das sich dunkel von dem weizenblonden Haar der Hexe abhob?

Bill unterdrückte einen Schrei, biss sich stattdessen auf die Unterlippe und schmeckte Blut. Der Spaten rutschte ihm aus den schweißnassen Händen und fiel hinter ihm klappernd auf die Umrandung des Grabs.

Er musste weg.

Er durfte keine Zeit mehr verlieren.

Er hatte Sheila ein Versprechen gegeben, das er unbedingt einhalten musste. Mehr noch als die Notwendigkeit, ihre Mörderin zu bestrafen. Dafür war später noch Zeit. Wenn man ihn hier aber stellte und womöglich verhaftete, war alles verloren. Bill taumelte rückwärts, wäre fast noch gestolpert und rücklings über den Sarg in das Grab gestürzt.

Im letzten Augenblick fing er sich, drehte sich um und verfiel in fieberhafte Aktivität.

Jede Sekunde zählte.

***

Der Aufprall erfolgte mit der Wucht einer Abrissbirne. Oder mit der Geschwindigkeit eines Schnellzugs. So ungefähr musste sich ein Selbstmörder fühlen, ehe ihn die Lok erfasste sein Körper unter die Räder gedrückt und zerstückelt wurde.

Nur geschah bei mir weder das eine noch das andere. Ich fühlte nur den Schmerz, der meinen gesamten Körper in Flammen setzte. Ich brüllte mir förmlich die Seele aus dem Leib und glaubte, man würde mir die Haut in Streifen vom Körper ziehen, um die blutigen Wunden mit Salz einzureiben. Dann war es schlagartig vorbei – und ich fiel weiter. Ein schwarzer Tunnel schluckte mich, an dessen Ende ein Licht aufflammte.

War mir doch noch die Gnade eines schnellen Todes vergönnt?

So absurd es erscheinen mag, aber in diesen Augenblicken absoluter Panik und größter Furcht erlebte ich bei dem Gedanken einen Schub der Euphorie! Wenn ich allein bei dem Sturz in die Hölle schon derartige Qualen erlitt, was erwartete mich dann erst im Zentrum des Schreckens?

Ich vermochte mir kein Bild davon zu machen, obwohl es mich ja nicht zum ersten Mal in die Hölle verschlug. Doch die Dimensionen der Verdammnis waren so vielfältig, dass man nicht weniger als die Ewigkeit benötigte, um sie alle kennenzulernen. Und Asmodis würde sich die Zeit nehmen, sie mir zu zeigen.

Konnte man es mir da verdenken, dass ich den Tod willkommen hieß?

Doch die Hoffnung zerbrach mit solcher Wucht, dass ich einen Schrei des Entsetzens nicht unterdrücken konnte. Ein Wimmern drang aus meiner Kehle, als ich die Wahrheit erkannte. Es fällt mir schwer, das Ausmaß der Enttäuschung zu beschreiben, das mein Herz beinahe zum Stehen brachte und mir das Blut in den Adern gerinnen ließ.

Es war nicht das wärmende Licht am Ende des Tunnels, das Geborgenheit und Schutz versprach, den Sterbenden sanft und friedlich in das Jenseits überführte. Dieses Licht war kalt, blau – und absolut böse!

Mit einem Mal konnte ich Einzelheiten erkennen, machte die Linien und Züge eines Gesichts aus, das ich kannte. Leider. Dieser widerliche, kalte Ausdruck des Hochmuts war mir allzu vertraut und im höchsten Maße verhasst.

Es war das wunderschöne und gleichermaßen abstoßende Antlitz des gefallenen Engels.

Luzifer!

Er grinste mich an, öffnete den Mund, der so gewaltig schien wie ein Flugzeughangar. Lachte er? Vermutlich, doch ich hörte nur meine eigenen gellenden Schreie. Ich konnte gar nicht anders, als meine Furcht hinauszubrüllen, obwohl mir der Hals bereits schmerzte, als hätte ich mit Reißzwecken gegurgelt.

Ich tauchte ein in das Böse, und meine Schreie verstummten.

Meine Kehle schnürte sich augenblicklich zu, ich krümmte mich wie ein Wurm. Tränen rannen mir aus den Augen, und ich flehte und bettelte, dass die Tortur aufhören möge. Dabei tat mir keiner was zuleide!