John Sinclair 2075 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2075 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Das Wissen um seinen baldigen Tod machte Samuel Ryan wahnsinnig. Vor allem wenn er daran dachte, wie er sterben musste.

Seine Entführer hatten ihn mitten in der Nacht aus der billigen Absteige gezerrt, ihm einen stinkenden Jutesack über den Kopf gestülpt und scheinbar quer durch Singapur kutschiert.
Als sie ihm den Sack vom Gesicht zogen, erkannte er, dass sie sich in einer Naturkautschuk-Raffinerie befanden. Und Ryan brauchte nur in die kalten, erbarmungslosen Augen unter den Sturmhauben seiner Entführer zu blicken, um zu wissen, dass er keine Gnade zu erwarten hatte.

Doch erst der Anblick des metallenen Trichters in den Händen eines seiner Henker brachte ihn um den Verstand ...

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EPUB

Seitenzahl: 147

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Monstermensch von Singapur

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Néstor Taylor/Bassols

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6292-3

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Monstermensch von Singapur

von Ian Rolf Hill

Das Wissen um seinen baldigen Tod machte Samuel Ryan wahnsinnig. Vor allem wenn er daran dachte, wie er sterben musste.

Seine Entführer hatten ihn mitten in der Nacht aus der billigen Absteige gezerrt, ihm einen stinkenden Jutesack über den Kopf gestülpt und scheinbar quer durch Singapur kutschiert.

Als sie ihm den Sack vom Gesicht zogen, erkannte er, dass sie sich in einer Naturkautschuk-Raffinerie befanden. Und Ryan brauchte nur in die kalten, erbarmungslosen Augen unter den Sturmhauben seiner Entführer zu blicken, um zu wissen, dass er keine Gnade zu erwarten hatte.

Doch erst der Anblick des metallenen Trichters in den Händen eines seiner Henker brachte ihn um den Verstand …

Samuel Ryan fing an zu schwitzen, sein Herz raste, und seine Unterlippe begann zu beben.

Er konnte nichts dagegen tun, die Angst vor der grauenvollen Folter, die seinem Tod vorausgehen würde, war einfach zu stark.

Wie ein Häufchen Elend kniete er mit auf den Rücken gefesselten Händen vor den drei Mördern, die in der spärlich beleuchteten Fabrikhalle nur schemenhaft zu erkennen waren.

Gehetzt blickte Ryan sich um. War hier denn niemand, der ihm helfen konnte? Es wurde auch nachts gearbeitet, irgendwer musste einfach mitbekommen, was hier gleich geschehen würde. Das konnten sie doch nicht zulassen. Das war unmenschlich, das …

»B …bitte, das … das könnt ihr nicht machen«, sprach Ryan aus, was ihm unablässig durch den Kopf schoss. Er wollte noch mehr sagen, um sein Leben betteln oder wenigstens um die Gnade eines schnellen Todes, doch seine Worte endeten mit einem lauten Schluchzen, und mehr als ein erbarmungswürdiges Wimmern brachte er nicht zustande.

Nur kannten die drei Henker kein Erbarmen.

Dafür hatten sie ihn schließlich nicht entführt.

Samuel Ryan kniff die Augen zusammen, aus denen die Tränen in langen Bächen über seine Wangen rannen, sich am Kinn sammelten und in dicken Tropfen auf den kahlen Boden klatschten. Er dachte an seine Frau und seine Kinder daheim in England und daran, dass er sie nicht mehr wiedersehen würde.

Wieder wollte er um sein Leben flehen, doch abermals drangen nur laute Schluchzer aus seiner Kehle. Das schulterlange, schwarze Haar, das er normalerweise im Nacken zu einem Zopf gebunden trug, hing wie ein Schleier aus nassen, verschwitzten Strähnen vor seinem Gesicht.

»Du hast dich zu weit aus dem Fenster gelehnt, Ryan.« Das Flüstern erklang dicht vor seinem Ohr. Ryan hob den Blick, sah einen der Vermummten, wie er sich vor ihm hinabbeugte.

»A …aber ihr … ihr könnt mich doch … doch nicht einfach … oh Gott!«

Obwohl er wusste, dass sie ihn umbringen würden, brachte er es nicht über die Lippen, doch sein Peiniger hatte ihn auch so verstanden.

»Wir haben dich oft genug gewarnt. Unser Auftraggeber kann deine Interventionen nicht länger dulden. Sorry, mein Freund. Ist nichts Persönliches.«

Er klopfte ihm auf die Schulter und erhob sich, wollte sich um umdrehen und zu seinen Kumpanen gehen, als Ryan durchdrehte. Er sprang auf und stieß dem Sprecher den Kopf in die Magengrube.

Der ächzte und taumelte rückwärts, fing sich aber wieder und wollte auf Ryan losgehen. Der Tritt seines Kumpans war schneller, traf Ryan an der Schulter und schleuderte ihn zurück auf den Boden. Bevor Ryan erneut auf die Beine kam, hockte sich der Kerl auf seine Schultern.

»Nun macht schon. Ich will nicht die ganze Nacht hier hocken.«

»Warum erschießen wir ihn nicht einfach?«, fragte der Dritte, in dessen Händen der Metalltrichter glänzte.

»Verdammt, das haben wir vorher lang und breit durchgekaut«, keuchte der Henker, auf den Ryan zuerst losgegangen war.

»Ja, schon, aber …«

»Nichts aber. Hör auf rumzuquatschen und komm her.«

Ryan strampelte mit den Beinen trat nach seinen Entführern, und der Mann, der auf seinen Schultern kniete, drosch ihm ansatzlos den Ellenbogen auf Mund und Nase. Blut spritzte hervor.

Der Anführer trat dem Gefesselten in die Rippen, von denen mindestens zwei brachen. Ein Schlag in den Magen trieb Ryan die Luft aus den Lungen. Dann hockte sich der Schläger auf seine Beine.

»Beeil dich, der Kerl macht sich schon vor Angst in die Hose.«

Die dritte Gestalt gab sich einen Ruck. Ohne einen weiteren Kommentar abzugeben, sprang sie vor und nutzte den Umstand, dass Ryan mit offenem Mund nach Atem rang.

Knirschend grub sich das scharfkantige Blech des Trichters in das weiche, verletzbare Fleisch seiner Kehle. Greller Schmerz zuckte vom Rachen ausgehend bis in den Schädel. Warme Flüssigkeit rann die Speiseröhre hinab in den Magen, einiges von dem Blut sickerte aber auch in die Luftröhre, sodass sich Ryan verschluckte und hustete.

Er bäumte sich im Griff seiner Folterer auf, die stumm weiterarbeiteten. Die dritte Gestalt rammte den Trichter noch tiefer in den Schlund, bis er festsaß. Dann lief sie wenige Schritte zurück zu einer Konsole, die vor einem riesigen Bottich stand.

Der Vermummte bückte sich, ergriff einen dicken Schlauch und öffnete an dem Kessel ein Ventil. Hastig kam er zurückgeeilt und hielt die Öffnung des Schlauches über den Trichter. Unsicherheit und Furcht flackerten in den Augen.

»Ich …«

»Dreh den verdammten Hahn auf«, brüllte der Mann auf Ryans Beinen, und die Gestalt mit dem Schlauch in der Hand zuckte zusammen und führte den Befehl umgehend aus.

Die schmale Hand zitterte. Im nächsten Moment schwappte eine helle, zähe Flüssigkeit wie Sirup aus der dunklen Öffnung. Der süßlich-penetrante Gestank intensivierte sich, brannte in den Augen der Anwesenden.

Ryan warf sich von einer Seite auf die andere. Der brennende Schmerz in seiner Kehle war allein für sich genommen schon kaum zu ertragen, aber das, was folgen sollte, war einfach …

Glühend heiße Lava schien seinen Rachen hinabzufließen. Mit einem Mal füllte die kochend heiße Flüssigkeit seine gesamte Kehle aus. Er wollte schreien, aber es kam nicht mal ein leises Wimmern aus ihm heraus. Nur ein hohles Pfeifen, das ebenso rasch wieder verstummte.

Sein Brustkorb verkrampfte sich, die Qualen explodierten in seinem Schädel. Grelle Lichter flammten vor seinen Augen auf, die von wellenförmigen Schatten verschlungen wurden. Ein immenser Druck schien seinen Brustkorb aufzupumpen und jeden Moment zum Platzen zu bringen.

Die sirupartige Flüssigkeit bahnte sich ihren Weg, quoll brühend heiß durch die Nasenlöcher.

Glühende Nadeln stachen in sein Hirn, letzte Bilder zuckten vor seinem inneren Auge.

Dann war es vorbei.

Stumm beobachteten die drei Henker, wie Samuel Ryans Lider flatterten.

Der Kautschuk quoll aus den Nasenlöchern und sickerte auch links und rechts an dem Trichter vorbei aus den Mundwinkeln, durchwirkt von hellroten Schlieren.

Der Körper zuckte ungefähr eine halbe Minute unter den beiden Männern, die den Sterbenden mit ihrem ganzen Gewicht auf den Boden zwangen.

Erst als er endlich stilllag, atmete der Anführer auf. Nicht, dass ihn das grausame Sterben von Samuel Ryan aufgewühlt hätte, aber jetzt hatten sie ihren Auftrag erfüllt und mussten nur noch die Leiche loswerden.

Die Gestalt, die den Schlauch in der Hand hielt und das Ventil längst wieder zugedreht hatte, stand wie erstarrt auf der Stelle, unfähig sich zu rühren.

Der Anführer sprang auf und stieß dem Kumpan die Faust gegen die Schulter.

»He, nicht schlappmachen. Ist doch super gelaufen. Hätte nicht gedacht, dass du den Mumm dazu hast. Jetzt kommt, wir haben noch Einiges vor uns. Wir müssen die Leiche loswerden.«

Der Kerl, der Ryans Schultern fixiert hatte, erhob sich und nickte knapp.

»Packen wir’s an.«

»Kommst du ins Bett, Thorben?«

Christabel stand mit einem schwarzen Hauch von Nichts in der offenen Tür zum Arbeitszimmer ihres Mannes und blickte ihm verführerisch in die Augen. Zumindest war das ihre Absicht gewesen. Nur starrte der unentwegt auf den Bildschirm seines Notebooks, dessen Licht sein Gesicht in eine bläuliche Aura hüllte.

Der Computer war bis auf die Stehlampe in der linken Ecke des Raumes, die einzige Lichtquelle. Sie stand direkt neben dem hohen Ohrensessel, in dem sich der Hausherr bisweilen zu entspannen pflegte. In der Regel mit einem guten Buch und einem Glas echten schottischen Whiskeys. Ohne Eis versteht sich, obwohl Christabel diesen Spleen überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Ihrer Meinung nach gehörte Eis bei den ganzjährig schwülwarmen Temperaturen zu fast jedem Getränk dazu.

Vielleicht lag es aber auch an ihr selbst, denn seit einigen Wochen plagten sie Hitzeschübe, sodass ihr im Prinzip ständig viel zu warm war. Dabei war sie gerade mal Anfang Vierzig. Eigentlich war das zu früh für die Wechseljahre. Allerdings gab es Ausnahmen von der Regel und wenn sie ihrem Gynäkologen Glauben schenkte, gehörte sie dazu. Für Christabel ein regelrechter Schock, der ihr schwer zu schaffen machte.

Seit jeher litt sie an einem Minderwertigkeitskomplex, war ständig eifersüchtig und bezichtigte ihren Mann mit gewohnter Regelmäßigkeit diverser Affären. Die Nachricht, dass ihre biologische Uhr abgelaufen war, schürte das Feuer der Eifersucht noch mehr.

Was hinderte Thorben daran, sich eine Geliebte zu suchen, die ihm geben konnte, was er von ihr nicht bekam? Für Christabel waren die Wechseljahre das unleugbare Zeichen für Alter und Verfall.

Nicht nur, dass sie keine Kinder mehr bekommen würde. Ab jetzt ging es bergab, und die Zeichen des Alterns würden unübersehbar werden.

Was hatte sie ihm denn noch zu bieten?

Allein die Tatsache, dass er die Nächte durcharbeitete, statt mit ihr das Bett zu teilen, sie zu lieben und rauschende Feste zu feiern, war der Beweis.

Mit einem Mal kam sie sich selbst lächerlich vor, wie sie hier im Türrahmen stand, mit diesem albernen Negligee, das ihren alternden Körper in all seinen hässlichen Details zur Schau stellte. Kein Wunder, dass er sich lieber auf seine Zahlen und Diagramme konzentrierte.

Oder schaute er sich vielleicht gerade Internetpornos mit straffen Teenagern an, die lachend all die Dinge taten, auf die die Kerle offenbar so sehr standen?

Allein bei dem Gedanken daran wurde Christabel schlecht.

»Thorben!«, rief sie mit schriller Stimme und endlich hob er den Blick und sah sie über den Bildschirm hinweg an.

»Ja, Liebes?«, murmelt er abwesend, strich müde über seine Augen und schien seine Frau gar nicht richtig wahrzunehmen.

»Ich geh ins Bett! Kommst du nun mit oder nicht?«

Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Schatz. Aber ich muss noch arbeiten. Die Präsentation ist morgen, und wenn ich die Investoren nicht überzeugen kann …«

Nein, offenbar schien er sie nicht wahrzunehmen, oder er ignorierte sie gekonnt.

Weil ihm dein Anblick Übelkeit bereitet, erklang die leise boshafte Stimme in ihrem Kopf, die sie schon ihr ganzes Leben lang begleitete.

Wut und Enttäuschung umklammerten ihr Herz, wühlten sich wie eine Faust in ihren Magen und brachten ihre Augen zum Brennen.

»Dann hab viel Spaß mit deinen Investoren«, spie sie ihm entgegen. »Gute Nacht.«

Ruckartig drehte sie sich um, hastete durch den Korridor ans andere Ende des Flurs und verschwand in dem gemeinsamen Schlafzimmer. Wütend schlug sie die hohe Tür aus Mahagoniholz hinter sich zu und schloss ab. Der Dreckskerl konnte von ihr aus in seinem Büro schlafen.

Sie schloss die Augen und ließ den Tränen freien Lauf. Die Arme um die Brust geschlungen ging sie auf das breite Doppelbett zu, passierte den Tisch auf dem ein gerahmtes Bild stand, dass das glückliche Paar kurz nach ihrer Ankunft in Singapur zeigte. Was hatte sie sich damals über Thorbens Entschluss gefreut.

Sein Geschäftssinn hatte ihr imponiert und sie hatte all die Jahre als Grand Dame an seiner Seite mehr als nur genossen. Und jetzt?

Von dem einstigen Glanz war nichts mehr geblieben.

Angewidert wandte sie den Blick ab, der automatisch zur Balkontür wanderte, vor der die Gardinen wie lange Schleier hingen.

Christabel erstarrte und ignorierte das Klopfen an der Tür ebenso wie Thorbens Aufforderung zu öffnen. Zu sehr schockierte sie der Anblick, der sich ihr hinter den halb zugezogenen Gardinen präsentierte.

An der Scheibe, hinter der sich die Dunkelheit der Nacht ballte, klebte ein Gesicht und starrte sie aus hervorquellenden Augen an.

»Mach auf, Chris.«

Thorbens Stimme klang ungeduldig und wütend und unter normalen Umständen hätte sie vielleicht sogar geöffnet. Doch das grauenhafte, widernatürliche Geschehen auf dem Balkon bannte Christabel auf der Stelle.

Allein die Farbe der Haut war einfach unnatürlich. So bleich mit einem grünlichen Schimmer versehen, als handelte es sich um das Antlitz einer Leiche.

Nur dass Leichen in der Regel nicht imstande waren von selbst zu stehen und durch Fenster zu starren. Außerdem bewegte sich das Gesicht. Es drückte sich an die Scheibe und die Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. Die Nase wurde plattgedrückt, und Christabel schlug sich die Hand vor den Mund, als sie sah, wie sich die gesamte Physiognomie des ihr vollkommen fremden Mannes verformte.

Aus dem Gesicht wurde ein konturloser Brei, in dem die dunklen Augen wie glänzende Kieselsteine steckten. Oder Teer, der in den Höhlen suppte, denn als sich das Gesicht noch stärker gegen die Scheibe drückte, quollen sie auf und wurden zu glasigen Flecken inmitten der breiigen Masse.

Christabel schrak zusammen, als beidseits neben der Fratze etwas an die Scheibe klatschte.

Hände, deren gespreizte Finger sich immer mehr in die Länge drückten und sich wie Würmer oder Egel über das Glas tasteten. Die Kuppen bildeten weiße Kreise, wie die Saugnäpfe eines Kraken oder die Endglieder eines Frosches.

Das ist nicht echt, fuhr es Christabel durch den Kopf, als sie sah, wie sich der grinsende Mund auseinanderschob und sogar die Zähne in die Breite gedrückt wurden.

Da erlaubte sich jemand einen dummen Scherz. Vielleicht sogar Thorben, der irgendwelche Spaßvögel damit beauftragt hatte, eine Gummipuppe auf den Balkon zu stellen. Vermutlich stand einer seiner Bodyguards dahinter und drückte die Figur gegen das Fenster. Oder es steckte jemand in der Gestalt drin.

Das war es!

Es handelte sich um ein Kostüm.

Aber warum sollte Thorben so eine Show veranstalten?

Erst jetzt drang sein wütendes Poltern an ihre Ohren. Er rüttelte heftig an der Tür, schrie sie an und war außer sich vor Zorn.

»Hör endlich auf, dich wie eine gottverdammte Diva aufzuführen«, brüllte er gerade.

Christabel eilte zur Tür, drehte den Schlüssel herum und riss sie auf.

»Na endlich!«, herrschte Thorben sie an. »Was ist in dich gefahren?«

»Erklär mir diesen Blödsinn!«, schrie sie zurück, ohne auf seine Frage einzugehen. Sie starrte ihn an, deutete mit dem Finger auf die hohe Scheibe der Balkontür, den Oberkörper leicht nach vorne geneigt, sodass Thorben problemlos über sie hinwegblicken konnte.

Er schüttelte den Kopf und hob die Schultern.

»Ich hab keine Ahnung, was du meinst.«

»Was …?« Christabel fuhr herum, bereit, ihm die Szene seines Lebens zu machen und schreckte zusammen, als sie auf die Scheibe starrte, hinter der sich die Dunkelheit der Nacht zusammenballte.

Von der scheußlichen Figur im Gummi-Kostüm war nichts mehr zu sehen.

Thorben Kullmer schob seine Frau zur Seite, ging auf die Balkontür zu und öffnete sie.

Schwülwarme Luft schlug ihm entgegen, und er hatte das Gefühl, eine Sauna zu betreten. Kurz nachdem sie sich am Rande von Singapur dieses Anwesen gekauft hatten, hatte er dafür gesorgt, dass sämtliche Räume mit einer tadellos funktionierenden Klimaanlage ausgerüstet wurden.

Umso stärker war der Kontrast zwischen der relativ kühlen Luft im Schlafzimmer und der feuchtwarmen draußen.

Kullmer sah sich auf dem Balkon um, trat sogar ans Geländer und sah hinunter in den Garten, der vier Meter unter ihm lag. Schulterzuckend wandte er sich zu seiner Frau um, die kreideweiß neben der Tür stand und langsam zu ihm aufschloss.

»Wer oder was soll denn hier gewesen sein?«

»Thorben, glaub mir. Vor der Scheibe stand irgend so ein Clown im Gummi-Kostüm und quetschte das Gesicht dagegen.«

Zweifelnd hob der Manager die Augenbrauen. »Aha«, sagte er nur, und allein am Klang erkannte Christabel, dass ihr Mann kein Wort glaubte.

»Das hast du doch eingefädelt, oder? Erst willst du mich erschrecken, nur um mich dann bloßzustellen.« Ihre Stimme zitterte, und sie ballte die Hände zu Fäusten.

Thorben trat auf seine Frau zu, legte ihr die Hände auf die Schultern und sprach beruhigend auf sie ein. »Nun komm schon, Liebes. Du hast mir versprochen die Tabletten einzunehmen, die dir der Arzt verschrieben hat. Hast du das getan?«

Christabel zögerte und biss sich auf die Unterlippe. »Hältst du mich für irre?«, fragte sie gefährlich leise, und Thorben wusste, dass er auf der Hut sein musste.

»Nein, ich halte dich keineswegs für irre.« Er überlegte und warf einen Blick über die Schulter. »Was war das denn für ein Kostüm?«, wollte er schließlich wissen.

Christabel zeigte sich irritiert. »W …was meinst du?«

Er rang die Hände und lächelte. »Na, wie sah es aus? War es eine Figur aus einem Film? Du weißt schon, so wie das Ding aus dem Sumpf oder der Schrecken vom Amazonas.«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es sah aus … wie ein Mensch. Ein Mann.«

Thorben runzelte die Stirn. »Kanntest du ihn? Sah er aus wie ein Schauspieler?«

»Wie? Nein, ich kannte ihn nicht. Es war ein Fremder.«

»Du meinst also, dass sich irgendjemand eine Maske überstülpt, die niemand Bestimmten zeigt, nur um durch die Scheibe zu spannen und zu beobachten, wie du ins Bett gehst?«

»Ich sagte ja, du glaubst mir nicht«, begehrte Christabel auf und wand sich aus seinem Griff. »Du … du willst mich für verrückt erklären lassen. Das ist es. Du inszenierst diesen Quatsch, damit mich Doktor Zamhir einweisen lässt. Nein, mein Lieber. Nicht mit mir.«

Christabels Augen flackerten hysterisch, und Thorben schluckte trocken. Offenbar stand es schlechter um seine Frau, als er sich eingestehen wollte.