John Sinclair 2129 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2129 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Herrscher des entrückten Landes

von Ian Rolf Hill


Er wusste nicht, wie lange er schon in der Schwärze trieb. Diesem Nichts, irgendwo zwischen den Dimensionen. Genauso wenig, wie er wusste, wie viel Zeit vergangen war, seit er das Tor durchquert hatte, kurz bevor es kollabiert war.

Waren es Minuten, Stunden oder gar Tage, die er jetzt schon in dieser Nicht-Welt schwebte, trudelte, driftete? Möglicherweise Monate oder gar Jahre.

Jedenfalls war dies nicht das Ziel, das er zu hoffen erreicht hatte. Und doch spürte er mit jeder Faser seines Leibes die fremde Magie, die ihn durchdrang. Wahrscheinlich war das der Grund dafür, dass er überhaupt noch ein Körperempfinden hatte.

Er kannte die Magie nur zu gut. Sie war ihm vertraut und vermittelte ihm ein sonderbares Gefühl von Selbstvertrauen, Stärke und Macht.

Es war die Kraft des Planeten der Magier!

Langsam aber sicher zerstörte sie die lästigen Reste jener Seele, der dieser Körper einst gehört hatte. Alles, was Christopher Pierce ausgemacht hatte, wurde ausgemerzt.

Und derjenige, der den Leib des Verstorbenen in Besitz genommen hatte, triumphierte, denn er war stärker als je zuvor.

Er war - Jeremiah Flynn!

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 160

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Herrscher des entrückten Landes

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Unholy Vault Designs; Malivan_Iuliia/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7959-4

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Herrscher des entrückten Landes

von Ian Rolf Hill

Er wusste nicht, wie lange er schon in der Schwärze trieb. Diesem Nichts, irgendwo zwischen den Dimensionen. Genauso wenig, wie er wusste, wie viel Zeit vergangen war, seit er das Tor durchquert hatte, kurz bevor es kollabiert war.

Waren es Minuten, Stunden oder gar Tage, die er jetzt schon in dieser Nicht-Welt schwebte, trudelte, driftete? Möglicherweise Monate oder gar Jahre.

Jedenfalls war dies nicht das Ziel, das er zu erreichen gehofft hatte. Und doch spürte er mit jeder Faser seines Leibes die fremde Magie, die ihn durchdrang. Wahrscheinlich war das der Grund dafür, dass er überhaupt noch ein Körperempfinden hatte.

Er kannte die Magie nur zu gut. Sie war ihm vertraut und vermittelte ihm ein sonderbares Gefühl von Selbstvertrauen, Stärke und Macht.

Es war die Kraft des Planeten der Magier!

Langsam aber sicher zerstörte sie die lästigen Reste jener Seele, der dieser Körper einst gehört hatte. Alles, was Christopher Pierce ausgemacht hatte, wurde ausgelöscht.

Und derjenige, der den Leib des Verstorbenen in Besitz genommen hatte, triumphierte, denn er war stärker als je zuvor.

Er war – Jeremiah Flynn!

Der Hai kam wie aus dem Nichts!

Stephanie kannte das, erschrak aber dennoch. Insbesondere deshalb, weil ihre Konzentration dem gigantischen Schalentier in ihren Händen galt. Die Garnele war so lang wie ihr Unterarm, hatte eine tiefbraune, fast schwarze Färbung, die von hellbeigen Querstreifen durchbrochen wurde. Daher auch ihr Name: Schwarze Tigergarnele, Black Tiger Prawn. Unter ihm wurde sie vermarktet, denn im Prinzip handelte sich bei dem Tier um eine Zuchtgarnele.

Viel schlimmer war jedoch, dass sie in diesen Gewässern, vor der Küste von North Carolina, eigentlich nichts zu suchen hatte. Sie war aufgrund ihrer Größe eingeführt oder ausgesetzt worden, so genau vermochte das hinterher ja sowieso niemand mehr festzustellen.

Aber sie war nun einmal hier und damit nicht nur das Problem von Stephanie Kruger und ihres Teams vom Cape Hatteras National Seashore, sondern auch das der kleineren, heimischen Art und somit das der einheimischen Garnelenfischer.

Im Gegensatz zu den amerikanischen Garnelen handelte es sich bei Penaeus monodon, so der wissenschaftliche Name der Schwarzen Tigergarnele, nämlich nicht um Aasfresser, sondern um Raubtiere. Durch ihre Größe waren sie der einheimischen Art überlegen und stellten eine Gefahr dar. Doch das allein war es nicht, was die Schwarze Tigergarnele so bedrohlich machte. Sie war nämlich sehr krankheitsanfällig, sodass in Zuchtanlagen in Asien ganze Bestände durch Bakterienbefall dahingerafft wurden. Als Reaktion darauf wurde eine robustere Art gezüchtet, was zur Folge hatte, dass das Sterben lediglich hinausgezögert wurde. Vorher aber würden die einheimischen Bestände ausgelöscht werden, und das wäre eine Katastrophe.

Die Garnelenfischer befanden sich dank Billigimporte übersubventionierter Tigergarnelen, der Rezession und den Schäden des durch Wirbelstürme gebeutelten Osten des Landes ohnehin im Hintertreffen.

Stephanie und ihr Team hatten den Auftrag, die Gefahr, die von den eingewanderten Tierarten, sogenannten Neozoen, ausging, zu bewerten und gegebenenfalls einen Maßnahmenkatalog zu erstellen, der die einheimische Art und den damit verbundenen Wirtschaftszweig schützte.

Wirtschaft war dabei das entscheidende Stichwort.

Stephanie hatte sich bereits früh von der romantischen Vorstellung eines Forscherdaseins unter Wasser verabschieden und sich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, dass Meeresbiologen die Hälfte ihrer Zeit damit verbrachten, irgendwelche Sponsoren davon zu überzeugen, dass ihr Geld sinnvoll investiert war.

Mit anderen Worten: War das Forschungsobjekt nicht wirtschaftlich rentabel, war es nutz- und damit wertlos. Forschungsobjekt stand in diesem Fall synonym für Stephanie Krugers Lebensunterhalt, so wie der ihrer Mitarbeiter.

So sehr Stephanie sich innerlich dafür rügte, aber dieser kleine Gigant in ihren Händen kam ihr wie gerufen. Nicht zuletzt deshalb, weil er ihr die Gelegenheit gab, selbst wieder zu tauchen und die Schönheit der Unterwasserwelt des Atlantiks zu genießen. Sie liebte das Tauchen mehr als alles andere und hatte ihren Freund Abe Douglas schon so weit, dass er ebenfalls einen Tauchschein machen wollte, auch wenn er Bedenken wegen Urzeitwalen angemeldet hatte.

Tatsächlich hatte es lange gedauert, bis Stephanie sich bei ihren Tauchgängen nicht mehr alle drei Sekunden ängstlich umgeblickt hatte, ob nicht doch irgendwo hinter ihr ein blasshäutiger Gruselgreis mit einem Basilosaurus im Schlepp über den Meeresboden stapfte.

Zumal sie von Abe wusste, dass Phorkys immer noch sein Unwesen trieb. Zuletzt angeblich in Singapur und Bulgarien. Nun, wenn es nach ihr ging, konnte er hingehen, wo der Pfeffer wächst oder besser noch auf die dunkle Seite des Mondes.

Die Geschehnisse, als der Monstermacher den Urzeitwald und eine Schar Terrorvögel zu neuem untotem Leben erweckt hatte, steckten ihr noch tief in den Knochen.1) Kein Wunder also, dass sie vor ihrem eigenen Schatten erschrak oder, wie in diesem Fall, vor einem Schwarzspitzen-Riffhai.

Die Tiere waren nicht nur pfeilschnell, sondern mitunter auch hypernervös, und Stephanie fühlte ihr Herz bis zum Halse pochen. Sie schloss die Augen und atmete tief den komprimierten Sauerstoff ein.

Komm schon, Steph. Das war kein Basilosaurus, das war nur ein harmloser Riffhai. Krieg dich wieder ein.

Langsam beruhigte sich ihr Puls, und sie schickte sich an, die Garnele in ihrer Hand in dem Transportnetz an ihrer Hüfte zu verstauen, um sie später im Labor zu untersuchen, als der nächste Hai, aus dem dunklen Blau des Ozeans herbeijagte und an ihr vorüberschoss.

Hinter ihm ein dritter und vierter Artgenosse, denen wiederum drei riesige Hammerhaie folgten, sowie ein Schwarm Makrelen.

Stephanie kannte sich mit dem Verhalten von Fischen, insbesondere von Haien aus und sie wusste, dass das nicht normal war. Das war keine gewöhnliche Wanderung und auch keine Jagd. Das war eine Flucht!

Aber wovor?

Schlagartig begann ihr Herz zu rasen. Hunderte von möglichen und unmöglichen Schreckensszenarien schossen ihr durch den Kopf. Angefangen von Seebeben bis hin zu monströsen Urviechern.

Die Meeresbiologin zwang sich zur Ruhe, verengte die Augen und spähte in die Richtung, aus der ihr immer noch mehr Fische entgegenkamen. Ihre Hand umklammerte bereits die leuchtend orange Nylonschnur, die an ihrem Gurt befestigt war, als sie etwas Dunkles in breiter Front auf sich zurollen sah!

Stephanie schluckte und blinzelte gegen das Brennen in ihren Augen an. Egal, was da auf sie zukam, es war ohnehin zu spät und vermutlich hatte es Ben längst bemerkt.

Warum tut er dann nichts?, schrie es in ihr, und schon wurde sie herumgewirbelt, als die Druckwelle sie erfasste. Stephanie klammerte sich an der Sicherheitsleine fest und biss so heftig auf das Mundstück, dass sie es beinahe zerkaute.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff, dass das Dunkle nur der aufgewühlte Sand des Meeresbodens gewesen war, der sie erfasst hatte.

Also doch ein Erdbeben, dachte sie und fühlte ihm nächsten Augenblick den heftigen Sog, der sie wieder nach vorne riss. Unwillkürlich sah sie in Richtung Meeresoberfläche, die zwanzig Meter über ihr lag. Die Predator mit Ben und Simon war ebenfalls abgedriftet, doch erst jetzt bemerkte sie das straff gespannte Seil an ihrer Hüfte.

Verdammt, sie musste auftauchen!

Stephanie begann mit der Dekompression und bewegte langsam und gleichmäßig die Beine mit den Schwimmflossen. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, ermahnte sie sich, als sie den langgestreckten Schatten vor sich im Wasser sah.

Noch mehr Haie auf der Flucht, dachte sie. Zur Abwechslung vielleicht auch ein paar Delfine.

Sie hatte die Hälfte der Strecke geschafft, als sie sah, um was es sich handelte, das da unter Wasser auf sie zu glitt. Stephanie traute ihren Augen kaum, als sie erkannte, dass das Wesen sechs Gliedmaßen besaß und im ersten Augenblick, selbst wie eine gigantische Garnele aussah.

Bis es näher kam und die sich brechenden Lichtstrahlen der Sonne auf dem rohen Fleisch reflektierten.

Stephanie Kruger glaubte den Verstand zu verlieren.

In blinder Panik schoss sie aufwärts, der Oberfläche entgegen.

Das Ungeheuer blieb ihr dicht auf den Fersen.

»Ich glaub, mich laust der Affe!«

Ben stand im Führerhaus der Predator, die sanft auf den Wellen schaukelte und rieb sich die Augen. Er hatte doch heute noch keinen Schluck getrunken, zumindest keinen Alkohol. Gut gestern Abend zwei, drei Bacardi-Cola in Dukes Strandbar, aber er hatte nie – wirklich noch nie – Halluzinationen gehabt und weiße Mäuse oder rosa Elefanten gesehen.

Geschweige denn eine ganze Insel, die wie aus dem Nichts erschien und sich wabernd materialisierte, so als würde sich dichter Nebel lichten. Nur herrschte kein Nebel. Der schwache Dunst, der frühmorgens über dem ruhigen Wasser lag, weil es tags zuvor sehr warm gewesen war, hatte sich längst verflüchtigt. Aber egal ob Nebel, Dunst oder klare Sicht, hier gab es keine Insel, hatte es nie eine gegeben. Schon gar nicht eine von solchen Ausmaßen.

»Simon«, bellte er über die Schulter hinweg zu seinem Sohn, der am Heck stand und darauf wartete, dass Steph mit ihrem Fang an Bord kam. »Schau dir …«

Der Rest des Satzes, blieb ihm im Halse stecken, denn so schnell das Eiland aufgetaucht war, so schnell war es auch wieder verschwunden.

Ben blinzelte und wäre vermutlich zur Tagesordnung übergangen, um sich ja nichts anmerken zu lassen und zum Gespött der Leute zu machen, wenn ihn nicht zwei Dinge davon abgehalten hätten.

Zum einen die meterhohe Welle, die auf ihn und die Predator zurollte, zum anderen die Ereignisse vor etwas mehr als einem Jahr, als ein Urzeitwal die Gestade vor Kill Devil Hills unsicher gemacht hatte. Seither betrachtete Ben die Welt mit anderen Augen. Sein Sohn Simon hatte ihm natürlich kein Wort geglaubt, ihn einen alten Wirrkopf und Fantasten genannt, der mit seinem Seemannsgarn nur Aufmerksamkeit erregen wollte.

Aber verdammt, er hatte nun einmal gesehen, was er gesehen hatte, und die Welle konnte selbst ein Ignorant wie sein Herr Sohn nicht leugnen.

»Festhalten!«, brüllte Ben und klammerte sich an das hohe Steuerrad.

Einen Herzschlag später wurde die Predator angehoben, als würde sie an einem Kran hängen und senkrecht in die Höhe gerissen werden. Ben spürte seinen Magen nach unten wandern. Sein Herz rutschte ihm sprichwörtlich in die Hose, und die Angst um Simon und Steph trieb ihm den kalten Schweiß aus den Poren. Es hätte ihn fast von den Beinen gefegt, als die Yacht über den Wellenkamm rollte, sich Richtung Steuerbord neigte und zu kentern drohte.

Ben hörte den Schrei seines Sohnes, gefolgt von einem schweren Poltern.

Der Skipper atmete erleichtert auf, als er Simons unflätigen Fluch vernahm. Er war also nicht über Bord gegangen. Ben wollte sich schon zu ihm umdrehen, als sich das Steuerrad wie von Geisterhand bewegt anfing zu drehen und die Predator ins Trudeln geriet.

Ein Strudel, schoss es ihm durch den Kopf, und er bemühte sich verzweifelt, das Steuer zu halten. Dann war der Spuk vorüber. Bens Handflächen klebten förmlich an dem verchromten Metall. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die Richtung, in der er die Landmasse gesehen hatte.

»Was war denn das?«, fragte Simon dicht hinter ihm.

Ben schrak zusammen und fuhr herum. Das Gesicht seines Sohnes war aschgrau.

»Mein Gott, Steph«, rief der Skipper aufgebracht.

Er hastete die Stufen vom Führerstand hinunter an Deck und eilte zum Heck, wo die Wellen über die Planken schwappten, von denen Steph ins Wasser gegangen war. Die orange Führungsleine bildete einen deutlichen Kontrast im dunkelblauen Ozean.

»Scheiße, Scheiße, Scheiße«, stammelte Ben und griff nach der Leine. Simon trat neben seinen Vater und wollte ihm helfen, als ungefähr fünfzig Meter hinter ihnen Luftblasen an die Oberfläche stiegen.

Keine drei Sekunden später erschien Stephanies Kopf, der von einer Neoprenhaube bedeckt wurde. Ihr Gesicht war hinter der Taucherbrille nicht zu erkennen.

»Was ist denn das?«

Ben blickte auf und sah, dass Simon an der Bordwand entlang zum Bug äugte. Mit ausgestrecktem Finger deutete er auf mehrere Schaumkronen, die in dreieckiger Formation auf die Predator zuhielten. Langsam richtete sich der Skipper auf. Zahllose Gedanken wirbelten durch seinen Kopf und blieben immer wieder bei dem Urzeitwal und diesen Monstervögeln hängen, die vor einem Jahr die Gestade der Kill Devil Hills unsicher gemacht hatten.

Was es auch war, das da durch das Wasser schwamm, es war mit Sicherheit nichts Gutes, und es musste von dieser Insel stammen, die wie aus dem Nichts erschienen und gleich darauf wieder verschwunden war.

Das waren doch keine Haie!

Was sollten die so dicht an der Oberfläche machen? Zumal Haie selten in Formationen schwammen. Doch was auch immer sich da durch die Wellen wühlte war für die stromlinienförmigen Haie einfach nicht schnell genug.

Aber immer noch schneller als Steph.

»Wirf die Maschine an, und sobald ich es sage, gibst du Gas. Drei Strich Steuerbord, hast du gehört?«

»Was?«

»Mach, was ich sage«, donnerte Ben, warf sich auf die Knie und griff nach der Halteleine, doch Stephanie Kruger kraulte bereits auf das Heck zu.

»Schwimm! Mein Gott, schwimm, Steph!«, brüllte Ben, während er das Seil an Deck zerrte. Es lag nicht in seiner Absicht, die Freundin in Panik zu versetzen, aber er konnte sich ohnehin nichts vorstellen, was diese Frau zu ängstigen vermochte. Zumindest nichts, was sich im Wasser fortbewegte.

Endlich straffte sich das Seil, und Ben richtete sich auf, zog die Nylon-Schnur Stück für Stück zu sich heran. Die Muskeln und Sehnen an Hals und Oberarmen traten dick hervor. Noch zehn Meter, acht, sieben. Verdammt, warum startete Simon nicht die Motoren?

Schon begann das Deck zu vibrieren, als die beiden 90-PS-Motoren zu wummern anfingen. Ben fiel auf die Knie, als Steph den Beutel mit den Muscheln auf die Planken warf und die Hände auf das Deck stützte, um sich an Bord zu hieven. Der Skipper griff nach der Sauerstoffflasche und half ihr dabei.

»Jetzt, Simon! Fahr los!«

Ben zog Stephanie an Deck und eilte nach Backbord.

Es waren fünf lang gezogene Schatten, die durch das Wasser glitten. Geradewegs auf die Predator zu, die endlich Fahrt aufnahm. Ben klappte der Unterkiefer herunter, als er sah, was dicht unter der Oberfläche auf das Schnellboot zuschoss.

Und mit einem Mal wünschte er sich, es wären Haie gewesen.

Der Angriff erfolgte wie aus heiterem Himmel.

Es begann mit einem statischen Knistern zwischen den felsigen Stelen, die ein perfektes Quadrat bildeten. Kaum sichtbare, diagonale Linien verbanden die jeweils schräg gegenüber stehenden Steinsäulen. Kurz darauf entstanden blau leuchtende Blitze, die sich von den Steinen ausgehend verästelten und direkt über dem Schnittpunkt der Linien trafen.

Sie formten eine Sphäre aus grellem Licht mit grauschwarzen Einschlüssen.

Plötzlich standen sie in dem magischen Quadrat.

Schrecklich anzusehende Monstren von stattlicher Größe. Rot glänzendes Muskelgewebe schimmerte im Licht der Sonne und zog sich in geschwollenen Strängen über die Leiber der sechsbeinigen Kreaturen, deren Schädel in lang gezogenen Wolfsschnauzen mündeten.

Die Ankunft der Ungeheuer war nicht unbemerkt geblieben. Natürlich nicht, schließlich war ich es selbst, der das Erscheinen der Monster durch das Fenster einer Blockhütte hindurch beobachtete.

»Kara!«, brüllte ich. »Wir werden angegriffen!«

Dann war ich bereits auf dem Weg zur Tür, riss sie auf und jagte nach draußen. Die Angreifer kamen in breiter Front. Gut ein Dutzend musste es sein, die knurrend und geifernd auf uns zustürmten. Ich streckte die Arme aus, spreizte die Finger und einen Herzschlag später fuhren gleißende Blitze wie Messer in die Leiber der ersten beiden Kreaturen. Noch im Sprung blähten sie sich für den Bruchteil einer Sekunde auf, ehe sie in einer Wolke aus Asche zerstoben.

Schlagartig wechselte die Perspektive, als ich mich kurzerhand aus der Gefahrenzone teleportierte und damit zwei weitere dieser gehäuteten, sechsbeinigen Wölfe irritierte.

Eine goldene Schwertklinge reflektierte im Sonnenlicht, enthauptete ein drittes Monster, ehe sie sich durch das Fleisch der beiden verdutzten Kreaturen schnitt, deren Gliedmaßen umgehend zu Staub zerfielen, kaum dass das Schwert sie abgetrennt hatte.

Kara bewegte sich elegant wie eine Tänzerin zwischen den Monstern hindurch, sodass ich gar nicht anders konnte, als ihr für einen Moment bewundernd zuzusehen. Das dunkle Gewand behinderte die Schöne aus dem Totenreich dabei keineswegs, denn die langen Schlitze sorgten für ausreichend Bewegungsfreiheit.

So schnell Kara aber auch sein mochte, die Angreifer waren es ebenfalls. Zwei von ihnen stießen sich mit ihren vier Hinterläufen ab und sprangen meterweit durch die Luft. Vielleicht hätte es eine der beiden Kreaturen sogar geschafft, Kara von den Beinen zu reißen, wären sie nicht mitten im Sprung verharrt, wo ich sie dank meiner telepathischen Kräfte mühelos halten konnte. So lange jedenfalls, bis Kara mit dem goldenen Schwert ein Ende machte.

Um die restlichen sechs Monster brauchten wir uns nicht mehr zu kümmern, denn die Bewohner der zweiten Hütte waren ebenfalls auf die Angreifer aufmerksam geworden. Eine Frau mit schulterlangem schwarzem Haar, die lediglich einen dunklen Einteiler trug, schwang ein Kurzschwert, mit dem sie einem der Dämonen schwere Wunden zufügte, während sie die Attacken eines weiteren mit einem runden Schild abwehrte.

Das war Sedonia, die Prinzessin von Atlantis, und auch sie bewegte sich geschmeidig und fließend.

Am beeindruckendsten war jedoch die riesige geflügelte Gestalt, an die sich vier sechsbeinige Monsterwölfe krallten und vergeblich versuchten, ihre Fänge in die Haut des bronzenen Riesen zu schlagen.

Er wurde ja nicht umsonst der Eiserne Engel genannt.

Seine hünenhafte Gestalt war unter den Leibern der gehäuteten Wesen kaum zu erkennen, bis er zu einem gewaltigen Schwert griff und es in die Höhe reckte. Die Klinge stach aus der Masse der Kreaturen hervor, verharrte für eine Sekunde in der Luft, bevor sie herniederfuhr und einen der Angreifer in der Mitte auseinanderschlug, als bestünde er lediglich aus weicher Butter. Der Eiserne drehte sich auf der Stelle und ließ das Schwert um sein Handgelenk wirbeln. Die Klinge fräste sich förmlich durch die Monsterwölfe, und ich griff nur ein, um Sedonia zu helfen, da sie die Einzige von uns war, die ohne magische Waffen oder Fähigkeiten auskommen musste.

Wieder kamen meine telekinetischen Kräfte zum Einsatz, und während Sedonia Angreifer Nummer Eins enthauptete, jagte ich dem letzten der gehäuteten Geschöpfe die magischen Blitze in den Balg.

Dann herrschte Stille, in der wir uns nach weiteren Gegnern umsahen.

Sedonia drehte sich schwer atmend auf der Stelle. »Bei allen Göttern, was war das?«

Darauf wussten wir ebenfalls keine Antwort. Mein Blick fiel auf die Flammenden Steinen, die ihrem Namen wieder einmal alle Ehre machten und aus sich heraus glühten. Die bläulichen Blitze und die grelle Sphäre mit den dunklen Schlieren waren verschwunden.

Ich schloss die Augen …

… und öffnete sie gleich darauf wieder.

Ich hob den Blick und sah in Karas lächelndes Gesicht, während Myxin, der hinter mir gestanden hatte, die zusammengelegten Finger von meinen Schläfen nahm.

»Nun, John, was sagst du?«, fragte mich die Schöne aus dem Totenreich. »Waren das diese Kreaturen, mit denen ihr bereits zu tun hattet?«

Myxin trat um den Stuhl herum in mein Sichtfeld. Ich saß in der Hütte, die die beiden Atlanter bewohnten und die jetzt fast aus allen Nähten platzte. Außer uns Dreien befanden sich nämlich noch vier weitere Personen in dem Blockhaus: der Eiserne Engel, seine Gefährtin Sedonia, sowie mein Partner Suko und eine junge Frau namens Choe Maxwell. Sie war heute Morgen in unser Büro geschneit, kurz bevor Myxin bei uns aufgekreuzt war, um uns nach Mittelengland zu entführen, in jenes kleine Tal, in dem die Flammenden Steine standen und wo ewiger Frühling herrschte.