1,99 €
Diese Welt lehrte selbst Dämonen das Fürchten!
Sie raubte ihnen die Energie, nahm ihnen die Kraft und machte sie verwundbar und schwach.
Das Dasein ihrer Bewohner diente offenbar nur dem alleinigen Zweck, ihm und seinesgleichen Schmerzen zuzufügen und Qualen zu bereiten.
Hier waren die einst Mächtigen wehrlos und angreifbar. Sie waren Verdammte, die von ihrer früheren Beute gejagt und gedemütigt wurden. Opfer wurden zu Tätern, bewiesen immer wieder aufs Neue, wie viel sie von ihren Peinigern gelernt hatten.
Es war die Hölle!
Eine Hölle für Dämonen!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Comeback im Zwielicht
Briefe aus der Gruft
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: FlexDreams; Matusciac Alexandru/shutterstock
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8054-5
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Comeback im Zwielicht
von Ian Rolf Hill
Diese Welt lehrte selbst Dämonen das Fürchten!
Sie raubte ihnen die Energie, nahm ihnen die Kraft und machte sie verwundbar und schwach.
Das Dasein ihrer Bewohner diente offenbar nur dem alleinigen Zweck, ihm und seinesgleichen Schmerzen zuzufügen und Qualen zu bereiten.
Hier waren die einst Mächtigen wehrlos und angreifbar. Sie waren Verdammte, die von ihrer früheren Beute gejagt und gedemütigt wurden. Opfer wurden zu Tätern, bewiesen immer wieder aufs Neue, wie viel sie von ihren Peinigern gelernt hatten.
Es war die Hölle!
Eine Hölle für Dämonen!
Früher
»Was treibt dich denn zu später Stunde hierher? Und dann auch noch so ganz allein!«
Der Angesprochene lächelte, als er die wasserstoffblonde Schönheit auf sich zukommen sah. Er hatte gehofft, sie hier zu treffen, wofür die Chancen eigentlich immer ziemlich gut standen. Schließlich arbeitete Marylyn im Ripp Tide. Mehr noch, man konnte das attraktive Showgirl mit ruhigem Gewissen als den Star des Nachtclubs bezeichnen. Sie war nämlich nicht nur eine Augenweide, sie hatte darüber hinaus auch ein spezielles und äußerst nützliches Talent.
Marylyn war eine Healerin, die über die Kunst der Selbstheilung verfügte und selbst schwerste Verletzungen, die bei gewöhnlichen Menschen unweigerlich zum Tode führten, wegsteckte wie nichts.
Deshalb war sie nicht nur bei den Gästen des Nachtclubs beliebt, sondern auch bei dem Besitzer des Ripp Tide und seinem Manager John Myers. Marylyn ermöglichte es ihm, auf der Bühne besonders blutige Aufführungen zu zeigen, für die das Publikum bereit war, tief in die Tasche zu langen und einen ordentlichen Batzen Beads auf den Tisch zu legen.
Wynn sah sich im Ripp Tide um, das trotz der fortgeschrittenen Stunde eher spärlich besucht war. Umso besser, so würde er sich in Ruhe mit Marylyn unterhalten können, die ihm schon von Weitem ansah, dass ihn etwas belastete.
»Ich wollte mit dir reden. Hast du Zeit?«
Sie grinste und deutete zur Theke. »Wenn du mir einen Drink spendierst.«
Wynns Lächeln wurde breiter, und er spürte, wie sich ein Teil seiner Anspannung löste. Das hatte nichts mit Marylyns Fähigkeiten als Heilerin zu tun, vielmehr mit ihrer freundlichen Offenheit, die schon so manchem Gast über seine Sorgen und Nöte hinweggeholfen hatte.
»Bist du allein gekommen?«
Gedankenverloren nickte er. Auch ohne, dass Marylyn Abbys Namen aussprach, wusste er, wen sie meinte. Es gab keine Eifersucht zwischen ihnen, schließlich waren Wynn und Sir Rogers Tochter kein Paar, ebenso wenig wie er und Marylyn. Dennoch war es ungewöhnlich, dass Wynn allein im Ripp Tide aufkreuzte. Obwohl er bereits einige Wochen und Monate in Twilight City lebte, war die Stadt, diese ganze Welt, immer noch ein Mysterium für ihn,
Er fühlte sich in ihr fremd und verloren, trotz der Freunde, die er hier mittlerweile gefunden hatte. So wie Abby und eben Marylyn.
Doch selbst sie konnten nicht verhindern, dass er sich einsam fühlte und Heimweh hatte. Sehnsucht nach der Welt, aus der er stammte.
Vor allem nach seiner Heimatstadt London.
Er kannte das Gefühl nur zu gut, es war sein steter Begleiter, seit er zum ersten Mal die Augen in dieser bizarren Welt geöffnet hatte. In jenem U-Bahn-Tunnel unter den Straßen von Twilight City. Nicht, dass er sich wirklich daran gewöhnt hätte, genauso wenig wie an die zahllosen Dämonen, die Seite an Seite mit den Menschen lebten. Aber er konnte es akzeptieren.
Was blieb ihm auch anderes übrig?
Er war ein Gestrandeter in dieser fremden Dimension, in die er gekommen war, um den Mörder seiner Mutter zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Ihr grausamer Tod und die Sehnsucht nach seinen Freunden und seinem Vater glichen einer offenen Wunde, über die im Laufe der Zeit dicker Schorf gewachsen war.
Am Anfang hatte sie noch öfter wehgetan.
Bei der geringsten Bewegung hatte sie gezwickt und gezwackt, doch irgendwann waren die Schmerzen weniger geworden. Ob es daran gelegen hatte, dass er sich an sie gewöhnte oder sie tatsächlich schwächer wurden, vermochte er nicht zu sagen. Ab und zu hatte er an dem Schorf gekratzt und die Wunde aufgerissen. Er wollte ja gar nicht, dass sie gänzlich verheilte.
Wollte nicht akzeptieren, dass er ab jetzt ein Bewohner von Twilight City war.
Vielleicht sogar für immer.
Und dann war jener schicksalhafte Tag gekommen, an dem es ihm gelungen war, den Mörder seiner Mutter nicht nur zu finden, sondern auch zur Strecke zu bringen. Ausgerechnet im Dead End Asylum, einer Irrenanstalt für ganz spezielle Fälle, in die auch Marylyns Schwester Vicky eingeliefert worden war.1)
Angeblich war sie ausgebrochen und galt seitdem als verschollen. Vermutlich war sie im Moor ertrunken, wer konnte das schon sagen?
Marylyn hatte die Nachricht gefasst aufgenommen. In ihren Augen hatte er jedoch den stummen Schmerz bemerkt, der sie mehr plagte als jeder Schnitt und jeder Hieb, den sie für das Amüsement des Pöbels auf der Bühne einsteckte.
Und er?
Wynn hatte geglaubt, dass er sich besser fühlen würde, hätte er Norek erst getötet. Doch dem war nicht so, und das erste Mal in seinem jungen Leben begriff Wynn Blakeston, dass Rache keine Befriedigung verschaffte.
Sie mochte ein mächtiger Antrieb sein, der einen über sich selbst hinauswachsen lässt. Doch ist die Rache erst erfüllt, bleibt nichts als ein fader Nachgeschmack und eine aufgerissene Wunde, denn der Grund für die Vergeltung, der dem Rächer vor Augen geführt wird, wird dadurch nicht ungeschehen gemacht.
Und plötzlich brannten Sehnsucht und Heimweh stärker als je zuvor.
»Abby kommt später, ich wollte erst mit dir allein sprechen.«
Sie setzten sich an die Tresen, an dem sich nur ein Gast lümmelte und gelangweilt an einem Drink nuckelte, der im bläulichen Schein der Barbeleuchtung türkis schimmerte.
Marylyn winkte dem Barkeeper, und wenig später standen auch vor ihnen die Getränke mit der schillernden Färbung. Wynn überlegte, ob er sich auf dieses Experiment einlassen sollte. Andererseits, was konnte ihm mit einer Heilerin an seiner Seite schon passieren?
Also nippte er an dem Drink mit der schaumigen Krone und nickte anerkennend. Die milchige Flüssigkeit hatte einen fruchtigen Geschmack, lag aber nicht so schwer im Magen wie ähnliche Cocktails aus seiner Welt. Woraus das Getränk bestand, wollte er sich gar nicht vorstellen. Überhaupt waren ihm viele Dinge in dieser Anderswelt noch ein Rätsel.
»Was liegt dir auf dem Herzen, Wynn?«
Marylyn war niemand, der wie die Katze um den heißen Brei schlich. Sie kam gerne ohne Umschweife zur Sache, was Wynn zu schätzen wusste.
»Wie geht’s dir?«, fragte er und entlockte der Blondine damit ein glockenhelles Lachen.
»Mir? Hör mal, du kommst hierher, machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter und fragst mich, wie es mir geht?«
Ein verlorenes Lächeln umspielte seine Lippen. »Na ja, immerhin ist das Schicksal deiner Schwester Vicky noch ungeklärt und …«
Marylyn beugte sich vor und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich bin sicher, dass es Vicky, wo auch immer sie sich befindet, besser geht als im Dead End Asylum. Und sie ist eine erwachsene Frau, die ihren eigenen Weg gehen wollte. Irgendwann werde ich sie wiedersehen, da bin ich mir sicher.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Aber ich freue mich, dass du dir Sorgen machst. Es ehrt dich, dass du zuerst an andere denkst, und danach erst an dich selbst.«
Wynn schluckte und musste plötzlich mit einem heftigen Druck hinter den Augen kämpfen. Seine Hände zitterten, sodass er die Finger fester um das Glas schloss, an dessen Außenseite winzige Wasserperlen einen feuchten Film hinterließen.
Unbeabsichtigt hatte Marylyn etwas Ähnliches zu ihm gesagt wie seine Mutter einmal, nachdem er grün und blau geschlagen nach Hause gekommen war, weil er drei Rowdies in die Schranken weisen wollte, die einem jüngeren Nachbarskind aufgelauert hatten.
Gott, wie sehr er Mom vermisste …
»Hey, was ist los?«, fragte Marylyn.
Wynn schrak auf. »Ich … verdammt, auf dem Weg hierher haben sich meine Gedanken überschlagen. Es gab so viel, über das ich reden wollte. Doch jetzt fühlt sich mein Kopf nur noch leer an.«
Die Heilerin nickte verständnisvoll. »Das ist völlig normal. Es …«
»Nein!«, rief er heftiger als beabsichtigt. »Das ist nicht normal. Das ist völlig krank. Ich gehöre einfach nicht hierher, verstehst du?«
»Hm«, machte Marylyn und legte ihre glatte Stirn in Falten. »Da bin ich mir nicht ganz sicher. Aber um ehrlich zu sein, weiß ich ja gar nicht, wo du herkommst. Du musst es mir auch nicht sagen. Aber ich weiß, dass du nicht krank bist. Im Gegenteil, Wynn Blakeston. Ich glaube, du bist einer der normalsten Leute in dieser verrückten Stadt. Aber egal, was dich auch hierher verschlagen hat, es dient einem bestimmten Zweck.«
Sie trank einen Schluck von ihrem Gebräu. Wynn beobachtete sie dabei und kniff leicht die Lider zusammen. »Du meinst, es war Bestimmung, dass ich ausgerechnet in TC gelandet bin?«
Sie fing an zu prusten und hätte beinahe den Inhalt ihres Mundes ausgespuckt. Nachdem sie sich beruhigt hatte, wischte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln und schüttelte den Kopf. »Quatsch. Schicksal ist eine billige Ausrede für Leute, die keine Lust haben, Verantwortung für ihr verkorkstes Leben zu übernehmen. Du kannst auf all die Fehler, die du meinst begangen zu haben, zurückblicken, sie zusammenzählen und Bestimmung nennen. Oder du blickst nach vorne, akzeptierst die Begebenheiten und machst das Beste draus.«
»Das mag sein. Aber bedeutet das Akzeptieren einer Situation nicht auch, dass ich aufgegeben habe zu kämpfen?«
»Das kannst nur du allein entscheiden, Wynn. Wichtig ist, dass du die Schlachten schlägst, die du dir aussuchst, nicht die, die dir aufgezwungen werden. Vor allem aber versuche keinen Kampf zu gewinnen, der von vornherein verloren ist. Suche dir einen aus, bei dem du eine Chance hast, als Sieger aus der Schlacht hervorzugehen.«
Er senkte den Blick und sah in sein Glas, als würde er in der türkis schillernden Flüssigkeit die Antworten auf seine Fragen finden.
Ohne es zu wissen hatte Marylyn einen wichtigen Punkt angesprochen.
Viel zu lange hatte er mit seinem Schicksal gehadert. Hatte wertvolle Zeit mit der Suche nach dem Mörder seiner Mutter vergeudet, und womöglich würde er noch viel mehr Zeit verschenken, wenn er nach einem Tor in seine Welt suchte. Einem Tor, das vielleicht gar nicht existierte.
Oder er besann sich auf das, was er in dieser Stadt besaß.
Ein neues Zuhause, Freunde. Sogar eine Art Familie, wenn er an Abby dachte. Ja, selbst Sir Roger und seinen eigentümlichen Diener Esrath zählte er irgendwie dazu.
»Hier seid ihr ja!«
Wynn und Marylyn blickten auf, als sie Abby heranrauschen sahen. Die junge Frau mit den silberweißen Haaren brachte einen Hauch kühler Abendluft mit, der sie wie ein Schleier umwehte. »Mann, ich dachte, der Boss lässt mich heute gar nicht mehr gehen. Ich hasse Deadlines.«
So wie Wynn, arbeitete auch Abby beim Twilight Evening Star, der bekanntesten Zeitung der Stadt. Im Gegensatz zu ihm jedoch als Reporterin, was zur Folge hatte, dass sie keine geregelten Arbeitszeiten hatte und oft lange bis in die Nacht arbeiten musste.
»Was ist denn hier los? Ist jemand gestorben?«
Ihr Blick wanderte von Wynn zu Marylyn und wieder zurück.
Ja, der Mörder meiner Mutter, lag es Wynn auf der Zunge, doch er schluckte die Bemerkung herunter. Stattdessen bemühte er sich um ein lockeres Grinsen.
»Noch nicht, aber der Abend ist ja noch jung.«
»Oh«, sagte Abby. »Was steht denn heute auf dem Programm?« Die Frage war in erster Linie an Marylyn gerichtet.
»Mich brauchst du nicht anzugucken. Ich hab heute frei. Aber Myers hat ein paar Schausteller eingeladen. Eine Wanderbühne macht gerade Station in TC.«
Jetzt war auch Wynns Neugier geweckt. »Und was gibt es zu sehen?«
»Keine Ahnung. Das weiß vermutlich nicht einmal Myers. Lassen wir uns überraschen. In ein paar Minuten geht’s los.«
»Puh, da bin ich ja gerade noch rechtzeitig gekommen«, rief Abby. Sie ließ sich neben Wynn auf einem Barhocker nieder und nahm ihm ungefragt das Glas aus der Hand. Nach dem ersten Schluck nickte sie anerkennend. »Gar nicht schlecht.«
Wynn konnte sich das Lachen nur schwer verbeißen. Verdammt, er konnte Abby einfach nicht böse sein. Sie war wie die Schwester, die er nie gehabt hatte. Oder war da vielleicht doch noch etwas mehr …?
Bevor er sich wieder in trüben Gedanken verlieren konnte, orderte er beim Barkeeper einen neuen Drink, den er mit zu der Sitzgruppe nahm, zu der Marylyn ihre Gäste führte. In der Zwischenzeit hatte sich das Ripp Tide gefüllt. Der Nachtclub war zwar nicht so voll wie bei einer Vorstellung mit Marylyn, aber trotzdem ziemlich gut besucht. Myers konnte sich nicht beschweren, und die Zuschauer brauchten auch nicht mehr lange zu warten.
Schlagartig erloschen die Lichter, und die Musik, die bis eben noch für ein angenehmes Hintergrundrauschen gesorgt hatte, verstummte so abrupt, dass die folgende Stille regelrecht in den Ohren dröhnte.
Ein blauer Spot erhellte den Mittelpunkt der Bühne, auf der nur ein geschlossener Vorhang zu sehen war. Der teilte sich kurz darauf, und die Gestalt von John Myers, dem Manager des Ripp Tide betrat das Parkett.
»Oho, die Show wird vom Boss persönlich angekündigt«, raunte Abby. »Das sieht man auch nicht alle Tage. Muss ja ein dolles Ding sein, das uns da erwartet.«
»Den salbungsvollen Worten des Managers nach zu urteilen, auf alle Fälle«, kommentierte Wynn und trank einen Schluck von dem Cocktail. Erstaunt bemerkte er, dass er sich nicht nur entspannte, sondern sich auch auf die bevorstehende Show freute.
Dabei wusste er ja nicht einmal, was ihn erwartete. Aber allein die Gesellschaft dieser beiden reizenden jungen Frauen vermittelte ihm ein Gefühl des Wohlbefindens.
Glücklicherweise strapazierte Myers die Nerven der erlebnishungrigen Gäste nicht allzu sehr und zog sich nach wenigen Sätzen wieder hinter die Bühne zurück, begleitet von höflichem Applaus.
Er endete, als das Spotlight verlosch und sich die Dunkelheit wie ein Sack über die Zuschauer senkte. Die Stille und die Finsternis zerrten an Wynns Nerven. Es mochte an seiner besonderen Vergangenheit liegen, möglicherweise auch an dem, was er bereits in TC erlebt hatte.
Mit einem Paukenschlag, der vereinzelten, meist weiblichen Gästen, einen leisen Schrei entlockte, flammte roter Dampf auf, der in Form einer Säule emporstieg und sich wie Nebel auf der Bühne ausbreitete.
Eine gedrungene, nur schemenhaft zu erkennende Gestalt schälte sich langsam daraus hervor. Nicht allein Wynn hielt bei ihrem Anblick den Atem an, auch viele der Gäste wagten nicht, Luft zu holen, obwohl die Bewohner von Twilight City in puncto Äußerlichkeiten ja erheblich mehr gewohnt waren als er.
Es mochte an dem beißenden Gestank liegen, der mit den Ausläufern des Nebels über den Rand der Bühne in den Zuschauerraum wallte. Es war der Geruch nach verbranntem Fleisch, und Wynn wurde unwillkürlich an den verheerenden Brand erinnert, der durch seine Mitschuld in dem Etablissement ausgebrochen war, kurz nachdem er in dieser Welt angekommen war.
Um sich abzulenken, konzentrierte er sich auf die Gestalt in der Mitte der Bühne.
Sie wirkte imposanter, weil sie erhöht stand, reichte ihm im Normalfall aber vermutlich gerade mal bis zur Brust. Der Schädel war wulstig, kahl und viel zu groß für den Körper, der unter einem blutroten Gewand verborgen war. Ein goldener Schal hing wie ein Gebetsschleier um den Nacken des Dämons, denn um einen solchen handelte es sich bei der Gestalt zweifellos.
Dünne Haut spannte sich über dem knöchernen Schädel. Ohren und Nase waren kaum vorhanden und bestanden lediglich aus verknorpelten Resten.
Lippen hatte die Kreatur keine, die Zähne ragten aus dem blanken Gebein, was den totenschädelartigen Eindruck noch verstärkte. Die Augenhöhlen waren allerdings nicht leer.
In ihnen glänzten zwei winzige gelbe Augäpfel, deren eiskalter Blick über die Anwesenden glitt.
Täuschte er sich oder blieben sie auf ihm, Wynn Blakeston, haften?
Er beugte sich leicht nach vorne, als Bewegung in die Gestalt kam, die kein Wort sprach. Dafür hob sie die Arme, die wie dünne Äste aus den Ärmeln ragten. Die Finger glichen verkrüppelten Zweigen, von denen ein leises Knistern ausging, als sie bewegt wurden.
Die Gestalt hob den linken Arm, und ein Raunen ging durch die Menge.
Ein gleißender Lichtball flammte in der dürren Hand des Schaustellers auf.
Simpler Budenzauber, der Wynn im Normalfall nur ein müdes Lächeln entlockt hätte, doch irgendetwas an dieser Kreatur beunruhigte ihn und schlug ihn derart in den Bann, dass ihm das Herz bis zum Halse klopfte.