John Sinclair 2267 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2267 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Bereits beim Öffnen der Haustür wusste Jane Collins instinktiv, dass etwas nicht stimmte.
Die blonde Privatdetektivin hatte im Laufe der Zeit ein Gespür für Gefahr entwickelt. Einen sechsten Sinn, der jetzt Alarm schlug.
Es war später geworden, als geplant, doch die Überstunden hatten sich bezahlt gemacht. Ihre Klientin war mit den Aufnahmen zufrieden gewesen. Und Jane war es ebenfalls, auch wenn das Beschatten untreuer Ehemänner nicht unbedingt zu ihren Lieblingsbeschäftigungen zählte.
Draußen war es längst Dunkel geworden, und auch in der Diele, jenseits der Eingangstür, ballte sich die Finsternis. Das änderte sich, als Jane das Licht einschaltete. Sie wollte sich nichts anmerken lassen, den Eindringling in Sicherheit wiegen.
Trotzdem wurde sie beim Betreten der Küche eiskalt erwischt, denn mit dieser Besucherin hatte sie nicht gerechnet.
"Hallo, Jane", begrüßte Justine Cavallo sie und grinste so breit, dass ihre Vampirzähne deutlich zu sehen waren ...


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Seitenzahl: 152

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Liliths Vollstreckerin

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Liliths Vollstreckerin

von Ian Rolf Hill

Bereits beim Öffnen der Haustür wusste Jane Collins instinktiv, dass etwas nicht stimmte.

Die blonde Privatdetektivin hatte im Laufe der Zeit ein Gespür für Gefahr entwickelt. Einen sechsten Sinn, der jetzt Alarm schlug.

Es war später geworden, als geplant, doch die Überstunden hatten sich bezahlt gemacht. Ihre Klientin war mit den Aufnahmen zufrieden gewesen. Und Jane war es ebenfalls, auch wenn das Beschatten untreuer Ehemänner nicht unbedingt zu ihren Lieblingsbeschäftigungen zählte.

Draußen war es längst Dunkel geworden, und auch in der Diele, jenseits der Eingangstür, ballte sich die Finsternis. Das änderte sich, als Jane das Licht einschaltete. Sie wollte sich nichts anmerken lassen, den Eindringling in Sicherheit wiegen.

Trotzdem wurde sie beim Betreten der Küche eiskalt erwischt, denn mit dieser Besucherin hatte sie nicht gerechnet.

»Hallo, Jane«, begrüßte Justine Cavallo sie und grinste so breit, dass ihre Vampirzähne deutlich zu sehen waren ...

Evelyn Moore war dem Tod geweiht!

Es gab eben Dinge, gegen die selbst die Magie der Hexen wirkungslos war.

Eines davon war der Tod, der ebenso ein Teil der Natur war wie das Leben. Deshalb fürchtete sich Evelyn auch nicht davor. Angst hatte sie lediglich vor dem Sterben. Und doch wusste sie, dass sie keine andere Wahl hatte.

Es galt die Gemeinschaft zu schützen!

So hatte es die Schwesternschaft entschieden, und ihrem Urteil würde sie sich beugen.

Sowohl ihr Verstand als auch ihr Herz sagten ihr, dass es das Richtige war. Der Tod war unvermeidlich, warum ihn unnötig aufschieben?

Sie hatte ihr Leben gelebt, Jubilee dagegen ... nein, nicht so ... nicht durch die Hand dieser Kreatur. Das durfte sie nicht zulassen!

Trotzdem gab es noch eine andere Seite in ihr, eine, die nichts mit Verstand oder Gefühl zu tun hatte. Die animalische Seele, die jeder Mensch hatte, selbst die Hexen. Und die fürchtete sich nun mal vor dem Sterben.

Es war der Überlebensinstinkt, der sich nicht unterdrücken ließ. Der unbändige Wunsch zu leben, der zudem eng mit ihrer Lebensweise in Burley zusammenhing. Das Dasein als Hexe war schließlich untrennbar mit der Natur verbunden, da biss keine Maus den Faden ab.

Nur würde die Vollstreckerin der Großen Mutter darauf keine Rücksicht nehmen. Wer ihr nicht die Treue schwor und sich ihren Befehlen beugte, wurde bestraft.

All das war Evelyn Moore bekannt, und gerade deshalb fürchtete sie sich.

Dass sie sich allein in ihrem Haus aufhielt, machte die Sache nicht besser. Im Gegenteil, dadurch dehnten sich die Minuten zu Stunden. Zeit, in der sie ihren quälenden Gedanken schutzlos ausgeliefert war. Das Warten auf den Tod war eine der grausamsten Torturen, die sie sich vorstellen konnte. Seit Einbruch der Dunkelheit wartete Evelyn auf ihre Mörderin.

Sie stand am Fenster, starrte hinaus auf die Straße und achtete auf jede noch so kleine Bewegung, doch nichts rührte sich. Das Dorf lag wie ausgestorben im Licht der Straßenbeleuchtung. Jeder wusste, dass es glatter Selbstmord war, nach Einbruch der Dunkelheit das Haus zu verlassen.

Evelyn erschrak.

War da nicht eben ein Schatten durch das Licht der Straßenlaterne gehuscht?

Schräg gegenüber, dort, wo das Haus der alten Uta lag, deren Vorgarten so verwildert war, dass er einem kleinen Urwald glich. Evelyn verzog die Lippen.

Uta war fünfzehn Jahre älter als sie. Wenn die versprochene Hilfe nicht bald eintraf, würde sie vermutlich eine der nächsten sein, die der Vollstreckerin zum Fraß vorgeworfen wurde.

Ein Schatten schoss vor dem Fenster empor!

Evelyn zuckte zurück und presste sich die Hand auf Höhe des Herzens vor die Brust. Ihr Puls raste. Erst als sie die grünen Augen in dem faustgroßen, schwarzen Kopf erblickte, löste sich die Anspannung ein wenig. Weiße Zähne blitzten in einem rosafarbenen Mäulchen, als Merlin leise maunzte. Durch die Scheibe war es kaum zu hören.

Evelyn atmete auf.

Obwohl es ein Risiko war, wollte sie das Fenster öffnen, um ihren pelzigen Gefährten einzulassen. Sie wusste, dass die Vollstreckerin keine Rücksicht auf ihren tierischen Begleiter, ihren Spiritus familiaris, nehmen würde, doch seine Anwesenheit spendete ihr nun mal Trost.

Niemand sollte in der Stunde des Todes allein sein!

Trotzdem brachte keiner den Mut auf, ihr in dieser schrecklichen Zeit beizustehen.

»Alles Feiglinge«, zischte die alte Frau, während sie die Blumentöpfe mit den Kräutern vom Fensterbrett nahm, um die Scheibe aufzuziehen.

Merlin maunzte protestierend. Lautlos hüpfte er auf den neben dem Fenster stehenden Lehnsessel, sprang auf den Teppichboden und lief mit erhobenem Schwanz in Richtung Küche.

Evelyn lächelte traurig. Sie wusste, was er wollte und vielleicht war das gar keine schlechte Idee. Gegessen hatte sie zwar schon, gewissermaßen ihre Henkersmahlzeit, doch sie konnte sich ja noch einen Tee aufbrühen, um sich zu beruhigen.

Die alte Frau drehte sich ein letztes Mal zu dem offenen Fenster um, atmete tief die würzige Nachtluft ein. Dann schloss sie die Scheibe wieder, stellte die Blumentöpfe zurück auf das Fensterbrett und zog die Vorhänge zu. Anschließend raffte sie die gehäkelte Stola vor der Brust zusammen und folgte Merlin in die Küche.

Evelyn schaltete das Licht ein und blieb verdutzt stehen.

Normalerweise stand der Kater mit zuckendem Schwanz vor dem Schrank und trat ungeduldig auf der Stelle, um sie mit maunzenden Lauten zur Eile anzutreiben. Jetzt aber fehlte jede Spur von ihm. War er vielleicht gar nicht in die Küche gelaufen?

Möglicherweise war er nach oben ins Schlafzimmer gegangen, um sich in ihr Bett zu kuscheln.

Ein verkrampftes Lächeln huschte über Evelyns Lippen.

»Dann eben nicht«, sagte die alte Hexe und zuckte mit den Schultern. Den Tee wollte sie trotzdem aufbrühen und schlurfte in die Küche, um das Wasser aufzusetzen. Das tat sie noch auf die altmodische Weise mit Teekessel und Gasherd. Die Töpfe mit den entsprechenden Kräutern standen vor der Spüle auf der Fensterbank. Mit einer kleinen Schere knipste sie ein paar Blätter von den Pflanzen und stopfte sie in das kugelförmige Teesieb.

Als sie sich umdrehte, streifte ihr Blick den Tisch in der Mitte des Raumes.

Evelyn erstarrte.

Merlin kauerte unter dem Küchentisch. Ein pelziges, pechschwarzes Bündel mit angelegten Ohren. Ihr Herz übersprang vor Schreck einen Schlag.

»Du bist ja doch da«, murmelte sie mit schriller Stimme und beugte sich vor. »Warum sagst du denn nichts?«

Doch Merlin beachtete sie gar nicht. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er an ihr vorbei in Richtung Diele. Evelyn rieselte ein Schauer über den Rücken. Dort lag nicht nur die Speisekammer, sondern auch die Hintertür.

Frostige Kälte kroch ihr in die Glieder, die sich mit einem Mal bleischwer anfühlten. Sie wusste, was sie zu Gesicht bekommen würde, sobald sie sich aufrichtete und den Kopf hob. Und als wollte Merlin ihre Ahnung bestätigten, legte er die Ohren an und fauchte.

Es war ein aggressiver und gleichzeitig zutiefst verängstigter Laut, der seinen Ursprung tief in der Kehle des Tieres hatte.

Und da wusste Evelyn, dass sie nichts an ihrem Schicksal ändern würde, wenn sie geduckt vor dem Küchentisch stehen blieb.

Das Monster würde nicht verschwinden, nur weil sie sich die Augen zuhielt.

Außerdem spürte sie bereits ein schmerzhaftes Ziehen in den Lendenwirbeln.

Wenn sie noch länger zögerte, würde sie vermutlich einen Hexenschuss bekommen. Allein der Gedanke war so absurd, dass Evelyn zu kichern anfing.

Es war ein hysterisches Lachen, schrill und abgehackt.

Schließlich gab sich die alte Frau einen Ruck, richtete sich auf und verstummte.

Obwohl sie mit diesem Anblick gerechnet hatte, traf er sie wie ein Blitzschlag. Das Blut gefror ihr in den Adern. Im Schatten der Diele stand sie.

Liliths Vollstreckerin.

»Was hast du hier verloren?«

So aberwitzig es klingen mochte, doch bei dem Anblick der blonden Bestie entspannte sich Jane Collins. Da kannst du mal sehen, wie kaputt du schon bist, dachte die Privatdetektivin. Dass dir das Eindringen einer Vampirin weniger Sorge bereitet als ein profaner Einbrecher.

Andererseits war Justine Cavallo nicht mit normalen Maßstäben zu messen. Selbst für untote Verhältnisse nicht. Die blonde Frau mit den puppenhaft glatten Gesichtszügen und den blutrot geschminkten Lippen war nämlich keine gewöhnliche Vampirin.

Und das bezog sich nicht mal auf die Tatsache, dass sie schneller, stärker und widerstandsfähiger als die meisten ihrer Artgenossen war.

Was Justine so einzigartig machte, war ihre Affinität zu jenen Menschen, die eigentlich ihre Todfeinde hätten sein müssen. Allen voran John Sinclair, zu dem sie immer wieder Kontakt aufnahm, um ihm bei bestimmten Fällen zu helfen, die gewissermaßen in ihr Spezialgebiet fielen: Vampire.

Früher einmal waren sie Feinde gewesen. Todfeinde. Damals hatte Justine auf der Seite von Will Mallmann, alias Dracula II, gestanden. Bis sie sich von ihm losgesagt hatte, denn im Gegensatz zu Mallmann hatte Justine keinerlei Ambitionen gehabt, ein globales Vampir-Imperium zu erschaffen. Sie strebte nicht nach Macht. Was ihre genauen Ziele waren, wusste nicht einmal John Sinclair.

Tatsache war, dass Justine Cavallo sowohl ihm als auch Jane Collins mehrfach das Leben gerettet hatte. Was Jane betraf, hatte ihre Gegenleistung darin bestanden, die blonde Bestie bei sich aufzunehmen. Aber das lag bereits geraume Zeit zurück. Der Geist des getöteten Mallmann war in Justine gefahren und hatte sie noch unberechenbarer gemacht, als sie es ohnehin schon war.

Nun, auch dieses Kapitel gehörte der Vergangenheit an, und seitdem war Justine bemüht, ihr angespanntes Verhältnis zu John Sinclair und seinen Freunden wieder zu verbessern.

»Begrüßt man etwa so eine alte Freundin?«

Justine breitete die Arme aus. Sie saß am Küchentisch und hatte die Beine auf die Platte gelegt. Jane fegte sie mit einem Schlag herunter.

Die blonde Vampirin sah so aus wie immer. Hautenges schwarzes Leder schmiegte sich um Beine und Gesäß. Ein bauchfreies rotes Bustier verbarg die Brüste, darüber trug die Untote eine ebenfalls schwarze Lederjacke.

Jane erkannte die Griffe diverser Stichwaffen, mit denen Justine ihre Opfer zu erlösen pflegte. Sie hinterließ nicht gerne Spuren, geschweige denn blutsaugende Nachkommen. In dieser Hinsicht war sie eigen. Aber sie war auch nicht so menschenfreundlich, dass sie sich mit Tierblut oder Blutkonserven begnügte.

»Wir sind keine Freundinnen!«, stellte Jane klar und begab sich zum Küchentresen, auf dem die Kaffeemaschine stand.

Sie brauchte keine Hellseherin zu sein, um zu wissen, dass dieses Gespräch länger dauern würde. Justine Cavallo hatte ihren eigenen Kopf und den hatte sie bislang immer durchgesetzt. Sie würde nicht eher gehen, bis sie gesagt hatte, was sie loswerden wollte.

»So, so, ich bin dir also nicht mehr gut genug, seit du diesen Chris in dein Bett gelassen hast.«

Jane, die Justine den Rücken zugewandt hatte, vereiste innerlich. Dabei war es weniger die Tatsache, dass die Untote von ihrem neuen Freund wusste, als vielmehr der Umstand, dass sie ihn so unvermittelt und scheinbar zusammenhanglos erwähnte.

Chris Ainsworth war Geologe und als solcher oft aus Reisen. Auch jetzt war er wieder unterwegs. Irgendwo in Island. Jane hätte ihn gerne begleitet, doch da hatte ihr der eigene Job einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zwar war sie finanziell unabhängig, aber wenn sie weiter im Geschäft bleiben wollte, brauchte sie nun mal einen guten Leumund.

Als Frau hatte sie es ohnehin nicht leicht in der Branche. Zumal sie größtenteils allein arbeitete. Es würde sich schnell herumsprechen, wenn sie unzuverlässig war oder sich nur die Rosinen aus dem Kuchen pickte. Davon abgesehen hatte sie Sir James versprochen, die Stellung zu halten, während John Sinclair, Suko und die Conollys in den Staaten weilten, um die Hochzeit von Abe Douglas und Stephanie Kruger zu feiern.*

»Was hast du da gerade über Chris gesagt?« Die Detektivin knurrte fast, ihre Hand legte sich auf den Knauf der Beretta, während sie sich zu Justine umdrehte.

Die blonde Bestie lächelte mokant. »Nichts. Nur dass du dich anscheinend in seiner Gesellschaft wohler fühlst als in meiner. Aber ich kann es dir nicht verdenken.« Sie griff in die Innentasche ihrer Lederjacke.

Jane spannte jeden Muskel in ihrem Körper an. Sie erinnerte sich an die Messer und Stechinstrumente. Plötzlich wurde sie sich der Gefahr bewusst, in der sie schwebte.

Ihr war bekannt, wie schnell Justine sein konnte. Sie hatte praktisch nichts, womit sie der Blutsaugerin die Stirn bieten konnte, sollte dieser einfallen, über Jane herzufallen.

Sie bezweifelte, dass ihr ihre latenten Hexenkräfte in dem Fall von Nutzen waren. Doch ihre Sorgen waren unbegründet. Justine hatte keineswegs vor, sie anzugreifen.

Stattdessen hielt sie plötzlich einen kleinen Stapel Polaroid-Aufnahmen in der Hand. Jane runzelte die Stirn. Wer machte denn heutzutage noch Fotos mit einer Sofortbild-Kamera?

»Er ist wirklich ein Schnuckelchen«, fuhr Justine ungerührt fort. Versonnen betrachtete sie die Fotos, die sie wie ein Kartenspieler in der Hand auseinanderfächerte. »Geradezu zum Anbeißen, findest du nicht?« Justines Lächeln glich einem Zähnefletschen.

Einen Herzschlag später warf sie die Aufnahmen schwungvoll auf den Tisch. Sie rutschten über die polierte Fläche auf Jane zu. Ein paar von ihnen segelten auf die Fliesen, doch es blieben noch genug übrig, um zu erkennen, wer da fotografiert worden war.

Chris Ainsworth.

Und er sah aus, als leide er Höllenqualen!

Sie glich einem Monument des Grauens, wie sie so in der Diele stand. Stumm und reglos.

Die personifizierte Drohung.

Evelyn Moore hatte bislang keine Ahnung gehabt, in welcher Form oder Gestalt die Henkerin in Erscheinung treten würde, aber insgeheim hatte sie natürlich an eine Hexe gedacht, ein Kind der Großen Mutter.

Doch war das überhaupt ein Mensch?

Sie wusste, dass es noch andere Hexen gab. Bösartige, dämonische Kreaturen. Einige von ihnen konnten sich angeblich in Raben verwandeln oder flogen auf feurigen Besen durch die Nacht.

Teufelsbuhlen!

Viel vermochte Evelyn bei dem spärlichen Licht, das in den schmalen Durchgang fiel, nicht zu erkennen, doch das Wenige genügte, um zumindest die menschlichen Umrisse wahrzunehmen, die eindeutig einer Frau gehörten.

Einer scheinbar nackten, haarlosen Frau, denn der Schädel sah aus wie kahl geschoren.

Evelyn Moore wusste nicht, wie lange sie auf der Stelle gestanden und die Gestalt angestarrt hatte. Sie fragte sich auch nicht, wie es ihr gelungen war, lautlos in das Haus einzudringen.

Die Türen waren aus gutem Grund unverschlossen geblieben.

Aber selbst wenn sie sie abgeschlossen hätte, hätte die Vollstreckerin mit Sicherheit einen Weg in das Haus gefunden. Vor ihr gab es kein Entrinnen.

Nur warum tat sie dann nichts? Wieso stand sie dort wie der berühmte Ölgötze und starrte sie an?

Evelyns Knie begannen zu schlottern. Das Zittern ergriff von ihrem gesamten Körper Besitz, erfasste die Arme und übertrug sich auch auf die Kette mit dem Teesieb.

Merlins Fauchen verstummte. Eine tödliche Stille senkte sich über der Küche, sodass Evelyn glaubte, ihren eigenen Herzschlag hören zu können.

Warum reagierte die Mörderin nicht? Wollte sie ihr Opfer mürbe machen? Sie in den Wahnsinn treiben, um sich an ihren Qualen zu weiden?

Ja, das sah dieser verkommenen Brut ähnlich.

»Wer bist du?«, keuchte Evelyn.

Die Gestalt antwortete nicht.

»Verdammt, sag was!«, schrie sie so laut, dass ihre Stimme kippte.

Doch die Vollstreckerin blieb weiterhin stumm. Im Gegensatz zu Merlin, der abermals fauchte, nur um gleich darauf wie ein geölter Blitz unter dem Tisch hervorzuschießen und die Flucht in Richtung Wohnzimmer anzutreten.

Evelyn war nur für eine Sekunde abgelenkt. Reflexartig sah sie ihrem Kater hinterher, bis ihr einfiel, dass es möglicherweise keine so gute Idee war, die Vollstreckerin aus den Augen zu lassen.

Das Licht über dem Küchentisch flackerte, Evelyn drehte den Kopf.

Ihr greller Schrei zerschnitt die Stille, das Teesieb fiel zu Boden, die Kette klimperte auf die Fliesen.

Liliths Vollstreckerin stand keine Armlänge von ihr entfernt.

Lautlos wie ein Schatten war sie in die Küche gehuscht. Evelyn vereiste innerlich, als sie ihrer Mörderin von Nahem in die Augen blickte. Die Iriden schimmerten in einem kalten Gelb.

Ihr rechter Arm schwang in die Höhe. Das Licht reflektierte auf dem blanken Stahl der Machete.

Schützend hob Evelyn Moore den Arm. Ein harter Schlag traf ihn dicht unterhalb des Ellenbogengelenks, gefolgt von einem mörderischen Hieb auf die Schulter.

Evelyn wurde zurückgeschleudert. Sie wäre gefallen, hätte die Vollstreckerin sie nicht gehalten.

Mit offenem Mund starrte die alte Frau auf den blutigen Armstumpf. Das Haumesser war scheinbar mühelos durch Fleisch und Knochen gedrungen und steckte jetzt tief in ihrer Schulter.

Dass sie keine Schmerzen spürte, hatte sie allein dem Schock zu verdanken. Lange würde der jedoch nicht anhalten.

Evelyn holte mit dem linken Arm aus, wollte der Vollstreckerin die Faust an den Kopf rammen.

Eine zweite Klinge geriet in Evelyns Sichtfeld. Und dieses Mal ließ der Schmerz nicht lange auf sich warten. Der blanke Stahl durchtrennte auch ihren linken Arm.

Wie Säure rauschte das Blut durch Evelyns Adern.

Ihre Hände schienen in Flammen zu stehen, obwohl sie doch vor ihr am Boden lagen. Die Finger krümmten sich, schlossen sich zu Fäusten, nur um sich im selben Atemzug wieder zu öffnen.

Die Knie gaben unter der alten Frau nach. Schmatzend löste sich die Klinge aus ihrer rechten Schulter. Evelyn brach zusammen.

Übelkeit und Schmerz rangen um die Vorherrschaft, während sie neben ihren abgetrennten Armen langsam auf den Rücken sank.

Die Gestalt ihrer Mörderin verschwamm vor ihren Augen.

Warum nur?, dachte sie verzweifelt. Warum so?

In einer letzten Geste des Widerstands hob sie die Arme beziehungsweise das, was von ihnen übrig geblieben war. Lächerliche Stümpfe aus denen jetzt unablässig das Blut im Takt ihres Herzschlags pulsierte.

Breitbeinig ragte die Vollstreckerin über ihr auf, hob die Macheten.

»B...bitte ...«, konnte die alte Frau gerade noch stammeln, dann begann die Mörderin ihr Vernichtungswerk.

Jane Collins verlor die Nerven!

Sie zerrte die Beretta aus dem Holster und legte auf Justine an. Die runzelte lediglich die Stirn.

»Mal abgesehen davon, dass du mich mit diesem Spielzeug kaum beeindrucken kannst ... hältst du es wirklich für eine gute Idee, die einzige Person zu bedrohen, die dir sagen kann, wo dein Sahneschnittchen abgeblieben ist?«

»Spuck's aus, oder wir stellen fest, wie gut du einen Kopftreffer wirklich wegstecken kannst.«

Nichts regte sich in Justines Gesicht, das wieder so glatt wie das einer Schaufensterpuppe war. Ein Mensch hätte vielleicht geseufzt, doch sie war kein Mensch.

Sie war eine Untote und brauchte nicht zu atmen.

Stattdessen beugte sie sich vor, bis ihre Stirn beinahe die Mündung der Beretta berührte. Sie streckte den Arm aus und tippte mit einem blutrot lackierten Fingernagel auf eine der Fotografien. »Sieh dir die Bilder doch mal genauer an.«

Jane folgte der Aufforderung, auch weil sie wusste, dass Justine recht hatte. Sobald sie sich auf einen Kampf mit der blonden Bestie einließ, ungeachtet des Ausgangs, würde das Chris auch nicht helfen. Gegen ihre Furcht, ihrem Freund als Untoten gegenüberzustehen, halfen rationale Argumente allerdings nur wenig.