John Sinclair 2268 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2268 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Die Qualen waren unbeschreiblich.
Sie wurden nur noch von seinem brennenden Hass übertroffen. Hass auf diejenigen, denen er seine Niederlage zu verdanken hatte.
John Sinclair und dessen Team.
Für seinen Gebieter zählte allein der Erfolg, und das machte er seinem Diener jetzt auf drastische Art und Weise klar.
Und er war ein wahrer Meister darin, Versagern das irdische Dasein zur Hölle zu machen. Es lag ihm gewissermaßen im Blut ...


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Inhalt

Cover

Spiders on a Plane

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Spiders on a Plane

von Ian Rolf Hill

Die Qualen waren unbeschreiblich.

Sie wurden nur noch von seinem brennenden Hass übertroffen. Hass auf diejenigen, denen er seine Niederlage zu verdanken hatte.

John Sinclair und dessen Team.

Dabei hatte er die Freunde des Geisterjägers bereits in seiner Hand gehabt. Sie waren ihm wehrlos ausgeliefert gewesen. Verschollen in der Hölle. Bis dieser vermaledeite Magier mit seiner Hexe und ihrem goldenen Schwert aufgetaucht war und alles zunichtegemacht hatte.

Doch wie hätte er auch ahnen können, dass ausgerechnet sie ihm dazwischenfunkten? Dass es ihnen gelingen würde, einen Weg in die Hölle zu finden und die Kirche mitsamt der Opfer wieder zurück ins Diesseits zu bringen?

An Ausflüchten und Erklärungen war sein Gebieter jedoch nicht interessiert. Für ihn zählte allein der Erfolg, und das machte er seinem Diener Matthias jetzt auf drastische Art und Weise klar.

Und er war ein wahrer Meister darin, Versagern das irdische Dasein zur Hölle zu machen. Es lag ihm gewissermaßen im Blut.

Denn er war Luzifer, der gefallene Engel. Das absolut Böse!

Riesengroß schwebte sein abstoßend schönes Antlitz über Matthias, der nicht mal den kleinen Finger bewegen konnte. Bis zum Hals steckte er in der zementartigen Masse, die kegelförmig um seinen Leib herumgewuchert und binnen weniger Sekunden vollständig ausgehärtet war.

Nur eben nicht fugendicht, sondern von zahlreichen Einschlüssen durchwirkt, die sie porös wie Lavagestein machte. Außerdem wimmelte es in dem Gestein von unheiligem Leben.

Winzige Würmer und Maden schoben sich durch die dünnen Kanäle bis zu dem entblößten Körper des Höllendieners.

Und sie waren hungrig.

Mit ihren Kauwerkzeugen bohrten sie sich durch Haut und Fleisch in ihn hinein, um sich bis zu den Knochen durchzufressen. Bis auf den Kopf gab es praktisch keine Stelle, die nicht betroffen war, die nicht buchstäblich schmerzte wie die Hölle.

Matthias konnte die Bewegungen der Maden in seinem Fleisch spüren. Jeder Atemzug war die reinste Qual. Längst waren sie in sämtliche Organe vorgedrungen. Magen, Darm, Lunge und sogar das Herz waren betroffen. Selbst in der Luft- und Speiseröhre fühlte er sie.

Obwohl sein Rumpf kaum Spielraum hatte, konnte Matthias dem Hustenreiz nicht widerstehen. Plötzlich spürte er die Maden und Würmer auch auf der Zunge. Angewiderte spie er sie aus.

Dicht vor seinem steinernen Gefängnis klatschten sie auf das poröse Gestein.

Sie wanden und ringelten sich in dem schleimigen Batzen, den er zusammen mit den höllischen Tierchen ausgespuckt hatte. Einige der Maden schoben sich bereits wieder auf den Kegel zu, um ihr grausames Spielchen von Neuem zu treiben, denn sie waren noch lange nicht satt. Würden sie auch niemals werden, schließlich waren es keine normalen Larven.

Sie existierten allein, um ihn zu martern.

Ein besonders dickes Exemplar von der Größe eines Mehlwurms verbiss sich im weichen Fleisch der Wange. Matthias gelang es, den sich windenden Leib mit den Zähnen zu packen. Es knackte, als das Chitin aufbrach und sich ein bitter schmeckender, sämiger Brei in seinem Mund ausbreitete.

Ein normaler Mensch hätte längst das Bewusstsein verloren oder wäre an den Torturen schon zugrunde gegangen. Doch das ließ Luzifer nicht zu. Er wollte seinen Diener leiden sehen. Und es war nicht das erste Mal, dass Matthias für eine Niederlage büßte.

Einen Großteil davon hatte er John Sinclair zu verdanken, und mit jeder Sanktion, mit jeder neuen Strafe, die sich Luzifer in all seiner Grausamkeit ausdachte, wuchs der Hass des Höllendieners auf den Erzfeind.

»Versager!«

Die Stimme des absolut Bösen kam nicht allein aus dem riesenhaften Mund mit den hochmütig verzogenen Lippen. Sie drang von sämtlichen Seiten an Matthias' Gehör, hallte in seinem Schädel wider und erschütterte ihn bis in die Nervenenden.

Matthias wusste, dass es sinnlos war, dem gefallenen Engel zu widersprechen. Er würde seine Qualen damit höchstens forcieren, auch wenn es sich momentan nicht so anfühlte, als ob das überhaupt möglich wäre.

Doch Matthias stand lange genug in Luzifers Diensten, um zu wissen, dass in der Hölle keine Grenzen für die Leiden der Menschen existierten. Sie waren unendlich, und es gab immer eine Steigerung. Gnade hatte er nicht zu erwarten.

Und dennoch regte sich Widerstand in ihm. Ein beinahe kindlicher Trotz.

»Ich habe nicht versagt«, spie er zusammen mit weiteren Würmern heraus. Gleichzeitig verkrampften sich seine Eingeweide. Kolikartige Schmerzen beutelten den Höllensohn.

»Etwa nicht?«, drang eine Stimme von rechts an sein Ohr. Tief und grollend.

Aus dem Augenwinkel schob sich eine Gestalt in sein Blickfeld. Sie musste in den karstigen Spalten und Rissen der schroffen Felswand gelauert haben, die trichterförmig um ihn herum emporragte. Begleitet von schmutzig gelben, nach Schwefel und Fäulnis stinkenden Dämpfen, kroch die Kreatur auf ihn zu.

Matthias gefror das Blut in den Adern.

Es war eine riesige Spinne.

Ihr aufgeblähter Körper schimmerte milchig weiß und war mit bleistiftdicken, fingerlangen Borsten bewachsen. Fast lautlos kroch sie aus der Felsspalte. Nur begleitet von einem leisen Rascheln und Schaben, während sich die mehrfach abgewinkelten, meterlangen Beine über den felsigen Untergrund bewegten.

Kleinere Steine löste sich aus dem Verbund und kullerten den Abhang hinunter, bis sie gegen den zementartigen Kegel prallten, in dem Matthias steckte.

Zwischen den sich hypnotisch auf und ab bewegenden Tastbeinen hätte er eigentlich den abgerundeten Schädel mit den übergroßen Augen erkennen müssen. Stattdessen starrte er in eine dreckige, bärtige Fratze, aus deren Stirn zwei gekrümmte Hörner wuchsen.

Tückisch funkelten die Augen in dem ledrigen Antlitz, das Matthias nur zu gut kannte.

Es gehörte Asmodis, dem Fürsten der Finsternis. Besser bekannt als der Teufel oder Satan.

Matthias hatte mit seinem Erscheinen bereits gerechnet, denn Asmodis bildete ein Drittel Luzifers. Und auch die beiden Übrigen ließen nicht lange auf sich warten.

Von links erklang das Schlagen von Hufen.

Kurz darauf erschien eine abscheuliche Kreatur, halb Mensch, halb Ziegenbock. Der haarlose Rumpf mitsamt der Arme war menschlich, Beine und Kopf dagegen gehörten einer Ziege. Ein Umhang mit goldener Schließe lag über der Schulter, zwischen den Schenkeln pendelte ein übergroßer Phallus, der bis zu den Knien reichte. Die Augen in dem Ziegenschädeln glitzerten wie Edelsteine.

Das war Baphomet, der Dämon mit den Karfunkelaugen!

Jener unheilvolle Götze, dem die abtrünnigen Templer huldigten.

Fehlte noch Beelzebub.

Der Prinz der Dämonen zeigte sich ebenfalls in seiner Urform, als übergroße Fliege. Wahrscheinlich hatte Matthias ihm die Würmer und Maden zu verdanken.

Jeder dieser Teufel war ein Ausbund an Scheußlichkeit. Schlossen sie sich zusammen, wurden sie zu Luzifer, der einst als Gottes schönster Engel gegolten hatte.

Es kam eher selten vor, dass sie gemeinsam in Erscheinung traten. Meistens agierten sie für sich, verfolgten eigene Ziele oder intrigierten sogar gegeneinander.

Ging es jedoch darum, ihren ersten Diener zu bestrafen, vergaßen sie ihre Differenzen.

Das Leid ihrer Opfer und Untergebenen einte sie.

»Du hattest sie schon«, fuhr Asmodis fort. Meistens war er der Sprecher des Trios, was vermutlich daran lag, dass er sich selbst gerne reden hörte. »Du hattest Sinclairs Freunde in deiner Gewalt. Hier in der Hölle. Sogar Lilith hat dir geholfen.«

»Lilith hat mich im Stich gelassen. Und es war nicht das erste Mal. Sie hat bereits das Kometenfragment an sich genommen und es diesem Balg gegeben. Marylin Grey.«

Asmodis zischte abfällig. »Na und? Haben wir dir nicht genug Macht gegeben, damit du nicht auf irgendwelche Hilfsmittel angewiesen bist? Luzifers Kraft steht dir zur Verfügung, doch du bist zu schwach und jämmerlich, um sie zu nutzen.«

»Sinclair hatte Hilfe!«

Ein meckerndes Gelächter erklang. Es drang aus Baphomets Ziegenmaul. Wenig später fielen seine Brüder mit ein. Beelzebub stieß ein schrilles Geräusch aus, das in den Ohren schmerzte, während sich das Lachen von Asmodis wie Donnerschläge anhörte.

»Natürlich hatte er Hilfe. Damit hättest du rechnen müssen.«

»Es waren nicht nur seine Freunde oder die Erzengel. Es war dieser verfluchte Magier. Der Verräter. Und seine Schlampe Kara.«

Das Gelächter verstummte abrupt.

»Wir haben deine Ausreden satt«, brüllte Asmodis, und seine Augen loderten in einem unheiligen Feuer. Grünliche Flammen stoben mit jedem einzelnen Wort aus dem Maul, in dem die Stiftzähne wie die Zinken einer Harke glänzten.

Plötzlich bekam Matthias Angst. Todesangst.

Hatte er den Bogen überspannt? Hatte Luzifer die Geduld verloren?

Die Konsequenzen wären ewige Folter und Qualen. Oh nein, sie würden ihn nicht töten. Sie würden seine Seele nicht freigeben. Stattdessen würde er tausend Tod sterben, um tausend Mal wiedergeboren zu werden, damit der Kreislauf aus Schmerz und Angst niemals endete.

»Denkst du wirklich, du wärst unentbehrlich?«, grollte Asmodis. »Dass wir unsere Macht nicht auf jemand anderes übertragen könnten? Du bist zu selbstsicher geworden, zu arrogant. Und jetzt sieh dir an, was aus dir geworden ist. Jämmerlich.«

Das sagen die Richtigen, dachte Matthias zornig.

Als ob sie nur einen Deut besser gewesen wären. Im Gegenteil, auch sie waren bislang gescheitert, hatten bestenfalls kleine Siege errungen. Die großen Schlachten aber hatten die Erzengel und ihr Sohn des Lichts für sich entschieden. Und dafür wollten sie ihn verantwortlich machen?

»Tut ihr das nicht ständig?«, fragte er. »Schickt ihr nicht immer wieder Diener von euch aus, um die Menschen zu verführen, sie zu quälen und zu martern? Doch letztendlich scheitern sie alle. Ich mag vielleicht noch keinen entscheidenden Sieg errungen haben, aber der Krieg ist noch lange nicht vorbei. Und mit jedem Rückschlag, mit jeder Niederlage lerne ich den Feind besser kennen. Ihr aber solltet euch lieber Sorgen um diejenigen machen, die ihr für eure Verbündeten haltet.«

»Willst du uns drohen, du unverschämter Wicht?«, brüllte Asmodis.

Er kroch um Matthias herum, bis er direkt vor ihm stand. Der hinter ihm schwebende Beelzebub flog zur Seite. Die Teufel hatten quasi ihre Plätze getauscht.

»Nein, ich möchte euch bloß warnen.«

»Vor wem?«

»Das fragst ausgerechnet du?« Matthias' Lachen endete in einem erneuten Hustenanfall, mit dem er einen Schwall Maden ausspuckte. »Hat Lilith dir nicht seit jeher deine Hexen abspenstig gemacht? Die falsche Schlange macht mit Metatron gemeinsame Sache. Sie will den Engelstöter.«

Asmodis schnaubte. »Natürlich will sie den Engelstöter. Damit er dem Spuk nicht in die Hände fällt.«

»Das hat sie gesagt?«

»Du glaubst ihr nicht?«

»Du etwa?«

»Warum sollte sie lügen? Sie kann den Engelstöter nicht benutzen.«

»Aber Sinclair kann es. Und Metatron hat dem Sohn des Lichts schon früher geholfen.«

Die Fratze des Teufels schob sich noch näher an Matthias heran. »Du willst uns gegeneinander ausspielen, um deine jämmerliche Existenz zu retten.«

»Wenn du so überzeugt davon bist, dass ich mich irre, warum hörst du mir dann überhaupt zu?«

»Ja, warum eigentlich?«, zischte Asmodis, und öffnete das Maul.

Matthias' Augen weiteten sich. Riesengroß wuchs der Schlund des Höllenherrschers über ihm auf. Einen Wimpernschlag später spürte er, wie sich die Stiftzähne in das Schädelbein bohrten. Das Knirschen, mit dem sie sich durch den Knochen gruben, hörte sich an wie berstendes Gestein.

Grelle Schmerzen zuckten durch seinen Schädel.

Mit einem letzten gewaltigen Knacken erlosch die Welt um ihn herum. Endlose Schwärze fraß den Höllensohn.

Matthias starb ...

... und schlug mit einem Ruck die Augen auf.

Über sich eine weiß getünchte Wand, die in einem diffusen Grau verschwamm. Links neben sich entdeckte er eine Stehlampe mit Schirm, die den Raum in gedämpftes Licht hüllte.

Erstaunt stellte Matthias fest, dass er noch lebte.

Und nicht nur das, er lag auch in einem unverschämt weichen Bett, das zu einem Hotelzimmer gehörte. Das war an der schlichten, zweckmäßigen Einrichtung sofort ersichtlich.

Die bodenlangen Vorhänge waren zugezogen, trotzdem ging Matthias davon aus, dass draußen tiefste Nacht herrschte. Warum sonst hätte man das Licht einschalten sollen?

Obwohl das Zimmer über zwei zusammengeschobene Betten verfügte, wurde es offenbar nur von einer Person bewohnt. Die Liegestatt zu seiner Rechten war gänzlich unberührt, die Tages- und Bettdecke in seiner Hälfte, waren zurückgeschlagen.

Dass dies nicht seinetwegen geschehen war, hörte er an dem Rauschen, das durch die dünne Wand links von ihm drang. Dort stand jemand unter der Dusche.

Matthias ging davon aus, dass er nicht umsonst hierhergeschickt worden war. Und wenn er an die Unterredung mit Asmodis zurückdachte, dann musste der Grund dafür mit John Sinclair zusammenhängen.

Der Gedanke, dass sein ärgster Feind nur wenige Schritte neben ihm unter der Dusche stand, ließ Matthias wie an der Schnur gezogen auffahren. Dabei bemerkte er verblüfft, dass er vollkommen nackt war. Nackt und unversehrt. Keinerlei Fraßspuren oder Verletzungen verunzierten seinen Körper, die Haut war intakt.

Ein Grinsen legte sich auf seine Lippen.

Er schien überzeugender gewesen zu sein, als er gedacht hatte. Kaum anzunehmen, dass Asmodis oder Luzifer ihn nur deshalb verschont hatte, um ihn Sinclair zum Fraß vorzuwerfen.

Unwillkürlich tastete der Höllensohn seinen Kopf ab, doch auch der Schädel war unversehrt.

Plötzlich zuckte er zusammen. Das Rauschen der Dusche nebenan war verstummt. Nicht mehr lange, und die noch unbekannte Person würde den Schlaf- und Wohnraum betreten und ihn entdecken.

Matthias schwang die Beine aus dem Bett und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. An der gegenüberliegenden Wand, vor dem Fußende stand ein Schreibtisch, mit dem obligatorischen Flachbildfernseher. Daneben ein Wasserkocher. Mehrere Beutel mit Tee und Instantkaffee lagen ebenfalls bereit.

Luzifers erster Diener verzog das Gesicht. Hotelstandard, wie man ihn fast überall auf der Welt vorfand. Unmöglich, davon auf seinen Aufenthaltsort zu schließen. Es gab auch kaum persönliche Gegenstände in dem Zimmer. Bis auf die zerfledderte Taschenbuchausgabe eines US-amerikanischen Horrorschriftstellers. Natürlich in Englisch.

Matthias schnaubte verächtlich.

Er stand auf und sah sich selbst in dem Spiegel über dem Schreibtisch. Er lächelte zufrieden – und stutzte. Am Schrank links von ihm, hing ein Kleidungsstück.

Ein Blazer, der zu einer Art Uniform gehörte.

Matthias legte die Stirn in Falten und huschte darauf zu. Seine Hand hatte die dunkelblaue Jacke noch nicht berührt, als schräg hinter ihm die Tür zum Bad geöffnet wurde.

Eine Frau stand im Rahmen.

Tropfnasses dunkelbraunes Haar hing bis auf die entblößten Schultern hinab. Sie war ebenso nackt wie er. Wie gegen eine unsichtbare Wand geprallt, blieb die Fremde stehen und stieß einen erschreckten Schrei aus. Reflexartig versuchte sie, ihre Brüste und die Scham zu bedecken. Die blanke Panik flackerte in ihren haselnussbraunen Augen.

Matthias knipste sein freundlichstes Lächeln an und suchte Blickkontakt. »Guten Abend, unbekannte Schönheit. Ich freue mich darauf, Sie näher kennenzulernen.«

Allein mit den Blicken drängte er sie zurück. Lautlos folgte er ihr ins Bad, wobei er die Tür sachte hinter sich ins Schloss drückte.

»Daran könnte ich mich gewöhnen.«

Ich legte die Beine auf die hölzerne Umrandung, lauschte dem Rauschen der Brandung, dem Kreischen der Möwen und nippte an meinem Kaffee.

»Wem sagst du das?« Bill Conolly, der links neben mir auf der Bank saß, tat es mir gleich. Er lehnte sich zurück und seufzte behaglich.

Nur Suko, der rechts von mir die Beine lang machte, schwieg. Na ja, fast zumindest, denn aus seinem halb geöffneten Mund drang ein leises Schnarchen.

»Sag mal, schläft der etwa schon wieder?«, murmelte der Reporter.

»Ich schlafe nicht, ich meditiere«, erklärte Suko prompt.

»So, so. Meditation nennst du das. Und das von gestern Nacht waren vermutlich Karateübungen.«

Mein Partner hob ein Lid und blinzelte in die Sonne. »Woher weißt du das?«

Bill winkte ab. »John hat mir so einiges erzählt.«

»John ist eine Tratsche. Der sollte selbst viel mehr Karateübungen machen, dann wär er deutlich ausgeglichener.«

»John sitzt zwischen euch und kann euch hören«, erinnerte ich meine Freunde. »Und was deine Karateübungen angeht: Meinst du, ich sollte Shao mal fragen, ob sie mir Nachhilfe gibt?«

»Das solltest du besser Glenda fragen«, erwiderte mein Partner.

»Was soll er mich fragen?«

Meine Assistentin trat neben uns durch die offene Tür des Strandbungalows. Sie trug eine Sonnenbrille, einen Strohhut und ein hauchzartes Strandkleid, unter dem sich der schwarze Bikini abmalte. Sie war barfuß.

»John möchte von dir Nachhilfe in Karate haben«, petzte Suko.

Glenda runzelte die Stirn. »Solltest du ihm die nicht lieber erteilen?«

Seine Augen weiteten sich. »Auf keinen Fall!«

»Okay«, dehnte sie und hob die Hände. Irritierte blickte sie uns der Reihe nach an. »Dann frag eben Shao.«

»Siehst du?«, sagte ich zu Suko. »Selbst Glenda will, dass ich Shao frage.«

»Was sollst du mich fragen?«

Shao erschien auf der Veranda, in Shorts und einem T-Shirt, das mindestens zwei Nummern zu groß war. Eine Schulter lag frei, die Haare hatte sie hochgesteckt. Auch sie trug einen Bikini, dessen Oberteil im Nacken verknotet war.

»Äh, ob du ...« Ich warf Suko einen verunsicherten Blick zu. Der machte eine auffordernde Geste. »Ob du ... also ...«

Glenda stöhnte genervt. »Er will, dass du ihm Karateunterricht gibst.«

»Warum nicht?« Sie zuckte mit den Achseln. »Aber erst wenn wir wieder in London sind. Und dann sind zunächst mal Cathy und Johnny an der Reihe!«

Bill spuckte seinen Kaffee im hohen Bogen über die Veranda. Glenda und Shao gelang es im letzten Augenblick, auszuweichen.

»Sag mal, geht's dir nicht gut?«, erkundigte sich Sheila, schräg hinter ihm.

Der Reporter hustete. »Wusstest du, dass Shao unserem Sohn Karateunterricht gibt?« Das Wort Karateunterricht setzte er in imaginäre Gänsefüßchen.

»Klar, das war doch meine Idee«, entgegnete sie lakonisch. »Eigentlich macht sie es nur mit Cathy, Emma und Marisa. Aber ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn Johnny auch dabei ist. Vielleicht kann er noch was lernen.«

»Davon bin ich überzeugt«, murmelte ich, wofür mir Suko prompt einen Klaps auf den Hinterkopf verpasste.

»Seid ihr dann endlich so weit?«, fragte Sheila.

»Schon lange«, antwortete Bill und erhob sich als Erster.

Wir waren bei Rudy Grenville und seiner Freundin Chloe zum Brunchen verabredet. Es sollte unser Abschiedsessen werden. Noch heute Abend würden wir zurück nach London fliegen. Hinter uns lagen sechs erholsame, aber auch aufregende Tage, denn unsere Freunde Abe Douglas und Stephanie Kruger hatten endlich geheiratet!*

Ja, ihr habt richtig gelesen.

Der ewige Junggeselle war in den sicheren Hafen der Ehe eingelaufen, und meiner Meinung nach hätte er dafür keine Bessere als Stephanie finden können. Zumal sich die beiden unter höchst widrigen Umständen kennengelernt hatten.*

Was als Romanze begonnen hatte, war rasch zu einer festen Beziehung geworden, aus der bereits ein Kind hervorgegangen war. Patricia Douglas hieß das Mädchen, das nicht nur die Herzen seiner Eltern und Großeltern im Sturm erobert hatte, sondern auch die des gesamten Sinclair-Teams, was nicht allein dem Umstand geschuldet war, dass wir bei der Geburt anwesend gewesen waren.