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Ein Albtraum wurde Wirklichkeit.
Dort standen zwölf Gerippe. Skelette, die einst lebendige Menschen gewesen waren, und die durch eine furchtbare Magie zu einem untoten Leben erwacht waren.
Die Skelette waren nämlich keineswegs auf natürlich Weise entstanden. Es waren die Opfer einer dämonischen Kreatur von gigantischer Größe, die in dem Gewölbe lauerte, das die Ausmaße eines Flugzeughangars hatte.
Wie alt die Bestie war, konnte niemand genau sagen. Sicher war nur, dass bereits die Kelten sie gekannt hatten. Und sie hatten ihr sogar einen Namen gegeben.
Marbhàs, der Unersättliche ...
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Der Unersättliche
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Der Unersättliche
(Teil 2 von 2)
von Ian Rolf Hill
Für Marisa Douglas wurde ein Albtraum Wirklichkeit.
Vor ihr standen zwölf Gerippe. Skelette, die einst lebendige Menschen gewesen waren und die durch eine furchtbare Magie zu einem untoten Leben erwacht waren.
Die Skelette waren nämlich keineswegs auf natürlich Weise entstanden. Sie waren die Opfer einer dämonischen Kreatur von gigantischer Größe, die hinter Marisa in dem Gewölbe lauerte, das die Ausmaße eines Flugzeughangars hatte.
Wie alt die Bestie war, konnte niemand genau sagen. Sicher war nur, dass bereits die Kelten sie gekannt hatten. Und sie hatten ihr sogar einen Namen gegeben.
Marbhàs, der Unersättliche ...
Ein menschenfressender Götze, der vor über tausend Jahren von den Bewohnern eines Dorfes an der schottischen Ostküste beschworen worden war, um ihnen gegen die einfallenden Wikinger beizustehen.
All dies war Marisa Douglas bekannt.
Sie hatte Marbhàs sogar schon zu Gesicht bekommen. Damals noch als magische Projektion. Jetzt aber war er leibhaftig zurückgekehrt, entstanden aus dem puren Glauben seiner Anhänger, den sich eine Gruppe fanatischer Wissenschaftler zunutze gemacht hatte, die sich die Visionäre nannten.
Und einer von ihnen, Dr. Cybill Ashton, war es sogar gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem man Marbhàs, den Unersättlichen, kontrollieren und lenken konnte wie einen dressierten Kampfhund.
Einen Kampfhund von der Größe eines Einfamilienhauses, versehen mit zehn spinnenartigen Gliedmaßen, von denen zwei in skorpionartigen Scheren endeten, mit denen Marbhàs seine Opfer packte, um sie zu verschlingen. Nur die Knochen konnte er nicht verdauen, weshalb er sie wieder ausspie. Dabei infizierte er das Gebein mit einem magischen Keim, einem Teil seiner selbst, damit das Skelett auferstehen und in seinem Namen Angst und Schrecken verbreiten beziehungsweise ihm neue Opfer zuführen konnte.
Und eines dieser Opfer hing zwischen den Knochenfingern der beiden vorderen Gerippe. Es hörte auf den Namen Sebastian Walcott. Der junge Mann war zur selben Zeit wie Marisa entführt und mit ihr zusammen in diesen Bunker gebracht worden, von dem sie nicht mal genau wusste, wo er sich befand. Irgendwo am Meer, aber das konnte praktisch überall sein.
Aufgrund der relativ kurzen Anreise per Fahrzeug und Schnellboot tippte Marisa auf die Niederlande, Belgien oder Frankreich. Möglicherweise die Normandie.
Aber das war momentan ohnehin zweitrangig.
Marbhàs, seine Herrin Cybill Ashton und ihr Gefangener waren wichtiger. Letzteren hatte sie mit dem albernen Namen Professor Snake tituliert, ein Hinweis darauf, dass er selbst den Visionären angehörte, bei denen es offenbar zum guten Ton gehörte, sich trashige Pseudonyme zu geben.
Cybill Ashton beispielsweise nannte sich Madame Monster. In Anbetracht der Scheußlichkeit hinter Marisa ein ziemlich treffender Name.
»Nun, Professor Snake«, begann Dr. Ashton das Verhör. »Wollen Sie unserer jungen Freundin selbst über Ihre Identität aufklären?«
Die Angst stand dem Mann ins Gesicht geschrieben. Seine Augen waren gerötet, die Lippen blutleer. Rötlich blondes Haar wuchs wie ein Flaum auf dem ovalen Schädel. Ein beißender Uringeruch ging von ihm aus. Bislang hatte ihm niemand die Gelegenheit gegeben, die Wäsche zu wechseln. Er war noch recht jung, höchstens Anfang dreißig.
Schüchtern wich er Marisas Blick aus. Dafür regte sich fast schon kindlicher Trotz, als er sich an seine Peinigerin wandte.
»Damit kommen Sie nicht durch.«
Irritiert schüttelte Cybill Ashton den Kopf und breitete die Arme aus. »Ja, aber das bin ich doch schon. Was meinen Sie denn, was passiert? Dass die Kavallerie kommt, um Sie zu retten? Oder dass sich irgendwer dafür interessiert, wo Sie abgeblieben sind? Sie überschätzen Ihren Wert für diese Organisation, verehrter Kollege. Obwohl wir Ihnen natürlich für Ihre großzügige Spende danken. Schon witzig, wie? Im Prinzip haben Sie Ihre Entführung selbst finanziert.«
»Sie ... Sie sind ja wahnsinnig.«
»Sagt der Mann, der Menschen mit Hilfe eines Serums in Echsen verwandeln wollte.«
Marisa horchte auf. »Was?«
»Ja, das hat er dir natürlich nicht erzählt. War ja klar.« Cybill Ashton schritt in den Pulk der Skelette hinein, an dem Gerippe, das Walcotts linken Arm festhielt, vorbei.
Hinter dem Gefangenen blieb die Wissenschaftlerin stehen. Über seine Schulter hinweg, starrte sie Marisa an.
»Nun los doch, Professor Snake. Erzählen Sie Ihrer neuen Freundin von dem Elixier, das Sie aus der Gewebeprobe des Echsengottes extrahiert haben.«
Marisa Douglas glaubte, sich verhört zu haben. Der Echsengott!
Der Begriff war ihr nicht unbekannt. Sie selbst hatte den Angriff dieses Gebirges aus urzeitlichem Protoplasma auf dem conollyschen Anwesen hautnah miterlebt.* Sie hatten das Kapitel für abgeschlossen gehalten. Und jetzt, so ganz nebenbei, erfuhr sie, dass es eine Organisation gab, der es gelungen war, an Zellmaterial des Schleims zu kommen, der die Fähigkeit besaß, die menschliche DNA umzuschreiben?
Das war im wahrsten Sinn des Wortes ungeheuerlich.
»Stimmt das?«, krächzte sie.
Walcott schüttelte den Kopf. »G...glaub ihr kein Wort. Sie lügt. Sie ...«
»Warum sollte sie das denn tun?«, fragte Cybill Ashton, und fuhr damit fort, von sich in der dritten Person zu sprechen. »Das hat sie doch gar nicht nötig. Obwohl sie zugeben muss, dass sie die Grundidee gar nicht verkehrt findet. Also Professor Snake ... wo haben Sie das Serum versteckt?«
»Das ...«
Marisa konnte deutlich sehen, wie er sich im letzten Moment auf die Unterlippe biss und ihr einen schuldbewussten Seitenblick zuwarf. Ihr stieg das Blut in den Kopf.
»Sie mieser, kleiner Wichser!«
Cybill Ashton klatschte in die Hände. »Jawohl, genauso ist es. Unser lieber Freund Sebastian ist ja nicht umsonst Biochemiker. Und ein ziemlich Guter sogar. Leider hat er ein sehr schwaches Selbstbewusstsein. Ja, man könnte sogar sagen, dass er eine stark ausgeprägte narzisstische Persönlichkeit hat.«
Marisa verkniff sich die Bemerkung, dass er nicht der Einzige in diesem Raum war, auf den das zutraf.
»Ich frage Sie also noch einmal, Mister Walcott: Wo ist das Serum?«
Professor Snake überlegte nicht lange. »Lassen Sie mich gehen, dann verrate ich es Ihnen!«
»Oh, da hat wohl jemand seine Eier wiedergefunden. Wirkt mit vollgepisster Hose leider nicht sehr überzeugend. Ich bin sicher, wir finden eine andere Lösung.«
Madame Monster klopfte dem Mann auf die Schulter und ging zurück zu Marisa. »Du wolltest wissen, wie es mir gelungen ist, Marbhàs zu kontrollieren.«
Die junge Frau nickte zögernd. Natürlich war Marisa neugierig, aber sie hatte auch eine Heidenangst. Angst vor dem, was Cybill Ashton ihr zeigen würde.
Ihr diabolisches Lächeln ließ jedenfalls nichts Gutes ahnen.
»Bringt Walcott zurück in seine Zelle.«
Die Skelette gehorchten aufs Wort. Selbst das Gerippe, das von dem Söldner Sochor übriggeblieben war, schloss sich ihnen an. Zurück blieben Marisa, Dr. Cybill Ashton und die beiden schweigsamen Männer, die von Marbhàs in Menschen verwandelt worden waren.
Endlich lösten sie ihre schraubstockartigen Griffe von Marisas Armen, die der Wissenschaftlerin auf Cybills Wink hin folgte. Madame Monster ging hinter den Skeletten her. Statt nach rechts wandte sie sich jedoch zur linken Seite.
»Wie groß ist diese Anlage?«
»Oh, sie ist gewaltig. Der ursprüngliche Bunker hat gerade mal für die Gefängniszellen und meine privaten Räumlichkeiten gereicht.«
»Moment mal, wollen Sie damit sagen, dass Sie hier wohnen?«
»Mach dich nicht lächerlich. Aber ich kann ja schlecht jeden Tag nach Hause fahren. Vor allem jetzt nicht, wo meine Forschungen in eine entscheidende Phase eintreten.«
Marisa musterte ihre beiden Bewacher.
»Wie ist das eigentlich mit den restlichen Skeletten? Könnten sie auch wieder in Menschen zurückverwandelt werden?«
Dr. Ashton blieb vor einer weiteren Metalltür stehen, die ebenfalls mit einem elektronischen Schloss gesichert war. Sie hob das Kinn und blickte zur Decke hinauf. »Das ist eine wirklich gute Frage. Spontan hätte ich gesagt: Warum nicht? Was meinst du, Ulik?«
Einer der Vierschrötigen grunzte. »Niemals. Keiner von denen hat wirklich an Marbhàs geglaubt. Es sind bloß Opfer.«
Cybill Ashton schürzte die Unterlippe. »Interessant. Aber was bedeutet es eigentlich, an Marbhàs zu glauben? Reicht es, seine Existenz anzuerkennen? Das tut doch im Prinzip jeder, der ihn zu Gesicht bekommt. Spätestens, wenn er von ihm verschlungen wird. Oder ist dafür ein bestimmtes Ritual nötig? Eine Art Weihe?«
»Du musst dich Marbhàs freiwillig hingeben. Ihm dein Fleisch zum Geschenk machen«, sagte der andere Mann. Er sah Ulik so ähnlich, dass Marisa ihn für seinen jüngeren Bruder oder gar seinen Sohn hielt.
»Selbstmord im Namen des Unersättlichen«, sinnierte Madame Monster und öffnete die Tür. »Faszinierend. Wir sollten das im Hinterkopf behalten, Marisa.«
Der angehenden Psychologin war die vertraute Ansprache keineswegs entgangen. Cybill Ashton behandelte sie längst nicht mehr wie eine gewöhnliche Gefangene, sondern mehr wie eine Studentin, ja, fast schon Kollegin. Sie beschloss, das für ihre Zwecke auszunutzen.
Es musste ihr lediglich gelingen, eine Nachricht nach London zu schmuggeln. Entweder zu ihrer Freundin Emma oder direkt zu John Sinclair, beziehungsweise Suko. Nur musste sie dafür eben wissen, wo sie sich befand.
Noch zögerte Marisa, ihrer Gastgeberin diese Frage zu stellen. Sie musste warten, bis das dünne Band des Vertrauens, das im Begriff war, zwischen ihnen zu entstehen, fest genug war, und durfte es nicht durch Ungeduld strapazieren. Zerriss es, war ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert.
Dr. Ashton zerrte die Tür auf. Ein Schwall kühler, trockener und aseptisch riechender Luft wehte Marisa entgegen. Der Geruch von Desinfektionsmitteln kitzelte ihre Nase.
Es roch wie in einem OP!
Das Geräusch ihres klopfenden Herzens vermischte sich mit dem Stampfen, Rattern und Summen zahlloser medizinischer Apparate.
Vor ihr erstreckte sich ein langgezogener Raum, deutlich kleiner als der Hangar, in dem Marbhàs hing. An den Wänden reihten sich vollautomatisierte Pflegebetten aneinander, die allesamt belegt waren. Belegt, mit Menschen, die auf Wechseldruckmatratzen ruhten, damit sie sich nicht wund lagen. Von diesen Matratzen stammte auch ein Großteil der stampfenden und ratternden Geräusche, die beinahe ohrenbetäubend laut waren.
Hinzu kam das enervierende Summen, von dem Marisa Zahnschmerzen bekam.
Auffallend war, dass die Kopfenden der Betten nicht zur Wand zeigten, sondern in die Mitte des Raumes. Über den Fußenden waren winzige Überwachungsmonitore angebracht.
Keiner der Menschen bewegte sich. Wie tot lagen sie in den Pflegebetten. Oder als befänden sie sich im Koma. Marisa konnte nur hoffen, dass es so war, denn das, was Dr. Cybill Ashton ihnen angetan hatte, war so menschenverachtend und grausam, dass sie den Schrei des Entsetzens nicht zu unterdrücken vermochte.
Emma Graham fuhr schweißgebadet in ihrem Bett hoch.
Das T-Shirt klebte an ihrer Brust, die sich unter keuchenden Atemzügen hob und senkte. Fahrig wischte sich die junge Frau durch das Gesicht. Die Haut war nass von all den Tränen, die sie im Schlaf vergossen hatte.
Zum Glück brannte die Nachttischlampe neben dem Bett. Wäre sie in vollkommener Dunkelheit aufgewacht, hätte sie mit Sicherheit eine Panikattacke bekommen. So aber sah sie sofort, wo sie sich befand: Nämlich in ihrem Zimmer der Wohnung, die sie sich mit ihrer Schwester Cathy teilte.
Und die war es auch, die jetzt die Tür aufstieß.
Sie trug eine Pyjamahose, ein dünnes Trägertop und eine Strickjacke.
»Emma! Himmel, was ist los? Hattest du einen Albtraum?«
Die junge Frau nickte wortlos, sprechen konnte sie noch nicht. Sie stand viel zu sehr unter dem Eindruck des Erlebten.
Als sie den Kopf hob, sah sie den Schatten von Johnny Conolly an der Tür stehen, nur mit Shorts und T-Shirt bekleidet. Der Freund ihrer Schwester blickte besorgt drein, hielt sich aber zurück, wofür ihm Emma insgeheim dankbar war.
Cathy setzte sich zu Emma auf die Bettkante und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Anschließend griff sie nach der Wasserflasche, die neben dem Bett am Boden stand. Sie drehte den Verschluss ab und drückte ihrer Schwester die Flasche zwischen die Finger.
Emma musste sie mit beiden Händen festhalten, so sehr zitterten sie. Sie trank in gierigen Schlucken, bis die ohnehin nur halb gefüllte Flasche leer war.
Schließlich hatte sie sich weit genug beruhigt, um sprechen zu können.
»Ich ... ich glaube, ich ... habe Marisa gesehen.« Im selben Moment schüttelte sie den Kopf und schlang die Arme um ihren Oberkörper. »Nein, nicht Marisa. Durch ihre Augen.«
Emma bemerkte den knappen Blick, den Cathy und Johnny wechselten. Plötzlich war sie froh, dass sie hier waren. Sie würden ihr glauben, denn ihre Schwester besaß dieselben Fähigkeiten. Damals, als sie in die Fänge dieses teuflischen Harlekins geraten war, war es Cathy gewesen, die Visionen von ihrem Martyrium gehabt hatte.
»Was hast du gesehen?«, fragte Cathy mit sanfter Stimme. Zärtlich streichelte sie Emmas Unterarm. Die Berührung tat gut, obwohl es ihr lieber gewesen wäre, es wären Marisas Finger.
»Ich ... ich habe Menschen gesehen. Sie lagen in Betten in einem großen Raum.«
»Wie viele waren es?«
»Mindestens zehn ... eher zwanzig ...« Sie schluckte. »Gott, es war so schrecklich. Sie ... sie sahen aus wie tot.«
»Konntest du etwas von der Umgebung erkennen?«, meldete sich Johnny von der Tür her.
»Der Raum war groß und kahl. Keine Fenster. Über den Betten hingen Monitore. Auf dem Boden, in der Mitte, lagen ... Kabel.«
»Ein Krankenhaus?«
»Weiß nicht. Ich ... ich kann mich nicht erinnern. Es ist ...« Ihre Augen weiteten sich, als sie plötzlich von der Erinnerung überrollt wurde. Sie zitterte am ganzen Leib. »Die Kabel ... sie ... sie ...«
»Was ist mit den Kabeln?«, hakte Cathy nach.
Emma senkte den Kopf und schluchzte. »Es ist grauenhaft.«
Ihre Schwester ergriff sie an den Schultern und drückte sie zurück. »Emma, was ist mit den Kabeln?«, drängte sie. »Du musst es mir sagen, verstehst du? Es ist wichtig. Für Marisa!«
Sie nickte und beobachtete, wie Johnny sich abwandte und kurz darauf mit einer Packung Taschentücher zurückkehrte, die er seiner Freundin überreichte. Cathy öffnete sie und zupfte ein Papiertuch hervor, das sie ihrer Schwester gab.
Emma schüttelte es auseinander und schnäuzte sich.
»Die Kabel ... sie führen hinauf zu den Betten. Zu den Köpfen der Menschen.«
»Sie wurden also verkabelt«, schloss Johnny. »Wie bei einem EEG.«
»Nein!«, heulte Emma auf. »Nicht so.«
»Wie denn dann?«, erkundigte sich Cathy irritiert. »Werden den Leuten Elektroschocks verpasst?«
»Nein, nein, nein«, rief Emma aufgebracht. »Schlimmer, viel schlimmer. Die Kabel ... sie ... sie sind direkt mit den Gehirnen verbunden. Den Menschen ... ihnen wurden die Schädel aufgesägt.«
»Mein Gott, was ... warum haben Sie das getan?«
»Ist das nicht offensichtlich, meine Liebe? Oder sollte ich mich am Ende doch in dir getäuscht haben? Du wolltest doch wissen, wie es mir möglich ist, Marbhàs zu steuern. Und hier ist die Antwort. Ich nenne es den Maschinenraum. Aber wenn dir das eine zu mechanistische Sichtweise ist, kannst du es auch gerne das Gehirn von Marbhàs nennen.«
Cybill Ashton kicherte auf eine Weise, bei der es Marisa kalt den Rücken hinunter rieselte. Dass sie verrückt war, war Marisa schon vorher klar gewesen. Doch wie weit ihr Wahnsinn reichte, übertraf ihr Vorstellungsvermögen.
Es fiel Marisa zunehmend schwerer, die Fassade aufrechtzuerhalten. Am liebsten wäre sie der Ashton an die Kehle gesprungen.
»Was du hier siehst, sind die letzten Bewohner von Cluresey. Wie du weißt, konnten nicht alle gerettet werden. Damit wurde es für Marbhàs zunehmend schwerer, sich zu manifestieren. Was ich getan habe, ist im Prinzip ganz einfach. Ich musste lediglich sicherstellen, dass die Gehirne sich ausschließlich mit ihrem Götzen beschäftigen.«
»Also haben sie sie ins Koma gelegt und ihnen die Schädel aufgesägt?«
»Ja, aber sicher. Wie sich herausstellte, zeigte die direkte, unmittelbare Stimulation der rechten Gehirnhälfte und des Nucleus accumbens, also des Belohnungszentrums, Wirkung. Wie bei Fanatikern nun mal so üblich, dreht sich ihr gesamtes Denken und Fühlen um das Objekt ihrer Anbetung. Warum also noch wertvolle Kapazitäten mit Nahrungsaufnahme, Schlaf oder anderem nichtigen Zeug vergeuden? Durch diese Menschmaschinen bin ich in der Lage, Marbhàs jederzeit entstehen oder sogar dauerhaft im Hier und Jetzt zu halten. Und ...« Sie hob den Zeigefinger. »Ihn sogar zu steuern.«
Marisa ließ den Blick über die komatösen Menschen schweifen.
Die Frauen und Männer lagen in Reih und Glied wie Puppen in den Pflegebetten. Die Kopfteile leicht erhöht, Arme und Beine fixiert. Aus den Mündern ragten Beatmungsschläuche, die Lider waren geschlossen. Am schrecklichsten aber war der Anblick der freigelegten Gehirne.
Feucht schimmerten die grauen Windungen in den geöffneten Häuptern. Und in jedem einzelnen von ihnen steckten vier Metallkanülen, an denen Kabel befestigt waren, die wie die Leiber toter Schlangen über die Kopfenden hinausragten und bis auf den Boden hinunter reichten.
Von dort führten sie durch den Mittelgang bis ans Ende des Raums, wo sie in einer Konsole verschwanden, die an ein altmodisches Switchboard erinnerte, wie es in alten Filmen zu sehen war, wenn die Telefonistin eine Verbindung zwischen zwei Teilnehmern herstellte.
Cybill Ashton hatte Marisas Blick bemerkt. »Das ist die Schnittstelle. Diese Anlage stimuliert nicht nur die obligatorischen Hirnareale, sie speichert auch die entsprechenden Wellen und wertet sie aus.«
»Doktor Ashton, soll das bedeuten, dass jede von Marbhàs' Bewegungen eine bestimmte Hirnwelle erzeugt, die Sie kopieren, um die gewünschte Reaktion hervorzurufen?«
»Vereinfacht gesagt, ja.«
»Und was ist, wenn das Gerät mal ausfällt? Oder kaputtgeht?«