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Als FBI-Agent Abe Douglas der Spur der mysteriösen Bärenkreatur des Mount Shasta folgt, sieht er sich auf einmal von Werwölfen umzingelt und muss ums nackte Überleben kämpfen. Und dann ist da noch Hank Solomon, der Agent der NSA, der sein eigenes Spiel treibt und nicht wirklich der ist, der zu sein er vorgibt!
Währenddessen muss John Sinclair ein Bündnis mit der Werwölfin Morgana Layton schließen, doch ob er ihr vertrauen kann, ist überaus fraglich. Als sie schließlich den Mount Shasta erreichen und sogar in sein Inneres vordringen, enthüllen sich John ein paar erschütternde Geheimnisse, die nicht nur Morgana betreffen ...
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Seitenzahl: 138
Cover
Der Götterbär
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Der Götterbär
(Teil 2 von 2)
von Ian Rolf Hill
25. Mai 1579
Sir Francis Drake ließ den Blick schweifen.
Selten hatte er ein schöneres Land gesehen. Turmhohe Bäume, unter denen sich kleinere Stämme erhoben, bewachsen mit saftigen Früchten. Zwischen denen wiederum wuchsen üppige Sträucher, Farne und Gräser.
Bienen und andere Insekten umschwirrten die Männer der Golden Hinde, die auf Drängen ihres Gastes, dem geheimnisvollen Arkadier, hier an Land gegangen waren.
Drake bereute diese Entscheidung nicht eine Sekunde lang.
Das hier war ein Paradies!
Ein Paradies, das er im Namen seiner Königin, Elisabeth I., in Besitz genommen hatte.
Und er benannte es nach ihrer Heimat, die auch die seine war.
Nova Albion. Das neue England.
Der Kapitän der Golden Hinde, in dem viele bloß einen Freibeuter und Piraten sahen, war so fasziniert, dass er sich nicht daran störte, dass der Arkadier die Führung übernahm.
Vor nunmehr vier Monaten hatten sie ihn in Südamerika an Bord genommen, wo er angeblich unter Kannibalen gehaust hatte. Eine Geschichte, die unter der abergläubischen Mannschaft für Aufruhr gesorgt hatte. Umso mehr, nachdem es an Bord der Golden Hinde zu einigen mysteriösen Todesfällen gekommen war.
Zuerst hatte jemand der Schiffskatze Hicks das Fell abgezogen. Der Körper des gehäuteten Tiers blieb unauffindbar. Im Anschluss hatte es vier Freitode gegeben, und ein weiterer Mann war vermutlich von einem der Selbstmörder getötet worden, der offenkundig wahnsinnig geworden war.
Die Mannschaft einschließlich des Ersten und Zweiten Maats hatten den Arkadier dafür verantwortlich gemacht, da dieser angeblich mit finsteren Mächten in Verbindung stand.
Sir Francis Drake und sein Erster Offizier Lord Atherton hatten das für Unsinn gehalten, und sie sahen sich bestätigt, als dann der Erste Maat Stevenson komplett durchgedreht war. Bei dem Versuch, ihn zu bändigen, hatte er mehrere Männer verletzt. Zu dieser Zeit hatte der Arkadier in der Brig eingesessen.
Daraufhin hatten Drake und Atherton beschlossen, ihm eine zweite Chance zu geben. Eine Entscheidung, die nicht alle Besatzungsmitglieder guthießen.
Henry Thornton, der Zweite Maat, und ein Matrose hatten sogar versucht, den Arkadier während der Nachtwache zu ermorden. Der Fremde jedoch hatte den Spieß, den ihm die Männer durch die Brust treiben wollten, buchstäblich umgedreht. Mithilfe des Matrosen Finnegan hatte der Arkadier den Anschlag überlebt, Thornton ins Meer gestürzt und seinen Helfer getötet.
Eine Beförderung zum Ersten Maat hatte er selbst höflich abgelehnt und Finnegan für den Posten vorgeschlagen. Stattdessen hatte der Arkadier darum gebeten, von Bord gehen zu dürfen, und um eines der Beiboote gebeten.
Sir Francis Drake hatte zugestimmt. Allerdings unter der Bedingung, dass er den Arkadier persönlich an Land brachte. Und das hatten er und ein paar seiner Männer getan. Mit zwei Booten und insgesamt sechzehn Matrosen.
Einige von ihnen waren wie Lord Atherton mit Arkebusen bewaffnet, doch angesichts dieser idyllischen Landschaft konnte sich Drake nicht vorstellen, dass sie die Gewehre würden benutzen müssen.
Es kursierten zwar immer wieder Geschichten über Stämme von Wilden, die barbarischen Riten frönten und Menschenfleisch verschlangen, doch in den anderthalb Jahren auf See waren sie noch nie einem solchen Stamm begegnet.
Drake befehligte eine Flotte von insgesamt fünf Schiffen, die auf Geheiß von Königin Elisabeth die Welt auf der Suche nach der Nordwestpassage umsegelte. Dank eines Kaperbriefs, ausgestellt von der Königin persönlich, durfte er dabei jedes spanische Schiff, das seinen Weg kreuzte, entern und die Ladung an Bord konfiszieren.
»Sir, der Arkadier ist verschwunden!«
Die Meldung von Lord Atherton kam für Drake überraschend. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er nicht länger auf den Arkadier geachtet hatte.
Der Erste Offizier kam den schmalen Pfad entlanggeeilt, das Gesicht vor Scham leicht gerötet, sein Atem ging schnell.
»Wie konnte das geschehen?«
»Er rannte einfach in den Wald hinein, und ehe wir uns versahen, war er im Unterholz verschwunden.«
»Zeigen Sie mir die Stelle!«
Drake folgte Atherton den Pfad entlang zu einer Gabelung. Es war schwer zu sagen, ob es sich um einen von Menschenhand angelegten Weg handelte oder einen Wildwechsel.
Drake starrte auf eine Wand aus Ästen, Zweigen und Blättern, die raschelten, als er sich ihnen näherte. Die Mündungen der Arkebusen richteten sich auf das Dickicht, das sich im nächsten Moment teilte.
Sir Francis Drake blieb stehen und legte die Hand auf den Griff des Säbels.
Vor ihm aus dem Unterholz brach ein gewaltiger Bär und richtete sich drohend vor ihm auf.
Gegenwart
Abe Douglas rutschte das Herz in die Hose.
Er dachte überhaupt nicht daran, die Pistole zu ziehen. Er hatte nur Augen für den Grizzly, der vor ihm stand und mit den Pranken nach ihm schlug.
Abe schoss durch den Kopf, was er über Verhaltensweisen im Falle einer Bärenbegegnung wusste. Keine Aggression zeigen. Keine hektischen Bewegungen machen. Auf keinen Fall davonlaufen und am besten tot stellen!
Es fiel Abe nicht schwer, diese Ratschläge zu befolgen, bis auf letzteren vielleicht. Ihm schlotterten die Knie, ansonsten war er unfähig, sich zu rühren. Starr vor Entsetzen schaute er auf das massige Raubtier, das ihn um wenigstens einen halben Meter überragte und ein donnerndes Gebrüll ausstieß, über das Abe fast Cranstons Kommentar überhörte.
»Denken Sie nicht mal daran! Es sei denn, sie wollen sich eine Ladung Schrot einfangen!«
Es dauerte einige Sekunden, bis Abe begriff, dass nicht er gemeint war, sondern vermutlich Solomon oder Sheriff Barker. Was hinter ihm vor sich ging, konnte Abe nicht sehen, er hörte lediglich das charakteristische Ratschen, mit dem eine Pumpgun durchgeladen wurde.
Er traute sich nicht, einen Blick über die Schulter zu werfen. Sein Augenmerk galt allein dem Grizzly, dessen Wut urplötzlich verrauchte. Zuerst ließ er die Schultern hängen, dann sank er auf die Vorderläufe. Dennoch war Abe meilenweit davon entfernt, sich zu entspannen.
Sein Puls raste, er war in Schweiß gebadet und zuckte zurück, als der Bär unvermittelt seinen Kopf in den Nacken warf, ein schrilles Röhren ausstieß und sich herumwarf.
»Was ...?«, vernahm Abe die Stimme eines fremden Mannes.
Er drehte sich um und starrte auf Solomons Rücken, der Cranston und einen weiteren jungen Mann anschaute. Der hielt eine Flinte auf den NSA-Agenten gerichtet, deren Lauf zitterte.
Der Bursche sah aus, als stünde er kurz davor, abzudrücken.
Solomon hielt zwar ebenfalls eine Waffe in der Faust doch die Mündung der Pistole zeigte zu Boden. Er würde sie nie rechtzeitig in Anschlag bringen können. Und auf diese Distanz konnte Cranstons Freund den Agenten einfach nicht verfehlen.
Sheriff Barker versuchte zu intervenieren. »Lass den Quatsch, Barney! Mach dich nicht unglücklich!«
Der Bursche namens Barney war allerdings nicht für gute Argumente empfänglich. Sein Gesicht war aschfahl, die Haut glänzte wie frischer Speck, seine Augen flackerten, die Unterlippe zitterte.
Barker trat einen Schritt auf Barney zu, der die Schrotflinte herumschwenkte.
»Sagen Sie mir nicht, was ...«
BAMM!
Die Kugel durchschlug Barneys Schädel!
Steif wie ein Brett kippte er um und blieb vor Rob Cranston liegen, der für eine Sekunde auf die Leiche seines Freundes starrte. Dann wirbelte er herum und stürmte in den Wald.
Abe war fassungslos. Ebenso wie Eugen Barker.
Die beiden Männer sahen die Pistole in Solomons ausgetreckter Faust. Ein dünner Rauchfaden kräuselte aus der Mündung.
»Das ... war unnötig«, murmelte der Sheriff. »Der ... der Junge hatte doch bloß Angst.«
»Genau das machte ihn unberechenbar«, erwiderte Solomon. »Er hätte Sie erschossen, Sheriff.«
»Sie hätten ihn kampfunfähig schießen können«, krächzte Abe.
Solomon trat einen Schritt zur Seite und drehte sich zu dem G-man um. »Ach, Sie sind ja auch noch da«, sagte er in süffisantem Tonfall. »Nun, allzu viel haben Sie zur Lösung des Problems ja nicht beigetragen. Und ein Schuss ins Bein hätte die Lage vermutlich nur noch weiter eskalieren lassen. Der Junge hat sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben. Oder sehen Sie das anders?«
Sheriff Barker war neben Barney in die Hocke gegangen. Sein Gewehr hing an einem Riemen über der Schulter. Behutsam nahm er die Pumpgun an sich und schloss dem Jungen die Augen.
Als er sich aufrichtete, kreuzte sich sein Blick mit dem von Abe Douglas.
Ja, verdammt. Abe sah das anders. Und der Sheriff vermutlich auch. Trotzdem hörte sich der G-man sagen: »Das wird eine Untersuchungskommission entscheiden müssen.«
Solomon lächelte gefährlich. »Sie wollen den Vorfall melden?«
Abes Blick saugte sich an der Waffe des NSA-Agenten fest. Es handelte sich um einen Magnum-Revolver. Für einen kurzen Moment fürchtete er, Solomon könnte die Mündung auf ihn richten und abdrücken.
Doch dann steckte der NSA-Agent den Revolver ins Schulterholster und zuckte mit den Achseln. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können.« Er wandte sich an den Sheriff. »Dürfen wir weitergehen?«
Barker nickte fahrig. Bevor er sich in Bewegung setzt, reichte er Abe die Pumpgun. Der G-man starrte die Waffe voller Ekel an.
»Nehmen Sie sie ruhig«, riet Solomon. »Nur für den Fall, dass der Bär zurückkommt.«
»Nun zieh nicht so ein Gesicht, John«, sagte Morgana Layton, die neben mir im Flugzeug saß.
Mochte der Teufel wissen, wie sie es geschafft hatte, den Platz direkt neben mir zu ergattern. Oder die Große Mutter.
Seit den Vorfällen in Denver musste ich davon ausgehen, dass sich Morgana Layton und die Berserker mit Lilith verbündet hatten, die in Gestalt der Riesin Angrboda anscheinend auch die Mutter von Fenris und der Totengöttin Hel war.
»Für dieses Gesicht kann ich nichts«, sagte ich wenig erfreut, »damit wurde ich geboren.«
»Ich hoffe nicht. Obwohl es mir schwerfällt zu glauben, dass du mal ein niedliches Baby gewesen bist.«
Im umgekehrten Fall konnte ich das nicht behaupten, denn ich hatte Morgana bereits als Säugling zu Gesicht bekommen. Und das lag gar nicht so lange zurück. Nachdem es mir gelungen war, die Werwölfin in Bulgarien mit Silberkugeln zu erschießen, war sie in ihrem eigenen Kind, das von der Berserkerin Lykke ausgetragen worden war, wiedergeboren worden.
Eigentlich hatte sie auf normale Weise heranwachsen sollen, doch äußere Umstände hatten die Nornen, die Schicksalsweberinnen der nordischen Mythologie, dazu gezwungen, Morgana durch die Magie der Weltenesche Yggdrasil auf magische Weise heranreifen zu lassen.
Sehr zum Missfallen von Denise Curtis, die sich als Beschützerin der kleinen Morgana respektive Rebecca verstanden hatte.
»Warum bist du hier, Morgana?«
Sie lächelte mokant. »Kannst du dir das nicht denken?«
»Es geht also um Denise. Hat sie sich bei dir gemeldet?«
»Sie hat Emma eine Nachricht zukommen lassen, dass sie am Mount Shasta in Kalifornien sei. Offenbar zog es sie schon seit Längerem dorthin.«
»Obwohl sie dort steckbrieflich gesucht wird?«
Morgana hob die Schultern. »Mitunter ist es schwer, dem Ruf des Blutes zu widerstehen.«
»Ruf des Blutes? Also geht es um ihren Vater?«
»Genau das gilt es herauszufinden. Wir wissen zu wenig über Lykaons Vergangenheit. Und vermutlich wäre ich auch nicht hier, wenn Lykke während einer Beschwörung keine Warnung erhalten hätte.«
»Eine Warnung von wem?«
»Von der Großen Mutter.«
Ich verzog die Lippen. Lilith gehörte momentan zu meinen absoluten Reizthemen. Die erste Hure des Himmels zählte zwar schon lange zu meinen Gegnerinnen, doch in den letzten Jahren hatte sie sich mehr und mehr in den Vordergrund gedrängt.
Hauptsächlich wegen ihrer Fehde gegen die Unheilsbringerin Pandora, die wiederum mit dem Spuk paktierte, dem letzten der Großen Alten und einem erklärten Todfeind der Hölle.
Mein Gefühl sagte mir jedoch, dass es Lilith um weitaus mehr ging. Ihre Eroberung des sagenumwobenen Engelstöters, jenes Schwerts, mit dem der Erzengel Michael angeblich seinen Bruder Luzifer in die Verdammnis stieß, sprach ebenso dafür wie die Erweckung der vier Engel der Unzucht und Hurerei.
Darüber hinaus hatte ich erfahren, dass Lilith auch an der Erschaffung meines silbernen Kreuzes beteiligt gewesen war. Zumindest an den Zeichen in der Mitte, die sie vor Jahren einst gestohlen hatte. Und sie zeigte Interesse an Denise Curtis, womit sich wieder einmal ein Kreis schloss.
»Weißt du, was es mit dem Mount Shasta auf sich hat?«, fragte ich Morgana.
Sie antwortete nicht sofort, denn eine Stewardess erkundigte sich nach unseren Wünschen. Die Werwölfin in Menschengestalt orderte einen Tomatensaft, ich Kaffee und Wasser sowie ein Käsesandwich.
Nachdem die Flugbegleiterin mit ihrem Rollwagen weitergezogen war, erklärte Morgana: »Der Mount Shasta ist ein erloschener Vulkan und ein Heiligtum der dort ansässigen Ureinwohner, der Shasta.«
»Gibt es dort noch Angehörige des Stammes?«
»Möglich, aber viel wichtiger ist ihre Verbindung zur Bärenmagie. Die Shasta haben beziehungsweise hatten eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie die Menschen in die Welt gekommen sind. Angeblich wurden die Bären von dem Großen Geist als Krönung seiner Schöpfung erschaffen. Er selbst zog sich in den Mount Shasta zurück. Doch seine Tochter wurde eines Tages von einem Orkan an den Fuß des Bergs geblasen, wo sie von den Bären gefunden und aufgezogen wurde.«
»Klingt in meinen Ohren sehr märchenhaft.«
»Auch nicht märchenhafter als die Geschichte von Adam und Eva, wenn du mich fragst.«
»Touché! Also red weiter.«
»Nachdem die Tochter des Großen Geistes erwachsen war, vermählte sie sich mit einem der Bären und gebar ihm viele Kinder, die den göttlichen Funken des Großen Geistes in sich trugen, aber auch die Stärke und den Mut der Bären hatten.«
»Die Menschen?«
»Exakt. Der Große Geist war darüber jedoch nicht besonders erfreut. Er verdammte die Bären dazu, auf allen vieren zu laufen, nahm ihnen die Stimme und sorgte dafür, dass sie fortan weder Werkzeuge noch Waffen benutzen konnten.«
»Und die Moral von der Geschichte?«
»Die Moral ist, füge keinem Bären ein Leid zu, es könnte dein Urururgroßvater sein.«
»Interessant. Nur verstehe ich leider noch immer nicht, was das mit Lykaon oder Denise zu tun haben soll.«
»Ich auch nicht. Aber irgendeine Verbindung muss es geben.«
»Was ist mit Lykke?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Sie ist eine Berserkerin. Und eine Schamanin. Wenn sich jemand mit Bärenmagie auskennt, dann ja wohl sie.«
»Du vermutest einen Zusammenhang zwischen der Magie der Berserker und der der Shasta?«
»Ist das so abwegig? Weißt du, wer sich hinter dem Großen Geist verbirgt?«
»Nicht genau, aber ich vermute mal, dass es Manitou ist.«
Manitou!
Also nicht Thor, der Donnergott, den die Berserker auch als Götterbär verehrten. Aber das hatte ich auch nicht ernsthaft angenommen, immerhin galt Thor nicht als Schöpfer der Menschheit. Und wie verhielt es sich mit Manitou?
Ich muss gestehen, ich bin nicht gerade ein Experte in der Mythologie der Ureinwohner Nordamerikas, obwohl ich bereits mit deren Magie in Berührung gekommen bin und auch schon eine kurze Begegnung mit Manitou gehabt habe.
Es liegt schon so lange zurück, dass es sich fast wie die Erinnerungen aus einem früheren Leben anfühlt. Ich hatte noch am Beginn meiner Laufbahn als Geisterjäger gestanden. Sheila war mit Johnny schwanger gewesen, und Suko hatte noch nicht im Dienst von Scotland Yard gestanden. Ich hatte die Geheimnisse des Kreuzes nicht mal ansatzweise gelüftet gehabt, ebenso wenig wie die Hierarchie innerhalb des Dämonenreichs, speziell der Hölle.
Mein größter Feind war damals der Schwarze Tod, und ich war mir sicher gewesen, dass einzig und allein Asmodis über ihm stand. Der Schwarze Tod hatte damals Maringo, den Höllenreiter, erweckt, einen Vorboten der vier Reiter der Apokalypse, besser bekannt unter dem Namen AEBA. Ich hatte Maringo besiegt, während der Schwarze Tod von Manitou in die Flucht geschlagen worden war.
In mancherlei Hinsicht waren es früher einfachere Zeiten gewesen. Andererseits verspürte ich nicht das geringste Bedürfnis, noch einmal gegen meine damaligen Gegner antreten zu müssen.
»Träumst du?«
Morganas Stimme holte mich zurück in die Gegenwart.
Auch zwischen uns hatte es mal anders ausgesehen. Es hatte eine Zeit gegeben, lange vor ihrem Tod, da hätten wir nicht so friedlich nebeneinander sitzen können.
Aber wie schon gesagt, Zeiten änderten sich. Und das war auch gut so.
Denise Curtis wich zurück und riss sich die Lederjacke vom Leib. Keine Zeit, die Hose auszuziehen, auch nicht die Chucks. Die würden bei ihrer Verwandlung draufgehen.
Doch lieber später halb nackt herumlaufen, als tot sein.
Trotzdem zögerte Denise, die Verwandlung einzuleiten. Lag es an der völligen Regungslosigkeit ihres Vaters, der doch vernichtet worden war?
Sie war dabei gewesen, als ihm John Sinclair mit der silbernen Axt den Kopf abgeschlagen hatte. Da hatte sie jedoch schon einen Teil seiner Macht absorbiert gehabt, und erst dadurch war sie so mächtig geworden, wie sie jetzt war.*
Denise musterte die hoch aufgerichtete Gestalt des Wolfsdämons. Der muskelbepackte Rumpf, die riesigen Schwingen, das fledermausartige Antlitz, die Augen ...
Ja, diese furchtbaren Augen. Normalerweise glühten sie rot, in diesem Fall waren sie schwarz und glänzten wie ölige Pfützen.
Denise trat näher, legte den Kopf in den Nacken und – atmete auf!
Das war nicht der echte Lykaon. Es war ein Standbild.
Oder?
Sie dachte an die Worte von Cunning Bear, dass in dieser Welt die Götter und Geister zu Hause seien und die getöteten Tiere hierherkämen, um sich zu regenerieren, ehe sie auf Erden wiedergeboren wurden.