John Sinclair 2398 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2398 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Suko und ich, die beiden Geisterjäger aus London, in der türkischen Metropole Istanbul!
Wir waren in die Stadt am Bosporus gekommen, weil Nancy Warren hier aufgetaucht war, eine der Vollstreckerinnen unserer Erzfeindin Lilith! Und die war nicht allein in Istanbul! Wir bekamen es mit einer ganzen Armee von Vollstreckerinnen zu tun, aber auch mit Strigen, den teuflischen Bluteulen - und mit Prinz Stolas, einer mächtigen Höllenkreatur, die mit Liliths Tochter eine Dämonenhochzeit feiern wollte!

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Seitenzahl: 144

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Inhalt

Cover

Dämonenfalle Istanbul

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Dämonenfalle Istanbul

von Ian Rolf Hill

Vom Regen in die Traufe.

So und nicht anders fühlte sich Sevasti, nachdem sie von mehreren unbekannten Frauen aus den Fängen brutaler Menschenhändler befreit worden war. Die Kerle hatten sie und ihre Leidensgenossinnen über die Balkanroute nach Europa verschiffen wollen, wo sie in irgendeinem Bordell hätten anschaffen gehen müssen.

Doch es war anders gekommen. Plötzlich waren die maskierten Frauen aufgetaucht und hatten die Gangster regelrecht abgeschlachtet. Anschließend waren die Gefangenen in ein Frauenhaus am Rande von Istanbul gebracht worden.

Im ersten Moment hatte Sevasti erleichtert aufgeatmet.

Da hatte sie allerdings noch nicht gewusst, dass es sich bei dem Frauenhaus um eine Falle handelte.

Genauer gesagt, um eine Dämonenfalle!

Einige Monate zuvor

Der Gestank war unerträglich, und die Luft war zum Schneiden dick. Und sehen konnte Sevasti nicht mal die Hand vor Augen. In dem Container war es stockfinster.

Still war es jedoch keineswegs. Außer den Geräuschen an Bord des Schiffes war es vor allem das Wimmern der anderen Frauen, das Sevasti beinahe in den Wahnsinn trieb.

Sie war sechzehn, und ihr Vater hatte sie an Schlepper verkauft. Er hätte sie natürlich auch dem dicken Vlademir geben können, einem Bauern aus dem Nachbardorf, der ihm immerhin eintausend Lari* für seine Tochter geboten hatte. Doch von den Menschenhändlern hatte ihr Vater sicherlich das Fünf- bis Zehnfache bekommen.

Als die Männer sie aus dem Haus zerrten, hatte Sevasti gewusst, dass sie es nie wiedersehen würde. Ebenso wenig wie ihre Mutter und ihre Brüder Gocha und Davit, die bloß stumm und tatenlos zugesehen hatte. Nur ihre Mutter hatte Rotz und Wasser geheult.

Für ihren Vater war Sevasti nur ein hungriges Maul, das gestopft werden musste. Keine Seltenheit in den ärmlichen Bergdörfern Georgiens.

Sevasti wusste bis heute nicht, wie ihr Vater an die Schlepper herangekommen war. Vielleicht hatte ihm jemand in Mestia einen Tipp gegeben. Das war die nächstgrößere Stadt im Kaukasus, in der ihr Vater mit seinen Söhnen regelmäßig zum Markt fuhr, um das Fleisch und den Käse der Ziegen zu verkaufen.

An die ersten Tage hatte Sevasti kaum eine Erinnerung. Nachdem sie in den Lieferwagen geworfen worden war, hatte man ihr einen Sack über den Kopf gestülpt und die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt. Mehrere raue Männerhände hatten sie berührt und ihren Körper abgetastet, als wollten sie auf dem Markt ein Stück Vieh begutachten.

Sevasti hatte keine Ahnung, wie lange sie unterwegs gewesen waren, bis sie den Hafen erreichten. Sie hatte ja nicht mal gewusst, in welche Stadt man sie verschifft hatte. Sie war in einen der Container gestoßen worden, nachdem man die Kabelbinder durchgeschnitten und ihr die Kapuze von Kopf gezogen hatte. Weiche Körper hatten sie aufgefangen. Eine Frau hatte sie derbe von sich gestoßen und war von einer anderen angeschrien worden.

Sie hatte sich als Elena vorgestellt.

Elena war dreiundzwanzig Jahre und stammte aus dem Hochland von Imeretien. Mehr war Sevasti nicht im Gedächtnis haften geblieben.

Irgendwann war sie in einen unruhigen Schlaf gefallen. Niemand hatte zu sagen vermocht, ob es Tag oder Nacht war. Nur wenn die Männer an Bord das Essen brachten, war der Container geöffnet worden.

Zweimal hatten die Kerle eine reglo‍se Frau hinausgeschleift. Die Männer hatten sie einfach über Bord geworfen und dabei derbe geflucht, denn jede tote Frau bedeutete für sie einen finanziellen Verlust.

Doch die schlimme Fahrt war irgendwann vorüber. Einige Frauen keuchten erschrocken auf, als der Container sich bewegte. Sevasti hingegen brachte keinen Ton über die Lippen. Elena hatte sie in den Arm genommen und strich zärtlich über ihr sprödes, ungewaschenes Haar.

Sie murmelte irgendetwas, das Sevasti nicht verstand. Manchmal klang es, als würde Elena beten, dann wiederum hörte es sich wie Gesang an, vielleicht war es ein altes Kinderlied.

Ein Ruck ging durch den Container.

Sevasti hörte, wie sich die anderen Frauen eng an die Rückwand drückten. Ein warmer, schwitzender Körper presste sich gegen sie.

Dann wurde der Container geöffnet.

Ein Schwall eiskalter Luft fuhr in das Innere, brachte den Geruch nach Öl, Zigarettenrauch und Leder mit sich. Ein grelles Licht blendete Sevasti. Die Schatten mehrerer Männer tauchten darin auf. Einige hielten Maschinenpistolen in den Händen.

Der einzige Kerl, der keine Waffe trug, gab den Frauen mit einem Wink zu verstehen, dass sie den Container verlassen sollten. Er sagte etwas auf Türkisch und grinste dabei, dass Sevasti die Goldzähne blitzen sah.

Sevastis Knie zitterten wie die eines neugeborenen Zickleins. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten und wäre gestürzt, hätte Elena sie nicht festgehalten. Sevasti blinzelte. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Helligkeit.

Die meisten der anderen Frauen sah sie heute zum ersten Mal. Einige, so wie Elena, hatte sie zumindest kurz zu Gesicht bekommen, wenn der Container geöffnet worden war, aber längst nicht alle.

Elena war früher bestimmt eine wunderschöne Frau gewesen. Jetzt sah sie nur noch müde und erschöpft aus. Die Haare waren zerzaust, unter den Augen lagen dunkle Halbmonde, die Lippen waren rau und farblos, die Kleidung starrte vor Schmutz.

Während Elena sie nach vorne schob, bemerkte Sevasti, dass es noch mindestens zwei weitere Mädchen in ihrem Alter gab. Eines war so verängstigt, dass seine Unterlippe zitterte. Die Augen schwammen in Tränen. Der Blick der anderen war so leer, als wären sie tot.

Sevasti schluckte.

Und zuckte zusammen, als sie von dem Mann mit den Goldzähnen brutal nach vorne gezerrt wurde. Elena wollte das Mädchen noch festhalten, doch ein Hieb mit der flachen Hand trieb sie zurück. Sofort trat einer der Bewaffneten vor und hob die Mündung der Maschinenpistole.

Die Frauen keuchten verängstigt.

Der Mann, der Sevasti festhielt, grinste und stieß sie vor sich her auf einen Durchgang zwischen zwei weiteren Containern zu. Sevasti bemerkte, dass sie sich auf einem Kai am Hafen befanden. Es war Nacht. Keine Wolke war am Himmel zu sehen. Die Sterne funkelten wie winzige Diamanten. Der zunehmende Mond glotzte traurig auf sie herab.

Sevasti stolperte über ihre eigenen Beine. Elena tauchte neben ihr auf und zog sie wieder auf die Füße. Diesmal hatte keiner etwas dagegen.

Vielleicht lag es an der Gestalt, die im Schatten zwischen den Containern aufgetaucht war.

Der Mann mit dem speckigen Nacken und der schwarzen Lederjacke blieb stehen und rief etwas, das Sevasti nicht verstand. Schließlich brüllte er, griff unter die Jacke und wollte offenbar eine Pistole ziehen. Das sollte ihm jedoch nicht mehr gelingen.

Die schlanke Gestalt zwischen den Containern bewegte sich, und im nächsten Moment wirbelte etwas aus den Schatten auf den Mann zu. Sevasti sah noch einen silbrigen Blitz, als sich das Licht des Mondes auf dem Gegenstand brach, dann schlug dieser auch schon mit einem furchtbaren Geräusch in die Brust des Mannes ein, dessen Lederjacke sich am Rücken urplötzlich ausbeulte.

Der Mann schrie erstickt auf. Dann gurgelte er, während er sich langsam auf der Stelle herumdrehte. Ein vielstimmiger Aufschrei ging durch die Menge.

Sevasti dagegen brachte noch immer keinen Ton hervor. Stumm starrte sie auf den Griff der Machete, die aus dem Brustkorb des Mannes ragte.

Vor ihren Füßen brach er zusammen und hauchte sein Leben aus.

Nur einen Atemzug später brach die Hölle los.

Das Krachen der Maschinenpistolen war ohrenbetäubend.

Endlich löste sich der Kloß in Sevastis Kehle. Sie schrie, presste die Hände auf die Ohren, fiel auf die Knie und erwartete, dass jeden Moment Kugeln in ihren Leib nageln und sie zerfetzen würden.

Doch das geschah nicht.

Dafür schlug ein weiterer Mann neben ihr zu Boden. Aus seinem Rücken ragte ebenfalls die Klinge einer Machete.

Sevasti fuhr zusammen, als sie die Hände an den Schultern spürte. Es war Elena. Sie wollte das Mädchen auf die Beine ziehen ...

Und erstarrte mitten in der Bewegung!

Plötzlich waren sie da.

Frauen in hautengen grauen Trikots. Dass es sich nicht um Männer handelte, war allein an der Form ihrer Körper zu erkennen, denn die Gesichter wurden von Hauben verdeckt, die nur die Augen aussparten.

Die Maskierten waren allesamt mit Macheten bewaffnet, deren Klingen in der oberen Hälfte leicht nach vorne abknickten.

Eine der Unbekannten hielt zwei solcher Messer in den Händen, sprang auf einen der Bewaffneten zu und schleuderte noch in der Luft die erste Machete auf den Kerl. Die Klinge grub sich mit einem dumpfen Schlag in dessen linke Schulter.

Die Maschinenpistole in seiner rechten Faust ratterte. Der Lauf zitterte, die Garbe fuhr in den Himmel.

Die Maskierte schlug mit der zweiten Machete zu. Der abgetrennte Arm, dessen Hand noch die Waffe hielt, fiel zu Boden, der Verletzte taumelte.

Mit einer Bewegung, der Sevasti kaum mit den Blicken zu folgen vermochte, wirbelte die Vermummte um die eigene Achse. Die Machete funkelte im Mondlicht. Ein seltsames, schmatzend Geräusch erklang.

Vor Sevasti und Elena brach der kopflose Torso in die Knie und fiel auf die Seite.

Mit schockgeweiteten Augen starrte die Sechzehnjährige auf den Toten. Wie in Trance bekam sie mit, dass sie und ihre Kameradinnen plötzlich von Maskierten umstellt waren.

Einer der übrig gebliebenen Männer brüllte auf und verstummte dann für im‍mer.

Nur noch einer der Mädchenhändler war am Leben und kauerte am Boden.

Eine der Maskierten trat vor und versperrte Sevasti den Blick auf den vollbärtigen, glatzköpfigen Kerl. Die Frau griff sich an den Nacken und zog sich die Maske vom Kopf.

Ein bleiches, ernstes Gesicht mit struppigen schwarzen Haaren kam zum Vorschein. Es glänzte schweißnass. Der Blick ihrer dunklen Augen heftete sich auf Elena.

»Dieser Mann wollte euch verkaufen wie Vieh«, sagte sie auf Englisch. »Jetzt liegt es an euch, was mit ihm geschieht.«

Mit diesen Worten übergab sie Elena ihre Machete.

Zögernd griff die junge Frau danach. Weitere Maskierte traten vor und reichten den Frauen mit den Griffen voran ihre Waffen.

Sevasti hielt den Atem an. Sie selbst konnte sich nicht von der Stelle rühren, doch sechs weitere Frauen nahmen das Angebot an und ergriffen die Machete.

Anschließend traten die Maskierten wieder zurück. Auch die Dunkelhaarige gab den Weg frei und deutete mit einer einladenden Geste auf den Glatzkopf.

Sevasti drehte sich der Magen um. Sie wollte das Gesicht abwenden, um Elena anzuschauen. Sie anflehen, das nicht zu tun.

Ja, dieser Mann war ein Schwein. Von Grund auf verdorben. Aber er war auch ein Mensch. Wenn sie jetzt ...

Das zornige Gekreische der bewaffneten Frauen zerrissen ihre Gedanken, als sie sich auf den Glatzköpfigen stürzten. Allen voran Elena.

Sevasti würde den Ausdruck im Gesicht ihrer Freundin nie vergessen. Die weit aufgerissenen Augen, die Zähne ge‍bleckt wie ein Hund kurz vor dem An‍griff.

Wieder knatterte irgendwo eine Maschinenpistole.

Sevasti hob den Kopf, drehte ihn nach rechts und sah die Bewegung auf einem der anderen Container. Eine große, hagere Gestalt richtete sich dort auf. Sie war leichenblass und splitternackt.

Sevastis Blick wanderte höher hinauf zu dem Gesicht, das von strähnigem schwarzem Haar umrahmt wurde. Tief in den Höhlen liegende glühende Augen starrten auf sie herab. Die Lippen schimmerten blutrot. Spitze Zähne blitzten im fahlen Licht des Mondes.

Zwischen ihren Füßen, am Rand des Containers, lag der enthauptete Körper eines weiteren Mannes.

Dann breitete die Gestalt die Arme aus.

Sevasti glaubte, den Verstand zu verlieren, als sie die ledrigen Schwingen sah, die sich mit knisternden Lauten entfalteten.

Einen Wimpernschlag später schoss die Kreatur hinauf in den Himmel. Sevasti folgte der Gestalt mit den Blicken, sodass sie gar nicht mitbekam, wie weitere Männer erschienen und sie und die anderen Frauen, einschließlich ihrer maskierten Retterinnen, umstellten.

Männer in schwarzen Kampfmonturen und mit Maschinenpistole in den Händen.

Polizisten!

Vermutlich von irgendeinem Sondereinsatzkommando. Sevasti hatte so etwas schon im Fernsehen gesehen.

Die Gesichter der Männer waren ebenfalls vermummt. Sie trugen Masken, wie sie auch Bankräuber in Filmen benutzten, sogenannte Sturmhauben.

Einer von ihnen brüllte etwas auf Türkisch.

Die Frau mit dem kurzen dunklen Haar, die Elena ihre Machete überreicht hatte, hob die Arme. »Ich regele das«, raunte sie ihren Kameradinnen auf Englisch zu. Anschließend drehte sie sich um und senkte beschwichtigend die Hände, zum Zeichen, dass sie die Macheten fallen lassen sollten. »Es ist alles in Ordnung. Vertraut mir. Ich ...«

Wie ein Stein fiel die geflügelte Gestalt hinter den bewaffneten Polizisten vom Himmel und richtete sich langsam auf. Ein überraschtes Raunen ging durch die Menge.

Sevasti hielt den Atem an.

Erst jetzt bemerkte sie die seltsame Peitsche in der Klaue der Kreatur. Die Peitschenschnur schien aus Knochen zu bestehen und leuchtete in einem bläulichen Licht.

Mit einer blitzschnellen Bewegung schlug das Monster zu.

Zwei der Polizisten zuckten zusammen, als hätten sie einen Stromschlag erhalten. Die Köpfe prallten mit einem widerlichen Laut auf den Beton, nur eine Sekunde, bevor die dazugehörigen Körper in sich zusammensacken.

Sie hatten den Boden noch nicht berührt, da fuhr die Peitschenschnur senkrecht durch einen weiteren Beamten und schnitt seinen Leib regelrecht entzwei.

Bevor Sevasti und die anderen es begreifen konnten, hatte die Kreatur erneut zugeschlagen und der knöcherne Riemen, der an eine menschliche Wirbelsäule erinnerte, den Anführer des Polizeitrupps ebenso brutal getötet.

Der letzte Polizist ließ die Waffe fal‍len und ergriff schreiend die Flucht. Die dunkelhaarige Frau nahm die Verfolgung auf.

Sevasti beachtete sie gar nicht. Sie hatte nur Augen für die Frau mit den spitzen Zähnen und den ledrigen Schwingen, die sie direkt anzustarren schien.

Langsam trat das nackte Monstrum näher.

Sevasti fing am ganzen Leib zu zittern an, als die Kreatur (der Vampir?) sich zu ihr hinunterbeugte und die Klaue nach ihrem Gesicht ausstreckte.

Das Wesen öffnete den Mund und stieß einige abgehackte Laute aus, denen ein bellendes Gelächter folgte. Dann berührte die Klaue Sevastis Kinn.

Eisige Kälte fuhr durch den Leib der Sechzehnjährigen.

Sevasti stieß noch einen leisen Seufzer aus, dann wurde ihr schwarz vor Augen.

Jetzt

»Arme nach oben und Beine spreizen!«

Suko und ich taten, was der Gorilla von uns verlangte. Der war ein Gebirge aus Fleisch und Muskeln. Die Lederjacke spannte sich über einem Kreuz, auf dem man Stühle hätte zerschlagen können. Darunter trug der Kerl lediglich ein T-Shirt. Für ein Hemd mit Kragen hätte der Knabe einen Hals haben müssen, was jedoch nicht der Fall war. Die Schultern gingen ansatzlos in den Kopf über. Muskelstränge endeten unmittelbar unter den Ohren.

Ich warf einen Blick auf den wulstigen Stiernacken, den mir der Kerl prä‍sentierte, als er vor mir auf ein Knie ging und meine Beine nach versteckten Waffen abtastete.

Unwillkürlich warf ich Suko einen Seitenblick zu. Mein Partner wurde von einem zweiten Gorilla befummelt. Suko machte einen gelassenen Eindruck, während er sich ein stummes Blickduell mit dem dritten Leibwächter lieferte, der mit verschränkten Armen vor der Tür des Büros stand, in dem sein Boss residierte.

Ich fragte mich, wie ein Kampf zwischen diesem Gorilla, der eben seine wulstigen Finger unter mein Hosenbein schob, und mir wohl ausgehen würde.

Nicht gut für mich, so viel stand fest. Vermutlich wäre meine Handkante in seinem Nacken stecken geblieben, und danach hätte er mich unangespitzt in den Boden gerammt. Selbst Suko hätte wohl seine liebe Müh und Not mit ihm gehabt.

Andererseits hatte ich selbst schon miterlebt, wie mein Partner sehr viel größere und breitere Kaliber auf die Bretter geschickt hatte. Sofort fühlte ich mich besser. Im Stillen dankte ich Sir James dafür, dass er uns zu zweit nach Istanbul geschickt hatte. Wie er diese Entscheidung beim Commissioner durchgeboxt hatte, war mir ein Rätsel, spielte letztendlich aber keine Rolle.

Noch vor wenigen Tagen hatte ich mich ohne Suko in Salzburg, Österreich, mit einem Gehängten, der von den Toten auferstanden war, herumschlagen müssen. Jetzt befanden sich Suko und ich in der Metropole am Bosporus. Und das sogar offiziell, was wir den Kollegen von Interpol zu verdanken hatten.

Obwohl Suko und ich zu einer Spezialabteilung gehören, deren Hauptaufgabe die Bekämpfung von Dämonen und anderen höllischen Kreaturen ist, bekommen wir es auch immer wieder mit menschlichen Gegnern zu tun, die von den Schwarzblütern oft als Lakaien oder Kanonenfutter missbraucht werden. Und da sich unser Tätigkeitsfeld mittlerweile nicht nur auf England oder Großbritannien beschränkt, arbeiten wir auch mit anderen Polizeibehörden zusammen, zu denen unter anderem Interpol gehört.

Zurzeit liefen mehrere stille Fahndungen, die für uns von Bedeutung waren. Dazu zählte Matthias, der erste Diener Luzifers, ebenso wie diverse Helferinnen der Urdämonin Lilith, die sich seit geraumer Zeit organisiert hatten.

›Kinder der Großen Mutter‹ nannten sich Liliths Dienerinnen, zu denen eine eigene Armee gehörte, in die allerdings nur Frauen aufgenommen wurden, die sogenannten Töchter des Kain oder auch schlicht und ergreifend Liliths Vollstreckerinnen.

Von den noch aktiven Vollstreckerinnen waren uns zwei namentlich bekannt: Nancy Warren und Doreen Templeton.

Vor einiger Zeit war Nancy zusammen mit ihrer Kampfgefährtin Doreen, einer ehemaligen englischen Polizistin, in Paris aufgetaucht, und es hatte Verletzte und Tote gegeben, darunter die Kollegin unseres Freundes Kommissar Jean Voltaire.*

Damit hatte es Nancy Warren auf die Fahndungslisten von Europol und Interpol geschafft.

Warum ich das erwähne?

Weil ein Polizeiblitzer in der Innenstadt von Istanbul ein Foto von ihr geschossen hatte. Der Computervergleich hatte eine Übereinstimmung von zweiundneunzig Prozent ergeben. Nancy hatte einen Van gefahren, der auf einen Mann namens Levent Kaplan zugelassen war. Der wiederum war einer der dicksten Fische im Schleppermilieu, der die Stadt am Bosporus nutzte, um Frauen und Mädchen über die Balkanroute nach Europa zu verschiffen. In erster Linie nach Deutschland, wo das Geschäft mit der käuflichen Liebe am stärksten boomt.