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Eine ganze Phalanx Untoter brach aus dem Dickicht und strömte auf die Lichtung - mitten hinein in das Sperrfeuer, das Ethan mit dem Sturmgewehr entfachte.
Doch aus dem Wald kamen immer mehr Zombies. Diesen Kampf konnten die Menschen nicht gewinnen, das war Denise Curtis klar.
Auf einmal walzte eine riesige Gestalt aus dem Unterholz! Denises Augen weiteten sich beim Anblick des grünlich schimmernden Skeletts unter der milchig-weißen Haut.
"Was bist du?"
"Ich bin Xorron! Und ich bin gekommen, um dich zu bestrafen!"
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Xorrons Blutgericht
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Xorrons Blutgericht
von Ian Rolf Hill
Die Zusammenkunft fand zwischen den Dimensionen statt, jenseits der bekannten Welten, außerhalb von Raum und Zeit. An jenem lichtlosen Ort, der den Mächtigen vorbehalten war.
Auf einem der Asteroiden, die schwerelos durch das Nichts drifteten, stand eine Frau mit langem dunklem Haar und eisgrauen Augen. Die hohen Stiefel reichten bis zu den Oberschenkeln, ein knappes Höschen und eine nicht minder knappe Weste verbargen lediglich das Nötigste, Stulpen bedeckten die Unterarme.
Sie war die mächtigste Dämonin überhaupt.
Sie war Lilith, die Große Mutter!
Und sie wartete auf ihre geliebte Todfeindin – die Unheilsbringerin Pandora!
Pandora ... Die Menschen glaubten, dass Hephaistos sie im Auftrag des Göttervaters Zeus aus Ton erschaffen hatte. Sie galt als die erste Frau, die das Übel in die Welt brachte, indem sie die Büchse öffnete, in dem das gesamte Unheil eingeschlossen gewesen war.
Doch das war nur die halbe Wahrheit, denn hinter Pandora verbarg sich noch ein anderer Name, der eng mit Liliths Schicksal verknüpft war: Eva!
Nachdem Lilith das Paradies verlassen und sich den Teufeln und Dämonen hingegeben hatte, hatte Eva ihren Platz an der Seite Adams eingenommen, bis das Böse auch sie verführt hatte ...
All dies lag bereits Äonen zurück, doch Lilith hatte nichts vergessen.
Doch sie blickte nur selten zurück. Momentan galt ihre Aufmerksamkeit der Zukunft, die wichtiger war als je zuvor. Schon bald würde sich ihr Plan, auf den sie seit nunmehr zweitausendfünfhundert Jahren hinarbeitete, erfüllen.
Und Pandora spielte dabei eine Schlüsselrolle. Sowohl als Geliebte als auch in ihrer neuen Funktion als Herrscherin des Schattenreichs.
Ihr war gelungen, was niemand für möglich gehalten hatte: Sie hatte dem Spuk seinen Schatten gestohlen, so wie er es Äonen zuvor bei dem Sternenvampir Acron getan hatte.
Damit war Pandora zur neuen Hüterin der Dämonenseelen geworden. Der Spuk selbst beziehungsweise das, was nach dem Inferno in der Dämonenhölle von ihm übrig geblieben war, war von den Engeln der Unzucht und Hurerei in einen der tiefsten Winkel der Hölle verbannt worden.*
Vom Wahnsinn gezeichnet fristete er sein Dasein in einer Grotte des Vulkans der Verwesung. Und Lilith wurde nicht müde, sich an seinen Schreien zu ergötzen.
Es war einer der größten Siege der Hölle seit der Vernichtung der Großen Alten. Es wäre ein Leichtes für Luzifer oder die Große Mutter gewesen, auch den Letzten der Dämonengötzen zu vernichten, doch damit hätten sie die Stummen Götter befreit, die von den Großen Alten in eine Zwischendimension verbannt worden waren.
Außerdem konnte niemand absehen, was passieren würde, wenn die Seele des Spuks in sein Reich zurückkehrte. Weder Lilith noch Pandora oder selbst Luzifer. Vermutlich nicht einmal der Spuk. Und was die Große Mutter betraf, so war das jetzige Schicksal ihres alten Feindes für sie eindeutig befriedigender als sein Tod.
Sie wollte ihn leiden sehen und ihn für den Verrat bestrafen, den er begangen hatte, indem er ihr den Rücken zugewandt und sich mit den Großen Alten verbündet hatte. Ihre gemeinsamen Nachkommen, die Schattenkinder, waren daraufhin zur unkalkulierbaren Bedrohung für die Hölle geworden. Der Spuk hatte ihnen einen Teil seines Schattens überlassen, sodass sie zu seinen Werkzeugen geworden waren. Lebende Dimensionstore, die allein durch ihre bloßen Berührungen die Seelen der Dämonen in sein Reich saugten.
Gemeinsam mit Luzifer war es Lilith schließlich gelungen, sie zu bannen.
Und es war kein Zufall, dass der Spuk genau dort eingekerkert worden war, an der auch die Schattenkinder die letzten Jahrzehntausende verbracht hatten, ehe Pandora sie befreit hatte.
Natürlich in Absprache mit Lilith, denn die Schattenkinder hatten beim Sturz des Spuks eine entscheidende Rolle gespielt. Nicht nur, indem sie wichtige Schachfiguren in sein Reich transportiert hatten, sondern auch, weil sie den Sohn des Lichts dazu gebracht hatten, seine geliebten Erzengel zu verraten und die Hilfe der Engel der Unzucht und Hurerei zu erbitten.
Ein weiterer Triumph der Hölle, für den Lilith ihre Nachkommen gerne geopfert hatte ...
Begleitet von einem infernalischen Knall spaltete ein greller Blitz die Finsternis.
Lilith spürte Pandoras Anwesenheit in ihrem Rücken. Ein spöttisches Lächeln huschte um ihre Lippen, zerbröselte jedoch in derselben Sekunde. Sie spürte die Anwesenheit einer weiteren Person.
Pandora war nicht allein gekommen.
Die Große Mutter drehte sich um. Mühelos durchdrang ihr Blick die dichte Finsternis, mit der die Gestalt der Unheilsbringerin verschmolz und in der sich ein fahles, grünlichweißes Licht bildete, das zunächst nur als verwaschener milchiger Fleck in der Dunkelheit schwamm.
Das Leuchten verdunkelte sich kurzzeitig, als Pandora vor das Licht trat, sodass es die Umrisse der Unheilsbringerin wie eine strahlende Corona nachzeichnete.
Einst war sie eine Frau von gottgleicher Schönheit gewesen. Mit üppigen weiblichen Formen und goldenem Haar. Jetzt war ihre Haut dunkelgrau, das Haar und ihr Gewand dagegen so schwarz wie der Schatten des Spuks. Die Augen glühten in einem dunklen Rot.
Pandora glitt auf Lilith zu. Sie schien den karstigen Boden des Asteroiden nicht mal zu berühren. Lautlos schwebte sie darüber hinweg.
Auch das fahle Licht kam näher, allerdings deutlich langsamer. Es formte die Gestalt eines Menschen, der Lilith in ihrer derzeitigen Gestalt fast um das Doppelte überragte.
Die Herrscherin des Schattenreichs verharrte dicht vor der Großen Mutter, streckte die Arme aus und glitt mit ihren schattenhaften Fingern über das elfenhafte Antlitz. Dann beugte sie sich vor und hauchte ihrer Geliebten einen Kuss auf die Lippen.
Lilith reagierte nicht. Nur ihre Augen flammten in einem gletscherkalten Blau auf, das im krassen Kontrast zu Pandoras Rot stand.
»Warum hast du ihn mitgebracht?«
Die Unheilsbringern glitt zur Seite, sodass Liliths Blick ungehindert auf Pandoras Begleiter fiel, der mittlerweile nahe genug herangekommen war, um Einzelheiten ausmachen zu können.
Die Gestalt war vollkommen haarlos, ihre Haut milchig-weiß mit einem leicht silbrigen Glanz. Das grünliche Licht dagegen stammte von dem menschlichen Skelett, das durch die transparente Haut schimmerte.
Der Schädel war ebenfalls vollkommen kahl. Anstelle von Augen, Nase und Mund klafften lediglich schmale Schlitze in der Fläche, die bei einem Menschen das Gesicht gewesen wäre.
»Freust du dich, ihn wiederzusehen?«
Lilith antwortete, ohne den Blick von der Gestalt abzuwenden, für die der Begriff Ausdruckslosigkeit erfunden worden zu sein schien. »Das kann ich nicht unbedingt behaupten. Ich habe deine Obsession für dieses ungeschlachte Ding nie verstanden.«
»Ungeschlacht?« Pandora lachte. »Bist du eifersüchtig auf Xorron?«
Lilith verzog verächtlich die Lippen. »Xorron«, echote sie. »Nenn ihn, wie du willst. Warum hast du ihn zurückgeholt? Ausgerechnet ihn! Du hättest genauso gut deine Tochter Carnegra zurückholen können. Oder Rasputin.«
Pandora nickte, schüttelte aber gleich darauf den Kopf. »Ganz so leicht ist das nicht. Ich ...« Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, ehe sie sich erneut der Großen Mutter zuwandte. »Es ist schwieriger, als ich dachte, den Schatten zu kontrollieren. Und es ist fast unmöglich, eine bestimmte Seele zu lokalisieren.«
»Ihn hast du doch auch gefunden.«
Pandora schnalzte mit der Zunge. »Ich würde eher sagen, dass er mich gefunden hat.«
»Trotzdem hast du ihm einen neuen Körper gegeben.«
»Nenn es von mir aus Sentimentalität. Aber auch du kannst seinen Nutzen für unsere Sache kaum verhehlen.«
»Welcher Nutzen sollte das sein?«
Pandora gab keine direkte Antwort. Stattdessen wandte sie sich Xorron zu.
»Komm näher!«, befahl sie, und der Koloss gehorchte.
Eine Armlänge vor seiner Herrin blieb er stehen. Sie brauche nur die Hand auszustrecken, um ihn zu berühren, was sie auch tat. Ihre Fingerspitzen strichen über seine Brust.
Noch immer regte sich nichts in der flachen Miene des Ungeheuers. Nur hinter den waagerechten Schlitzen in der Mitte des Schädels bewegten sich die Augen und fixierten Lilith.
»Was ist das Letzte, woran du dich erinnerst, bevor ich dich erweckte?«
Die Augen richteten sich auf Pandora. »Ich erinnere mich an die Kristallwelt«, raunte Xorron mit monotoner Stimme. »An den Kampf gegen Shimada. Und an Sinclair ...«
Bei dem letzten Wort, dem Namen des Geisterjägers, schwang zum ersten Mal so etwas wie eine Emotion mit. Es war der blanke Hass auf den Mann, der ihn einst getötet hatte.
»Er hat dir Shimadas Schwert in die Brust gestoßen, mit dem du eigentlich den Ninja-Dämon töten wolltest, nicht wahr?«
»So ist es!«
»Würdest du dich dafür gerne an ihm rächen?«
»Jaaa«, wehte es aus dem Schlund des Dämons.
Das lippenlose Maul teilte sich weit genug, sodass Lilith die silbern glänzenden Stiftzähne sehen konnte.
»Sinclair gehört mir«, zischte Lilith. »Du wirst ihn nicht anrühren, hörst du?«
Der Kopf des Herrn der Zombies und Ghouls ruckte herum. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte es hinter den Sehschlitzen auf. Xorron holte aus und schlug zu.
Die Faust hätte jedem Menschen den Schädel zertrümmert, doch Lilith war schneller. Ihre Augen glühten auf, und Xorron wurde zurückgeschleudert.
Er flog mehrere Dutzend Meter weit, bevor er auf den granitharten Boden schlug und eine Spur in das karstige Gestein pflügte.
Liliths Haut verdunkelte sich und wurde blauschwarz. Knisternd richteten sich die Haare der Großen Mutter auf, während sich ihr Körper veränderte. Brüste und Becken schwollen an, die Augen traten aus den Höhlen. Gleichzeitig wuchs sie vor Pandora und Xorron empor, bis sie selbst den Herrn der Zombies und Ghouls um eine Körperlänge überragt hätte, hätte er auf seinen Beinen gestanden.
Doch noch war Xorron damit beschäftigt, sich aus dem aufgerissenen Gestein zu wühlen.
»Leg deinen Hund an die Kette, Eva!«, brüllte Lilith. »Bevor ich ihn zertrete wie einen Wurm!«
Blitzschnell trat Pandora zwischen Xorron und die Große Mutter, beschwichtigend die Hände erhoben. »Schon gut, es war sicherlich ein Missverständnis. Er ist ein wenig schlicht vom Gemüt her.«
Liliths Wut verrauchte. Und dort, wo eben noch die schwarzhäutige Riesin gestanden hatte, befand sich nun wieder die zierliche Frau mit den eisgrauen Augen. »Was du nicht sagst? Und wie genau soll uns dieses schlichte Gemüt nun von Nutzen sein?«
»Als Vollstrecker! Und da außer uns niemand weiß, dass wir zusammenarbeiten, wird Xorron in meinem Namen diejenigen bestrafen, die dich verraten haben. Da du nicht persönlich für den Angriff verantwortlich sein wirst, werden sie sich in ihrer Not an dich wenden und ihren Pakt erneuern. Das wird auch Sinclair treffen.«
Lilith beobachtete, wie sich Xorron aufrichtete und auf sie zukam.
Als er sich bis auf fünf Meter genähert hatte, streckte ihm die Große Mutter die flache Hand entgegen. »Das ist nahe genug.« Sie wandte sich an Pandora. »Du machst mich neugierig. Verrätst du mir auch, von wem du eigentlich sprichst?«
»Kannst du dir das nicht denken?« Pandora lächelte mokant. »Wer hat sich denn gegen dich gewendet, als du das Reich des Großen Geistes erobern wolltest?«*
Ein Lächeln huschte über Liliths Antlitz. Sie wusste genau, von wem die Unheilsbringerin sprach. »Dein Plan gefällt mir.«
Pandora trat näher. »Ich habe schließlich von der Besten gelernt.«
Ihre Lippen schlossen sich um die der Großen Mutter. Ihre Hände gingen auf Wanderschaft, während sich die Zungen der beiden dämonischen Frauen umtanzten wie Schlangen bei der Paarung.
Lilith drückte Pandora auf den harten Granit. Der Schatten floss von der Gestalt der Unheilsbringerin und entblößte ihren nackten Leib, der sich ihrer Geliebten entgegenreckte.
Die Große Mutter zögerte. Ihr Blick huschte zu dem geschlechtslosen Xorron. »Was ist mit ihm? Willst du ihn nicht fortschicken?«
Pandora gurrte. »Dafür hätte ich ihn nicht mitzubringen brauchen. Er kann ruhig zuschauen, findest du nicht? Ich dachte, das gefällt dir!«
Lilith grinste faunisch. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr!«
»Was ist denn schon wieder mit den verfluchten Hunden los?«
Roy Darryl hob den Kopf und wandte sich von dem Herd ab, auf dem das Abendessen köchelte.
Seine nicht minder beleibte Frau Grace, die den Tisch deckte, richtete sich auf. »Vielleicht ein paar Touris, die sich verirrt haben!«
Darryl grunzte. Ihnen beiden war klar, dass das mit Sicherheit keine Touristen waren. Grace hatte bloß ihrer Hoffnung Ausdruck verleihen wollen, dass der Grund für das anhaltende Kläffen der Hunde möglicherweise eine ganz harmlose Ursache hatte. Doch daran glaubte die Mittvierzigerin selbst nicht.
Sie kannte das Malamute-Rudel gut. Bei einem Menschen, selbst bei Fremden, würden die Tiere niemals einen solchen Aufstand proben, dafür waren sie viel zu freundlich. Es musste also schon etwas anderes sein, das die Tiere in helle Aufregung versetzte.
Beispielsweise ein Rudel Wölfe, das um das Familienanwesen strich, in dem außer Grace und ihrem Gatten noch Roys Bruder Orson mit seiner Frau Betty und der Vater der beiden Darryl-Brüder, Malcolm, wohnte.
Malcolms Frau Wilma war letzten Winter an einer Lungenentzündung gestorben. Sie lag hinter dem Haus begraben.
Kinder gab es keine. Grace hatte lange darunter gelitten, jetzt war sie froh darüber, sich keine Sorgen um den Nachwuchs machen zu müssen.
»Quatsch«, knurrte Roy. »Von wegen Touristen. Das klingt mehr nach einem Bären!«
Der bärtige Hüne stapfte durch die Wohnküche und ging mit schnellen Schritten zum Waffenschrank, der neben der Tür stand. Der war offen. Hier gab es weit und breit niemanden, der sich daran störte oder nicht mit einem Gewehr umzugehen wusste.
Grace schluckte. »Das hat uns gerade noch gefehlt. Aber wir hatten hier doch noch nie Probleme mit Bären.«
»Dann haben wir sie eben jetzt!«
Roy holte die Ruger Hawkeye aus dem Schrank. Er zog den Repetierhebel zurück und öffnete die Kammer. Mit der freien Hand grabschte er nach den Patronen und stopfte sie in die Tasche seiner Weste.
Drei Patronen vom Kaliber 338 behielt er in der Hand, schob sie nacheinander in die Kammer und verschloss sie. Mit dem schussbereiten Gewehr in den Fäusten drehte er sich zu seiner Frau um.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stürmte er aus dem Haus. Grace schnappte sich die Jacke vom Haken und zog sie im Laufen über. Bevor sie hinter ihrem Mann das Haus verließ, schlüpfte sie in die schweren Gummistiefel.
Orson und Betty standen im Hof. Dahinter ragten die Bäume wie eine dichte undurchdringliche Wand vor den Darryls auf. Die vier Malamute-Hunde sprangen wie wahnsinnig gegen die Tür des Zwingers, der unter der Wucht der zentnerschweren Körper erzitterte.
»Was ist los, verdammt?«, rief Roy seinem Bruder zu.
Orson, äußerlich das glatte Gegenteil seines beleibten Bruders, hob die Schultern. Er war hager, sein Bart struppig. Auch er hielt ein Gewehr in den sehnigen Händen. »Keine Ahnung.«
Grace raffte die Jacke vor dem üppigen Busen zusammen und gesellte sich zu Betty. Obwohl strenggenommen noch Sommer war, brachte der Wind bereits einen Hauch arktischer Kälte mit.
Betty, ebenso knochig wie ihr Mann Orson, hatte ihr schwarzes Haar unter einer Wollmütze verborgen. Auch sie trug eine gefütterte Jacke, die bis zu den Oberschenkeln reichte.
»Glaubst du, es ist ein Bär?«, flüsterte Grace.
»Ich hoffe nicht.« Bettys Gesicht war kreidebleich, der Atem zerfaserte vor ihren Lippen.
»Was ist denn da draußen los?«, keifte der alte Malcolm hinter den Frauen.
»Wissen wir nicht«, sagte Grace. »Vielleicht ein Bär!«
»Gott, dann knallt ihn ab!«, knurrte der Alte. »Kann doch nicht so schwer sein.« Er richtete den Blick seiner wässerigen Augen auf den Hundezwinger.
Die Hunde gebärdeten sich wie toll. Einige winselten, sanken zurück auf alle viere und liefen im Zwinger auf und ab. Nur um sich an einer anderen Stelle erneut gegen das Gatter zu werfen.
Der alte Malcolm ging auf den Hundezwinger zu, um die Tiere rauszulassen, damit sie sich des Störenfrieds annahmen.
Roy versuchte, die Dunkelheit zwischen den Bäumen mit den Blicken zu durchdringen. »Grace, wirf den Generator an! Wir brauchen mehr Licht.«
Seine Frau nickte und eilte zu dem Stall, in dem der Dieselgenerator stand.
Hinter sich vernahm sie das Keifen des Alten, der weiterhin auf die Hunde schimpfte. Grace riskierte einen Blick über die Schulter. Die Gestalt des Greises war nur schemenhaft auszumachen. Er humpelte auf den Zwinger zu, um die Hunde zum Schweigen zu bringen.
»Grace!«, brüllte Roy. »Der Generator!«
»Ja, doch«, murmelte sie.
Nicht zum ersten Mal argwöhnte sie, dass das Leben hier draußen in der Wildnis von Alaska, abgeschnitten von jeglicher Zivilisation, vielleicht doch nicht die Freiheit und das Abenteuer war, das sie sich erhofft hatte.
Sie wollte sich umdrehen und die Schuppentür aufziehen, da bemerkte sie den hellen Schemen zwischen den Bäumen. Grace erstarrte.
Das Licht bewegte sich geisterhaft bleich durch die Dunkelheit. Zuerst hielt sie es für eine Täuschung oder irgendeinen Reflex, doch dafür war es viel zu groß und seltsam.
Das Leuchten bewegte sich zwischen den Stämmen auf sie zu und war von grünlichweißer Farbe. Grace hielt den Atem an. Ihre Augen weiteten sich, ihr Unterkiefer klappte nach unten.
Auch Roy, Orson und Betty sahen die Gestalt, die zwischen den Bäumen hervortrat.
»D-d-das ist e-e-ein Außerirdischer«, stotterte Orson.
»Quatsch doch nicht!«, krächzte Roy. »Das ...«
Die weiteren Worte gingen im Bellen der Hunde unter.
Grace hörte ihren Schwiegervater aufschreien, der den Hundezwinger geöffnet hatte, denn die Meute rannte ihn glatt über den Haufen. Die Tiere fegten an Malcolms Söhnen vorbei auf den Schemen zu. Jetzt konnte Grace ganz deutlich die Knochen unter der durchscheinenden Haut erkennen. Sie schlug sich die Hand vor den Mund.
Vergessen waren der Schuppen und der Generator, sie hatte nur noch Augen für dieses leuchtende Ungetüm. Das Herz hämmerte ihr bis zum Hals. Trotz der Kühle brach ihr der Schweiß aus sämtlichen Poren.
Orson hatte recht, das musste ein Außerirdischer sein.
Graces Gedanken rissen ab, denn soeben erreichte das Rudel den Riesen mit dem grün schillernden Gerippe.
Sandy, die Leithündin, warf sich dem Monster entgegen.
Dessen Schlag traf das Tier im Sprung. Es überschlug sich und krachte mehrere Yards von der weiß leuchtenden Gestalt entfernt mit solcher Wucht auf den festgestampften Boden, dass Grace das Krachen der Knochen hörte.
Sandy stieß nicht mal mehr ein Heulen aus. Alles, was die Hündin von sich gab, war ein ersticktes Quieken, dann war sie still und rührte sie sich nicht mehr.
Dafür packte der Koloss den Rüden Samson an der Kehle und drückte zu. Blut spritzte. Der Hund zuckte noch einige Male, ehe ihn der Unheimliche achtlos beiseite warf.
Paula wurde von einem Tritt getroffen, der sie fast bis zu Roy und Orson beförderte. Mit zertrümmertem Rückgrat blieb sie liegen, versuchte auf die Menschen, von denen sie sich Schutz erhoffte, zuzukriechen.
Zuletzt erwischte es Dwarf.
Das Ding packte ihn mit beiden Pranken und vergrub das Gesicht im Pelz des Tieres, das ein klagendes Heulen ausstieß.
»Neeein!«, brüllte Roy, der die Hunde über alles liebte. Vielleicht sogar mehr als Grace.