1,99 €
Xorron war zurück! Und Suko war dem Herrn der Zombies und Ghouls hilflos ausgeliefert! Und hilflos fühlte auch ich mich, der Geisterjäger John Sinclair, denn ich stand Chandra gegenüber - und der Affenkreatur, von der ich erfuhr, dass es sich bei ihr um eine Gottheit handelte!
Doch noch jemand fühlte sich hilflos und ausgeliefert: Die junge Yoni hatte mit ihrer Tat am Vulkan Koshi, ohne es zu wollen, das achtköpfige Grauen erweckt! Und das drohte nicht nur ihre Heimatinsel zu verwüsten, sondern ganz Japan!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Die Köpfe des Koshi (Teil 2 von 2)
Ian Rolf Hill's Leserseite
Vorschau
Impressum
Die Köpfe des Koshi(Teil 2 von 2)
von Ian Rolf Hill
Mir ging es mehr als bescheiden.
Ich lag neben einem Trecker auf der kahlen Erde eines Ackers und schaute in die Mündung eines Präzisionsgewehrs, aus dem jeden Moment der Tod auf mich zujagen konnte. Und das mit einer Geschwindigkeit, dass ich ihn nicht mal kommen sehen würde.
Selbst ohne den klobigen Schalldämpfer hätte ich den Abschussknall erst lange nach dem Einschlag der Kugel gehört. Sofern ich dazu überhaupt noch in der Lage gewesen wäre.
Was mich aber noch viel nervöser machte als das Gewehr selbst war die Person, die es mit beiden Händen hielt. Es war Chandra, die kugelfeste Russin. Eine Todfeindin.
Und so, wie es aussah, hatte sie sich mit Susanoo verbündet, einem der mächtigsten Götter der japanischen Mythologie.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, lauerte im Hintergrund ein Dämon in Gestalt eines Gorillas, dem eine Armee geflügelter Affen gehorchte, von denen ich drei mit dem magischen Bumerang erledigt hatte.
Natürlich war ich nicht zum Spaß nach Japan gereist und auch nicht, um Jagd auf dämonische Affen zu machen.
Kataya, ein chinesischer Urdämon, der das Prinzip von Gut und Böse verkörperte, war mir in London erschienen und hatte mir zu verstehen gegeben, dass meine Freunde Suko und Shao in höchster Gefahr schwebten. Seit einigen Wochen trieben sie sich in Japan herum, um das zerstörte Schwert Kusanagi-no-tsurugi zu reparieren, das bei unserem letzten Kampf gegen Xorron, den wiederauferstandenen Herrn der Zombies und Ghouls, zerstört worden war.
»Gut siehst du aus!«, krächzte ich.
Die Worte überraschten Chandra. Damit hatte sie anscheinend nicht gerechnet. Leider war sie nicht überrascht genug, um die Mündung der Waffe zu senken oder in ihrer Aufmerksamkeit nachzulassen.
Hätte mich Chandra allerdings tot sehen wollen, hätte sie längst abgedrückt. Was bedeutete, dass sie etwas von mir wollte, und das wiederum bot mir eine einmalige Chance, denn Chandra war ein Mensch. Das heißt, je länger wir redeten, desto schwerer würde die Waffe in ihren Händen werden.
Sorgen bereiteten mir lediglich die Affen und ihr Anführer, der den armen Landwirt getötet hatte, um sich seine Kleidung anzueignen.
»Seit wann machen wir einander Komplimente, Geisterjäger?«
»Ich meine nur. Beim letzten Mal hat es so ausgesehen, als würdest du nicht mit heiler Haut davonkommen.«
Chandra grinste schief. »Ich muss zugeben, Denise hat mich überrascht. Aber diese Haut widersteht nicht nur Kugeln. Und Haare wachsen nach.«
Deshalb trug sie also die Mütze. Ich hatte es für eine Sturmhaube gehalten, die sie sich in die Stirn geschoben hatte.
Chandra war ebenfalls in Alaska gewesen, um Xorron Rückendeckung zu geben. Der Herr der Zombies und Ghouls hatte von seiner Herrin Pandora den Auftrag erhalten, dort das Lager der Berserker anzugreifen, um sich an ihnen zu rächen. Dafür, dass sie sich Lilith angeschlossen und Denise Curtis, Lykaons Tochter, beschützt hatten.
Chandra hatte als Heckenschützin fungiert und Lykke, die Schamanin der Berserker, durch einen hinterhältigen Schuss schwer verletzt. Wäre Morgana Layton nicht gewesen, wäre sie vermutlich gestorben.
Aber auch Chandra war nicht glimpflich davongekommen und hatte Denises Zorn zu spüren bekommen. Das Mädchen, das sich innerhalb eines Wimpernschlags in eine geflügelte Wolfsbestie verwandeln konnte, hatte einen Feuerball auf Chandra gespien. Das Letzte, was ich von der kugelfesten Russin gesehen hatte, war ein in Flammen stehendes Bündel, das in den eiskalten Fluss gestürzt war.*
Ihre Leiche aber wurde nicht gefunden, daher war ich davon ausgegangen, dass Pandora ihr Mündel rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatte.
»Dann ist es also wahr«, sagte ich. »Dass du deine kugelfeste Haut Xorron zu verdanken hast!«
»Genau genommen habe ich sie Pandora zu verdanken, aber das ist eine andere Geschichte. Wer weiß, vielleicht erzähle ich sie dir ja irgendwann.«
»Dann hast du also nicht vor, mich zu töten.«
Chandra fletschte die Zähne und stieß einen zischenden Laut aus. »Wenn es nach mir ginge, wärst du längst tot. Leider gibt es jemanden, der der Meinung ist, dass du lebend von größerem Nutzen bist.«
Das überraschte mich. Sprach sie von Pandora? Ich wusste, dass Lilith mich aus irgendeinem Grund brauchte, und Chandra hatte sich ihr und ihren Engeln der Unzucht und Hurerei angeschlossen, bevor sie von einem der Schattenkinder des Spuks verschluckt und in Pandoras Kristallwelt gebracht worden war.
»Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, fragte ich.
»Auf der richtigen.«
»Das habe ich schon von anderen gehört. Ich würde dich gerne einem von ihnen vorstellen, nur sind sie leider alle tot.«
Ich wälzte mich herum und steckte den silbernen Nagel zurück in die Innentasche meiner Jacke, den Bumerang behielt ich in der Hand. Anschließend stemmte ich mich auf alle viere.
»Was wird das, wenn es fertig ist?«, fragte Chandra.
»Ich stehe auf«, erwiderte ich.
»Du siehst aber schon, dass ich mit einem Gewehr auf dich ziele?«
Ich hob den Kopf und grinste. »Wie du schon sagtest, wenn du mich hättest töten wollen, hättest du es längst getan. Schätze, du bekommst mächtig Ärger, wenn du mich abknallst.«
»Mag sein, aber davon, dass du unverletzt bleiben musst, war nie die Rede.«
Sprachs und drückte ab.
Der Knall war sehr leise, wenn auch deutlich lauter als das generische Plopp, das man immer im Kino hört. Die Kugel pflügte vor mir in die Erde.
Die Gorillabestie kreischte und trommelte sich auf die Brust.
»Die nächste Kugel trifft deine Schulter«, drohte mir Chandra. »Oder die Kniescheibe. Oder ich zerschieße dir das Rückgrat. Dann kannst du den Rest deines Lebens im Rollstuhl verbringen. Wie dein Freund Golenkow!«
Die Erinnerung an meinen alten Freund Wladimir traf mich wie ein Schlag. Der ehemalige KGB-Agent war von Chandra angeschossen und in den Rollstuhl verfrachtet worden. Damals hatte Chandra noch für Rasputins Erben gearbeitet.
Chandra lächelte kalt. Ich hätte ihr am liebsten ins Gesicht geschlagen.
Stattdessen hockte ich mich auf die Knie. Mit den Händen stützte ich mich am Boden ab. Ich spähte unter den Traktor hindurch auf den Acker. Die Ninja-Krone lag hinter der Landmaschine, höchstens vier, fünf Yards entfernt. Genauso gut hätte sie aber auch auf dem Mond liegen können.
Mir war klar, dass Chandra nicht bluffte und sofort abdrücken würde, wenn ich eine falsche Bewegung machte. Und selbst wenn ich es geschafft hätte, mich unter den Traktor zu rollen, lauerten auf der anderen Seite die geflügelten Affen, die sich wie ein Schwarm Krähen auf dem Acker niedergelassen hatten.
»Na schön«, keuchte ich. »Und wie geht es jetzt weiter?«
»Für dich? Gar nicht. Dein Weg endet hier. Sarugami und seine Reru-saru werden dafür sorgen, dass du deinen Freunden nicht zu Hilfe kommst.«
»Sarugami? Ist das diese Gorillabestie?«
Ich schaute das Monster an, dessen Blick starr auf mich gerichtet war. Ich stutzte, denn in den Augen des Untiers blitzte es für einen Moment auf. So als hätte es genau verstanden, was ich gesagt hatte.
»Er ist der Affengott. Die Reru-saru sind seine Diener, bösartige kleine Affenmonster. Du solltest sie nicht reizen, sonst ergeht es dir wie dem Bauern.«
»Weiß Pandora, dass du dich Susanoo angeschlossen hast?«
»Ich habe mich Susanoo nicht angeschlossen. Wir haben bloß dasselbe Ziel.«
»Zu verhindern, dass Suko und Shao das Schwert Kusanagi-no-tsurugi wieder zusammensetzen.«
»Susanoo will es zurückhaben. Es darf nicht länger in den Händen von Unwürdigen bleiben. Das gilt natürlich auch für die Ninja-Krone.« Sie warf Sarugami einen Blick zu und befahl ihm: »Los! Geh, und hol sie!«
Der Affengott bäumte sich auf, stieß einen schrillen Laut aus und trommelte sich erneut auf die Brust.
»Du sollst die verdammte Krone holen!«, schrie Chandra und deutete auf die Tarnkappe. »Dämliches Vieh!«
Genau das war der Moment, in dem ich handelte ...
Suko blickte dem Tod ins Auge.
Dem Tod in Gestalt eines übergroßen, vollkommen haarlosen Kolosses, durch dessen milchig weiße Haut grün das Skelett eines Menschen schimmerte. Augen, Nase und Mund waren nicht mehr als Schlitze.
Es war Xorron, der Herr der Untoten und Ghouls, der durch die Brandung auf ihn zu watete. Für die Überreste der drei Yokai, die er vor Sukos Augen zerrissen hatte, hatte er keinen Blick mehr. Seine Aufmerksamkeit galt einzig und allein seinem Todfeind, der ihn in Alaska mit dem Schwert verletzt hatte.
Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, denn Xorrons Haut widerstand Kugeln, Granaten und sogar Feuer. Es gab praktisch nichts, was sie durchdringen konnte.
Allerdings war das Schwert, das Suko geführt hatte, ja auch keine gewöhnliche Klinge. Es war das Kusanagi-no-tsurugi, das ›Schwert, welches das Gras bezähmt‹.
Mit dieser Waffe, die Susanoo einst im Schweif des Drachen Koshi gefunden hatte, hatte Sukos Freund, der türkische Ninja Yakup Yalcinkaya, den Dämon Shimada besiegt. Mit dessen Schwert wiederum John Sinclair vor Jahren Xorron getötet hatte.
Damals bei dem finalen Kampf der Giganten in Pandoras Kristallwelt ...
Shimadas Schwert war mit seiner Vernichtung vergangen, doch das Kusanagi-no-tsurugi existierte noch. Als Suko und Shao erfahren hatten, dass Xorron zurückgekehrt war und mit seiner Zombie-Armee die Berserker in Alaska angriff, hatten sie sich sofort mit dem Schwert auf den Weg gemacht, um ihren Freunden zu Hilfe zu eilen.
Und was Suko nicht zu hoffen gewagt hatte, war geschehen. Kusanagi-no-tsurugi hatte Xorrons Haut durchdrungen. Die dunkle Narbe, die die Klinge hinterlassen hatte, war deutlich zu sehen.
Leider war es Suko nicht gelungen, den Herrn der Zombies und Ghouls ein zweites Mal zu töten. Chandra, die kugelfeste Russin, hatte aus sicherer Entfernung einen Schuss abgefeuert und Lykke, die Schamanin der Berserker, getroffen. Suko war nur für einen Moment abgelenkt gewesen, doch der hatte Xorron gereicht, ihm das Schwert zu entreißen, dann hatte er mit seinem stählernen Gebiss die Klinge durchgebissen.
Nach den heilenden Handschuhen des Drachengottes war dies nun schon das zweite Artefakt aus dem Nachlass von Yakup Yalcinkaya, das während eines Einsatzes zerstört worden war.
Doch Shao hatte die Hoffnung geäußert, dass das Schwert wieder repariert werden könnte. Und so hatten sie sich auf den Weg nach Japan gemacht. Ihre Odyssee hatte sie von Nagoya, wo der weltberühmte Atsuta-jingū-Schrein stand, über die Insel Kyushu bis hierher, auf die Insel Koshi, geführt, auf der der Legende nach die Überreste des gleichnamigen Drachen in einem Vulkan ruhten.
Shao und Suko hatten verhindert, dass sich das Mädchen Yoni dem Sturm- und Meeresgott Susanoo opferte. In den Augen der Dorfbewohner ein schwerer Frevel, den Yonis Großmutter Haruna, eine Dienerin der Sonnengöttin Amaterasu, mit dem Leben bezahlt hatte.
Außerdem hatte Yoni im Auftrag von Susanoo auch die Überreste des magischen Schwertes gestohlen.
Auf der Suche nach ihr waren Suko und Shao getrennt worden.
Kurz darauf war der Inspektor von den Dorfbewohnern mithilfe eines Dieners von Susanoo, einem Yokai, überwältigt worden. Man hatte Suko genau dort an einen Felsen im Meer gebunden, wo einst der Schrein der Sonnengöttin gestanden hatte. Hier hatte sich Yoni freiwillig Amaterasus dunklem Bruder opfern wollen. An ihrer Stelle sollte nun Suko Susanoos Zorn besänftigen.
Das wollte Xorron anscheinend nicht zulassen und sich stattdessen persönlich an dem Mann rächen, der ihn verletzt hatte.
Selten hatte sich Suko in einer auswegloseren Situation befunden. Selbst im Reich des Spuks, als Pandora mit John Sinclairs Hilfe den letzten der Großen Alten zu Fall gebracht hatte, war er nicht so wehrlos gewesen wie jetzt.
Wie ein übergroßes X hing er an dem glitschigen, mit Algen und Tang überzogenen Felsbrocken. Die Seile schnürten ihm die Blutzufuhr ab. Hinzu kam das kalte Meerwasser, das seine Beine umspülte, sodass die Kälte von den Füßen aufwärts in seinen Körper kroch. Doch der Inspektor zitterte nicht nur, weil er fror.
Vor seinem geistigen Auge tauchte eine Szene aus der Vergangenheit auf. Es lag schon fast eine Ewigkeit zurück. Damals war er noch nicht einmal Inspektor bei Scotland Yard gewesen, sondern lediglich freier Mitarbeiter.
Gemeinsam mit John Sinclair war er nach New York geflogen, um die Erweckung von Xorron zu verhindern. Unterstützt worden waren sie dabei von einem guten Freund, dem FBI-Agenten Jo Barracuda, der eines von Xorrons ersten Opfern geworden war, dessen Auferstehung sie nicht hatten verhindern können. Xorron hatte Jo Barracuda totgebissen, woraufhin der G-man als Zombie zurückgekehrt war, ein Schicksal, von dem ihn John Sinclair hatte erlösen müssen.*
Und genau dieses Schicksal stand nun auch Suko bevor.
Allein die Vorstellung, dass sich diese widerlichen, metallisch glänzenden Hauer in sein Fleisch bohrten, damit er anschließend als tumbe, willenlose Marionette an Xorrons unsichtbaren Fäden hing, war für ihn der absolute Horror.
Und doch schien es, als würde genau dies geschehen, denn Suko sah keine Möglichkeit, den Herrn der Zombies und Ghouls von seinem Vorhaben abzuhalten.
Xorron schob sich zwischen den Felsen hindurch auf sein Opfer zu. Es konnte ihm gar nicht entkommen, und das wusste er. Sein lippenloses Maul verzog sich zu einem Grinsen, mit dem er sein mörderisches Gebiss bleckte, das Suko stets an die Zinken einer Harke erinnerte.
Der Inspektor wusste, dass er nur auf Zeit spielen konnte. Noch trennten Xorron gut fünf Yards von ihm, die der Koloss jedoch mit zwei großen Schritten überwinden würde. Vielleicht benötigte er auch drei, weil der Boden so uneben war, doch das änderte nichts daran, dass Sukos Uhr rasant ablief.
»Xorron, warte!«, krächzte er.
Doch der dachte gar nicht daran. Er stapfte weiter auf seinen Feind zu. Das Wasser reichte ihm jetzt nur noch bis zu den Knien. Schon streckte er die Hand nach Suko aus.
»Xorron, ich ... ich bin Susanoo versprochen. Er wird nicht sehr erfreut darüber sein, wenn du ihm das Opfer streitig machst.«
Es hatte Suko einiges an Überwindung gekostet, das zu sagen. Zumal Susanoo mit Sicherheit selbst imstande gewesen wäre, Xorron Einhalt zu gebieten, wäre ihm daran gelegen. Vielleicht konnte er Xorron nicht vernichten, aber zumindest daran hindern, Suko zu töten. Schon deshalb, weil der Herr der Zombies drei seiner Diener zerfetzt hatte.
»Mir egal«, knurrte Xorron. Er sprach wie ein Roboter, abgehackt und monoton. Wie früher, so benutzte er auch jetzt nur kurze Sätze mit wenigen Worten.
Xorron war nie ein großer Redner gewesen, er handelte lieber. Das bewies er auch jetzt, als er sich an Suko heranschob.
Der Inspektor überlegte fieberhaft, was er Xorron noch sagen konnte, um ihn aufzuhalten, doch ihm fiel einfach nichts ein.
Und dann war es zu spät. Die eiskalte Pranke des Dämons packte Suko am Kinn, verschloss ihm den Mund. Die Finger drückten zu.
Suko wusste um die Kraft dieses Dämons. Xorron konnte seinen Schädel zerquetschen wie ein rohes Ei.
Aber noch wollte er sein Opfer zappeln lassen. Langsam drückte er den Kopf zur Seite, sodass Suko ihn anschauen musste. Nie zuvor war ihm Xorron näher gewesen als jetzt.
Der Unheimliche, der einst zu Doktor Tods Mordliga gehört und selbst Asmodina getrotzt hatte, beugte sich vor, bis sich sein flaches Gesicht dicht vor dem von Suko befand.
Fauliger, nach verrottetem Fleisch stinkender Atem drang zwischen den Zähnen hervor, an denen noch das schwarze Blut der Yokai klebte.
»Hast du Angst, Chinese?«, raunte ihm Xorron zu.
Was sollte Suko darauf erwidern? Sein Herz raste, der Angstschweiß stand ihm auf der Stirn. Aber vermutlich erwartete Xorron ohnehin keine Antwort von ihm.
»Ich könnte deinen Schädel zermalmen. Oder dich mit einem Biss zum Zombie machen«, sprach Xorron weiter. »Was wäre dir lieber?«
Suko antwortete nicht, stumm starrte er seinen Todfeind an.
Xorron lachte. »Ich werde dir den Unterkiefer aus dem Schädel reißen. Ich werde mich an deinen Qualen weiden. Bis ich mich dazu erbarme, dich von deinem Leid zu erlösen.«
»Lass ihn los, Xorron!«
Suko glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu dürfen.
Diese Stimme hätte er unter Millionen anderer herausgehört. Es war die Stimme einer Frau. Und obwohl sie mit ihm auf die Insel gekommen war, hätte er nicht damit gerechnet, dass sie rechtzeitig hier auftauchen würde, um ihn zu retten.
Es war seine Partnerin Shao, die letzte Nachfahrin der Sonnengöttin Amaterasu.
Und was Suko nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, trat ein. Xorron hob den Kopf, richtete sich auf. Der brutale Griff um Sukos Kiefer lockerte sich.
Der Herr der Zombies und Ghouls starrte in Richtung Ufer. Das Licht der Sonne verlieh seinem milchigen Leib einen silbrigen Glanz.
»Ich bin es doch, die du willst«, fuhr Shao fort. »Ich bin die Nachkommin von Amaterasu!«
Etwas flog heran und traf Xorron am Schädel. Es war einer der magischen Armbrustbolzen, der an der Haut des Dämons zersprang. Ein grelles Licht flammte auf. Suko schloss geblendet die Augen. Aber auch Xorron wankte. Seine Finger rutschten endgültig von Sukos Gesicht, der Arm fiel nach unten.
Suko hörte Xorron knurren. »Amaterasu?«
»Ja«, peitschte Shaos Stimme über das felsige Ufer. »Ich bin sie, und sie ist ich. Aber was noch wichtiger ist – ich besitze ihr Auge!«
»Das Auge der Amaterasu!«
Xorron sprach die Worte fast ehrfürchtig aus, sofern eine Gestalt wie er überhaupt Ehrfurcht empfinden konnte.