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Der 2. November 2024, der Alte Lokschuppen von Hünfeld in der Nähe von Fulda! Hier will die IWI, die Independent Wrestling Innovation, ihr großes Halloween-Event durchführen! Und bekannte Fighter wie Heinrich Zorn, Tayra Gates, Bruder Chaos und der ›Geile Schnauzer‹ Kevin Kaiden werden in den Ring steigen, um den Wrestling-Fans eine großartige Show zu bieten.
Doch nicht nur sie - auch John Sinclair und Suko müssen in den Ring und sich sowohl den Stars der IWI als auch einer Horde Dämonen zum Kampf stellen! Denn bei diesem Event führt Asmodis, der Herr der Hölle, die Regie!
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Fighting with my Demons
Werkstattbericht und Interviews
Vorschau
Impressum
Fighting with my Demons
von Lara Möller und Ian Rolf Hill
»Die Magyaren kommen!«
Der Schrei des Adepten hallte durch die Gänge des Klosters und schreckte die Mönche aus ihren alltäglichen Verrichtungen. Gregor, der Abt, eilte aus der Schreibstube hinaus auf den Kreuzgang, der vom Klang der Sturmglocken widerhallte.
Simon, gerade einmal fünfzehn Winter auf Gottes Erden, prallte gegen den Klostervorsteher und drohte zu stürzen. Gregor hielt ihn fest und zwang den Adepten, ihn anzuschauen. Die nackte Angst flackerte im Blick des Knaben.
»Was sagst du da?«, brüllte Gregor.
»D-die Magyaren! Sie kommen! Sie ...«
Gregor übergab den Knaben der Obhut von Bruder Daniel und eilte zur Kapelle, wo Bruder Barrabas am Glockenseil zog. Als dieser den Abt erblickte, ließ er es los und folgte Gregor auf den Turm. Von dort aus konnten sie über die Mauern des Klosters bis hinunter ins Dorf schauen, das lichterloh brannte.
Nein, die Magyaren kamen nicht, sie waren längst da.
»Der Herr steh uns bei«, murmelte Gregor und bekreuzigte sich.
Huniofeldt, anno Domini 915 n. Chr.
Das Gesicht des Abts wurde kreideweiß.
Seit nunmehr sechzehn Wintern trieben die Magyaren ihr Unwesen, indem sie wie Rudel Wölfe in die benachbarten Ländereien einfielen, Städte und Dörfer plünderten und grausam unter der Bevölkerung wüteten. Nichts und niemand war vor ihnen sicher.
Besonders schlimm traf es das Ostfrankenreich, zu dem auch Huniofeldt zählte.
Trotzdem hatte Gregor stets gebetet und gehofft, dass dieser Kelch an ihnen vorüberging. Nicht auszudenken, was geschah, wenn das, was in den Gewölben des Klosters lauerte, entkam und sich womöglich der marodierenden Reiterhorden bemächtigte.
Das galt es unter allen Umständen zu verhindern.
»Schließt das Tor!«, brüllte Gregor.
Nie war er schneller die schmale Wendeltreppe hinabgeeilt. Mit wehender Kutte stürmte er durch den Innenhof auf das Portal zu, dessen Flügel von zwei Adepten aufgehalten wurden, um den Dorfbewohnern Zuflucht zu gewähren.
»Schließt das Tor!«
Die beiden jungen Männer starrten den Abt verständnislos an. So sahen sie die drohende Gefahr nicht, die auf das Kloster zustrebte.
Eben erschienen die ersten Menschen auf dem Pfad, der hinunter ins Dorf führte. Hauptsächlich Frauen und Kinder. Zwei alte Männer, bewaffnet mit Beil und Forke, bildeten den Abschluss.
Dicht dahinter, eingehüllt in eine Wolke aus Staub und Sand, tauchten die ersten ungarischen Reiter auf, in Rüstungen aus gekochtem Leder oder in Kettenhemden, bewaffnet mit Säbeln, Speeren und Bögen. Im vollen Galopp hob einer der Reiter den Bogen und schoss einen Pfeil auf einen der Greise ab.
Der Pfeil flog mit solcher Wucht von der Sehne, dass er den Leib des Bauern durchschlug und die Ferse einer Bauersfrau durchbohrte, die im Fallen ihre Kinder zu Boden riss.
Die Reiter aber stoben weiter auf das Kloster zu, ohne Rücksicht auf die Bauern. Der nächste Pfeil tötete eine weitere Frau, während der zweite Greis stehen blieb und sich umdrehte, um die Flüchtenden zu verteidigen.
Ein Säbelstreich beendete sein Leben, ehe er das Beil überhaupt angehoben hatte.
Die am Boden liegende Frau schrie ihren Kindern zu, weiter auf das Kloster zuzulaufen, doch Gregor sah auf den ersten Blick, dass sie es nicht schaffen würden. Schon stampften die Hufe der Pferde über die Frau hinweg. Gregor sah mit Entsetzen, wie die Kinder in der Staubwolke verschwanden.
»Schliiießt das Tor!«, brüllte er außer sich.
Endlich begriffen auch die Adepten, dass es niemanden mehr zu retten gab, und sie befolgten Gregors Befehl. Die Magyaren waren wie ein Sturm über das Dorf hinweggefegt. Ihr Ziel war das Kloster, in dem sie die Reichtümer vermuteten. Und seien es nur Speise, Trank und Obdach auf ihrem weiteren Raubzug gen Westen.
Gregor wagte nicht mal zu zählen, wie viele Reiter sich in der Staubwolke aufhielten. Wenigstens zwei Dutzend, wahrscheinlich doppelt so viele. Gott allein wusste, wie groß die Zahl derer war, die sich noch im Dorf herumtrieben, aus dem sich fettige Rauchschaden in den verhangenen Himmel schraubten.
Gregor war noch zehn Schritte vom Tor entfernt, als er stolperte und fiel. Das war sein Glück, denn durch den schmaler werdenden Spalt fegte ein Pfeil. Der Abt glaubt noch den Luftzug zu spüren, als das Geschoss über ihn hinwegfegte. Dann sprang er auf, überwand die letzten Meter und half den Adepten den schweren Riegel vor das Tor zu schieben, das im nächsten Moment von mehreren Schlägen erschüttert wurde.
Vermutlich Speere, die von den Magyaren aus vollem Galopp auf das Portal geschleudert wurden.
»Rasch!«, keuchte Gregor. »In die Ka...«
Der Rest des Wortes blieb ihm im Halse stecken. Bruder Barrabas stand wie erstarrt an der Stelle, an der Gregor eben gestolpert war. Der Pfeil, der über ihn hinweggeflogen war, hatte statt seiner den Mönch getroffen und seinen Hals durchbohrt. Es glich einem Wunder, dass sich Bruder Barrabas noch auf den Beinen hielt.
Gregor wusste nicht, ob der Mönch ihn überhaupt wahrnahm, als er einen unsicheren Schritt auf ihn zutrat.
Dann brach Bruder Barrabas in die Knie und fiel tot vornüber.
Die Adepten wimmerten leise, Gregor sah aus den Augenwinkeln, wie sie sich bekreuzigten. Gegenüber am Kreuzgang standen die anderen Mönche, gelähmt vor Entsetzen.
Gregor überkam eine heilige Wut. Er packte die beiden Adepten und zerrte sie mit sich. »Los! In die Kapelle! Rasch!«
Er verpasste ihnen einen Stoß, der sie auf die Klosterkirche zutrieb. Er selbst schlug den Weg zum Kreuzgang ein. Dabei wedelte er unablässig mit dem Arm, hektisch auf die Kapelle deutend.
»Flieht in die Kirche!«, brüllte er mit sich überschlagender Stimme, und endlich kam Bewegung in die Männer.
Bruder Daniel zerrte den Adepten Simon hinter sich her. Gregor verstellte ihnen den Weg. »Geh und bereite alles vor!«, befahl er dem Mönch. »Du weißt, was zu tun ist!«
Daniel nickte mit kreidebleichem Gesicht.
Gregor sah die Furcht in seinen Augen und packte ihn am Kragen seiner Kutte.
»Wir dürfen jetzt nicht mutlos sein. Es ist bereits Blut geflossen.« Er zeigte auf Bruder Barrabas. »Der heilige Boden wurde entweiht, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Magyaren das Kloster stürmen!«
Wie um seine Worte zu unterstreichen, erzitterte das Tor unter einem mächtigen Schlag, in das sich das Grölen von Männern und das Wiehern der Pferde mischte.
Daniel nickte stumm, zum Sprechen fehlte ihm die Kraft. Gregor aber bat Simon, ihn zu begleiten, und eilte, so schnell ihn seine Beine trugen, in die Schreibstube. Dort wühlte er so lange zwischen den Folianten, Briefen und Konvoluten, bis er ein Pergament fand, das er eilig zusammenrollte und dem Adepten übergab.
Überrascht schaute dieser von dem Dokument zu seinem Abt. »Was ... was soll ich damit?«
»Das bringst du in die Abtei Fulda und übergibst es dem dortigen Bischof. Die Brüder dort müssen gewarnt sein für den Fall, dass wir versagen. Und jetzt keine weiteren Fragen mehr.«
Gregor öffnete eine Klappe im Boden. Muffige abgestandene Luft schlug ihm entgegen.
»Geh dort runter. Es führt ein Gang hinaus in den Wald. Kehre nicht um, egal, was du siehst oder hörst. Lauf, mein Junge. Gott sei mit dir!«
Mit diesen Worten schob Gregor den Jungen auf die Öffnung zu. Da es keine Leiter gab, setzte der sich an den Rand, um sich von dort aus hinabzulassen.
»Nur Mut, es ist nicht tief!«
Gregor verpasste Simon einen Stoß, der den Adepten in die Finsternis beförderte. Der Knabe stieß einen Schrei aus, der gleich darauf verstummte, als er den Boden erreichte.
Der Abt vergewisserte sich nicht, ob Simon unverletzt war. Er schloss die Klappe und schob die Truhe darüber, in der er die Schriftrollen aufbewahrte. Dann rannte er über den Hof zur Kapelle.
Gregor bekreuzigte sich, als er durch die Klosterkirche in die Sakristei eilte, in der sich die Adepten wie verängstigte Schafe drängten. Die übrigen Mönche, einunddreißig an der Zahl, versperrten ihnen den Fluchtweg. Einige rührten bereits den Mörtel an, mit dem das Verlies versiegelt werden sollte.
Der Abt nickte zufrieden, klopfte den Brüdern auf die Schultern und sprach ihnen Mut zu, während er sich zwischen ihnen hindurch in die Sakristei schob, wo er vor den Adepten stehen blieb.
»Ihr seid noch jung, und ich hatte gehofft, dass dieser Tag niemals kommen und stattdessen ein langes gottesfürchtiges Leben vor euch liegen würde. Doch manchmal verlangt der Herr uns Opfer ab, deren Sinn sich uns häufig nicht erschließt.«
Gregor warf einen knappen Blick über die Schulter. Bruder Daniel nickte.
Der Abt erwiderte die Geste und wandte sich wieder den zwölf Adepten zu. Wo er auch hinblickte, sah er in angstvolle Gesichter. Es brach ihm das Herz, und mit einem Mal zürnte er dem Herrn, dass er ihm diese Bürde auflud, und entschloss sich für eine Lüge.
Was hätte er ihnen denn sagen sollen? Das unter ihnen, zu Füßen des heiligen Erlösers Jesu Christus, eine Kreatur, widerwärtiger und abscheulicher noch als der Leibhaftige, seit nunmehr einhundert Jahren ihr ruchloses Dasein fristete? Dass dieses Kloster nicht aufs Geratewohl hier errichtet worden war, sondern um die Menschheit vor einer schrecklichen Geißel zu bewahren?
»Aber es besteht Hoffnung. Hier im Angesicht des Allmächtigen versichere ich euch, dass ihr Erlösung erfahren werdet, wenn ihr stark im Glauben bleibt. Ihr seid die Zukunft, daher werden wir nun in das Gewölbe unter unseren Füßen hinabsteigen und ausharren, bis der Sturm über uns hinweggefegt ist.«
Seine Worte blieben nicht ohne Wirkung auf die zwölf Adepten. Hoffnung spiegelte sich in ihren Augen. Gregor spürte die Last des Gewissens, denn er wusste, dass keiner dieser Knaben noch einmal das Licht der Sonne erblicken würde.
Gregor trat auf die hölzerne Luke zu, die unter dem mit Stroh bedeckten Boden zum Vorschein kam. Ein Seil war daran befestigt. Der Abt bückte sich und hob die Luke an. Darunter befand sich eine Stiege, die in ein nachtschwarzes Gewölbe führte, ähnlich dem unter seiner Schreibstube. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Verlies keinen Ausgang besaß.
Eilig winkte er die Adepten herbei, die gar nicht schnell genug die Stufen hinabsteigen konnten. Der Letzte von ihnen war noch nicht in der Dunkelheit verschwunden, da vernahm Gregor das Krachen, mit dem das Tor draußen endgültig aufbrach. Das Heulen und Grölen der Magyaren hallte von den Klostermauern wider.
Gregor lief es kalt über den Rücken.
»Schnell, Brüder!«, rief er den Mönchen zu, die im Gegensatz zu den Adepten sehr wohl wussten, wie bedeutsam ihr Dienst für Gott, die Kirche und die Menschen dieses Landstriches war. »Geht und haltet sie auf!«
Die Brüder gehorchten. Sie nahmen das große Kreuz vom Altar und strebten damit durch das Kirchenschiff hinaus in den Klosterhof, um die Reiterhorde lange genug aufzuhalten, damit Bruder Daniel und die bei ihm verbliebenen Mönche Gottes Willen erfüllten konnten.
Gregor nickte ihnen knapp zu, dann raffte er die Kutte und stieg hinter den Adepten hinab in die Finsternis!
Der Abt war kaum verschwunden, da schob Bruder Daniel die hölzerne Luke über die Öffnung und kappte das Seil. Als er die Sakristei verließ, nickte er seinen Brüdern zu, die den Kübel mit dem Mörtel umstießen, sodass sich der Inhalt über den Boden ergoss.
Mit Tränen in den Augen beobachtete Daniel, wie sich die zähe Masse über den Boden verteilte und die Luke für immer verschloss. Während die Brüder den Bottich fortschafften, schaufelte Bruder Daniel Erde und Stroh auf die feuchte Masse, die binnen weniger Augenblicke aushärtete.
Hoffentlich schnell genug, bevor die Magyaren das Gotteshaus stürmten.
Der Mönch zuckte bei jedem Schrei zusammen, der von draußen in die Kirche hallte. Obwohl seine Brüder unbewaffnet waren, kannten die ungarischen Reiter keine Gnade.
Daniel stellte Eimer und Schaufel in die Sakristei und verriegelte die Tür. Dann eilte er vor den Altar ins Kirchenschiff, wo seine beiden Brüder ihn bereits erwarteten.
Der Mönch bekreuzigte sich und stimmte ein Gebet an, in das seine Brüder leise mit einfielen.
Noch bevor das »Amen« über seine Lippen drang, durchbohrte ein Pfeil seine Brust. Blut füllte seinen Mund, sein Blick verschleierte sich, die Knie wurden weich. Langsam sank Daniel zu Boden.
Sterbend beobachtete er, wie seine Brüder durch die Bankreihen zu flüchten versuchten.
Sie kamen nicht weit.
Wie ein Rudel nach Blut dürstender Wölfe fielen die Magyaren über sie her und rissen sie in Stücke. Blut spritzte über den Altar, während einige der Soldaten bereits damit beschäftigt waren, die Kirchenbänke zu zertrümmern und ins Freie zu schaffen, wo sie einen riesigen Scheiterhaufen errichteten, auf dem sie die Leichen seiner Brüder verbrennen würden.
Daniels letzte Gedanken, bevor sich die Schatten des Todes über ihn legten, galt seinem Abt Gregor und den zwölf Adepten. Mochte Gott ihrer Seelen gnädig sein.
Stickige Finsternis erfüllte das Verlies.
Gregor und die zwölf Adepten standen in vollkommener Dunkelheit und lauschten dem Grölen der Meute und den Schreien der Brüder, das leise und gedämpft an ihre Ohren drang. Einige der Knaben konnte das Schluchzen nicht länger zurückhalten.
Der Abt bezweifelte, dass es einer aus der nach Blut dürstenden Meute hörte, dennoch durfte er kein Risiko eingehen. Zumal er schon das leichte Zittern unter seinen Füßen spürte.
Mit jedem Tropfen Blut, den die Horde auf dem geheiligten Boden vergoss, gewann der Dämon an Macht und Stärke. Dem musste er Einhalt gebieten, solange er dazu noch imstande war.
»Lasset uns beten«, forderte er die jungen Männer auf und ging mit gutem Beispiel voran. »Allmächtiger Gott, du hast uns im heiligen Benedikt einen Meister und Lehrer geschenkt, der uns anleitet, dich zu suchen und dir zu dienen.«
Die jungen Männer fielen nacheinander in das Gebet mit ein, während sich Gregors Hand unter die Kutte schob, wo die Finger den Griff des Dolches umklammerten.
»Gib, dass wir der Liebe zu dir nichts vorziehen, sondern voll Freude und Zuversicht auf dem Pfad deiner Gebote dir entgegeneilen. Darum bitten wir durch Jesus Christus.«
Während dieser Worte tastete Gregor sich zu dem ersten seiner Adepten vor, und noch bevor das »Amen« über seine Lippen kam, durchtrennte er die Gurgel des Jünglings. Tränen brannten in den Augen des Abts, als er das heiße Blut an seinen Händen spürte.
Vor seinen Füßen brach der Adept zusammen, ohne dass einer seiner Brüder etwas mitbekam.
Gregor aber war noch nicht am Ende. Im Gegenteil, er hatte gerade erst angefangen.
»Allmächtiger Gott, gieße deine Gnade in unsere Herzen ein. Durch die Botschaft des Engels haben wir die Menschwerdung Christi, deines Sohnes, erkannt.«
Der nächste Adept sank entseelt zu Boden, in die Arme des Erlösers.
»Führe uns durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung. Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.«
Den dritten Adepten ereilte die Erlösung, neun weitere sollten folgen. Und mit jedem weiteren Opfer starb ein Teil von Gregors Seele. Doch er hatte keine Wahl. Der Dämon verlangte Blut, und Blut sollte er bekommen. Auf dass das Böse niemals freikommen möge.
Dafür wollte er, Gregor, persönlich Sorge tragen. Dafür opferte er nicht nur das Fleisch der ihm anvertrauten Adepten, sondern auch seine eigene unsterbliche Seele.
Und er hatte Erfolg.
Jahrhunderte vergingen, in denen es der namenlosen Kreatur nicht gelang, die Ketten zu sprengen, die ihm gottesfürchtige Männer vor über einhundert Dekaden angelegt hatten.
Bis heute ...
Hünfeld, 1. November 2024
»Verdammte Scheiße!«, fluchte Kasimir Wiesmüller, als ihm der jahrhundertealte Mörtelstaub ins Gesicht stob.
»Bist du verrückt geworden?«, rief sein Kollege Ömer entsetzt. »Wir sind hier in einer Kirche. Da kannst du doch nicht fluchen!«
»Natürlich kann ich das«, knurrte Wiesmüller. »Hast es doch gehört. Und das hier ist keine Kirche, sondern 'ne Baustelle, klar?«
»In einer Kirche«, beharrte Ömer.
»Na und? Bin schon vor Jahren ausgetreten.« Er schüttelte den Kopf. »Was kümmert dich das überhaupt? Du bist doch Türke.«
»Ich bin genauso deutsch wie du«, entgegnete Ömer. »Willst du meinen Pass sehen?«
»Ich meinte damit ja nur, dass du Islamist bist und ...«
»Moslem«, entgegnete Ömer. »Ich bin Moslem, kein Islamist. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.«
»Ach, Islamisten sind keine Moslems?«
»Nein. Ich meine, schon. Aber Moslems sind keine ... ach!« Ömer winkte ab. »Jedenfalls, auch wenn ich kein Christ bin, weiß ich mich in einer Kirche zu benehmen. Es geht doch nicht darum, woran man glaubt, sondern dass man es überhaupt tut. Woran glaubst du, hä?«
Wiesmüller grinste. »An Geld und guten Sex.«
Ömer schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich nicht mehr zu retten«
»Willst du jetzt weiter kluge Rede schwingen, oder hilfst du mir vielleicht?«, rief Wiesmüller über die Schulter hinweg.
Der Bauarbeiter war auf die Knie gegangen und kroch jetzt auf allen vieren durch den Durchbruch, den er mit wenigen Hieben seines Vorschlaghammers geschaffen hatte. Der Mörtel war im Laufe der Jahrhunderte spröde geworden. Muffige Luft schlug ihm entgegen. Unwillkürlich hielt sich Wiesmüller die behandschuhte Hand vor Mund und Nase. Er wandte das Gesicht ab und hustete.
Ömer kniff geblendet die Augen zu, als der Schein von Wiesmüllers Helmlampe sein Gesicht traf. »Verdammt, was soll denn das?«
Wiesmüller grinste. »Ich dachte, man flucht nicht in der Kirche?«
»Entschuldigung«, murmelte Ömer.
»Du bist so 'ne Pussy«, erwiderte Wiesmüller und wandte den Blick wieder nach vorn. »Puh, das stinkt vielleicht. Die Luft ist kaum zu atmen.«
Doch das hielt Wiesmüller nicht davon ab, in den dahinterliegenden Hohlraum zu kriechen.
Den neunundzwanzigjährigen Bauarbeiter aus Fulda, vor zwei Monaten erst Vater einer kleinen Tochter geworden, hatte die Neugier gepackt.
»Was machst du denn da?«, wollte Ömer wissen.
»Nachsehen, was sich dahinter befindet«, erklärte Wiesmüller. »Wer weiß, vielleicht sind wir auf etwas ganz Großes gestoßen.«
»Du spinnst doch!«
»Du fluchst schon wieder.«
»Ich fluche nicht, ich habe bloß eine Tatsache festgestellt«, erwiderte Ömer verschnupft. »Los, komm raus da! Wir sagen Knut Bescheid. Soll der sich das mal anschauen.«
»Damit der die ganzen Lorbeeren einsackt und allein abkassiert? Vergiss es.«
Wiesmüller kroch tiefer in den Hohlraum, hob den Blick und bewegte langsam den Kopf von einer Seite zur anderen, doch was er im Licht der Helmlampe zu Gesicht bekam, war in erster Linie Staub, der in der Luft schwebte, sowie verwittertes Mauerwerk.
Der Boden war einigermaßen eben, wies aber zahlreiche Einschlüsse und Erhebungen auf. Ziemlich schlampige Arbeit. Der fensterlose Raum hinter dem Durchbruch maß vielleicht zehn Meter im Quadrat, höchstens zwölf.
»Hast du den Schatz schon gefunden?«, erkundigte sich Ömer spöttisch.
»Nee, nur Geröll!«, antwortete Wiesmüller seinem Kollegen und richtete sich auf, ging langsam weiter.
»Siehst du, was hab ich dir gesagt? Komm jetzt ...«
»Warte noch, ich ...«
Wiesmüller stutzte. Er hatte etwas gehört. Ein leises Knirschen und ...
Nur einen Atemzug später sackte unter ihm der Boden weg.
Der Bauarbeiter schrie auf und warf sich nach hinten. Seine Beine verschwanden in dem Loch, während er mit dem Hintern so fest auf den harten Boden krachte, dass ein scharfer Schmerz durch sein Steißbein zuckte.
»Kasi!«, schrie Ömer und packte seinen Kollegen mit solcher Kraft, als wollte er ihm die Schulter zerquetschen.
»Fuck!«, keuchte Wiesmüller, als er das Loch erblickte, in dem seine Füße baumelten. Hastig zog er die Beine an und wälzte sich herum.
Sein Blick begegnete dem von Ömer, der schief grinste und meinte: »Ich sag doch, du sollst nicht fluchen.«
Wiesmüller fing an zu lachen, und Ömer fiel mit ein. Zumindest so lange, bis die beiden Männer Staub in die Lungen bekamen und anfingen zu husten.
»Los, komm!«, würgte Ömer hervor, doch Wiesmüller war jetzt erst recht angefixt.
»Gleich. Will doch mal sehen, was wir da haben!«