1,99 €
Cruciata, die Spinnenfrau, stammte aus einer anderen Dimension. Sie war eine Dämonin - und eine Verbündete, die mir im Kampf gegen Asmodina, der Tochter des Teufels, das Leben gerettet hatte. Dafür hatte ich ihr ein Versprechen geben müssen: ein Rendezvous mit ihr in Rom! Die Dämonin und der Geisterjäger - einen ganzen Tag lang unter normalen Menschen! Doch dieses Rendezvous wurde alles andere als romantisch - denn Asmodis, der Herrscher der Hölle selbst, nutzte unser Zusammentreffen für eine teuflische Intrige!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Mein Rendezvous mit der Spinnenfrau
Ian Rolf Hill's Leserseite
Vorschau
Impressum
Mein Rendezvous mit der Spinnenfrau
von Ian Rolf Hill
Simone Cosamona war einundzwanzig Jahre jung und liebte das Leben und Partys. Sie war einer der Stars in der Clubszene von Rom. Das hatte sie nicht nur ihrem Aussehen zu verdanken, sondern auch dem Geld ihrer Familie.
Simone war die Tochter von Emilio Cosamona, seines Zeichens Capo eines der einflussreichsten Mafia-Clans der Ewigen Stadt.
Für Simone war das Fluch und Segen zugleich. Einerseits wagte kaum jemand, ihr einen Wunsch abzuschlagen oder ihr gar blöd zu kommen, andererseits wusste sie nie, ob eine neue Bekanntschaft nicht nur deshalb Interesse heuchelte, um über sie an ihren Vater heranzukommen. Aus welchen Gründen auch immer.
Auch bei ihrer neuesten Eroberung war sie sich dessen nicht sicher. Vielleicht war er Mitglied eines rivalisierenden Clans oder gar ein verdeckter Ermittler.
Ansonsten waren Simone die Geschäfte ihres Vaters egal. Sie wollte bloß ihren Spaß.
Und Eric Turner sah aus, als könnte man mit ihm jede Menge davon haben.
Dass er bestimmt doppelt so alt war wie sie, störte Simone nicht. Im Gegenteil, sie mochte reifere Männer viel lieber als die großspurigen Aufschneider aus ihrer eigenen Altersklasse. Die taten zwar immer so, als wären sie die Größten der Welt, und kehrten den Macho raus. Aber wenn es drauf ankam, stellte sich oft heraus, dass das meiste davon nur heiße Luft war.
Eric Turner dagegen sah nicht so aus, als käme bei ihm nur heiße Luft.
Sein locker sitzendes Armani-Sakko umschmeichelte seinen durchtrainierten Oberkörper, über den sich ein schwarzes T-Shirt spannte. Die Haut war leicht gebräunt, das dunkelblonde Haar fiel leicht gewellt bis auf die Schultern.
Mit dieser Frisur wirkte er ein wenig aus der Zeit gefallen, aber Simone bewunderte viel lieber seine kräftigen und gepflegten Hände, die ebenmäßigen gebleachten Zähne und seine unergründlich blickenden dunklen Augen.
Vor allem die zogen sie geradezu magisch an, sodass Simone das Gefühl hatte, darin zu versinken.
Es war ein Klischee, das war ihr klar, und doch kam sie sich jetzt genauso vor.
Simones Atem ging merklich schneller. Je länger sie in Erics Nähe verweilte, desto stärker wurde das Verlangen, sich ihm hinzugeben.
Ja, sie wollte es mit jeder Faser ihres Körpers. Noch in dieser Nacht!
Sie schwitzte unter dem dünnen Top, was kein Wunder war, immerhin hatten sie mindestens eine halbe Stunde sehr intensiv miteinander getanzt. Bei ihm dagegen perlte nicht ein Schweißtropfen.
»Keine Ahnung, wie du das machst, aber ich brauche jetzt dringend was zu trinken!«, rief sie über die laute Musik hinweg.
Eric lächelte und nickte ihr zu. Besitzergreifend legte er die Hand auf ihre Hüfte und führte sie an die Bar. Simone spürte, wie sie erschauerte.
»Was möchtest du?«
Seine Lippen waren plötzlich ganz dicht an ihrem Ohr, sein Atem strich über die dünne Haut ihres Halses, seine Stimme schien direkt in ihrem Kopf zu erklingen.
»Dich!«, hörte sie sich sagen.
Es war einfach aus ihr herausgerutscht. Kaum war ihr das Wort über die Lippen gekommen, da wurde ihr noch wärmer, als es ihr ohnehin schon war. Sie glühte förmlich und hoffte nur, dass er sie über den Lärm hinweg nicht verstanden hatte.
Blödsinn!, schoss es ihr durch den Kopf. Natürlich wollte sie, dass er es gehört hatte.
Er lachte leise. »Ich meinte eigentlich, was du trinken möchtest.«
»Wodka Lemon«, sagte sie hastig. »Entschuldige bitte, ich verschwinde mal kurz wohin!«
»Lass dir nicht zu viel Zeit.«
Seine Hand glitt über die Innenseite ihres Oberschenkels.
Simones Herz klopfte schneller. Eilig quetschte sie sich zwischen den schwitzenden Körpern der anderen Gäste hindurch in Richtung der Toiletten.
Sie atmete auf, als sie endlich den Waschraum mit den Toiletten erreichte – und stöhnte sogleich genervt auf. Wie so oft standen die Frauen auch diesmal Schlange, um eine der fünf Kabinen zu benutzen.
»Das darf doch jetzt nicht wahr sein!«, seufzte Simone.
Die Musik und die Stimmen der Feiernden waren hinter der Tür zurückgeblieben, trotzdem klingelten ihr die Ohren auch weiterhin. Wahrscheinlich hatte sie lauter gesprochen, als nötig gewesen wäre.
Sämtliche Blicke wandten sich ihr zu. Beiläufig, mitfühlend, vielleicht auch eine Spur herablassend.
Das änderte sich erst, als einige der Damen sie erkannten.
Zwei Mädchen tuschelten erst miteinander und ließen Simone dann vor.
Das war einer dieser Moment, in denen sie es genoss, Tochter von Emilio Cosamona zu sein.
Sie lächelte und bedankte sich bei den Teenagern. Geschwind schlüpfte sie in die Kabine.
Sie war gerade fertig, als ihr die unnatürliche Stille auffiel.
Keine Stimmen mehr, kein Klappern von Kabinentüren oder das Rauschen der Spülung. Nur das Hämmern und Dröhnen der Musik drang gedämpft durch die Tür.
Simones Puls beschleunigte sich, ihr Atem ging schneller. Behutsam öffnete sie die Tür – und zuckte im ersten Moment zusammen, als sie sich selbst im Spiegel gegenüber erblickte.
Der Waschraum, der eben noch von jungen Frauen belagert worden war, war menschenleer.
Wie hypnotisiert ging Simone auf das Waschbecken zu und hielt die Hände unter den Hahn.
Im selben Moment, als das Wasser herausschoss, begann das Licht zu flackern.
Und wie aus dem Boden gewachsen, stand Eric hinter ihr.
Simone erschrak und wollte herumwirbeln, doch Eric war schneller.
Seine Hand wühlte sich in ihre schwarzgelockte Mähne, zog daran, nur um sie gleich darauf nach vorn zu stoßen. Sie keuchte, klammerte sich an das Waschbecken und spürte noch im selben Atemzug die zweite Hand, die ihren Rock nach oben schob, sich auf ihr Gesäß legte, tiefer glitt ...
Simone schnappte nach Luft!
»Das wolltest du doch schon die ganze Zeit über«, raunte Eric, »nicht wahr?«
Sie erzitterte unter seiner Berührung, schloss die Augen.
»Sag es!«, befahl er.
»Ja«, keuchte sie. »Ja, ich ... ich will es!«
Eric Turner lachte leise.
Kurz darauf lachte er nicht mehr, da wurde nämlich die Tür aufgestoßen, und zwei Männer betraten den Raum. Ihre ernsten Mienen ließen keinen Zweifel daran, dass ihnen überhaupt nicht gefiel, was sie zu sehen bekamen.
»Schätze, das reicht jetzt!«, sagte der kleinere der beiden, der Eric Turner immer noch um mehrere Zentimeter überragte. Das schwarze Haar trug er zurückgegelt, die Augen waren hinter einer Sonnenbrille verborgen.
Sein Kumpan war wenigstens zwei Meter groß. Auch er trug eine Brille mit dunklen Gläsern, sein Kopf dagegen war so kahl wie eine Bowlingkugel. In seinem Ohr steckte ein Knopf, das schlechtsitzende Sakko verbarg die Schusswaffe im darunterliegenden Holster nur unzureichend.
Eric Turner ließ von Simone ab, die einen leisen Schrei ausstieß. Rasch sprang sie auf und zog ihren Rock nach unten. Im gleichen Atemzug kochte die Wut in ihr hoch.
»Was soll der Mist, Pablo?«
Der Schwarzhaarige ließ Eric keine Sekunde aus den Augen, als er Simone antwortete. »Ich tue nur, wofür Ihr Vater mich bezahlt.«
»Er bezahlt Sie, um auf mich aufzupassen, nicht um mich zu stalken! Und schon gar nicht, um mir auf die Toilette zu folgen!«
»Doch, genau das tut er. Zumindest wenn Ihnen ein Kerl dorthin folgt, nachdem alle anderen Frauen die Toilette fluchtartig verlassen haben.«
»Eric hat nichts getan!«, behauptete Simone.
»Das sah eben aber noch ganz anders aus!«
»Dabei habe ich noch nicht mal richtig angefangen«, meldete sich Eric zu Wort.
Simone kicherte.
»Oh.« Pablo hob die Brauen. »Wie es aussieht, haben wir hier einen Klugscheißer. Mögen wir Klugscheißer, Carlo?«
Der Glatzkopf schüttelte den Kopf. »Nein, Pablo!«
»Und was machen wir mit Klugscheißern?«
Carlo griente und holte einen silbern glänzenden Schlagring aus der Seitentasche seines Sakkos. Genüsslich streifte er ihn sich über die wulstigen Finger. »Wir prügeln ihnen die Scheiße aus dem Leib und spülen sie die Toilette runter.«
»Ganz genau, Carlo!«
Simones Augen weiteten sich vor Entsetzen. Mit einem Schritt stellte sie sich zwischen Eric und die beiden Bodyguards. »Nein! Das werdet ihr ganz bestimmt nicht tun!«
Pablo seufzte. »Gehen Sie zur Seite, Simone. Ab hier übernehmen wir.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das könnt ihr vergessen!«
»Ach, lass ihnen doch den Spaß, Simone«, sagte Eric hinter ihr. »Vielleicht wollen sie ja mitmachen? Oder seid ihr etwa nur meinetwegen gekommen?«
Pablo gab seinem Kollegen einen Wink. »Du wirst gleich sehen, warum wir gekommen sind. Carlo!«
Die Tür öffnete sich erneut. Simone konnte nicht erkennen, wer den Waschraum betreten wollte, denn die Tür wurde gleich darauf wieder zugerammt. Der leise Schrei verriet Simone, dass dafür nicht die Person verantwortlich war, die eben hatte hereinkommen wollen.
Es war, als hätte eine unsichtbare Kraft die Tür ins Schloss gezogen.
Im selben Atemzug erlosch das Licht.
Simone schrie auf.
Von einer Sekunde auf die andere wurde es schwarz um sie herum. Sie konnte nicht das Geringste sehen, dafür hörte sie umso mehr.
Und zwar die Schreie von Pablo und Carlo.
Sie waren so grässlich, dass sich Simone die Ohren zuhalten musste. Wimmernd ging sie in die Hocke und zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen, als das Licht wieder aufflammte, nicht flackernd, sondern blendend hell.
Simone ließ die Hände sinken.
Das Summen der Leuchtstoffröhren klang in der urplötzlich einsetzenden Stille überlaut.
Langsam hob die junge Frau den Kopf und sah ihre Bodyguards noch genauso dastehen wie in der Sekunde, als das Licht erloschen war. Nur die Münder standen sperrangelweit offen.
Und dann zerfielen sie!
Es fing mit dem Schlagring an, der durch Carlos Hand rutschte und auf die Fliesen klimperte. Begleitet von feiner Asche, die aus dem Hemdsärmel rieselte, der nach unten sackte.
Im gleichen Augenblick zerbröselten die Köpfe. Die Sonnenbrillen glitten über die Brust und klapperten zu Boden. Die Hände brachen an den Gelenken ab, die Kleidung fiel in sich zusammen.
Der Vorgang dauerte nur wenige Sekunden, dann war von Pablo und Carlo nicht mehr übrig als zwei mit dunkler Asche vermengte Kleiderhaufen.
Eric Turner trat neben Simone und reichte ihr die Hand. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»So weit musste es ja irgendwann kommen! Ich wusste, dass das nicht lange gutgehen würde. Verdammt, ich wusste es!«
Emilio Cosamona schlug mit der Faust auf den Frühstückstisch, dass das Geschirr nur so schepperte. Seine Kaffeetasse kippte um, die braune Brühe schwappte über die Untertasse und ergoss sich über das Tischtuch.
Seine Frau Ricarda, hinreichend an seine Wutausbrüche gewohnt, zuckte nicht mal mit der Wimper. Hatte sie überhaupt mitbekommen, was ihr Sohn Vincenzo gesagt hatte?
Der stand stocksteif vor seinem Vater, geduldig darauf wartend, dass dieser sich beruhigte. Auch er kannte die Tobsuchtsanfälle zur Genüge. Nur die Dienstboten duckten sich noch und zogen sich erschreckt zurück.
»Wo war sie überhaupt?«, fragte Emilio, nachdem die erste Wut verraucht war.
»Im Cube Roma.«
»Das ist doch Marcellos Laden!«, bellte Emilio.
»Ja, aber angeblich weiß er von nichts. Nur dass Simone mit irgendeinem Schönling verschwunden sei, der ihr ein paar Minuten zuvor auf die Toilette gefolgt war.«
Emilio Cosamona lief puterrot an. Er konnte, nein, er wollte einfach nicht glauben, was Vincenzo da erzählte. Er sprang auf und ergriff das Revers seines Sohnes.
»Willst du behaupten, meine Tochter, deine Schwester, ist eine puttana?«
Vincenzo seufzte. Sein Blick huschte zu Ricarda.
Emilio verpasste ihm eine Backpfeife.
»Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!«, blaffte der Capo des Cosamona-Clans seinen Sohn an, der den Vater um zwei Haupteslängen überragte.
»Ich behaupte gar nichts, ich habe nur wiedergegeben, was Marcello mir gesagt hat.«
»Dieser Wichser!«, zischte Emilio. Er ließ Vincenzos Revers los und strich es sogar noch glatt. »Wo sind Pablo und Carlo?«
»Das wissen wir nicht. Sie sind verschwunden.«
»Verschwunden?« Emilio wandte den Kopf, um seine Frau anzuschauen.
Ricarda erwiderte seinen Blick, in ihren Augen glitzerte es verräterisch. Auch wenn sie es sich nicht immer anmerken ließ, aber sie liebte Simone. Vielleicht nicht ganz so sehr wie Vincenzo, aber sie war immerhin ihre Tochter, famiglia.
Und Emilio kannte seine bessere Hälfte lange genug, um zumindest zu erahnen, was ihr gerade durch den Kopf ging. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dasselbe wie ihm.
»Diese Bastarde«, knurrte er und griff erneut nach seinem Sohn. Diesmal bekam er ihn an der Krawatte zu packen. »Finde diese Hurensöhne! Ich will ihre Köpfe, hörst du?«
»Noch wissen wir nicht, ob sie Simone verkauft haben.«
Emilio lachte gallig. »Natürlich haben sie sie verkauft. Was denn sonst? Und selbst wenn nicht, sie haben versagt! Also finde sie, capito?«
»Ja, Vater.«
»Und sag Marcello, dass ich ihn sprechen will. Heute noch!« Emilio überlegte kurz, dann wedelte er ungeduldig mit der Hand. »Ach was, ich sag es ihm selbst!«
Er warf seiner Frau einen letzten Blick zu, dann stürmte er davon in sein Arbeitszimmer.
Das Haus war von außen ein weißer Marmor-Palast, von dem aus Emilio Cosamona eines der größten Geschäftsimperien Roms lenkte. Schwer bewaffnete Sicherheitsmänner patrouillierten Tag und Nacht durch das parkähnliche Grundstück. Kameras überwachten jeden Quadratzentimeter.
Im Haus selbst verließ sich Emilio auf Romulus und Remus, zwei abgerichtete Dobermänner, die jeden anfielen, der hier nichts zu suchen hatte.
Ein Paparazzo war einmal über die Mauer geklettert, um sich dem Haus zu nähern. Die Hunde hatte ihn bei lebendigem Leib regelrecht zerfleischt.
Jetzt trotteten die beiden Riesenköter scheinbar lammfromm hinter ihrem Herrchen her, als dieser zum Büro im Erdgeschoss ging. Als er die Tür erreichte, fingen die Hunde an zu winseln.
Emilio blieb wie angewurzelt stehen. Er hatte gelernt, den Instinkten der Tiere zu vertrauen.
Hinter der Tür musste sich etwas befinden, dass Romulus und Remus nicht nur in Aufregung versetzte, sondern regelrecht ängstigte.
Emilio wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Seine Fantasie reichte nicht aus, um sich vorzustellen, was zwei Dobermänner vom Kaliber seiner Lieblinge derart in Panik versetzen konnte.
Herausfinden würde er es nur, wenn er die Tür öffnete. Und das tat Emilio mit klopfendem Herzen. Bei dem Gedanken an eine Bombe zog sich ihm kurz der Magen zusammen, doch seine Sorge war unbegründet.
Kein Knall, kein Blitz, keine Explosion.
Dafür ein dunkelblonder Mann, der hinter seinem Schreibtisch saß, die Füße auf dem Tisch, neben der Flasche des sündhaft teuren Grappa, den sich Emilio für besondere Anlässe aufgehoben hatte. Der Fremde stürzte das Gesöff herunter wie Wasser, auf seinen Lippen lag dabei ein süffisantes Lächeln.
Emilio Cosamona verschlug es bei so viel Unverfrorenheit die Sprache. Allerdings nicht lange, dann brach sein cholerisches Temperament wieder durch.
»Wer sind Sie? Und wie kommen Sie hier herein?«
Der Fremde ergriff die Grappaflasche und schenkte sich nach. Ohne Emilio anzuschauen, beantwortete er dessen Fragen.
»Ich bin ihr bester Freund. Und wie ich hereingekommen bin, würden Sie mir ohnehin nicht glauben. Aber wichtig ist ohnehin nur, dass ich da bin.«
Emilio war niemand, der sich für dumm verkaufen ließ. »Romulus! Remus! Fasst!«
Das Winseln der Hunde wurde lauter, qualvoller. Die Dobermänner wanden sich, hin- und hergerissen zwischen anerzogenem Gehorsam und instinktiver Furcht. Letztere gewann schließlich die Oberhand. Kläffend ergriffen sie die Flucht.
Sprachlos schaute Emilio ihnen nach.
Erschreckt fuhr er zusammen, als er sich wieder umdrehte und der Fremde plötzlich dicht vor ihm stand. In der Hand das mit Grappa gefüllte Glas. Emilio schnürte es die Kehle zu, sein Herz stolperte vor Angst.
Selbst er spürte, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmte. Kein Mensch konnte die Strecke vom Schreibtisch bis zur Tür in so kurzer Zeit überbrücken, ohne dabei das geringste Geräusch zu verursachen.
Wie hypnotisiert starrte Emilio dem Fremden in die Augen. Der ergriff die Hand des Paten. Zuerst legte er dessen Finger um das Glas, dann seinen Arm um Emilios Schultern.
Beinahe zärtlich führte der Fremde den Capo in dessen Arbeitszimmer. Der vernahm noch, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
»Sie fragen sich sicherlich, wo Ihre Tochter ist«, sagte der Fremde mit einschmeichelnder Stimme, während er Emilio in den Schreibtischsessel drückte.
»Simone? Wo ist sie? Was haben Sie mit ihr gemacht?«
»Das sind eine Menge Fragen, auf die ich Ihnen keine Antwort geben werde. Zumindest noch nicht. Erst müssen wir uns handelseinig werden.«
Der Mafioso verengte die Augen. »Was wollen Sie? Geld?«
Da lachte der Fremde auf eine Weise, dass es selbst dem abgebrühten Capo kalt den Rücken hinunterlief. »Nein, mit Sicherheit nicht. Mir geht es um etwas anderes. Beziehungsweise um jemand anderen.«
»Soll ich jemanden für Sie umbringen lassen, oder wie?«
»Ja und nein«, erwiderte der Unbekannte freimütig und schob die Hand unter das Sakko. Als sie wieder zum Vorschein kam, hielt der Fremde zwei Fotografien in den Händen, die er vor dem Capo auf den Schreibtisch fallen ließ. »Es geht mir um diese beiden Personen.« Er tippte auf eines der beiden Bilder. »Diese hier muss sterben, am besten noch heute.«
»Und ... und die andere?«
»Mit der habe ich etwas ganz Besonderes vor. Was, braucht Sie nicht zu kümmern. Sie sollen die Zielperson lediglich überwältigen und an einen bestimmten Ort bringen.«
»Und danach bekomme ich Simone zurück?«