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Die Gewässer vor North Carolina werden zum Albtraum: Zombie-Haie suchen dort ihre Beute! Und das sind nicht nur Meeresbewohner, sondern auch Menschen, die sich aufs oder ins Wasser wagen! Bald schon färben sich die Fluten rot vor Blut! Der Meeresbiologin Stephanie Douglas ist sofort klar, dass dieses Massaker keine natürliche Ursache hat! Ihr Ehemann ist der FBI-Agent Abe Douglas, und der wiederum gehört zum weltweiten Team von John Sinclair und Suko! Er alarmiert die beiden Geisterjäger aus London, und John und Suko tauchen hinab in die blutgetränkten Tiefen des Ozeans. Dort treffen sie nicht nur auf bestialische untote Killerhaie, sondern auch auf einen uralten Feind, gegen den all ihre Waffen nutzlos sind!
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Zombie-Haie greifen an!
Grüße aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Zombie-Haie greifen an!
von Ian Rolf Hill
Es war eine vollkommen andere Welt. Eine Welt der Stille und Schwerelosigkeit, in der Zeit und Raum jede Bedeutung verloren.
Lautlos und behäbig trieben die Bewohner dieser Welt durch das dunkle Blau, in dem sich das Licht schon nach wenigen Metern verlor, um einer verschwommenen Düsternis zu weichen, durch die sich die Geschöpfe der Tiefe in undeutliche Schemen verwandelten.
Plötzlich schossen sie pfeilschnell davon.
Laurent Torréll hielt inne, doch er konnte den Grund für die Reaktion der Fische nicht ausmachen. Nach wenigen Sekunden schwamm er weiter, auf das Wrack zu, das Yves Sanders schon fast erreicht hatte.
Mit wenigen Schlägen seiner Schwimmflossen schloss Laurent zu seinem Freund auf. Nicht ahnend, dass ihre Anwesenheit auf dem Friedhof des Atlantiks längst die Aufmerksamkeit eines unerbittlichen Jägers erregt hatte ...
Laurent Torréll und Yves Sanders waren leidenschaftliche Wracktaucher.
Kennengelernt hatten sie sich schon vor Jahren, während des Studiums, und dabei festgestellt, dass sie in mehr als einer Sache auf einer Wellenlänge schwammen.
Die beiden Junggesellen liebten drei Dinge über alles: Frauen, Geld und eben das Tauchen.
In Laurents Augen war Letzteres der perfekte Ausgleich zu den mitunter recht aufreibenden ersten beiden Leidenschaften.
Mit seinen achtundzwanzig Jahren fühlte sich Laurent noch zu jung, um sich fest zu binden. Er wusste ja nicht mal, ob er das überhaupt wollte. Allein die Vorstellung, mit einer einzigen Frau alt zu werden, versetzte ihn in Panik. Das hatte zumindest seine letzte Freundin behauptet, nachdem er ihr den Laufpass gegeben hatte. Zwei Tage, nachdem Linda ihm ihre Liebe gestanden hatte, und das nach nicht einmal vier Monaten.
Zutiefst gekränkt hatte sie ihm vorgeworfen, nur deshalb Börsenmakler geworden zu sein, um genügend Geld zu scheffeln, damit er auch im Alter noch ein paar naive Twens aushalten konnte, die ihn jung hielten. Nicht, dass er das nötig gehabt hätte.
Er wusste, dass er gut aussah. Ein positiver Nebeneffekt seines Hobbys. Neben regelmäßigen Besuchen im Fitnessstudio war es vor allem das Wracktauchen, das ihm dabei half, sein Gewicht zu halten und seinen athletischen Körper zu trainieren. Darüber hinaus lieferte es ihm jede Menge interessante Geschichten, mit denen er bei den Frauen Eindruck schinden konnte.
Laurent wusste, dass er nicht immer fair zu seinen Eroberungen war.
Selbst Yves hatte ihm das schon zu verklickern versucht. Aber der hatte auch gut reden, schließlich strömte ihm das Testosteron aus jeder Pore, sodass er es sich leisten konnte, ehrlich zu den Frauen zu sein, mit denen er sich traf. Bevor er mit einer von ihnen in die Kiste stieg, stellte er klipp und klar fest, dass er keinen Wert auf eine Beziehung legte und es ihm nur auf den Spaß ankam.
Mit so etwas brauchte Laurent den Frauen gar nicht erst zu kommen. Selbst, wenn er es tat, wollten ihn seine Freundinnen schon nach dem berühmten dritten Date ihren Eltern vorstellen.
Dass er im Grunde nur feige war und Angst vor der Abweisung hatte, wie Linda und Yves behaupteten, nagte an seinem Ego.
Doch auch das war etwas, das hier unten kaum eine Rolle spielte. In einer Umgebung, in der man sich nur mit Zeichensprache unterhalten konnte und in der man aufeinander angewiesen war, verloren persönliche Befindlichkeiten schnell an Bedeutung.
Daher wunderte er sich, wie nahe ihm Lindas Worte gingen. Viele Freundinnen, die er nach wenigen Wochen fallen gelassen hatte, waren wütend, ja, regelrecht zornig gewesen, nur Linda nicht. In ihrem Gesicht hatte sich nur eine tiefgreifende Enttäuschung abgezeichnet, und die hatte Laurent wie eine Harpune ins Herz getroffen und zum Grübeln gebracht.
Lag es vielleicht daran, dass ihm die Trennung von Linda deutlich schwerer gefallen war als bei anderen Frauen? Allein die Tatsache, dass sie vier Monate zusammen gewesen war, sprach dafür. Sollte er es vielleicht doch noch einmal mit ihr probieren?
Seltsamerweise erschreckte ihn dieser Gedanke nicht halb so sehr, wie er befürchtet hatte. Nun, er konnte ja wenigstens mal mit ihr darüber sprechen.
Wie aus dem Nichts tauchte der Schatten vor Laurent auf, und nur eine Sekunde später kassierte er einen leichten Schlag gegen die Schulter. Er erschrak so heftig, dass sich seine Zähne unwillkürlich fester um die Gummierung des Mundstücks schlossen.
Doch es war weder ein Hai noch eine Muräne, geschweige denn einer der gefürchteten Barrakudas, sondern sein Tauchbuddy Yves, der vor ihm schwebte und mit dem Finger auf ihn deutete, ehe er mit zwei aneinandergelegten Fingern eine kreisförmige Bewegung vollführte.
Ist dir schwindelig?, fragte Yves.
Laurent schüttelte den Kopf und formte mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis.
Alles okay.
Yves nickte und tippte sich an die Schläfe, um seinem Freund zu signalisieren, dass er sich konzentrieren solle. Das Tauchen in Wracks war nicht ungefährlich. Es gab einfach zu viel, das schiefgehen konnte.
Viele, die die Gefahr unterschätzten, kamen dabei ums Leben. Vor allem Anfänger. Die meisten verirrten sich in den Wracks und erstickten, weil ihnen der Sauerstoff ausging oder weil sie in Panik gerieten und ihre Ausrüstung beschädigten.
Seltener kam es zu Übergriffen durch Wrackbewohner, vor allem Muränen, auch wenn diese weit weniger angriffslustig waren, als man ihnen nachsagte. Aber ein Biss von einer Muräne, die sich bedroht fühlte, konnte dennoch schwerwiegende Folgen haben, da sich die Wunden häufig entzündeten.
Laurent wollte an seinem Freund vorbeischwimmen, als ihm Yves' unnatürliche Haltung auffiel. Als der die flache Hand mit abgespreiztem Daumen und kleinem Finger von einer Seite zur anderen schwenkte, wusste Laurent, dass etwas nicht stimmte.
Der Achtundzwanzigjährige brauchte sich nicht lange zu orientieren, denn sein anderthalb Jahre älterer Tauchbuddy deutete in die entsprechende Richtung.
Laurent drehte sich um.
Einige Dutzend Yards entfernt bewegte sich etwas. Die genaue Entfernung war unter Wasser schwer zu bestimmen, vor allem, weil das Geschöpf – und um ein solches handelte es sich definitiv, wie er anhand der geschmeidigen Bewegungen erkannte – dort entlangschwamm, wo sich die Sonnenstrahlen in der Tiefe verloren.
Das Tier näherte sich langsam, aber stetig. Laurent bemühte sich, flacher zu atmen, damit ihn die aufsteigenden Luftblasen nicht verrieten.
Jetzt war der Fisch nahe genug, um Einzelheiten erkennen zu können.
Den torpedoförmigen Rumpf, die beiden paddelförmigen Brustflossen, die dreieckige Finne auf dem Rücken sowie die sichelförmige Schwanzflosse, die träge von einer Seite zur anderen schwang, um den Körper durch das Wasser zu schieben.
Es war ein Hai!
Das allein wäre für Laurent und Yves nicht unbedingt Grund zu Besorgnis gewesen. Hier draußen, vor der Küste von North Carolina, waren Haie keine Seltenheit. Vor allem Riffhaie trieben sich gerne in der Nähe der Küste bei den Wracks herum. Weiter draußen tummelten sich auch Blau- und Makohaie. Sehr zur Freude einiger Sportfischer, die sich gerne einen Kampf mit diesen Raubfischen lieferten.
In diesem Fall handelte es sich allerdings nicht um einen Riff- oder Blauhai, dieser Bursche war ein ganz anderes Kaliber.
Es war ein Tigerhai!
Deutlich zu erkennen an der flachen, stumpfen Schnauze, die im Gegensatz zu denen von anderen Haien nicht in einer pfeilförmigen Spitze endete. Seinen Namen verdankte das Tier der streifenförmigen Musterung, die bei jüngeren Exemplaren deutlicher hervortrat als bei älteren.
In diesem Fall war sie zumindest noch zu erahnen. Das bedeutete, dass dieser Bursche noch nicht vollständig ausgewachsen war, was Laurent allerdings nicht im Mindesten beruhigte.
Tigerhaie genossen unter Seeleuten und Tauchern keinen besonders guten Ruf. Sie waren als Menschenfresser und Müllschlucker der Meere verschrien. Jeder kannte die Geschichten von Matrosen, die Tigerhaie mit Keksdosen, Nummernschildern und Autoreifen gefüttert hatten.
Eine Begegnung zwischen Mensch und Tigerhai musste nicht zwangsläufig in einem Blutbad enden, steckte man aber erst zwischen den Kiefern mit den eigenwillig geformten Zähnen, die perfekt zum Knacken von Schildkrötenpanzern geeignet waren, waren schwerwiegende, mitunter tödliche Verletzungen unvermeidbar.
Ein Vorteil war, dass Laurent und Yves den Hai zu Gesicht bekommen hatten. Die meisten Angriffe geschahen ohne Vorwarnung, sodass die Opfer häufig gar nicht wussten, dass ein Hai in der Nähe war. Rückenflossen, die das Wasser an der Meeresoberfläche durchschnitten, waren eindrucksvolle Bilder in Horrorfilmen, entsprachen aber selten der Realität. Und wenn, bestand selten Gefahr. Zumindest nicht für Menschen.
Bei den Haien sah das schon anders aus, denn die Raubfische waren begehrte Trophäen.
Trotzdem durften die Freunde jetzt nicht übermütig werden.
Laurent drehte sich zu Yves Sanders um und signalisierte ihm, abzutauchen, und Yves bestätigte. Langsam, ohne den Hai aus den Augen zu lassen, ließen sich die Freunde in die Tiefe sinken, wo sie mit dem Schatten des Wracks verschmolzen.
Im Schutz des metallenen, vom Rost zerfressenen Rumpfes, der im Laufe der Zeit von Korallen, Schnecken und Muscheln überwuchert worden war, beobachteten sie den Tigerhai, der über sie hinwegpatrouillierte, ohne von den Menschen Notiz zu nehmen.
Laurent atmete auf, und selbst Yves entspannte sich sichtlich.
Allerdings nur für wenige Sekunden, dann ergriff nämlich eine eigentümliche Unruhe den Hai. Die Schwanzflosse peitschte das Wasser und katapultierte den Fisch über das Wrack hinweg in Richtung Oberfläche. Er musste Beute gewittert haben oder zumindest etwas, das Potenzial hatte, dazu zu werden.
Getrieben von Neugier stiegen Yves und Laurent wieder auf, um den Hai im Auge zu behalten. Das Tier – Laurent schätzte es auf vier Yards Länge – schwamm auf einen hellen Schemen zu, der unter der Oberfläche trieb.
Die Distanz war zu groß, um ihn auf Anhieb identifizieren zu können. Auf den ersten Blick ähnelte er einem Stück Treibholz. Erst auf den zweiten sah Laurent, dass es sich ebenfalls um einen Hai handelte. Beziehungsweise gehandelt hatte, denn augenscheinlich war dieses Tier mausetot.
Der Kadaver war fast vollständig ausgeblutet und von mehreren tiefen Wunden übersät, die vermutlich von anderen Haien stammten. Die Schwanzflosse fehlte zur Hälfte, das graue Fleisch hing schlaff wie ein nasser Sack am Knorpelgerüst des Raubfisches.
Auch das war nicht unbedingt etwas Außergewöhnliches. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Tigerhai auf den Kadaver zusteuerte, denn solche Tiere verschmähten selbst Aas nicht.
Was dann allerdings geschah, sorgte bei Laurent für Schauer des Entsetzens.
Der Tigerhai glitt seitlich am Kadaver vorbei, der in der Strömung schlingerte und hüpfte. Jedenfalls hielt Laurent die Bewegung des toten Raubfischs für die Folgen der Strömung. Bis der Tigerhai unvermittelt verharrte, als würde etwas anderes seine Aufmerksamkeit erregen.
Gerade als er abdrehen wollte, erwachte der vermeintliche Kadaver zum Leben. Der Körper des toten Hais – Laurent vermochte die Art nicht mit Sicherheit zu bestimmen, tippte aber auf einen Riffhai – krümmte sich, der Kopf schnellte herum, und das Maul verbiss sich in der Schwanzflosse des Tigers.
Blut wölkte aus der Wunde. Der verletzte Hai wälzte sich herum, schnappte seinerseits nach dem Angreifer und trennte die halb zerfetzte Schwanzflosse komplett ab. Nur war dieses Mal eben kein Blut zu sehen.
Der nunmehr halbierte Kadaver dachte seinerseits nicht daran, seine Beute freizugeben. Er flatterte mit den Brustflossen wie ein Vogel, der versuchte, an Höhe zu gewinnen.
Weitere Schemen tauchten aus der dunklen Bläue rings um die beiden kämpfenden Haie auf.
Laurent Torréll verschluckte sich beinahe an dem Sauerstoff, als er das halbe Dutzend Haie sah, das sich auf den verletzten Tiger stürzte und ihn in Stücke riss.
Und sie alle ähnelten dem halbierten Kadaver. Nicht in Form und Größe, dafür im Erscheinungsbild. Die schlaffe, wie verwelkt wirkende Haut, die aussah, als würde sie den Fischen förmlich vom Leib faulen, die tiefen Bisswunden, die ihre Leiber verunzierten. In den Körpern klafften Löcher von der Größe von Wassermelonen.
Ein Hammerhai zog seine eigenen Innereien hinter sich her. Ein Wunder, dass er überhaupt noch fähig war zu schwimmen.
Als wäre das nicht schon seltsam und schaurig genug, fiel Laurent auf, dass es sich um Haie verschiedener Arten handelte, das war selbst auf die Entfernung hin deutlich zu erkennen.
So faszinierend das Schauspiel auch aussah, so beängstigend war es. Das Blut des Tigerhais, der sich, im wahrsten Sinn des Wortes verbissen gegen sein Schicksal aufbäumte, hüllte die sich windenden Leiber in eine Wolke, die das grausame Gemetzel gnädig verhüllte.
Lediglich einige Fleischfetzen wirbelten empor.
Laurent hatte schon von dem berüchtigten Fressrausch gehört, in den Haie verfielen, wenn Blut im Wasser war, allerdings hätte er niemals damit gerechnet, selbst einmal Zeuge eines solchen Phänomens zu werden.
Jemand tippte ihm auf die Schulter. Laurent zuckte zusammen, doch es war wieder nur Yves Sanders, der hektisch nach oben deutete. Und zwar genau dorthin, wo knapp fünfzig Yards entfernt der Schatten des Bootes, das sie für ihren Trip gechartert hatten, auf den Wellen schaukelte.
Laurent benötigte keine Extraeinladung. Jeglicher Gedanke an Wracktauchen war ihm gründlich vergangen. Jetzt galt es, sich in Sicherheit zu bringen, bevor das Blut noch weitere Meeresräuber anlockte.
Yves Sanders schwamm voran, Laurent folgte ihm.
Er musste sich zusammenreißen, um nicht wie ein Korken an die Oberfläche zu schießen, sein Blut womöglich mit Stickstoff zu fluten und somit die gefürchtete Taucherkrankheit zu riskieren, die sogar zum Tod führen konnte.
Ein Blick über die Schulter ließ ihm jedoch das Mark in den Knochen gefrieren.
Aus der roten Wolke, in der sich ein Drama von beispielloser Grausamkeit abspielte, lösten sich mehrere Leiber, die sich mit trägem Schwanzschlag an ihre Fersen hefteten.
Die Haie hatten die Verfolgung aufgenommen.
Allen voran der Hammerhai, der seine Eingeweide hinter sich herzog wie eine Schleppleine. Besonders eilig schienen es die Jäger allerdings nicht zu haben, wie Laurent verblüfft feststellte.
Beinahe gemächlich folgten sie den beiden Tauchern, so als wüssten sie genau, dass ihnen ihre Opfer nicht entkommen konnten. Ein Irrtum, denn soeben erreichten sie das Boot.
Yves hievte sich als Erster auf die Taucherplattform, die am Schiffsrumpf angebracht war.
Laurent, schon im Begriff, ihm zu folgen, verharrte beim Anblick des fahlen Lichts, das schräg vor ihm in der schummerigen Bläue leuchtete. Der Achtundzwanzigjährige befand sich noch immer gut zwei Meter unter Wasser und glaubte, zu halluzinieren. Als wären tote Haie, die plötzlich Jagd auf sie machten, nicht schon verstörend genug, sah er jetzt auch noch fluoreszierende Gestalten am Meeresgrund.
Etwas zupfte an seinem rechten Bein, zerrte ihm die Schwimmflosse vom Fuß.
Adrenalin schoss durch Laurents Adern.
Vor lauter Panik schrie er auf, spuckte das Mundstück aus und katapultierte sich an die Oberfläche. Keine Armlänge von ihm entfernt dümpelte das Boot auf den Wellen.
Yves kniete am Rumpf des Boots auf der Plattform, die auf und ab schaukelte. Er hatte sich die Taucherbrille vom Gesicht gerissen und die Flossen abgestreift, nur die Sauerstoffflasche lastete noch immer schwer auf seinen Schultern. Trotzdem reckte er Laurent den Arm entgegen.
»Komm schon!«, brüllte er mit sich überschlagender Stimme.
Laurent Torrélls Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen und vereisten. So hatte er seinen Freund noch nie zuvor erlebt. So ängstlich, als hätte er ein Gespenst gesehen.
Das Wasser unter Laurent bewegte sich. Ein weißer Schemen glitt unter ihm vorbei. Die Furcht steigerte sich zur Panik. Hektisch mit den Armen rudernd, erreichte er die Plattform.
Yves ergriff seine Hand, zerrte seinen Freund zu sich heran und beugte sich nach vorn, um die Sauerstoffflasche auf Laurents Rücken zu packen und seinen Freund an Bord zu hieven.
Ein heftiger Schlag traf Laurents rechtes Bein, das plötzlich schwer wie Blei wurde und ihn zurück in die feuchte Tiefe zu zerren drohte. Es fühlte sich an, als würde es in einem Schraubstock klemmen. Einem Schraubstock, dessen Backen mit scharfkantigen Sägezähnen ausgestattet waren, die sein Fleisch in Fetzen rissen, den Knochen zermalmten ...
Mit einem Mal war Laurent frei.
Wie von der Sehne geschnellt schoss er aus dem Wasser auf die Plattform. Yves hielt seinen Freund mit beiden Armen umklammert und hievte ihn auf die Taucherplattform, die weit aufgerissenen Augen starr vor Entsetzen, das Gesicht verzerrt und weiß wie Kreide.
Laurent aber lachte.
»Das ... war ... knapp«, würgte er hervor.
Plötzlich befiel ihn eine bleierne Müdigkeit. Die Kraft floss aus seinem Körper wie Wasser aus einem Schlauch. Sein rechtes Bein kribbelte. Ein ziehender Schmerz wühlte sich durch seine Leiste bis hinauf in die Hüfte.
Unwillkürlich tastete Laurent nach seinem Oberschenkel, doch alles, was seine Finger erfühlten, war schwammiges Gewebe.
Yves drückte seinen Freund beiseite, dann streifte er die Sauerstoffflasche ab und zerrte den Gürtel aus den Schlaufen. »Keine Angst, Laurie, das wird schon wieder. Ich versprech's dir. Du musst nur durchalten. Hörst du?«
Was faselt Yves da bloß für einen Unsinn?, dachte Laurent. Wir haben es doch schon geschafft. Wenn ich bloß nicht so müde wäre.
»Ich ... mach ... nur kurz ... die Augen zu!«
»Nein!«, schrie Yves. »Bleib wach! Bleib bei mir!«
Die Stimme seines Freundes zitterte, als würde er gleich anfangen zu flennen. Und das machte Laurent stutzig. Mit letzter Kraft bäumte er sich auf – und starrte auf die riesige Blutlache, die mittlerweile die gesamte Plattform flutete und immer mehr Nachschub bekam.
Der pulsierte aus der zerfetzten Arterie, die wie ein kaputter Gartenschlauch aus dem blutigen Stumpf ragte, der einmal Laurents Oberschenkel gewesen war.
Yves Sanders wurde Zeuge, wie seinem Freund Laurent buchstäblich das Blut aus dem Gesicht sackte. Er wurde weiß wie ein Laken.
Obwohl er mit dem unter Schock stehenden Laurent um die Wette zitterte, gelang es Yves irgendwie, den Gürtel um den Stumpf zu schlingen und festzuzurren. Der Blutstrom versiegte. Yves betete inständig, dass dies an seiner Aderpresse lag und nicht daran, dass es kein Blut mehr gab, das aus dem Körper seines Freundes fließen konnte, dessen Lippen so blass und farblos waren wie der Rest der Haut.
Laurents Lider flatterten, er war kaum noch bei Bewusstsein.
Während Yves seinen Freund aus den Gurten schälte, um ihm den Sauerstofftank abzunehmen, beobachtete er das Wasser. Er hatte den Hai, der Laurent das Bein abgebissen hatte, genau gesehen. Es war der verdammte Tigerhai gewesen. Zumindest das, was noch von ihm übrig gewesen war. Der Schädel war zwar zur Hälfte verschwunden, doch das Maul mit den Zähnen war noch intakt gewesen.
Yves kämpfte sich auf die Beine und stellte sich breitbeinig über seinen verletzten Freund, schob die Hände unter die Achseln und zerrte ihn zum Heck. Dann hangelte er sich aufs Deck, legte sich bäuchlings auf die Planken und zog ihn mit letzter Kraft an Bord. Obwohl ihm ein Bein fehlte, war Laurent schwer wie ein Stein.