John Sinclair 2438 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2438 E-Book

Ian Rolf Hill

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Ruf wehte über das ganze Land. Doch weder Mensch noch Tier vernahmen ihn, denn er war nicht für sie bestimmt. Selbst jene, deren Blut schwarz wie Pech war, vermochten ihn nicht zu hören. Dies gelang nur einer einzigen Art von Dämonen. Dämonen, die von ihresgleichen geächtet wurden, weil sie wie Gewürm durch die Erde krochen und sich vom verrottenden Fleisch der Toten nährten. Die Ghouls! Keiner von ihnen widersetzte sich diesem Ruf. Im Gegenteil, sie folgten ihm nur allzu gern. Schließlich stammte er von ihrem Herrn und Meister, der endlich zurückgekehrt war. Die Zeit des Darbens war vorüber. Den Ghouls standen glorreiche Zeiten bevor. Xorron hatte ihnen eine eigene Welt versprochen. Eine Welt für Leichenfresser. Und er würde sie persönlich für sie erobern ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Kampf um das Totenreich

Grüße aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Kampf um das Totenreich

(Teil 1 von 3)

von Ian Rolf Hill

Der Ruf wehte über das ganze Land.

Doch weder Mensch noch Tier vernahmen ihn, denn er war nicht für sie bestimmt. Selbst jene, deren Blut schwarz wie Pech war, vermochten ihn nicht zu hören. Dies gelang nur einer einzigen Art von Dämonen. Dämonen, die von ihresgleichen geächtet wurden, weil sie wie Gewürm durch die Erde kro‍chen und sich vom verrottenden Fleisch der Toten nährten.

Die Ghouls!

Keiner von ihnen widersetzte sich diesem Ruf. Im Gegenteil, sie folgten ihm nur allzu gern. Schließlich stammte er von ihrem Herrn und Meister, der endlich zurückgekehrt war.

Die Zeit des Darbens war vorüber. Den Ghouls standen glorreiche Zeiten be‍vor.

Xorron hatte ihnen eine eigene Welt versprochen. Eine Welt für Leichenfres‍ser. Und er würde sie persönlich für sie erobern ...

Modgud döste gelangweilt vor sich hin.

Der Mangel an Abwechslung war ermüdend. Hinzu kam das stete Plätschern und Glucksen, mit dem sich Gjöll, der Fluss der Toten, durch sein Bett wälzte. Ein Fluss, der hier unten in Helheim nur von einer einzigen Brücke überspannt wurde.

Einer Brücke aus purem Gold, Gjallarbrú genannt.

Diese Brücke zu bewachen war nicht nur Modguds Aufgabe, es war ihr einziger Daseinszweck. Was nichts daran änderte, dass diese Aufgabe an Eintönigkeit kaum zu überbieten war. Wahrscheinlich hätte sich Modgud bereits zu Tode gelangweilt – hätte sie sich nicht schon längst im Totenreich befunden.

Manchmal fragte sie sich, warum ihre Herrin, die Totengöttin Hel, überhaupt eine Wächterin brauchte. Wer kam schon freiwillig hierher, in diese triste, düstere, von Fäulnis und Verwesung geprägte Welt, in der nicht einmal die Sonne schien!

Wälder aus blattlosen, verkohlten Baumgerippen, zwischen denen die seelenlosen Leiber all jener umherirrten, die nicht das Glück hatten, von der Herrscherin dieses Reiches auf die helle, warme Seite des Jenseits gebracht zu werden.

Die Untoten wankten ziellos durch den Wald, bis sie so stark verwest waren, dass sie zusammenbrachen und eins wurden mit dem sumpfigen Boden, der anscheinend nur darauf lauerte, dass endlich einmal ein lebendes Opfer ihn betrat, um es in seine feuchtkalten Arme zu schließen.

Etwas, das höchst selten geschah. Und wenn, dann nur auf Geheiß der Totengöttin hin.

Helheim zu verlassen war dagegen praktisch unmöglich. Niemand vermochte sich der reißenden Strömung des Flusses Gjöll zu widersetzen, und Gjallarbrú ließ keine Menschenseele auf die andere Seite. Wer es versuchte, wurde bereits nach wenigen Schritten von seinem eigenen Gewicht zerquetscht, das sich in Sekundenschnelle vervielfachte.

Aus dem Reich der Toten gab es keine Wiederkehr. Warum also sollte jemand freiwillig hierherkommen?

Oh, gewiss. Es gab diese Menschen, die ihrer eigenen Existenz überdrüssig wurden und sie aus eigenem Willen beendeten. Aber die hieß Hel mit offenen Armen willkommen.

Modgud sollte bloß darauf achten, dass niemand das Totenreich betrat, der oder die der Totengöttin gefährlich werden konnten.

Teufel, Dämonen und Götter beispielsweise.

Als ob einer der Asen das je vorgehabt hätte. Schließlich waren sie es gewesen, die Hel hierher verbannt hatten. Doch selbst wenn einer aus dem Geschlecht der Götter Hel seine Aufwartung machen wollte, würde Modgud denjenigen kaum daran hindern können.

Unter halb geöffneten Lidern beobachtete die Riesin, wie sich mehrere Nebelstreifen aus dem Dunst lösten, der jenseits der Brücke waberte, und über Gjallarbrú hinweg ins Totenreich krochen. Seelen Verstorbener, die den Weg in das Jenseits suchten.

Die Schwaden zogen über den Pfad in Richtung Eljudnir, der Festung der Totengöttin, wo sie entscheiden würde, was mit den Seelen der Verstorbenen geschah.

Modgud wollte den Blick bereits abwenden und die Augen für ein kleines Nickerchen schließen, als ihr eine Bewegung zwischen den Bäumen auf der anderen Seite des Pfads auffiel.

Es war eine lebende Leiche, die durch das Unterholz kroch.

Zunächst wollte Modgud ihr nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken, bis ihr auffiel, dass sich der Untote zielstrebig der Brücke näherte.

Die Riesin, die neben dem Pfad am Boden lag, das Haupt auf einen umgestürzten Baum gebettet, richtete sich auf.

Sie war nicht sonderlich beunruhigt, es waren mehr die Neugierde sowie die Aussicht auf etwas Abwechslung, die sie veranlassten, aufzublicken. Daher ließ sie ihre stachelbewehrte Keule ebenso liegen wie die schartige Axt.

Der Untote hatte soeben den Waldrand erreicht.

Auf allen vieren kroch er aus dem Dickicht, richtete sich auf und torkelte auf die goldene Brücke zu, ohne sich umzuschauen. Hätte er es getan, hätte er seine heimliche Beobachterin unweigerlich bemerkt, deren Blicke ihm folgten.

Die haushohe Riesin mit der ledrig schwarzen Haut war schließlich nicht zu übersehen.

Doch der Wiedergänger hatte nur Augen für Gjallarbrú. Schwankend richtete er sich auf und stakste, für seine Verhältnisse erstaunlich schnell, auf die Brücke zu.

Sein totes Fleisch war größtenteils noch recht unversehrt. Dass der Untote keinen Faden am Leibe trug, erleichterte diese Feststellung. Das gelbliche Fleisch war an einigen Stellen zwar dunkel verfärbt, aber noch weit davon entfernt, dem Zombie von den Knochen zu faulen.

Vielleicht hatte Hel mal wieder die Seele eines Selbstmörders in eine lebende Leiche gebannt, als Strafe dafür, dass er sein Leben nicht ausreichend wertgeschätzt hatte. Dass er zu entkommen versuchte, sprach dafür.

Nicht wenige, die ihrer irdischen Existenz frühzeitig und ohne triftigen Grund ein Ende setzten, bereuten diesen Entschluss sehr schnell. Allerdings war es dann zu spät.

Der Weg in das Totenreich war eine Einbahnstraße.

Das musste auch dieser Zombie feststellen, als er die Brücke erreichte, die unvermittelt in goldenem Licht erstrahlte. Der Untote stieß ein Röcheln aus. Bereits nach wenigen Schritten wurde er langsamer, schlurfte über die Steine, konnte die Füße nicht mehr anheben.

Nach dem fünften Schritt kippte er vornüber. Ein, zwei Meter schaffte er noch auf allen vieren, dann presste ihn sein Gewicht der Länge nach auf die Brücke. Der Untote verschwand aus Modguds Blickfeld.

Schnaufend erhob sich die Riesin. Beiläufig griff sie nach ihrer Keule und trat auf den Pfad und die Brücke zu. Der Zombie kroch jetzt bäuchlings wie eine Schlange darüber hinweg.

Er hatte schon fast die Hälfte der Strecke geschafft, als die Rippen splitterten.

Das Krachen und Bersten der Knochen drang bis an Modguds knorpelige Ohren. Die Riesin grinste beim Anblick der lebenden Leiche, deren Körper sich an den Seiten ausbeulte. Jetzt glich er weniger einer Schlange als vielmehr einem dicken weißen Käfer, den jemand zertreten hatte. Doch noch immer gab der Zombie nicht auf!

Die lebende Leiche verspürte keine körperlichen Schmerzen. Stöhnend und röchelnd streckte sie die Arme aus, die Beine zuckten. Millimeter für Millimeter kroch der Wiedergänger weiter, bis auch das nicht mehr möglich war.

Schließlich gab der Schädelknochen nach.

Das Knacken hörte sich wie das Brechen einer Nussschale an, und ein sämige, rot-graue Masse quoll aus den Gesichtsöffnungen.

Modgud grunzte angewidert.

Sie setzte sich in Bewegung, um den Kadaver zu entsorgen, hielt aber schon nach zwei Schritten erneut inne.

Am anderen Ende der Brücke bewegte sich etwas innerhalb des Nebels.

Gestalten schälten sich aus dem Dunst und krochen schlurfend auf die Brücke. Die unförmigen Leiber schwabbelten, als bestünden sie aus Schleim.

Modgud blieb stehen und legte ihre flache Stirn in Falten.

Für den zerquetschten Wiedergänger hatte sie keinen Blick mehr, der galt allein den drei formlosen Kreaturen, die sich auf die Brücke wälzten. Nicht weil sie von ihrem eigenen Gewicht nach unten gepresst wurden, schließlich hatten sie die Brücke von der anderen Seite aus betreten, sondern weil sie keine Beine hatten.

Die Kreaturen erinnerten Modgud an übergroße Nacktschnecken. Und wie bei Schnecken, so schoben sich auch aus diesen Leibern lange Fühler mit kugelförmigen Verdickungen.

Nur dass an ihren Enden keine Augen saßen. Stattdessen öffneten sich die Verdickungen und entpuppten sich als Klauen, die nach dem Zombie tasteten.

Modgud konnte die Wesen jetzt besser erkennen. Ihre gallertartigen Körper bestanden tatsächlich aus rötlichem Schleim, in dem sich ein Geflecht aus Adern abzeichnete.

Zwischen den Armen schwammen schwarz glänzende Pfützen – die Augen dieser widerlichen Kreaturen, die den untoten Kadaver zu sich heranzerrten.

Spalten klafften schmatzend in den aufgedunsenen Bälgern, entblößten dreieckige Zähne, die nach dem untoten Fleisch schnappten und den Untoten in Stücke rissen.

Modgud drehte sich der Magen um.

Nicht wegen des Anblicks. Es war der Gestank, der ihr Übelkeit bereitete. Der Gestank nach verfaultem Fleisch war so stark, dass er selbst den allgegenwärtigen Verwesungsgeruch von Helheim noch übertraf.

Da begriff Modgud, um was es sich bei diesen widerlichen Kreaturen handelte.

Es waren Leichenfresser, auch bekannt als Ghouls.

Angewidert heulte Modgud auf.

Ausgerechnet Ghouls. Diese Leichenfresser hatten ihr gerade noch gefehlt. Das würde ihrer Herrin Hel gewiss nicht gefallen.

Die Riesin zögerte keine Sekunde und ging zum Angriff über.

Schließlich war es ihre Aufgabe, das Totenreich vor dem Eindringen Unbefugter zu schützen. Und unbefugter als ein Ghoul konnte man gar nicht sein.

Modgud stampfte auf die Brücke und schwang die Keule.

Die Ghouls zuckten zurück, doch es war bereits zu spät. Begleitet von einem satten Klatschen traf die Keule alle drei Leichenfresser und fegte sie von der Brücke.

Einige Spritzer Schleim trafen Modguds nackten Arm. Es brannte wie Säure, war aber nicht der Rede wert. Zufrieden beobachtete die Riesin, wie die drei Ghouls im Totenfluss davontrieben.

Modgud lachte bellend und wandte sich ab.

Gerade als sie die Brücke verlassen wollte, vernahm sie hinter sich das vielstimmige Schmatzen, Blubbern und Gurgeln. Die Riesin hielt inne. Langsam wandte sie sich um.

Aus dem Nebel krochen weitere Leichenfresser über die Brücke auf Modgud zu. Und an ihrer Spitze schritt eine Gestalt, wie Modgud sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Milchig-weiße Haut, durch die grün das Skelett eines Menschen schimmerte. Augen, Nase und Mund waren nicht mehr als Schlitze.

Obwohl das Geschöpf die Ghouls um mehr als das Doppelte überragte, reichte sie Modgud gerade mal bis zum Gürtel ihres Lendenschurzes.

Die Riesin fletschte die Zähne. In wilder Vorfreude leckte sie sich die fleischigen Lippen und – griff an!

Sie wollte den Neuankömmling ebenso von der Brücke fegen, wie sie es mit den drei Leichenfressern getan hatte. Modgud würde dieser Gestalt jeden Knochen im Leib zertrümmern.

Diesmal schwang sie die Keule von unten nach oben, um den Eindringling über das Heer der Leichenfresser hinwegzuschleudern. Anschließend würde sie sich den Ghouls widmen und sie mit wenigen Schlägen aus dem Weg räumen.

Doch dazu sollte es nicht kommen.

Der Schlag erschütterte Modgud bis in die Zehenspitzen. Genauso gut hätte sie die Keule gegen einen massiven Felsen schwingen können.

Es knirschte zwar, doch das Geräusch stammte nicht von den Knochen ihres Gegners, sondern von ihrer Waffe, die ihr der Weißhäutige aus der Faust riss. Modgud taumelte einen Schritt nach vorne, auf ihren Feind zu, der die Keule über die Brücke in den Fluss wuchtete.

Modgud knurrte und griff zu.

Ihre linke Pranke packte den Weißhäutigen am Kopf, der vollständig von ihren Fingern umschlossen wurde. Die Riesin wollte ihn zerquetschen.

Sie richtete sich auf, und der Fremde, der schwerer war, als er aussah, verlor den Boden unter den Füßen.

Doch so sehr Modgud auch drückte, der Körper des Weißhäutigen gab einfach nicht nach. Mit der anderen Hand angelte sie nach seinen Beinen, um ihn auseinanderzureißen, da zuckte ihr ein scharfer Schmerz, ausgehend von ihrer linken Faust, die noch immer den Schädel des Fremden umklammerte, durch den Arm.

Modgud heulte auf und ließ den Weißhäutigen fallen. Er klatschte in das Heer der Leichenfresser, die in der Zwischenzeit die Brücke überschwemmten. Die glitschigen Leiber glitten über Gjallarbrú hinweg, krochen auch über Modguds nackte Füße.

Es brannte wie Feuer.

Aus vielen winzigen Bissen wurde ein einziger reißender Schmerz.

Einige der Ghouls krochen auch an ihren Beinen empor. Modgud brüllte, streifte die Leichenfresser ab, doch es wurden immer mehr. Sie taumelte rückwärts, trat auf etwas Weiches, Glitschiges und rutschte aus.

Die Erde bebte, als Modgud rücklings zu Boden krachte.

Die Leichenfresser rollten wie eine Woge über sie hinweg. Und zwischen ihnen schritt der Weißhäutige, der mit einem Satz auf ihren Bauch sprang.

Gerade als Modgud den Kopf hob, riss der Angreifer beide Arme nach oben und drosch ihr die zusammengelegten Fäuste gegen die Nase, deren Knochen mit lautem Knacken zersprang.

Modgud brüllte.

Und jaulte noch lauter, als ihr der Fremde einen der Hauer aus dem Kiefer brach und ihr den gekrümmten Zahn ins Auge rammte.

Der Schädel der Riesin fiel zurück. Sie versuchte die Arme zu heben, die plötzlich mehr als das Doppelte zu wiegen schienen. Sie konnte ihre Hände nicht mehr spüren. Die Pranken waren unter Trauben aus Leichenfressern verschwunden.

Der Weißhäutige sprang neben ihr zu Boden. Sie wandte den Kopf, um ihn mit ihrem unverletzten Auge anzusehen.

»Wer ... bist ... du?«, krächzte sie.

»Ich bin Xorron«, antworte der Weißhäutige – und biss zu.

»Was ist denn nun kaputt?«, wunderte sich Hel, als sie den Schrei vernahm, der sein Echo in Garms Kehle fand.

Ihr Höllenhund, der zu Füßen seiner Herren kauerte, damit sie selbige auf ihm ablegen konnte, bäumte sich urplötzlich auf, warf den Kopf in den Nacken und ließ ein schauriges Heulen erklingen, das tausendfach von den Mauern der Festung Eljudnir widerhallte.

Hel kippte, samt ihres aus menschlichen Leichen zusammengesetzten Throns, zurück. Obwohl sie mit den Armen ruderte, konnte sie das Unglück nicht verhindern. Zumal die Leichen, aus denen der Sessel bestand, alles andere als tot waren.

Hel machte das Beste aus ihrer Lage und verwandelte den Sturz in eine geschmeidige Rolle rückwärts, aus der heraus sie auf die Beine sprang und dabei zusah, wie der Thron auseinanderbrach und die Zombies orientierungslos durch die Halle von Eljudnir wankten, deren Decke sich in dräuender Schwärze verlor.

Ihr Tisch Hungr, auf dem die Reste ihrer letzten Mahlzeit lagen, wurde von Garms Geheul angesteckt und fing damit an, unkontrolliert auf den Boden zu stampfen. Der Kelch mit dem gestockten Menschenblut kippte um, sein Inhalt ergoss sich über den Rand und tropfte auf den steinernen Boden.

Wenigstens hatte Hungr keinen Mund und konnte deswegen nicht schreien.

Dafür stimmte nun auch Fallandaforad, die fallende Gefahr, Eljudnirs eigenwilliges Fallgitter, in das Konzert mit ein.

Mit einem wuchtigen Hieb des Oberschenkelknochens, an dem sie bis eben genussvoll herumgenagt hatte, machte Hel dem Geschrei ein Ende.

Das verdickte Ende knallte auf Garms Schnauze, und er zog winselnd den Kopf ein und verkroch sich in Hungrs Schatten, auf dessen Platte der sämtlicher Gliedmaßen beraubte Torso eines Zombies lag. Die Bauchhöhle war aufgeklafft, die meisten Innereien hatte die Totengöttin an Garm verfüttert. Trotzdem bewegte sich der Wiedergänger noch immer.

Sein Schädel zuckte von einer Seite zur anderen, die Augen rollten in ihren Höhlen, sein Mund öffnete und schloss sich, ohne dass ein Laut hervordrang.

Wie auch, seine von Maden zerfressene Zunge hatte Hel ihm gleich zu Beginn des Mahls aus dem Schlund gerissen und verzehrt.

»RU-HE!«, erbat sich Hel mit erhobener Stimme, doch erst als sie den Knochen auf Hungrs Platte legte, beruhigte sich die Tafel.

Fallandaforad quietschte ein letztes Mal, dann kehrte tatsächlich so etwas wie Stille ein.

Nur das Knistern des Feuers im Kamin und das Plätschern, mit dem das Blut auf den Steinfußboden tropfte, waren noch zu hören.

Hel lauschte, aber der Schrei, der ihrer Meinung nach Schuld an diesem Konzert trug, war verstummt.

»Sonderbar seltsam.« Die Totengöttin warf den Knochen auf die Tafel und beugte sich über den verstümmelten Zombie. »Ich hoffe, du hast deine Lektion gelernt.«

Ein leises Gurgeln drang aus seinem Schlund. Halb geronnenes Blut sprühte Hel ins zweigeteilte Antlitz.

»Ich werte das mal als Ja. Aber es ist wohl auch egal.«

Sie packte den Torso und schleuderte ihn beiläufig ins Feuer, während sie nach ihren Bediensteten rief.

»Ganglot! Ganglati! Wo treibt ihr euch herum? Nutzloses Pack!«

Als Erste kam die Magd herbeigeschlurft. Eine drei Meter große Vettel mit pusteliger, von eitrigen Geschwüren überzogene Haut und trüben Augen und eingehüllt in ein sackartiges Gewand.

In der Hand hielt sie einen Eimer von der Größe eines Waschzubers sowie einen Wischmopp, den manche, darunter auch Hel, schon als Baum bezeichnet hätten. Über den Rand des Eimers hingen Haare.

»Da bist du ja. Warum hat das so lange gedauert?«

Ganglot gestikulierte wild mit dem Wischmopp, deutete auf den Eimer und stieß abgehackte Laute aus, die sich anhörten wie eine Mischung aus Grunzen und Schnaufen.

Hel wedelte ungeduldig mit der Hand. »Ja, ja, es ist eine große Festung, und du hast nur zwei Hände, bla bla. Wir haben alle unser Päckchen zu tragen, liebe Ganglot, also hör mit der Jammerei auf. Erklär mir lieber, was es mit diesem Tohuwabohu auf sich hat.«

Doch auf diese Frage hin konnte Ganglot nur mit den Achseln zucken.

»Mal wieder typisch«, knurrte Hel. »Auf die wirklich existenziellen Fragen hast du natürlich keine Antwort.«

Ganglati indes offenbar schon.

Der muskelbepackte Oger mit der Lederschürze und einem Gesicht, das nur eine Mutter lieben konnte, tauchte aus den Tiefen der Veste auf. Seine Aussprache war sogar noch furchtbarer als die von Ganglot, sodass sich der Knecht dazu veranlasst sah, sich seine Herrin kurzerhand unter den Arm zu klemmen und hinauf zu einem der Fenster zu schleppen, von dem aus sie einen nicht unerheblichen Teil ihres Reichs erblicken konnte.

Ganglati stellte Hel ab, die ihrem Knecht einen mürrischen Blick zuwarf, während sie ihr Leichenhemd glattstrich.

Dann trat sie ans Fenster und sah hinab auf den Dornenwall, der die Festung wie ein Ring umgab und den Weg nur auf ihr Geheiß hin freigab.

»Auweia«, murmelte sie, »die haben uns gerade noch gefehlt!«

Hel fackelte nicht lange, machte kehrt und schritt die Wendeltreppe hinab.

»Ganglot!«, brüllte sie. »Bring mir meine ... ah ja, danke!«

Die Magd hatte das Begehr ihrer Herrin vorausgeahnt und den Wischmopp gegen eine Sense getauscht, die sie der Totengöttin reichte.

Schnurstracks durchquerte Hel die Halle, schlüpfte unter Fallandaforad hindurch und verließ die Festung durch das Tor, das dem Maul eines Drachens glich.

Die ersten Ghouls hatten die Hecke bereits passiert. Ihren qualligen, mit Schleim überzogenen Leibern machten die dornigen Ranken nichts aus. Im Gegensatz zu den Untoten. Zwei mit Schleim überzogene Gerippe legten Zeugnis davon ab, dass es mal wieder ein paar Zombies versucht hatten, zu der Festung und ihrer Herrin durchzudringen.