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Seitenzahl: 518
Susan Stephens, Penny Jordan, Robyn Donald
JULIA COLLECTION BAND 133
IMPRESSUM
JULIA COLLECTION erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Zweite Neuauflage in der Reihe JULIA COLLECTIONBand 133 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2003 by Susan Stephens Originaltitel: „The Italian Prince’s Proposal“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Claudia Stevens Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 234
© 2003 by Penny Jordan Originaltitel: „The Blackmail Marriage“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Irmgard Sander Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1705
© 2005 by Robyn Kingston Originaltitel: „The Royal Baby Bargain“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anike Pahl Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 257
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733713362
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Kronprinz Alessandro Bussoni di Ferara kniff die Augen abwägend zusammen, während er den Blick auf die hell erleuchtete Bühne geheftet hielt. „Das ist die Richtige.“
„Wie bitte?“
Der Herr, der bei dem Mittsommerball direkt neben dem Prinzen saß, sah vollkommen emotionslos drein, wie es sich für einen Diplomaten gehörte. Mit seiner hageren Statur und dem sonnenverbrannten Gesicht war er das krasse Gegenteil zu dem gut aussehenden Prinzen, der als einer der klügsten Köpfe Europas galt und zudem durch Charme und Eleganz bestach.
„Ich sagte, das ist die Richtige“, wiederholte der Prinz geduldig. „Jede Frau im heiratsfähigen Alter hast du mir vorgestellt, Marco, aber es ist dir nicht gelungen, mich auch nur einmal in Versuchung zu führen. Mir gefällt dieses Mädchen da …“
Es war nicht nur ihre atemberaubende Erscheinung, sondern ihre unglaubliche Energie, eine Energie, die seiner glich, und mit der sie das Publikum mühelos gefangen hielt. Alessandro hatte das befremdliche Gefühl, als griffe sie direkt nach seinem Herzen. So hatte Alessandro nie zuvor empfunden, und deshalb musste er die junge Frau kennenlernen.
Und er hatte ihr nichts als einen kaltblütigen Vertrag anzubieten, allerdings … Alessandros sinnliche Lippen formten sich zu einem kühnen Lächeln. Warum sollte man nicht Geschäft und Vergnügen miteinander verbinden?
„Ist das dein Ernst?“, murmelte Marco Romagnoli leise.
„Würde ich über so eine wichtige Angelegenheit scherzen?“, zischte Alessandro unwirsch zurück. „Sie macht einen amüsanten Eindruck.“
„Amüsant?“ Marco Romagnoli lehnte sich vor, um Alessandros Blick zu folgen. „Du sprichst von der Bandsängerin?“
„Hast du irgendetwas an ihr auszusetzen?“ Der Prinz sah Marco herausfordernd an.
„Nein, aber darf ich eine Frage stellen?“
„Nur zu“, ermutigte Alessandro. Belustigt verzog er das Gesicht, denn er erahnte Marcos Einwände.
„Wofür ist sie die Richtige? Sie ist ein wenig …“
„Delikat? Verwegen? Auffallend?“ Prinz Alessandro streckte seine Beine aus.
„Alles“, stimmte Marco unbehaglich zu und sah wieder auf die Bühne, wo Emily Weston mit ihrem dritten Song die Menge zu wahren Begeisterungsstürmen hinriss. „Ich sehe ja ein, dass die junge Dame eine gewisse Anziehungskraft besitzt, aber …“ Marco Romagnoli lockerte seinen Krawattenknoten.
„Sprich ruhig weiter“, ermutigte ihn Alessandro lächelnd.
Marco dachte einen Moment lang nach. „Nun, sie ist ganz offensichtlich eine Schönheit und ganz gewiss geeignet für gewisse Stunden, doch ich kann mir nicht vorstellen …“
„Du meinst, ich soll sie nur zum Bett und nicht zum Altar führen?“
Marco schluckte, hielt Alessandros Blick jedoch stand. „Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Meines Erachtens würde eine Verbindung mit ihr dir mehr Schwierigkeiten bereiten, als du ohnehin schon hast.“
„Das sehe ich nicht so“, gab der Kronprinz von Ferara zurück. „Was auch immer du vorzubringen hast, wird mich nicht davon überzeugen, dass auch nur eine Einzige der Damen, die du mir vorgestellt hast, besser geeignet wäre als diese hier.“
Wieder ließ er seinen Blick auf die Bühne schweifen. „Es ist nicht meine Absicht, Herzen zu brechen, Marco. Ich habe die perfekte Lösung gefunden. Mein Wunsch ist eine vertraglich abgesicherte Ehe.“
„Eine Vernunftehe?“ Die Sorge stand Marco ins Gesicht geschrieben. „Ich möchte nicht, dass sie die Situation gegen dich verwendet.“
Marco Romagnoli war nicht nur Alessandros persönlicher Berater, sondern er kannte ihn auch von Geburt an und war bei der Familie hoch geschätzt.
„Ich werde darauf achten, dass keine der Parteien die Situation ausnutzen kann. Alles wird vertraglich geregelt. Aufgrund der archaischen Gesetzgebung unseres Landes sehe ich leider keine andere Möglichkeit. Mein Vater möchte sich zurückziehen, daher muss ich umgehend heiraten. Diese junge Dame hat Esprit. Ich werde ihr meinen Vorschlag unterbreiten, und sie wird sofort erkennen, welche Vorteile wir beide daraus ziehen können.“
„Wie du meinst“, stimmte Marco widerwillig zu.
„Ich habe genug gesehen“, fuhr der Prinz nun fort und erhob sich. „Und was ich gesehen habe, gefällt mir. Bitte teile der jungen Dame mit, dass Alessandro Bussoni heute Abend nach der Vorstellung mit ihr zu sprechen wünscht. Keine Titel. Und wenn sie Fragen stellt, sage ihr, ich habe ihr einen Vorschlag zu machen. Vergiss aber auf keinen Fall, nach ihrem Namen zu fragen.“ Ohne einen weiteren Kommentar Marcos abzuwarten, verließ er die Loge.
Die Show war vorüber, und Emily Weston sprach aufgeregt am Telefon mit ihrer Zwillingsschwester Miranda.
„Wie gehst du mit solchen Leuten um?“ Mit der einen Hand hielt sie den Hörer, mit der anderen entfernte sie sorgsam das Make-up von ihrem Gesicht.
„Was meinst du?“, fragte Miranda heiser zurück. Sie musste ständig husten.
„Na, wie gehst du mit Leuten um, die nach der Show auf dich warten?“
Durch die Sommergrippe klang Mirandas Lachen sonderbar verzerrt. „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“
„Heute ist aber jemand da“, beharrte Emily. „Was mache ich also mit einem ungebetenen Besucher, der kein Nein als Antwort akzeptiert?“
„Das hängt davon ab, wer es ist, schätze ich.“ Miranda schnäuzte sich die Nase. „Warum siehst du ihn dir nicht an, bevor du entscheidest?“
„Im Leben nicht! So etwas gehört nicht zu unserer Abmachung.“
„Wenn er wie Frankenstein aussieht, kannst du ihn Kisten schleppen lassen, und wenn er süß ist, gibst du ihn an mich weiter. Er merkt ja nichts. Wenn Mum und Dad uns nicht einmal auseinanderhalten können, wie sollte er? Was hast du also zu verlieren?“
„Schau, ich muss gleich los“, drängte Emily. „Ich habe seinem Boten gesagt, direkt nach der Show möchte ich keine Fremden empfangen. Aber selbst das hat er nicht akzeptiert.“
„Er hat jemanden geschickt?“ Miranda klang aufgeregt. „Das hört sich interessant an. Es könnte ein VIP sein.“
„Wohl kaum.“ Emily entfernte vorsichtig ihre falschen Wimpern. „Allerdings … als ich ihn abwies, murmelte er, der Prinz würde enttäuscht sein …“
„Emily, du Dummchen“, rief Miranda und putzte sich wieder energisch die Nase. „Prince Records ist das Aufnahmestudio, mit dem wir uns bisher vergeblich einen Vertrag erhofft haben. Und du hast sie weggeschickt.“
„Kann nicht einer der Jungs das mit ihnen klären?“
„Wo denkst du hin?“ Miranda war entsetzt. „Erstens sind sie sicher schon im Pub, und zweitens würde ich die Zukunft der Band niemals in ihre Hände legen.“
Emily wusste, wie verträumt und unrealistisch die männlichen Bandmitglieder waren, und seufzte. „Du hättest mich wenigstens vorwarnen können.“ Sie trocknete sich die Hände an einem Handtuch ab. „Ich muss jetzt dahin. Wer auch immer das ist, er gibt nicht so schnell auf.“
Sie legte auf, nahm eine Handvoll Kosmetiktücher von Mirandas Ablage und ging hinter den Paravent. Dann rief sie: „Herein!“
So etwas Verrücktes hatte sie noch nie getan, überlegte Emily, während sie sich die Reste des Make-ups vom Gesicht wischte und die Kosmetiktücher in ihre Tasche stopfte.
„Hallo? Miss Weston, sind Sie hier?“
Sie hatte schon viele faszinierende Männerstimmen gehört, aber der Klang dieser Stimme reizte ihre Sinne. Italienisch, schätzte sie, mit einem sexy Mittelmeer-Timbre. Wie er so in Mirandas leerer Garderobe stand, und sie sich hinter dem Paravent verbarg, hatte die Situation irgendwie etwas verboten Erotisches.
„Machen Sie es sich bequem“, flötete sie, erleichtert, dass er sie nicht sehen konnte. „Ich ziehe mich gerade um.“
„Danke, Miss Weston“, entgegnete die Stimme sanft. „Lassen Sie sich ruhig Zeit.“
Angestrengt versuchte Emily, ihren Besucher durch die Ritzen im Holz des Paravents zu erkennen. Sie konnte breite Schultern in einem schwarzen Dinnerjacket sowie einen cremefarbenen Seidenschal sehen. Der Mann hatte dichtes glänzendes schwarzes Haar … Haar, durch das Emily am liebsten ihre Finger hätte gleiten lassen, und dann … Emily riss sich zusammen. „Würden Sie mir Ihren Namen verraten?“
„Bussoni.“
„Mr. Bussoni.“ In ihrem Versteck fühlte sich Emily sicher. „Ich fürchte, ich habe Ihren Boten nicht sehr freundlich empfangen.“
„Nicht? Er hat es gar nicht erwähnt.“
Das Bild des Mannes vor ihr setzte sich zusammen wie ein Mosaik. Obwohl sie ihn kaum wahrnehmen konnte, machte er den Eindruck eines Raubtieres, das nur darauf wartete, zum Sprung anzusetzen … „Sie möchten über einen möglichen Vertrag mit der Band sprechen?“
Wieder schwieg Mr. Bussoni eine Weile, und Emily hatte den Eindruck, als werde sie von unsichtbaren Augen beobachtet.
Sie hatte ihre Zwillingsschwester in letzter Minute vertreten müssen, und daher war sie in ihrer Arbeitskleidung hergekommen. Sie hatte nicht erwartet, dass sie ihre Identität so lange verschleiern müssen würde. „Sie sind von Prince Records“?
„Es wäre angenehmer, mein Gegenüber zu sehen. Könnten wir das nicht Auge in Auge besprechen?“
Das war natürlich eine verständliche Bitte. Aber Miranda zeigte sich in der Öffentlichkeit nur in Kriegsbemalung. Emily sah fast schon wieder normal aus, und eine Ähnlichkeit mit der Miranda der Öffentlichkeit war nicht mehr zu erkennen.
„Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, nachdem Sie sich die Mühe gemacht haben, mich hier aufzusuchen, aber ich bin sehr müde. Wäre es Ihnen recht, wenn wir für morgen einen Termin machten?“
„Morgen Nachmittag um drei?“
Emily hörte, dass er sich schon fast zum Gehen gewandt hatte. Zwar konnte sie sich momentan gar nicht erinnern, was sie morgen vorhatte, geschweige denn um drei Uhr. Aber es war die Chance für Mirandas Band.
„Das passt mir gut“, stimmte sie zu. „Aber nicht hier.“
„Wo immer Sie möchten.“
Fieberhaft überlegte sie, was das Geschickteste wäre. „Könnten Sie in den Norden Londons kommen?“ Ihre Eltern hatten darauf bestanden, dass sie Miranda, sollte ihre Erkältung sich bis morgen nicht gebessert haben, nach Hause bringen sollte, damit sie dort genesen konnte. Emily wusste, dass sie das Spiel der vertauschten Zwillinge mitspielen würden.
„Es spricht nichts dagegen.“
„Das heißt, wenn Sie überhaupt noch interessiert sind?“
Interessiert? Alessandro unterdrückte ein Lächeln, nur für den Fall, dass Miss Weston doch unerwartet hinter ihrem Paravent hervorkommen sollte. Wenn er vorhin fasziniert gewesen war, so hatte sie ihn jetzt bereits vollkommen eingenommen.
Langsam ließ er seinen Blick durch die Garderobe schweifen. Auf dem Tisch lag ein ledergebundener Taschenkalender, daneben ein exklusiver Füllfederhalter. Die Handtasche auf dem Stuhl war so teuer, dass sie dies nicht durch ein Logo beweisen musste. Ein schwarzes Kostüm, eine weiße Bluse und auf dem Boden davor ein Paar eleganter hochhackiger Damenschuhe …
„Mr. Bussoni?“
Er fuhr herum und heftete den Blick wieder auf den Paravent.
„Mr. Bussoni, sind Sie noch interessiert?“
Die Stimme klang etwas unsicher, wie Alessandro zufrieden feststellte. Der Vertrag bedeutete ihr also etwas.
„Unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“
„Dass Sie danach mit mir zu Abend essen.“ Er konnte ihre Antwort kaum erwarten und war richtiggehend nervös. „Sie werden eine Menge Fragen haben, und es besteht viel Klärungsbedarf“, erklärte er wahrheitsgemäß.
Emily schwieg einen Moment. Miranda würde es bis dahin sicher besser gehen, hoffte sie. „Das ist machbar“, stimmte sie mit fester Stimme zu. „Ich sage den Bandmitgliedern Bescheid …“
„Nein“, kam Alessandros Stimme barsch zurück. „Es reicht, wenn wir beide das besprechen. Haben Sie unter diesen Umständen noch Interesse, Miss Weston?“
„Natürlich.“ Plötzlich wollte sie ihn so schnell wie möglich loswerden.
„Dann sind wir uns ja einig. Ich schreibe Ihnen meine Telefonnummer auf. Seien Sie doch so freundlich und geben meiner Sekretärin die Adresse durch.“
„Das mache ich.“ Emily konnte beinahe körperlich spüren, wie er sich entfernte.
„Bis morgen, Miss Weston.“
„Bis morgen, Mr. Bussoni.“
Emily hielt den Atem an, während sich die Tür hinter ihm schloss. Selbst wenn dieser Mann aussehen würde wie Frankenstein, ihr Körper reagierte auf ihn wie auf einen römischen Gladiator, der sie als Bettgefährtin erobert hatte.
Am nächsten Nachmittag hatte Emily alle Termine für die kommende Woche abgesagt und fuhr mit Miranda zu ihren Eltern.
„Dieser Mann ist anders als alle, die ich je kennengelernt habe. Unterschätze ihn nicht, Miranda.“
„Er hat ganz schön Eindruck auf dich gemacht, wie?“ Miranda warf Emily einen Seitenblick zu. Sie kannten sich zu gut, als dass sie ihre Schwester nicht durchschaut hätte.
„Ich habe ihn ja noch nicht einmal richtig gesehen“, verteidigte sich Emily. „Und wechsele nicht das Thema. Wir sprechen schließlich über dich, nicht über mich.“
Nachdem sie jahrelang eine schlechte Rolle in einem Orchester innegehabt hatte, hatte Miranda nun einen japanischen Violinenlehrer gefunden. Um die Violinenstunden bezahlen zu können, hatte sie als Sängerin einer Band angefangen. Zuerst nur sporadisch, doch seit ihr Erfolg immer größer geworden war, blieb ihr nur noch wenig Freizeit.
„Ich brauche diesen Vertrag nur für ein bis zwei Jahre, bis ich meine Karriere als Soloviolinistin anfangen kann.“ Sie seufzte.
Emily runzelte die Stirn. Sie wollte ihrer Schwester helfen, aber sie bezweifelte, dass Miranda wusste, worauf sie sich da einließ. „Bist du sicher, dass Prince Records Verständnis dafür hat, dass du sie dann wieder fallen lässt?“
Miranda zuckte mit den Schultern. „Sie werden schon eine neue Sängerin finden. Die Jungs sind großartig …“
„Ich weiß nicht, was du davon hättest.“
„Geld?“, schlug Miranda vor.
Emily schüttelte den Kopf und parkte den Wagen vor dem Haus ihrer Eltern. „Wie willst du gleichzeitig einen Vertrag mit Mr. Bussoni erfüllen und deine Violinenstunden bei Professor Iwamoto bewältigen?“
„Es wäre ja nur vorübergehend“, beharrte Miranda. „Das schaffe ich schon irgendwie.“ Ehe Emily etwas entgegnen konnte, war Miranda schon aus dem Wagen gesprungen.
„Sei doch nicht dumm“, sagte Emily, als sie sie an der Haustür eingeholt hatte. „Je erfolgreicher die Band ist, desto weniger Zeit hast du für deinen Unterricht. Klar kannst du das Geld gebrauchen, aber …“ Als sie Mirandas Gesichtsausdruck sah, brach sie ab und drückte ihre Schwester. „Ich weiß, du denkst an die Violine, die du in Heidelberg gesehen hast.“
„Ach, das war nur ein dummer Traum …“
„Ich verstehe nicht viel von Violinen“, gab Emily zu. „Aber ich weiß, wie schön du auf dem alten Instrument gespielt hast.“
„So etwas kostet ein Vermögen“, seufzte Miranda. „Und inzwischen ist sie sicher schon verkauft.“
Emily rechnete im Stillen nach, wie viel Geld sie beisteuern könnte, wenn sie ihr Apartment in London verkaufen und zur Miete wohnen würde. Miranda würde nie etwas davon erfahren. Es wäre hart, aber sie konnte einfach nicht mit ansehen, wie ihrer Schwester das Herz brach. „Wenn ich eine Möglichkeit sehe, dir zu helfen, tue ich das.“
„Du tust ohnehin schon so viel. Ich muss ja nicht einmal Miete zahlen.“ Miranda drückte den Klingelknopf.
„Wenn ich dich nicht hätte, wer würde dann den Kühlschrank mit Gesichtspackungen vollstopfen?“
In diesem Moment flog die Tür auf.
„Kinder!“
„Hallo, Mum, wie geht es dir? Wo ist Dad?“
„In seinem Arbeitszimmer, wo sonst?“
Emily drückte ihre Mutter und sog genüsslich den Duft frisch gebackenen Kuchens ein, der das Haus durchströmte.
„Du siehst müde aus“, stellte ihre Mutter besorgt fest. „Und du, Miranda, brauchst erst einmal eine gute Tasse heißen Tee.“
„Höre ich Stimmen?“
„Dad!“, riefen die Mädchen im Chor.
Mr. Weston drückte seine beiden Töchter an seine Brust. Arm in Arm folgten sie Mrs. Weston in die Küche.
„Du schaffst das spielend, Emily“, sagte ihre Mutter, nachdem Miranda ihren Plan für den Studiovertrag dargelegt hatte. „Du bist gefühlsmäßig nicht so beteiligt wie Miranda, und als Rechtsanwältin kannst du die besten Konditionen für die Band aushandeln.“
Emily wunderte sich, dass ihre Mutter in diesem unglücklichen Vorhaben mit Miranda an einem Strang zog. Sie selbst konnte Alessandro Bussoni unmöglich anlügen. Noch beängstigender fand sie jedoch, dass ihr Herz bei dem Gedanken an Mr. Bussonis Besuch schneller schlug.
„Bist du dir sicher, dass du das tun willst, Emily?“, fragte ihr Vater besorgt.
„Klar, Dad, überlass das nur mir“, beharrte sie. „Mit Signor Bussoni werde ich schon fertig …“
„Ein Italiener!“, rief ihre Mutter interessiert aus und zupfte ihre Locken zurecht. „Was sagtest du, wann er kommt?“
„Just in diesem Moment, wie es scheint“, antwortete Emilys Vater mit einem Blick aus dem Fenster.
„Oh nein!“ Miranda warf ihrer Schwester einen Hilfe suchenden Blick zu.
„Geh auf dein Zimmer, bis er weg ist“, schlug Emily vor. „Ich sage dir Bescheid, wenn die Luft rein ist. Mum, Dad, benehmt euch einfach ganz normal.“
„Ja, Liebling“, antwortete ihre Mutter atemlos.
„Nun schau nicht so ängstlich“, sagte Emily zu ihrer Schwester. „Ich verspreche, den Vertrag nur mit deinem Einverständnis zu verpatzen.“
Die Mädchen lächelten sich zu. Dann traten sie ans Fenster und lugten durch den Vorhang.
„Oh Mann“, murmelte Emily, als sie die eindrucksvolle Statur in dem dunklen Wagen erkannte.
„Hattest du nicht Frankenstein gesagt?“
„Ich sagte, es sei möglich, schließlich hatte ich ihn noch nicht gesehen.“
„Da lagst du wohl falsch“, stellte ihr Vater trocken fest.
Alessandro stieg aus seinem Leihwagen und ging die Auffahrt zu dem Wohnhaus hinauf.
Er war es nicht gewohnt, dass man ihn warten ließ, und achtzehn Stunden waren viel zu lang.
Allerdings war er es auch nicht gewohnt, mit jemandem zu sprechen, der sich hinter einem Paravent verbarg. Normalerweise akzeptierte er auch nicht anderer Leute Bedingungen. Noch nie hatte eine Frau ihn versetzt oder an einen Ort wie diesen zitiert.
Er lächelte versonnen. Das englische Reihenhaus vor ihm, der kurz gemähte Rasen, die gestutzte Hecke und der frisch bepflanzte Blumenkübel waren so erfrischend gewöhnlich. Eine willkommene Abwechslung, musste er sich eingestehen.
Hinter der blickdichten Gardine beobachteten die Westons ihren Besucher.
„Er ist himmlisch“, murmelte Miranda und lief hastig die Treppe hinauf. „Emily, ich ziehe mich rasch um, dann löse ich dich aus.“
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“ Kopfschüttelnd ging Emily zur Tür.
„Ich mache schon auf“, unterbrach ihr Vater sie. „Schätzchen, geh, und mach dich noch ein wenig frisch.“ Er strich seiner Tochter zärtlich über den Arm. „Keine Sorge, ich beschäftige ihn, bis du wieder da bist.“
„Du bist ein Engel“, flüsterte Emily und küsste ihn auf die Wange, bevor sie zu ihrer Schwester hinaufstürmte.
Die Mädchen warteten schweigend in Mirandas Zimmer. Emily trug ihre Freizeitkleidung – Jeans und ein schlichtes graues T-Shirt. Ihre Füße mit den lackierten Nägeln steckten in flachen Sandalen. Das lange schwarze Haar hatte sie mit einer Spange auf dem Kopf zusammengefasst.
Miranda dagegen hatte die kurze Zeit genutzt, ihre ausdrucksvollen grünen Augen mit etwas Lidschatten zu umranden, ihre Wangen leicht zu tönen und hochhackige Schuhe anzuziehen, die ihre Beine endlos lang wirken ließen.
Es war eindeutig, wer das Showgirl war. Signor Bussoni würde nicht zweifeln. „Enspann dich“, murmelte sie Miranda zu. „Alles wird glatt gehen.“
„Warum zitterst du dann?“
„Emily, Miranda. Wo bleibt ihr denn? Unser Gast ist da!“
„Wir kommen, Dad!“ Emily hoffte, ihre Stimme klänge sicherer, als sie sich fühlte.
Als sie die Treppe hinuntertraten, glaubte Emily, ihr schwänden die Sinne. Sie sah in ein vollkommenes Männergesicht. Das dichte ebenholzschwarze Haar trug der Italiener einen Hauch länger, als es in England Mode war, und es war vom Wind zerzaust. Sie war sich bewusst, dass sie unhöflich erscheinen musste, weil sie ihn so anstarrte, aber als sie den Blick senkte, blieb er an seinem Mund haften. Diese Lippen waren beinahe unanständig sinnlich geformt.
Alessandro Bussoni verneigte sich und stellte sich vor. „Miss Weston“, murmelte er.
Emily blieb sprachlos, also stürmte Miranda nach vorn und streckte Mr. Bussoni die Hand entgegen. „Ich freue mich, Sie zu sehen, Signor Bussoni.“ Alessandro hob ihre Hand an seine Lippen, was Miranda ein hörbares Seufzen entlockte.
„Ganz meinerseits“, sagte er warm. „Aber verzeihen Sie mir, ich bin wegen der anderen Miss Weston hier.“
„Die andere Miss Weston?“, entfuhr es Miranda. Sie sah sich hilflos nach Emily um, die wie erstarrt dastand.
„Genau.“ Alessandro lächelte Emily zu. „Sie haben mich eingeladen, Miss Weston.“
Die Schwestern waren sprachlos. Nicht einmal ihre Eltern konnten sie immer mit Gewissheit auseinanderhalten, wie war es Signor Bussoni möglich? Emily atmete auf, als ihre Mutter hereinstürmte.
„Signor Bussoni, was für eine Freude, Sie in unserer Mitte begrüßen zu dürfen.“
„Die Freude ist ganz meinerseits, Mrs. Weston.“ Alessandro neigte respektvoll den Kopf.
„Sie haben meine Töchter schon begrüßt, wie ich sehe.“ Sie sah Emily und Miranda an. „Haben Sie Miranda schon Violine spielen gehört?“
Alessandro blickte verständnislos in die Runde.
„Ihre Interpretation von Brahms Violinenkonzert sucht ihresgleichen, müssen Sie wissen. Sie hat schon Auszeichnungen dafür bekommen.“
Alessandro musterte die junge Frau, die ihre Mutter Miranda genannt hatte. Ihre auffällige Kleidung und ihr extravagantes Make-up kennzeichnete sie eindeutig als Showgirl … aber in Wirklichkeit war sie offensichtlich eine klassische Violinistin. Dann ließ er seinen Blick zu der natürlichen Schönheit schweifen, deretwegen er hier war … dem Engel mit den zart geröteten Wangen und den unglaublich jadegrünen Augen. Der Unterschied hätte nicht frappierender sein können. Aber worauf ließ er sich da ein? Er konnte seinen Blick nicht von Emily wenden. Er hätte sie endlos angestarrt, wenn Miranda nicht etwas gesagt hätte.
„Mutter, also wirklich! Signor Bussoni interessiert das nicht. Sag doch was, Emily!“
Emily. Alessandro ließ den Namen auf der Zunge zergehen, wiederholte ihn im Geiste immer und immer wieder. Dieser Name mit seinen perfekten Proportionen, seinem altenglischen Charme … Emily, Emily …
Aber Mrs. Weston unterbrach seine Gedanken. „Was hast du denn, Liebling? Signor Bussoni muss alles über dein Talent erfahren, Miranda. Wenn alle schweigen, wie sollst du dann jemals die Violine spielen, in die du dich damals in Heidelberg verliebt hast?“
„Mutter, bitte“, hielt Emily sanft dagegen. „Ich denke, Signor Bussonis Zeit ist sehr kostbar. Er ist wegen des Bandvertrags hier. Sicher wird er ein andermal die Gelegenheit haben, Miranda Violine spielen zu hören.“
„Das wäre mir ein großes Vergnügen“, stimmte Alessandro zu. „Aber vergangene Nacht habe ich Sie singen gehört.“ Er sah Emily eindringlich an.
„Emily hat mich vertreten, weil ich erkältet bin“, erklärte Miranda selbstbewusst. „Normalerweise kann uns niemand auseinanderhalten.“
„Verstehe“, sagte Alessandro. Er würde Emily erkannt haben, und wenn sie noch fünf gleich aussehende Schwestern hätte.
Emily versuchte, seinem Blick standzuhalten, aber er verunsicherte sie zutiefst. „Singen ist nur ein Hobby für mich“, erklärte sie. „Wenn Miranda auf der Bühne gestanden hätte, hätten Sie die Band vom Fleck weg unter Vertrag genommen.“
„Möglich“, murmelte Alessandro, während seine Augen den Blick nicht von Emily wenden konnten. Es war ihm gleichgültig, ob sie singen konnte. Ihre Schönheit lag im Detail. Er begehrte sie so wie keine zuvor. Emily Weston war alles, was er wollte … alles, was er brauchte, um seinen Plan in die Tat umzusetzen. Mehr als das, gestand er sich ein.
Miranda hob die Hand an die Schläfe. „Ich möchte mich gerne zurückziehen …“
Mr. Weston strich ihr über die Wange. „Miranda, ich glaube, du hast noch Fieber. Ich bringe dich in dein Zimmer.“
„Kann ich irgendetwas tun?“, fragte Alessandro.
„Das ist nicht nötig. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Signor Bussoni“, entgegnete Miranda, halb von ihrem Vater gestützt. Ihr sorgsam geschminktes Gesicht war vom Nachmittagssonnenschein sanft erhellt.
Schön, dachte Alessandro, und wenn man das Make-up wegdachte, wäre sie eine farblose Kopie ihrer Schwester. Sie reizte ihn nicht im Geringsten.
„Kümmerst du dich um den Vertrag, Emily?“, fragte Miranda besorgt, als Emily sie noch zum Treppenaufgang begleitete.
„Habe ich dich jemals im Stich gelassen?“
„Nie.“ Miranda küsste ihre Schwester auf die Wange.
Als Emily ins Wohnzimmer zurückkam, saß Alessandro auf dem Chintz-Sofa, und ihre Mutter plauderte angeregt mit ihm. Sobald sie jedoch das Zimmer betrat, richtete er seine Aufmerksamkeit auf sie.
„Kümmern Sie sich um alle Geschäftsangelegenheiten Ihrer Schwester?“
Emily hatte ein Gespür für ebenbürtige Gegner. „Nicht alle“, antwortete sie vorsichtig.
„Nur Verträge?“
„Wir sind nicht zusammengekommen, um über mich zu sprechen, Signor Bussoni.“
„Alessandro, bitte.“ Er hob in einer entwaffnend sympathischen Geste die Hände. Doch Emily war die Berechnung in seinem Blick nicht entgangen, und sie spürte instinktiv, wie ihr Körper die männliche Herausforderung annahm.
„Ich bin sicher, Sie sind sehr beschäftigt, Signor Bussoni“, sagte sie in gezwungen kühlem Ton, obwohl ihr Herz Salti schlug. „Kommen wir doch zum Punkt. Sie sind hier, weil Sie Mirandas Band unter Vertrag nehmen möchten.“
„Korrekt.“
Seine Stimme erregte ihre Sinne. Wie konnte eine Stimme solche Wirkung haben?
„Es sieht so aus, dass wir beide eine Menge zu besprechen haben, Miss Weston, um ehrlich zu sein mehr, als ich erwartet hatte. Ich schicke Ihnen heute Abend um acht meinen Wagen.“
Lässig stand er auf.
„Aber Sie bleiben doch zum Tee, Signor Bussoni …?“
„Nein …“, entfuhr es Emily. „Signor Bussoni hat sicher noch Termine. Es ist sehr zuvorkommend von ihm, sich heute Abend Zeit für Mirandas Vertrag zu nehmen, Mutter.“
Alessandro neigte höflich den Kopf.
„Bis heute Abend, Miss Weston.“
„Signor Bussoni.“
„Alessandro“, korrigierte er sanft.
Als er ihre Hand nahm und an seine Lippen führte, rieselte ihr ein wohliger Schauer über den Rücken. Der Kontakt war kurz, aber lang genug, um ihr Herz zum Rasen zu bringen. Ein süßes Begehren erfasste sie. Glücklicherweise kam ihr Vater in diesem Moment zurück, und so konnte Emily in den Hintergrund treten, bis er Alessandro Bussoni zu seinem Wagen geleitet hatte.
Emily war erstaunt, als die Limousine vor dem pompösen Eingang eines Hotels hielt und ihr die vertraute Gestalt entgegentrat. Was hatte das zu bedeuten?
Alessandro gab dem Chauffeur ein großzügiges Trinkgeld und führte Emily durch die Eingangstür. Ihr Mund wurde trocken. Gut, dass sie sich für ihr marineblaues Kostüm mit dem knielangen Rock entschieden hatte.
„Willkommen, Miss Weston.“
„Bitte nennen Sie mich Emily.“ Die erste Regel im Geschäftsleben war, immer herzlich, aber formal zu bleiben. Wieso fühlte sie sich dann wie bei ihrem ersten Date?
„Ich muss mich entschuldigen, Miss Weston, dass ich Sie nicht selbst abgeholt habe“, sagte Alessandro charmant, während sie über den teuren Teppich zum Aufzug gingen.
„Ich wollte selbst kommen, aber es gab Staatsangelegenheiten, die meine Aufmerksamkeit erforderten …“
„Staatsangelegenheiten?“, fragte Emily neugierig. Es fiel ihr schwer, sich auf Alessandros Worte zu konzentrieren, da die Menschen rundherum sie anstarrten.
Als das erste Blitzlicht aufflackerte, drehte sie sich neugierig um. Irgendwo musste ein Star sein. Dann erst bemerkte sie, dass die Kameras auf sie gerichtet waren. Eine kleine Gruppe Fotografen folgte ihnen.
Emily lächelte unsicher und versuchte, mit Alessandro Schritt zu halten. „Sie haben wohl heute Abend nicht viel zu tun.“
„Wie? Ach so, die Fotografen“, wehrte er ab. „Man gewöhnt sich so daran, dass man sie gar nicht mehr bemerkt.“
In solch einem Hotel war die Anwesenheit von Fotografen wahrscheinlich an der Tagesordnung, dachte Emily. Wer weiß, welche Prominenten hier abstiegen.
„Ich schätze, sie langweilen sich, während sie auf den Star warten.“
„Der Star?“
„Na, irgendein Promi.“
Seine dunklen Augen blitzten amüsiert auf. „Wahrscheinlich haben Sie recht. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, dass sie sich langweilen könnten …“
Alessandro führte sie durch die weite elegante Halle, scheinbar unbeeindruckt davon, auch von den umstehenden Gästen beobachtet zu werden. Unwillkürlich musterte Emily ihren Begleiter. Er war ein attraktiver Mann. Sein dunkler Anzug, zweifellos von einem der besten Schneider, unterstrich seine männliche Statur. Sein eisblaues Hemd bot einen wunderschönen Kontrast zu seiner gebräunten Haut …
Emily wandte den Blick ab. Sie musste sich zusammennehmen, um ihre Aufgabe zu erfüllen. „Staatsangelegenheiten?“, wiederholte sie bestimmt.
Ein dunkles, sexy Lachen war die Antwort.
Endlich standen sie im Fahrstuhl, fast geräuschlos schlossen sich die Türen. Ungläubig sah Emily sich um. Das Innere war mit kostbarem Satin ausgekleidet, in der einen Ecke befand sich sogar eine kleine Bank. Auch ein Telefon für dringende Gespräche stand zur Verfügung. Dieser Aufzug musste sehr teuren Gästen vorbehalten sein. Wieder warf sie ihrem Begleiter einen Blick zu.
„Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.“
„Ich habe mir erlaubt, uns ein leichtes Abendessen zu bestellen.“
Er machte ihr freundlich, aber unmissverständlich deutlich, dass er den Verlauf ihres Gesprächs bestimmte.
Als Alessandro den skeptischen Ausdruck in Emilys Augen sah, wusste er, dass er es nicht leicht haben würde. Dabei musste er sie doch nur dazu bringen, den Vertrag zu unterzeichnen, den seine Anwälte aufgesetzt hatten. Doch das konnte schwieriger als erwartet werden. Irgendwie hatte sie ihm den Kopf verdreht. Diese Frau, die in ihm den verrückten Wunsch weckte, sie nach allen Regeln der Kunst zu verführen.
„Ich dachte, wenn wir nicht ausgehen, sondern hierbleiben, können wir uns voll und ganz unserem Geschäft widmen.“
„Und ich habe gefragt, was Sie mit Staatsangelegenheiten meinten …“ Worte waren schon immer ihre Waffe gewesen.
Aus einem Impuls heraus fasste sie nach seinem Handgelenk, aber sogleich wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Was war in sie gefahren, dass sie seine Hand mit dem Goldring ergriff? Und warum wehrte er sich nicht? Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, sie von sich zu weisen. Stattdessen fühlte sie seine warme Haut unter ihren Fingerspitzen.
„Es ist mein Familienwappen. Befriedigt das Ihre Neugierde?“
Nicht im Mindesten! „Familienwappen?“
Alessandro griff so schnell zu, dass Emily die Goldmanschetten ihrer weißen Bluse nicht verbergen konnte.
„Warum erklären Sie mir nicht erst einmal, was diese hier bedeuten?“, konterte er ruhig.
Bei seiner Berührung schoss ihr die Hitze ins Gesicht. Erstaunt erkannte Emily, dass sie nicht um Beherrschung rang. Im Gegenteil – sie wurde weich und nachgiebig. „Das sind meine …“
„Ja?“, drängte er.
„Meine Manschetten tragen die Insignien meines Gerichtshofes.“
„Ah“, murmelte er, erfreut, dass sich seine Vermutung bestätigte. „Rechtsanwältin?“
Emily nickte. „Und Sie?“
Nun ergab alles einen Sinn. Die Kleidung, die Aktentasche, ihre tadellose Kleidung.
„Wir sind gleich da“, sagte Alessandro, als der Aufzug langsamer wurde.
Schon wieder wich er aus! Mit Mühe unterdrückte sie ihre Wut und versuchte, an irgendetwas anderes zu denken. Sie stellte fest, wie gut ihr leichtes, blumiges Parfum mit Alessandros warmem Sandelholzduft harmonierte. Was für eine schlechte Ablenkung!
Als sich die Fahrstuhltüren leise öffneten, ließ Alessandro ihr den Vortritt. Was wäre, wenn Alessandro sie jetzt zurückhalten würde, die Türen schließen und dann irgendwo zwischen den Etagen die Notbremse ziehen … Sie merkte, wie sie erneut errötete.
„Emily? Hören Sie mir überhaupt zu?“
„Tut mir leid …“
„Ich fragte, ob Sie gerne ein Glas Champagner hätten?“
„Nein danke. Orangensaft ist mir für eine Besprechung lieber.“
„Und danach Champagner?“
„Das habe ich nicht gesagt, Signor Bussoni …“
„Alessandro.“
„Alessandro“, wiederholte Emily. „Und wenn wir den Vertrag aufgesetzt haben, gehe ich.“
„Wie Sie wünschen“, stimmte er zu. „Ich verbringe sowieso ungern meine Freizeit mit Rechtsanwälten.“
Emily war enttäuscht. Sie hätte blind sein müssen, um nicht zu bemerken, was für ein begehrenswerter Mann Alessandro Bussoni war. Es war höchste Zeit, die Schlösser an ihrem Keuschheitsgürtel zu verstärken, wenn sie bei ihrer Besprechung die Oberhand behalten wollte.
Alessandros Suite war nicht nur größer als übliche Hotelzimmer, sondern hatte geradezu eine palastähnliche Größe. Das ganze Haus ihrer Eltern würde in dem eleganten Schreibzimmer Platz finden, in dem sie jetzt standen. Der Raum war in feinem englischem Landhausstil eingerichtet, in dem Zusammenspiel von Seide, Kaschmir, Damast und Blumendrucken wirkte er geradezu etwas überladen.
„Nicht gerade gemütlich, oder?“
Beim Klang seiner Stimme schrak Emily zusammen. „Verzeihung?“
„Der Raum“, erklärte Alessandro und hielt ihren Blick gefangen.
„Er ist sehr …“
„Ja?“ Er bemerkte, wie sie versuchte, seine Hand nicht zu berühren, als er ihr das Kristallglas reichte.
„Man bemerkt, dass sich hier jemand Mühe gegeben hat, …“
„… alle Schönheiten Ihres Landes für den geneigten Touristen in einen Raum zu bannen?“ Er lächelte sie an.
„Genau das war mein Gedanke.“ Emily ertappte sich dabei, wie sie sein Lächeln erwiderte. „Wie haben Sie das erraten?“
Statt eine Antwort zu geben, zwinkerte Alessandro ihr nur zu. „Folgen Sie mir doch in mein Büro, damit wir mit der Besprechung beginnen können.“
Er öffnete galant eine Tür und ließ ihr den Vortritt.
Als sie an ihm vorbei in das Zimmer schritt, konnte sie den frischen Duft seines Aftershaves wahrnehmen. „Sehr beeindruckend“, sagte sie heiser und gab vor, seine Hightech-Ausstattung zu bewundern.
„Setzen Sie sich doch“, schlug Alessandro vor und wies auf den Ledersessel vor dem eindrucksvollen Mahagonischreibtisch.
Emily ließ sich in den Sessel sinken und wartete, bis Alessandro im Chefsessel Platz genommen hatte. Dann blickte sie ihn herausfordernd an. „Wie Sie wissen, bin ich hier, um die optimalen Konditionen für die Band meiner Schwester auszuhandeln.“
„Oder vorrangig für ihre Schwester selbst?“
„Natürlich auch das, aber …“
„Miranda braucht das Geld, um sich eine ganz bestimmte Violine leisten zu können und ihr Studium abzuschließen, richtig?“
„Sie bringen es ohne Umschweife auf den Punkt, Signor Bussoni.“
„Und was käme für mich dabei heraus?“
„Das erklärt sich doch von selbst. Sie haben die Band ja gesehen. Sie ist ausgezeichnet.“
„Ohne Sie?“, entfuhr es ihm. „Wie soll ich wissen, wie sie ohne Sie spielen? Vielleicht möchte ich die Band ja nur unter Vertrag nehmen, wenn Sie die Sängerin sind?“
„Das würde mein Beruf nicht zulassen.“
„Verstehe. Darauf kommen wir später zurück. Bitte erklären Sie mir, wie Ihre Schwester es schaffen will, ihrem Studium und unserem Vertrag gleichermaßen gerecht zu werden?“
„Ich bin hier, um sicherzustellen, dass der Vertrag eine Parallelbeschäftigung möglich macht – zumindest für das erste Jahr.“
„Und dann lässt sie die Band fallen?“
„Sie wird alle vertraglichen Pflichten erfüllen“, beharrte Emily. „Darauf haben Sie mein Wort.“
„Und nebenbei wird sie ausreichend Zeit für ihre Karriere als Soloviolinistin haben? Das wage ich zu bezweifeln.“ Alessandro bedachte Emily mit einem skeptischen Blick.
„Ganz offensichtlich haben Sie keine Erfahrung damit, wie es ist, nach den Sternen zu greifen.“ Wenn es um ihre Schwester ging, verlor Emily manchmal die für ihren Beruf so wichtige Sachlichkeit.
„Vielleicht haben Sie recht.“
„Viele Künstler sind gezwungen, Nachtschichten einzulegen, um ihr Studium finanzieren zu können“, fuhr sie leidenschaftlich fort.
„Nicht nur Künstler …“
Emily war nicht zu bremsen. „Sie ziehen Schlüsse, für die Sie keine Anhaltspunkte haben.“
„Und Sie hören mir nicht einmal zu“, gab Alessandro ruhig zurück. „Woher wollen Sie also wissen, was ich denke?“
„Sie haben ja bereits entschieden, dass Miranda nicht beides bewältigen könnte.“ So unsicher hatte Emily sich nicht mehr gefühlt, seit sie im ersten Semester ihre erste Anklage hatte führen müssen. „Momentan fühlt sie sich nicht gut, aber sobald sie wieder gesund ist, wird sie all ihre Pflichten erfüllen.“
„Sie sagen …“
„Ja, das sage ich.“ Emily redete sich in Rage. „Ich kenne meine Schwester besser als Sie, besser als irgendwer auf der Welt …“ Sie brach ab, denn sie erkannte, dass all ihr fachliches Können nichts wert war, wenn sie sich von ihren Gefühlen für ihre Schwester leiten ließ.
„Ich bin überzeugt davon, dass Sie recht haben.“ Alessandro sprach ruhig und gelassen. „Aber warum um Himmels willen möchte sie unbedingt mit Hilfe dieser Band Geld verdienen? Gibt es keine Alternative?“
Emily schüttelte ungeduldig den Kopf. „Sie ist Musikerin, Alessandro. Darum.“
„In einem Nachtclub?“
„Passt Ihnen das nicht?“
Alessandro zuckte lässig mit den Schultern, und Emily ahnte, welche Klischees über Nachtclubsängerinnen ihm gerade durch den Kopf gingen.
„Miranda führt ein redliches Leben“, verteidigte sie ihre Schwester. „Fänden Sie es besser, wenn sie ihre Ambitionen begraben würde, nur um den Vorurteilen konservativer Menschen zu entsprechen?“
Es klopfte an der Tür. Alessandro stand auf und entschuldigte sich. „Es dauert nur einen Moment, verzeihen Sie bitte.“
Als Emily allein war, spürte sie Tränen der Wut aufsteigen. Noch nie hatte jemand sie dazu gebracht, derart die Nerven zu verlieren. Sie suchte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch, aber als Alessandro wiederkam, packte sie es rasch wieder fort.
„Kommen Sie, Emily, unser Essen ist da.“
„Es ist besser, wenn ich nach Hause gehe.“ Nervös durchforschte sie die Handtasche nach ihrem Schlüsselbund.
„Nach dem Essen“, beharrte Alessandro und streckte ihr die Hand entgegen.
Sollte sie seine Hand greifen? Überrascht sah sie ihn an.
„Kommen Sie“, wiederholte er geduldig.
Sollte sie der Versuchung widerstehen? Vielleicht würde sie sich beim Essen entspannen und ihren kühlen Kopf zurückgewinnen. Immerhin war sie Miranda zuliebe hergekommen. Viele Geschäfte wurden bei einem gemeinsamen Essen zum Abschluss gebracht; sie handhabte es oft selbst so.
Aber wenn er sie mit einem romantischen Dinner um den Finger wickeln wollte?
Sei vernünftig, ermahnte sie sich streng. Die Essenspause war nur als kurze Unterbrechung gedacht. Danach würden sie weitere Verhandlungen führen. Als sie jedoch in den Nebenraum traten, erkannte Emily, dass es sich um alles andere als um einen kleinen Imbiss handelte.
„Ich hatte gedacht …“ Sie brach ab, als sie das üppige Büfett sah.
„Sind Sie denn nicht hungrig?“ Alessandro ließ den Blick über die köstlich duftenden Delikatessen schweifen. „Also ich schon.“
Emily versuchte zu ignorieren, wie er eine Erdbeere zwischen seinen sinnlichen Lippen verschwinden ließ.
„Essen Sie einfach, was Sie möchten und wann Sie möchten. Dabei können wir uns weiter unterhalten“, schlug Alessandro vor.
„Einverstanden.“ Das Essen sah einfach unwiderstehlich aus … und nicht nur das Essen.
War es ihr Fehler, dass diese wunderschön geschwungenen Lippen die Vorstellung ganz anderer Genüsse in ihr weckten? Ganz zu schweigen von der muskulösen Brust, die sich zweifelsohne unter seinem Designerhemd verbarg. Und was war mit dem flachen Bauch unterhalb seines schwarzen Gürtels?
Kopfschüttelnd zwang sie sich, sich wieder auf die Speisen zu konzentrieren, und begann, ihren Teller mit einigen der Delikatessen zu füllen.
Das Essen war delikat, doch Emily konnte es vor Aufregung kaum genießen.
„Möchten Sie noch etwas Obst zum Nachtisch?“, fragte Alessandro höflich und führte sie erneut zum Büfett. Plötzlich entdeckte sie einen kunstvoll errichteten Berg feinster Teigkugeln in kräftiger schwarzer Schokolade. Alessandro beobachtete sie lächelnd. „Mögen Sie Schokolade, Emily?“
„Ich liebe Schokolade. Warum?“
Er drapierte einige der gefüllten Windbeutel auf einen kleinen Teller. „Alljährlich gibt es in Ferara ein Schokoladenfestival. Es gibt Schokolade für jedermann, kostenlos natürlich. Wir haben sogar ein Schokoladenmuseum, das wird Sie sicher interessieren. Was meinen Sie?“
Lächelnd reichte er ihr die sündhaften Süßigkeiten.
„Danke.“ Nahm sie damit wirklich nur die Profiteroles an, oder war es eine Einladung zu viel mehr?
„Stellen Sie sich das doch mal vor, Emily. Tausend Kilo köstlichster Schokolade zu einem Kunstwerk gegossen, direkt vor Ihren Augen. Künstler aus ganz Europa werden kommen, um an dem Schokoladenskulpturwettbewerb teilzunehmen.“
Alessandro goss ihnen heißen Kaffee aus einer eleganten Silberkanne ein.
„Schwarz, bitte.“ Er wollte sie doch wieder provozieren. Ein Schokoladenfestival, du meine Güte!
Als sie in das luxuriöse Büro zurückkehrten, hatte Alessandro das Licht leicht gedimmt und legte nun eine CD in den CD-Spieler.
Emily lächelte. Brahms, erkannte sie, und wunderte sich, dass er sich an die Bemerkung ihrer Mutter über Brahms Violinenkonzert erinnerte.
Alessandro schenkte ihnen wortlos ein Glas Champagner ein und trug die Kristallflöten zu ihr hinüber. Als sie sich gegenübersaßen, murmelte er: „Besser?“ Er sah zu, wie sie an ihrem Glas nippte. „Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mein Jackett ablege?“ Bei diesen Worten öffnete er die oberen Knöpfe seines Hemdes.
„Tun Sie sich keinen Zwang an.“ Emily lehnte sich im Sessel zurück und beobachtete, wie Alessandro lässig das Jackett über eine Stuhllehne legte. Dann zog er die schweren Goldmanschetten von seinen Hemdsärmeln und legte sie auf den Tisch, schob die Ärmel hoch und entblößte damit seine starken männlichen Unterarme.
„So, Emily“, forderte er sie auf. „Glauben Sie immer noch, ich bin einer jener konservativen Menschen, die nur in Klischees denken?“
Was Nachtclubsängerinnen anging, ja, ansonsten allerdings …
Das Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden.
„Bevor wir weitermachen, müssen wir etwas klarstellen. Es ist mir gleichgültig, was die Leute denken, solange niemand verletzt wird. Aber ich interessiere mich für Motive. Welches sind Ihre, Emily?“
Emily versuchte verzweifelt, die passenden Worte zu finden.
„Rechtsanwältin bei Tag, Kabarettsängerin bei Nacht. Daran ist nichts Schlimmes, wenn man beidem gerecht werden kann. Und es spricht für Sie, dass Sie Ihrer Schwester damit aus der Klemme helfen wollten. Was allerdings nicht für Sie spricht, ist, dass Sie mich über den Tisch ziehen möchten. Warum wollen Sie das, Emily?“
„Ich gebe zu, dass nicht alles …“
„Sie glauben doch nicht wirklich, dass Sie damit durchgekommen wären? Für wie dumm haben Sie mich gehalten?“
Emily errötete tief. „Ich kannte Sie doch nicht. Es tut mir leid, ich dachte einfach nicht …“
Alessandro hob beschwichtigend die Hände. „Es ist nun mal passiert. Sie sind auch nicht die Einzige, die nicht ganz ehrlich war.“
„So?“
„Aber bleiben wir zunächst bei Ihnen.“
Es war eindeutig, dass er ihre Motive aus ihr herauskitzeln und seine zurückhalten wollte.
„Vorausgesetzt, der verrückte Plan Ihrer Schwester funktioniert …“
„Werden Sie ihr nun helfen, oder nicht?“
„Ohne meine Hilfe wird Ihre Schwester niemals diese Violine spielen, die sie sich in den Kopf gesetzt hat.“
„Wie meinen Sie das?“ Emily setzte sich ängstlich auf.
„Entspannen Sie sich, Emily“, sagte Alessandro leise. „Sie wollen Ihrer Schwester doch helfen, nicht wahr? Sie möchten, dass sie die Violine spielen kann, die sie in Heidelberg gesehen hat.“
Emily wich das Blut aus den Wangen. „Woher wissen Sie das?“
„Ihre Mutter hat es erwähnt. Außerdem ist es meine Gewohnheit, mir alle Fakten anzueignen, bevor ich mich in eine Verhandlung begebe“, erklärte er mit fester Stimme. „Ich überlasse nichts dem Zufall.“
Wäre es nicht um Mirandas Zukunft gegangen, hätte Emily sich ganz ihrem verletzten Stolz hingegeben. Aber worauf wollte Alessandro Bussoni überhaupt hinaus? Warum hatte er so viel Aufwand betrieben? Und wie erklärte sich seine Macht, die Violine in Mirandas Hand zu legen?
„Die Violine in Heidelberg …“, setzte sie an, aber ihre Stimme versagte, als sie daran dachte, wie wunderschön Miranda auf diesem uralten Instrument gespielt hatte. „Was meinten Sie damit, meine Schwester könnte sie vielleicht niemals spielen?“
„Ohne mein Zutun“, erinnerte Alessandro.
„Ich verstehe nicht.“
„Weil ich Ihnen noch eine Erklärung schulde.“
„Das Instrument, von dem wir sprechen, ist ein Museumsstück von hohem Wert. Es wurde von einem der berühmtesten Violinenbauer ausgestellt …“
„Wurde?“
„Ja, denn es ist nicht mehr dort“, fuhr Alessandro fort.
„Sie meinen, die Violine ist wieder im Museum?“ Erleichterung und Bedauern rangen in Emilys Brust.
„Nicht wirklich.“
„Was dann?“ Ihr Blick sagte Alessandro, dass sie sich diesmal nur mit der ganzen Wahrheit zufriedengeben würde.
Aber Alessandro schwieg und starrte nur auf einen Punkt jenseits Emilys Schulter.
Als sie sich umwandte, um seinem Blick zu folgen, wurden ihre Augen groß. In der Ecke stand, in einem mit Seide ausgeschlagenen Kasten, eine Violine.
Emilys Herz schlug heftig. Sie traute ihren Augen nicht. Es war dieselbe Violine, die Miranda in Heidelberg gespielt hatte.
„Aber Sie haben gesagt, die Violine sei ein unbezahlbares Museumsstück.“ Mittlerweile war es ihr gleichgültig, dass ihre Stimme all ihre Gefühle verriet. „Ich verstehe nicht.“
„Alles hat seinen Preis, Emily.“ Alessandro zuckte mit den Schultern.
Er schien zu warten. Aber worauf? Erwartete er, dass sie etwas sagte? Doch Emily zitterte und konnte sich der Vorstellung nicht erwehren, dass er sie ebenfalls als mit einem Preis versehen betrachtete.
„Sie haben sie gekauft?“, brachte sie schließlich heraus.
„Ich habe sie gekauft.“
„Aber warum in aller Welt …?“
„Als Verhandlungsgegenstand.“
„Wie bitte?“ Emily konnte es nicht fassen. „Wovon sprechen Sie?“
„Erlauben Sie mir, es Ihnen zu erklären.“
Sie lehnte sich zurück und sah ihn an. Sein Gesichtsausdruck gefiel ihr überhaupt nicht. „Ich bitte darum.“
„Es wäre besser für Ihre Schwester, wenn sie ihr Studium abschließen könnte, ohne nachts mit der Band Geld verdienen zu müssen.“
„Natürlich“, stimmte Emily zu. „Aber …“
„Lassen Sie mich fortfahren, bitte. Noch besser wäre es, wenn sie das Instrument hinter Ihnen für ihre Studien verwenden könnte …“
„Ist das vor oder nach ihrem Lottogewinn?“
„Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen sage, dass ich Ihrer Schwester die Violine als dauerhafte Leihgabe zur Verfügung stellen möchte?“
Wie vom Donner gerührt schwieg Emily eine Weile. Dann beharrte Alessandro: „Nun, Emily, was meinen Sie dazu?“
„Und was verlangen Sie dafür von ihr?“, fragte Emily misstrauisch.
„Von Ihrer Schwester?“ Alessandro blickte ernst und wartete, bis sie langsam verstand.
„Was verlangen Sie von mir?“
Langsam breitete sich ein Lächeln auf Alessandros Lippen aus, welches jedoch sogleich wieder erstarb. Sie war so lebendig, so verletzlich. Es war, als habe er eine seltene Blume entdeckt und zu spät bemerkt, dass er bereits im Begriff war, sie zu zertreten.
Alessandro erhob sich und durchschritt den Raum. Er musste nachdenken, aber er hatte keine Zeit zu verlieren. Das extravagante Bouquet, das er bestellt hatte, um es ihr nach Vertragsabschluss zu überreichen, stand in einer Vase im Schrank. Jetzt öffnete er die Schranktür und griff mit zitternder Hand nach den Blumen.
Er drehte sich zu Emily um und hielt ihr die Blumen entgegen. Seine Augen glänzten hoffnungsvoll, und um seinen Mund lag ein zärtlicher Zug.
„Es tut mir leid, Emily, diese wollte ich Ihnen schon früher geben.“ Sie sah so erschöpft aus, und Alessandro wusste, dass er der Grund dafür war. Was als eine Vertragsverhandlung begonnen hatte, hatte nun eine andere Wendung bekommen. Wenn Emily Weston seinen Antrag annähme, wäre er der glücklichste Mann in ganz Ferara … Nein, auf der ganzen Welt.
„Wofür?“ Emily roch an den farbenprächtigen Blüten. „So hübsche Blumen habe ich noch nie gesehen“, gestand sie.
„Dafür, dass Sie meine Frau werden“, antwortete Alessandro leise.
Geraume Zeit hielten beide die Luft an, dann flüsterte Emily: „Sind Sie verrückt geworden?“
Alessandro lächelte schwach. Natürlich war ihre Reaktion nur zu verständlich, aber Alessandro wusste, dass keine Frau ausschlagen würde, Fürstin von Ferara zu werden.
„Nicht dass ich wüsste“, entgegnete er kühl.
„Das glaube ich aber sehr wohl.“
„Ich sagte, dass ich Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten habe.“
„Ja, aber einen Aufnahmevertrag für meine Schwester.“ Sie legte das Bouquet zur Seite, wie um zu zeigen, dass sie den Antrag nicht anzunehmen gedachte.
„Ich habe keinerlei Verbindung zu einem Aufnahmestudio namens Prince Records.“
„Wie bitte?“
„Sie haben aus irgendeinem Grund darauf geschlossen, ich sei Mitarbeiter eines Aufnahmestudios. Ich habe Sie in diesem Glauben gelassen, solange es mir dienlich war …“
„Verstehe.“ Emily fiel das Atmen schwer. „Und jetzt?“
„Jetzt kann ich offen sein.“ Alessandro räusperte sich. „Denn ich habe etwas, das Sie wollen, und Sie haben etwas, das ich will. Ich würde gerne darum verhandeln.“
Emily hatte das Gefühl, als flösse Eiswasser durch ihre Adern. Sie war achtundzwanzig und ledig, aber wenn ihr Traummann des Weges käme, würde sie mehr verlangen als einen Vertrag. Sie wollte Liebe, Leidenschaft und eine lebenslange Beziehung, keinen rationalen Vertrag. „Wer zum Teufel sind Sie?“
„Kronprinz Alessandro Bussoni di Ferara“, stellte er sich vor. „Ich weiß, das ist eine Überraschung für Sie, Emily.“
Emily schnappte nach Luft und schleuderte ihm den Strauß in den Schoß. „Nehmen Sie Ihre verdammten Blumen zurück. Meine Schwester mag sich in einer ausweglosen Situation befinden, aber seien Sie versichert, Alessandro, ich nicht!“
„Ihre Schwester hat sich selbst in diese Situation gebracht …“
„Wagen Sie es nicht, über meine Schwester zu urteilen!“ Emily warf ihm einen wütenden Blick zu und sprang auf. „Sie haben nicht die geringste Ahnung, wie hart sie arbeitet.“
Alessandro fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog, und das hatte nichts damit zu tun, dass ihn nie zuvor in seinem Leben jemand so angefahren hatte.
Allein Emilys Anblick, ihre sprühenden Augen, ihr wildes Haar und ihr leidenschaftlich gerötetes Gesicht, die Intelligenz, die aus ihrem Blick sprach und ihre Resolutheit steigerten sein Begehren ins Unermessliche. Viel lieber wollte er ihr Vergnügen bereiten als mit ihr über ihre Schwester zu diskutieren.
War es möglich, dass er sich verliebte? Oder war er bereits in Emily verliebt? Alessandro schalt sich einen Heuchler. Wie konnte er solch ein ruhiges, kühles Gesicht zur Schau tragen, wo er Emily doch am liebsten in seine Arme gezogen hätte?
„Verzeihen Sie. Ich rufe Ihnen meinen Wagen und lasse Sie nach Hause bringen. Sie sind außer sich. Wir können morgen weitersprechen, wenn Sie sich beruhigt haben …“
„Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit!“, fuhr Emily ihn an.
„Erlauben Sie, dass ich die Blumen Ihrer Mutter schicken lasse.“
„Tun Sie damit, was Sie wollen!“
Auf der Rückfahrt beruhigte Emily sich ein wenig. Sie musste sich eingestehen, dass Miranda ohne finanzielle Unterstützung niemals ihr volles Potenzial entwickeln könnte. Die Violinenstunden bei dem japanischen Professor waren teuer, aber vielleicht noch finanzierbar, der Kauf einer qualitativ wertvollen Violine jedoch wäre dann ausgeschlossen. Zornig schüttelte Emily den Kopf. Sie dachte über Alessandros Vorschlag nach. Wenn der Vertrag ordentlich aufgesetzt würde, wäre es vielleicht möglich … Immerhin ging es um Mirandas Zukunft.
Nun war Alessandro am Zuge. Wenn es ihm ernst war, würde er sich durch eine Abfuhr nicht abhalten lassen. Er würde bald wieder vor ihr stehen … aber wie bald? Widerwillig bemerkte sie den freudigen Schauer, der ihr bei dem Gedanken den Rücken hinauflief.
Emilys Familie saß auf der Couchgarnitur zusammen. Ihre Gesichter waren ernst und ungläubig.
„Und dann nehmen wir Alessandros Privatjet und fliegen zur Hochzeit nach Ferara“, endete Emily ruhig.
Ihre Mutter erholte sich als Erste. Ihr Gesicht wirkte ernst, spiegelte aber auch eine gewisse nervöse Aufregung wider. „Bist du dir ganz sicher?“
„Ganz sicher, Mutter.“
„Nein“, rief Miranda entschieden. „Das kann ich unmöglich annehmen.“
Aber als Miranda die wertvolle Violine in ihren Armen hielt, weckte dieses Bild in Emily die Vorstellung, das Instrument sei gerade bei seiner wirklichen Besitzerin angekommen. Diese Violine war für Miranda bestimmt.
„Glaub mir, es ist in Ordnung.“ Emily wandte sich an ihren Vater. „Dad? Hast du nichts dazu zu sagen?“
Ihr Vater seufzte und rieb sich die Stirn. „In Liebesdingen habe ich mich nie ausgekannt. Ich wusste einfach nur, dass eure Mutter die Richtige für mich war, also bat ich sie, mich zu heiraten. Sie nahm meinen Antrag an, und das war’s.“
„Willst du damit sagen, dass du einverstanden bist?“, entfuhr es Miranda. „Nur weil es bei Mum und dir geklappt hat, heißt es nicht, dass Emily in dieser Ehe glücklich wird. Sie kennt diesen Mann noch nicht einmal …“
„Ich kannte euren Vater auch erst sehr kurz, und Alessandro ist immerhin ein Prinz.“ Emilys Mutter lächelte.
Als Miranda die Augen gen Himmel hob und stöhnte, entschuldigte sich ihr Vater.
„Ich habe noch zu tun.“
„Arbeit? Weiß Dad denn nicht, dass das hier wichtiger ist?“ Miranda wurde immer zorniger.
„Alessandro hat mir einen legalen Vertrag vorgelegt“, sagte Emily ruhig. „Ich habe ihn sorgfältig geprüft und außerdem noch einem Kollegen vorgelegt.“
„Und du bist sicher, dass Alessandro für die gesamten Studiengebühren aufkommen wird?“
Miranda funkelte ihre Mutter an. „Mutter, also wirklich!“
Emily legte ihrer Schwester beruhigend eine Hand auf den Arm. „Die Studiengebühren und die Violine.“
„Und die einzige Möglichkeit, dass Alessandros Vater abdanken kann, ist, dass sein Sohn heiratet?“
„Genau. Ihr seht, wir sind aufeinander angewiesen.“
All ihren Beteuerungen zum Trotz wusste selbst Emily, dass sie verrückt sein musste. Alessandro hatte ihr einen mehr als großzügigen Vertrag vorgelegt. Beinahe wünschte Emily, es wäre mehr als nur ein kalter Vertrag.
„Aber du musst einen Fremden heiraten“, hielt Miranda dagegen.
„Diese Ehe dauert genau so lang, bis Alessandros Vater zurückgetreten ist und du, Miranda, deine Studien bei Professor Iwamoto abgeschlossen hast. Danach wird sie geschieden, aus, vorbei. Ihr braucht also keine Luftschlösser zu bauen …“
„Schlösser“, seufzte ihre Mutter und klatschte in die Hände. „Wer hätte das gedacht?“
„Es muss funktionieren“, beharrte Emily, als sie später allein mit Miranda im Schlafzimmer war. „Ich habe nichts zu verlieren …“
„Du hast alles zu verlieren!“, widersprach Miranda heftig. „Du könntest dich in Alessandro verlieben, und was dann?“
„Ich bin achtundzwanzig und überzeugter Single.“
„Nur, weil du ein Workaholic bist und dir bisher noch niemand wie Alessandro über den Weg gelaufen ist. Was tust du also, wenn du dich in ihn verliebst? Er sieht immerhin umwerfend aus …“
„Das macht es mir nur leichter, die Sache auf einer geschäftlichen Ebene zu halten. Er ist verwöhnt, egoistisch, gedankenlos und selbstverliebt. Genau der Typ Mann, dem ich mit Leichtigkeit widerstehe.“
„Und was ist, wenn du schwanger wirst?“
„Keine Chance.“
„Jetzt machst du aber Scherze. Du wirst ihm nie widerstehen können. Und er sieht nicht gerade impotent aus.“
„Wie soll ich schwanger werden, wenn wir keinen Sex haben?“
„Was?“ Miranda starrte ihre Schwester an.
„Das haben wir vertraglich festgehalten“, erklärte Emily und gratulierte sich insgeheim für ihre Weitsicht. „Vorsicht ist besser als Nachsicht. Außerdem erspart es uns einige Peinlichkeiten.“
„Außerdem erspart es uns einige Peinlichkeiten“, äffte Miranda sie nach. „Denk doch mal nach! Du wirst nie wissen, was du da verpasst!“
„Ganz genau. Und danach kehre ich unbeirrt in den Alltag zurück. Zerstreuung brauche ich nicht.“
„Alessandro ist keine Zerstreuung. Er ist Leidenschaft“, widersprach Miranda träumerisch.
„Mag sein“, gab Emily zu. „Aber er wird diesen Vertag ebenso eilig aufheben wollen wie ich. Interpretiere nicht zu viel in diese Geschichte hinein, Miranda. Das ist eine Geschäftsvereinbarung, die beiden Seiten Vorteile bringt, mehr nicht. Es ist keine echte Heirat.“
„Dann tut es mir für dich leid“, sagte Miranda leise. „Und für Alessandro auch. Ich fühle mich so schuldig …“
„Nicht.“ Emily griff ihre Schwester am Arm. „Du musst mich jetzt unterstützen, Miranda. Es gibt kein Zurück mehr. Ich habe bei Gericht bereits eine Auszeit eingereicht. Stell dir vor, wenn ich Alessandros Abfindung zur Scheidung erhalte, kann ich meine Hypotheken begleichen. So hilfst du mir sozusagen auch, meine Wünsche zu erfüllen.“
„Mit gehangen, mit gefangen“, seufzte Miranda resigniert.
„Wie immer“, gab Emily zu.
„Wie immer.“ Miranda versuchte, heiter zu klingen, doch sie durchschaute Emily und wusste, dass sich hinter ihrem resoluten Gesichtsausdruck etwas ganz anderes verbarg.
Es war einer jener warmen Sommertage, die man in England selten erlebt. Der wolkenlose Himmel war von einem strahlenden Indigoblau, und es war angenehm, auf dem Balkon des Hotels zu sitzen. Wie vollkommen das Wetter mit meiner Stimmung harmoniert, dachte Emily verträumt, als Alessandro mit zwei Champagnerflöten zu ihr zurückkehrte. Der Vertrag war unterschrieben, nun war es Zeit zum Feiern.
Als sie das Glas nahm, bekam sie eine leichte Gänsehaut. Mit einem Mann wie Alessandro verheiratet zu sein, musste himmlisch sein … Wenn auch nur ein Hauch Romantik im Spiel gewesen wäre …
„Auf uns“, murmelte Alessandro.
„Auf unseren Erfolg“, fügte Emily hinzu.
Alessandro lächelte. „Wahrscheinlich wissen Sie noch nicht, dass Sie als meine Frau zur ‚Principessa’ werden.“
„Das ist nicht wichtig …“
„Nicht wichtig?“
Emily sah, dass sie Alessandro gekränkt hatte. „Es tut mir leid, ich …“
Er wandte ihr den Rücken zu und sah auf die Skyline der Stadt, hinter der langsam die Sonne unterging. „Wenn wir verheiratet sind, gehört dieser Titel Ihnen, ob Sie ihn zu tragen gedenken oder nicht.“
„Aber ich kann doch keinen Adelstitel tragen, ohne wirklich etwas dafür getan zu haben …“, protestierte Emily.
„Seien Sie sich da mal nicht so sicher“, konterte Alessandro. „Bevor Sie sich in Ihrer Rolle als Fürstin zurechtfinden, werden Sie viele Hindernisse überwinden müssen.“
„Bitte machen Sie sich um mich keine Sorgen, Alessandro. Ich werde das schon schaffen.“
Emily war überzeugt, dass sie recht behalten würde, aber sie hatte nicht geahnt, mit welcher Geschwindigkeit Alessandro seine Pläne in die Tat umsetzen würde. Bereits nach einer Woche waren alle Vorkehrungen für die Hochzeit getroffen. Emily würde mit ihrer Familie nach Ferara reisen, während ihr Zukünftiger noch ein paar geschäftliche Termine in London wahrzunehmen hatte.
Als der Abreisetag näher rückte, wurde Emily immer nervöser. Schneiderinnen kamen, nahmen ihre Maße und sprachen schwärmerisch von Seide und Spitze, von Stickereien und Perlen. Riesige Koffer mit Kleidern, unzählige Kisten voller Schuhe wurden geliefert, ohne dass sie diese bestellt hätte. Erst jetzt wurde ihr tatsächlich bewusst, was sie tat. Sie erkannte, wie wenig sie selbst mitzubestimmen hatte.
Unsicher wählte Emily die Nummer von Alessandros Büro.
„Ich weiß, es ist ein wenig viel“, gab Alessandro zu und half ihr mit seiner unkomplizierten Art über ihre plötzliche Schüchternheit hinweg. „Wir hatten nicht viel Zeit miteinander, Emily, und ich möchte, dass Sie sich wohlfühlen …“
„Wohlfühlen? Mit Kleidersäcken, die Aufschriften wie ‚Frühstück‘, ‚Mittagessen‘, ‚Abendessen‘ tragen?“
„Gefallen Ihnen die Kleider nicht?“ Alessandro klang besorgt.
„Ich will nicht undankbar erscheinen …“
„Wollen wir uns treffen und darüber sprechen?“, schlug er vor.
Sie stimmte zu und ärgerte sich sogleich, dass sie nicht anstandshalber eine Sekunde gezögert hatte.
Alessandro führte sie zum Mittagessen in eines von Londons exklusivsten Restaurants aus. Hier konnten selbst ein Prinz und seine schöne Begleiterin in einer verborgenen Nische sitzen, ohne ständig neugierigen Blicken ausgesetzt zu sein.
Emily legte ihre Serviette nieder, nachdem sie das köstlichste Dessert aus saftig prallen Erdbeeren in sündig süßer Sahne aufgegessen hatte. Sie fragte sich, wie sie Alessandros überwältigende Geschenke zurückweisen konnte, ohne ihn zu kränken.
„Macht Ihnen etwas Kummer?“, fragte er und hieß den Kellner, die Rechnung zu bringen. „Sie denken doch nicht etwa an die Kleider?“
„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, gab Emily zu. „Es sind so viele, dass ich sie nicht einmal in einem Jahr sichten könnte.“
„Na, dann suchen Sie sich doch ein paar heraus, die Ihnen gefallen, und wir lassen den Rest nach Ferara schicken. Dann können Sie sie dort ansehen, wann immer Sie Lust dazu haben.“
„Das ist lieb von Ihnen …“ Emilys Herz klopfte, als sie spürte, dass Alessandros warmer Blick auf ihr ruhte.
„Ich möchte, dass Sie glücklich sind“, murmelte er.
Als er die Rechnung unterschrieben hatte, nahm er sein Jackett. „Wir könnten noch ein wenig durch den Park gehen, wenn Sie möchten.“
Die Bodyguards folgten ihnen in gewissem Abstand. „Möchten Sie noch auf eine Tasse Kaffee in mein Apartment kommen?“, fragte Emily unsicher.
Alessandro zögerte. „Lieber nicht.“ Er lächelte sie an.
„War nur so eine Idee …“
Alessandro hätte sich ohrfeigen können. Emilys Einladung war eine Versuchung, und er wusste nur zu genau, worauf ein Besuch hinausgelaufen wäre. Aber er wollte kein flüchtiges Abenteuer. Seine Gefühle für Emily Weston waren so stark, dass sein Bedürfnis, sie zu beschützen, überwog. Er wollte für sie sorgen, sie hofieren und sie schließlich zu seiner Frau machen. Dass Letzteres wahrscheinlich nicht an ihrem Hochzeitstag geschehen würde, war ihm bewusst.
Sie setzten sich auf eine Bank. „Den hier sollten Sie haben.“
„Was ist das?“, fragte Emily neugierig, während Alessandro ein kleines Kästchen aus seiner Brusttasche zog und ihr dann einen atemberaubend schönen Ring reichte.
„Es würde in Ferara für Aufregung sorgen, wenn Sie ihn nicht tragen würden.“
Natürlich gehörte zu einer Heirat ein Ring, Emily hätte es sich denken können. Aber sollte ein Verlobungsring nicht ein Geschenk aus Liebe sein?
„Gefällt er Ihnen nicht?“, fragte er zögernd.
Anscheinend bedeutete er ihm sehr viel, erkannte Emily. Der Ring war offensichtlich sehr alt und sicherlich ein Erbstück seiner Familie.
„Sie brauchen ihn nur in der Öffentlichkeit zu tragen …“
„Ich liebe ihn“, sagte Emily bestimmt. „Nur, all diese Kleider, und nun das hier …“ Als sie stockte, nahm Alessandro ihre Hand und sah sie zärtlich an. Sie spürte, dass ihm eine Last von den Schultern fiel.
„Danke“, sagte er leise. „Ich hatte gehofft, dass er Ihnen gefällt. Dieser Ring wird seit Generationen in meiner Familie getragen.“
„Erzählen Sie mir mehr davon“, bat Emily. Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie nicht die Einzige war, die sich unsicher fühlte.
„Ich weiß, er ist etwas ungewöhnlich“, setzte Alessandro an. „Und vielleicht haben Sie einen ganz anderen Ring erwartet. Aber er hat eine besondere Bedeutung …“
Emily schob das kostbare Geschenk auf ihren Finger und betrachtete es atemlos. Der edle Silberreif passte wie angegossen. Eine Kette filigraner Rubine und Perlen umschloss den Ring, das Zentrum des Schmuckstücks war ein herzförmiger Rubin. „Erzählen Sie mir mehr davon …“, ermutigte Emily ihn erneut.
„Es war einmal ein Prinz von Ferara, der hieß Rodrigo“, begann Alessandro. „Er verliebte sich in ein wunderschönes Mädchen namens Caterina, und Rodrigo ließ diesen Ring für Caterina anfertigen …“
Alessandros Stimme umschmeichelte sie, und Emily musste sich in Erinnerung rufen, dass er ihr lediglich eine Geschichte erzählte.