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Julain "Apostata" gilt als Abtrünniger vom christlichen Glauben. Er war der letzte römische Kaiser, der heidnische Kulte förderte und war deshalb bevorzugtes Hassobjekt der entstehenden Kirche. Sein Tod nach nur 19 Monaten Regierungszeit gilt als nicht geklärt, sehr wahrscheinlich war er aber Opfer eines Mordanschlags eigener christlicher Truppen auf seinem Persien-Feldzug. Julian war hochgebildet, er war ein Kaiser ohne Alluren, der mit den Soldaten zusammen lebte, auf jeden Luxus und jede Ausschweifung verzichtete und Kontakt zu den bedeutendsten Philosophen seiner Zeit hatte. Er war pflichtbewusst und prinzipienfest. - Nach der Darstellung von Julians Leben widmet sich der Autor dem Pflichtbegriff und führt ihn insbesondere in Anlehnung an Kant aus. Eine Darstellung von Muße, Müßiggang und Langeweile als Kontrapunkt beendet diese Studie.
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Seitenzahl: 81
Für die Klügste
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Das Lieblingsgedicht der Deutschen sei nach einer Radioumfrage mit über 3.000 Beteiligungen „Stufen“ von Hermann Hesse. Dieses Gedicht schrieb Hesse 1941, nach langer Krankheit genesen. Und zwei Jahre später nutzte Hesse diese Zeilen ganz bewusst noch einmal in seinem esoterisch inspirierten Roman „Das Glasperlenspiel“ – hier jedoch zu einem Ende, als Joseph Knecht von seinem Amt als magister ludi zurücktritt. Damit fängt er allerdings auch etwas Neues an, ein Wandel also: Das Ende von einem ist der Anfang etwas anderem.
Zu Umbrüchen bricht sich dieser Zauber dann immer gewaltig Bahn, nicht nur in der zwischenmenschlichen Beziehung: Wenn ich in dein Gesicht schaue und es als das erkenne, was ich immer gesucht habe. Oder wenn eine Mutter nach schweren Stunden ihr Neugeborenes anlächelt. Immer ist da dieser Zauber, der uns beschützt. Aber auch bei politischen Umbrüchen gewinnt ein Anfang an Zauberhaftem – wer wäre denn nicht hoffnungsvoll und verzaubert gewesen, als sich die Grenzen öffneten, Ost und West in eine neue, friedliche Zukunft zu steuern schienen und die Scorpions die Hymne dazu anstimmten: Winds of change? Auch hier war der Zauber direkt erfahrbar. In solchen Zeiten ist die Lust, sich mit Theorien und Gedanken zu beschäftigen, nach Neuem zu suchen, erfahrungsgemäß immens (s. Felsch). Der Sieg der Athener gegen die Perser in der Seeschlacht von Salamis, die Euphorie in Venedig nach dem Sieg gegen die osmanischen Truppen in der Seeschlacht von Lepanto (trotz eigener hoher Verluste von 4.800 Soldaten), Französische Revolution, Boston Tea Party, die 1848er Unruhen, die Rätebildungen nach dem 1. Weltkrieg – alle Ereignisse legen Zeugnis davon ab, dass ein Anfang einen unvergleichlichen Zauber bietet.
Im religiösen Bereich gibt es solche Umbrüche oft, die Geschichte der Religiosität ist voll davon, neue Messiasse erscheinen, andere Ideen setzen sich durch, werden z.T. erbittert diskutiert. Auch hier ein verheißungsvoller Zauber in Erwartung des Neuen.
Kaiser Diokletian (etwa 240 bis 312, Kaiser von 284 bis 305, s. Carlà-Uhink) hatte die Krise des Römischen Reiches, die durch immerwährende Kämpfe verschiedener Kaiser, Gegenkaiser und Usurpatoren entstanden war, beherzt mit ausführlichen Reformen im Bereich des Heereswesens (die Mannschaftsstärke der Legionen wurde auf 2.000 Mann herabgesetzt, dafür gab es eine Aufstockung von 33 auf 70 Legionen), der Wirtschaft bis zur Münzgewähr und Hochpreisedikten, Schaffung neuer Rechtsstrukturen durch Einführung von verbindlichen Gesetzesbüchern (der spätere Kaiser Justinian baute darauf auf und ließ den lange gültigen Codex Iustinianum auf Grundlage dieser Texte verfassen) und durch eine ausführliche Verwaltungsreform (Verkleinerung der Provinzen und dadurch Vergrößerung der Anzahl, Bildung von Substrukturen der Diözesen) beendet. Er gründete das System der Tetrarchen, der vier Herrscher. Zwei Augusti, die die Oberherrscher des Westens und des Ostens waren und nach zwanzig Jahren zurücktreten sollten, wurden zwei Caesares als deren Vertreter zur Seite gestellt, die später nach idealerweise zehn Jahren als Augusti nachrücken sollten. Damit sollte das dynastische Prinzip bewusst gebrochen und eine stabile Regierung ermöglicht werden (Eine nach dem zynisch als 4. Kreuzzug umgedichtete Plünderung Konstantinopels dort gestohlene und in Venedig an der Ecke des Markus-Doms aufgestellte Skulpturen-Gruppe von vier Herrschern heißt „Die Tetrarchen“). Einer dieser Caesares war Constantius Chlorus, der Vater des nachmaligen Kaisers Konstantin, der als Vertreter für das Westreich zuständig war. Durch diese Maßnahme sollte das ewige Bekriegen der verschiedenen Soldatenkaiser beendet werden. Zu bedenken: Die Lebenserwartung eines römischen Kaisers im 3. Jahrhundert bis Diokletian betrug nach der Thronerringung gerade einmal gut zwei Jahre.
Zugleich leitete Diokletian mit der Verkündung eines „Verfolgungsedikts“ die letzte, dabei auch am längsten anhaltende Christenverfolgung ein. Was in der christlichen Literatur immer gerne übersehen wird, um ein Alleinstellungsmerkmal zu erhaschen: In den insgesamt vier Verfolgungsedikten wurden alle Religionen erwähnt, die einen Ausschließlichkeitsanspruch erhoben, die also de facto eine Trennung zwischen Staat und Religion befürworteten. Die Anhänger des persischen Religionsstifters Mani, die Manichäer, leisteten ganz genauso ihren heftigen Blutzoll, für sie wurde gar extra einige Jahre zuvor ein „Manichäeredikt“ ersonnen.
Um 311, Diokletian war 305 als erster und einziger Kaiser Roms von seinem Amt zurückgetreten, hatte allerdings seinen Mitaugustus Miximian gegen dessen Willen genötigt, nach dem Tetrarchenprinzip ebenfalls zurückzutreten, flauten die Verfolgungen ab. Es kam zu einem Toleranzedikt, das 313 in der „Mailänder Vereinbarung“ mündete, in der das Christentum als Religion anerkannt wurde. Die Mailänder Vereinbarung war eigentlich nur eine Privatabmachung zwischen den beiden Augusti Konstantin und Licinius, in der auch den Religionen Toleranz gewährt wurde. Ein „Toleranzedikt“ ist diese Vereinbarung aber nicht.
Inzwischen war Konstantin I 306 als Nachfolger seines Vaters Constantius Chlorus erst Kaiser des Westreiches, dann nach fast 20 Jahren blutigen Auseinandersetzungen um den Thron ab 324 Kaiser des gesamten Römischen Reiches geworden. In einer letzten Schlacht besiegte er Licinius und gab ihm das Versprechen, sein Leben zu schonen, richtete ihn und dessen Sohn aber dennoch 325 hin, Eid hin oder her. Der sich mittlerweile christlich gerierende Kaiser hatte nicht nur diesen Eid gebrochen, sondern ließ auch noch 326 seinen ältesten Sohn Crispus aus seiner ersten Beziehung und seine aktuelle eigene Ehefrau Faustina aus bis heute ungeklärten Gründen ermorden. Ein den beiden nachgesagtes Verhältnis hätte zu damaligen Zeiten nicht bekannte Logistiken vorausgesetzt: Crispus lebte in York, Faustina in Konstantinopel. Diese Morde wurden unter den christlichen Hagiografen geschlichtsklitternd verschwiegen (z.B. von Eusebios, der den Namen Crispus in seiner Geschichte Konstantins überhaupt nicht erwähnt), die Vertuschung gelang aber nicht vollständig.
Konstantins Religionspolitik bleibt bis heute umstritten. Ob er jemals gläubiger Christ war, ist nirgends dokumentiert, auch wenn er sich angeblich u.a. auf seinem Totenbett noch taufen ließ (praktischer Nutzen: Seine Sünden wie seine vielen Morde waren damit vergeben). Allem Anschein nach scheint er Religiosität als Machtmittel gesehen zu haben. Eine moralische oder ethisch inspirierte Grundhaltung ist ihm nicht nachzuweisen. Auch den Vorsitz beim Konzil von Nicäa 325 nutzte Konstantin zur politischen Sicherung seiner Macht. Gegen christliche Häretiker war er immer schon rigoros vorgegangen, was sich beim Donatisten-Streit in Nordafrika zeigte. Aus den Verfolgten wurden mit Konstantin innerhalb von nur zwölf Jahren nach dem Ende der letzten Christenhatz schnell Verfolger.
In Nicäa ging es um eine Grundentscheidung des christlichen Glaubens, dem sogenannten Arianismus. Grundsätzlich ging es bei diesem Streit um die Natur Christi. Arianus, Gemeindevorsteher (Presbyter) in Alexandria, hatte behauptet, es habe eine Zeit vor Jesus, mithin also eine ohne ihn gegeben, er könne deshalb nicht wesensgleich sein mit Gott, den es immer gegeben habe. Die Gegenposition, maßgeblich vom nicht stimmberechtigten Diakon Athanasius als Vertreter des Bischofs Alexander vorgetragen, behauptete die Wesensgleichheit zwischen Gott und Jesus. Im Kern ging es also um einen strengen Monotheismus (Arianer) und der Trinitätslehre. Für Außenstehende mag sich das Ganze recht eigentümlich dargestellt haben. Letztlich ging es um „den Kampf um das Jota“: Wesensgleich, homoousios (griech. vertreten durch Alexander von Alexandria, kontra wesensähnlich, homoiousios (griech. Und wenn man dann noch bedenkt, dass im Altgriechischen das Binnen-Jota hinter einem Omikron oder Omega als kleines Häkchen unter diese Buchstaben gesetzt wurde, war von außen kaum der Unterschied mehr zu erkennen. Und dennoch brannten wegen dieses Jotas Städte nieder, nicht zählbare Menschen wurden getötet und Besitztümer vernichtet. Konstantin, offensichtlich an theologischen Feinheiten inhaltlich nicht besonders interessiert, dekretierte das „Nicäanische Glaubensbekenntnis“, das die Arianer de facto aus dem christlichen Glauben und der christlichen Gemeinschaft entließ (vergl. Staats). Die Lebensgeschichte des Athanasius, später einer der vier Kirchenväter der orthodoxen Kirche, lässt viel von der Unerbittlichkeit erkennen, mit der diese Glaubenskämpfe ausgefochten wurden (Clauss 2016).