Giordano Bruno - Christoph Lanzendörfer - E-Book

Giordano Bruno E-Book

Christoph Lanzendörfer

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Beschreibung

Giordano Bruno wurde am 17.2.1600 auf dem Campo dei fiori in Rom als Ketzer verbrannt. Er hatte sich mit der Macht angelegt, die durch die Inquisition sich als das Böse schlechthin darstellte: Der Kirche. Neben einer Biografie, die alle wesentlichen Stationen Brunos ausleuchtet, und einer Darstellung seiner Schriften gehört zu diesem Essay auch eine Überlegung: Was ist das Böse? Wer repräsentiert es?

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Der Rauch der Feuer und der Geruch des verbrannten Menschenfleisches über dem Campo dei fiori in Rom sind längst verflogen. Und doch bietet dieser Platz, obwohl er schon immer ein Marktplatz für schöne Blumen (und Gemüse) war, trotz aller aktuellen lärmender Wuseligkeit schreiender Marktbeschicker oder knatternder Vespas auch heute noch ein gruseliges Gefühl, wenn wir zu Füßen des Denkmals von Giordano Bruno stehen, der genau an diesem Platz am 17. Februar 1600 verbrannt wurde – oder das, was von ihm nach knapp acht Jahren Kerkerhaft und Folter in den Verliesen des Vatikans noch übrig geblieben war.

Abb. 1. Auch heute noch ist Blumen-, Obst- und Gemüsemarkt auf dem Campo dei fiori. Giordano Bruno schaut zu. Ob er sich über so viele Menschen freuen würde…?

Er war nicht der einzige, der dort verbrannt wurde, am lebendigen Leib, wie es sich als Strafe für als Ketzer denunzierte Andersdenkende geziemte. Meist wurde diese ungeheuerliche Grausamkeit in einem Autodafé durchgeführt: im öffentlichen Schauspiel des „Glaubensaktes“, einem actus fidei (span. und portug.: auto da fé). Zu Ehren des Allerhöchsten loderten dann die Feuer, wobei das Zischen der Flammen und das Knacken des glühenden Holzes mit dem Brüllen der Verzweifelten um die Wette schrien. Mitleid zu zeigen war den Inquisitoren verboten, denn Mitleid war eine List des Teufels.

Ein Glaubensakt war es nach Ansicht der Kirche ganz offensichtlich, Gottes Ebenbilder1 unter mörderischen Qualen zu liquidieren - mitleidlos.

Alleine diese Strafandrohung war so vernichtend, dass viele wie Galileo Galilei lieber entgegen eigener Überzeugung einem Satz abschworen, sei es auch um den Preis lebenslanger Kerkerhaft (die bei Galilei dann abgemildert wurde in lebenslangen Hausarrest), als sich dieser Marter zu unterwerfen. Giordano Bruno widerrief nicht. Wahrscheinlich hätte es seine „Strafe“ auch nicht wesentlich entschärft, zum Tode wäre er auf jeden Fall verurteilt worden, gnadenweise wäre er vielleicht vor dem Verbranntwerden erdrosselt worden. Als am 8. Februar 1600 seine Verurteilung ausgesprochen wurde, habe er angeblich seinen Richtern gesagt: Maiori forsan cum timore sententiam in me fertis quam ego accipiam (Ihr verkündet vielleicht mit größerer Furcht das Urteil gegen mich, als ich es entgegennehme). Die Aussage ist nicht sicher belegt (genau so wenig wie auch Galileis Eppur si muove zum Ende seines Prozesses: Und sie bewegt sich doch!), würde aber zu Giordano Bruno passen: Unbeugsam, zynisch und von seiner Sache überzeugt bis zum bitteren Ende.

***

Jedes Denken steht in einer Tradition. Aus ihr entwickeln sich, teilweise vielleicht nur schwer erkennbar, neue Gedanken. Es lassen sich Brüche oder etwas milder formuliert: Neuansätze finden, in denen bisheriges Denken aufgeht. Kuhn (1973) hat das „wissenschaftliche Revolutionen“ genannt. Umwälzungen beginnen auch mit Freude und Spaß an neuen Gedanken. „Es ist eine Lust zu leben“, rief Ulrich von Hutten (1488-1523) aus und beschrieb damit die vielen neuen Ideen und deren Auseinandersetzungen, mit den sich der Humanist befasste.

Um Giordano Bruno zu verstehen, müssen wir uns auch etwas mit seinen geistigen Vorgängern beschäftigen.

Philosophie und Theologie waren in der beginnenden Neuzeit eins. Die Philosophie wurde als ancilla theologiae, als Magd der Theologie, bewertet und sollte keine andere Funktion haben, als die Dogmen der Kirche argumentativ zu unterstützen. Im 14. und 15. Jahrhundert begann sich der Humanismus zu regen, Florenz gar war bereits eine Hochburg, aber ansonsten lag Europa unter dem Mantel der von Franziskanern und Dominikanern geführten, am Ende alles erstickenden Scholastik. Im scholastischen Denken ging es vornehmlich um geistige Auseinandersetzung. Die Natur und ihre Abläufe spielten keine Rolle. Im Gegenteil: Wer sich außerhalb von Astrologie mit den Sternen beschäftigte, sah sich oft den Vorwürfen von Okkultismus und im schlimmsten Fall Ketzerei ausgesetzt. Es galt noch der Glaube an die wörtliche Wahrheit der Bibel. Neue Ideen entsprangen deshalb oft der Peripherie des katholischen Einflusses, sehr häufig bildeten sich dann dort Epizentren geistigen Schaffens. So gab es beispielsweise mit Duns Scotus oder William von Ockham schottisch-englische Gelehrte, die eigene Schulen gründeten und wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung hin zu einer die Natur wissenschaftlich begreifbar zu erfassenden Erkenntnis mitgestalteten, jedenfalls mehr und inhaltlich verstehbarer als nur in Glaubensdogmen beschrieben. Die Scholastik hatte sich gewandelt von einer offenen Disziplin zu einer alles andere ausschließenden Dogmengläubigkeit. Eigentlich war die Scholastik ursprünglich Freizeitbeschäftigung (das lateinische Wort schola, dem deutschen Schule entsprechend, stammt ab vom griech, Muße, Müßiggang), wurde dann aber zu einem philosophischen Instrument der Beweisführung, indem eine Behauptung, These, auf ihre Plausibilität hin untersucht wird. Diese Methode lehnte sich an Aristoteles an, der eine Klärung strittiger Ansichten durch theoretische Abklärung forderte. In der Hochblüte der Scholastik hatte sich allerdings ein starres Gebäude entwickelt, indem es nur noch darum ging, theologische Dogmen zu bekräftigen. Frank Rexroth (2018) schildert in seinem erfrischenden Buch „Fröhliche Scholastik“ andererseits auch die Wende aus diesem Erstickungstod, indem sich Lehrer und Studenten zu Gruppen zusammensetzen und frei diskutieren2.

Das lange durch Handschriften tradierte Wissen nahm mit Beginn der Renaissance zu und wurde mit der Erfindung des Buchdrucks weiteren Kreisen zur Verfügung gestellt. Der US-amerikanische Historiker Stephen Greenblatt (2013) bezeichnet deshalb Gianfresco Poccio Bracciolini (1380-1459) de facto als den Begründer der Renaissance. Poccio war Sekretär des florentinischen Politikers Coluccio Salutati (1313-1406) und gelangte dann als Schreiber in den Dienst von Baldassare Cossa (1370-1419), der als Papst Johannes XXIII einer der drei Päpste war, über die das Konzil von Konstanz zu entscheiden hatte (als das Konzil Cossa verurteilt und abgesetzt hatte, wurde sein Name aus der Papstliste gestrichen, so dass 650 Jahre später einer der besten Päpste überhaupt diesen Namen übernehmen konnte: Der venezianische Patriarch Giuseppe Roncalli, Papst Johannes XXIII von 1958 bis 1963). Poccio entdeckte 1417 in einem deutschen Kloster das Manuskript, das die Renaissance einleitete: De rerum natura von Lukrez. Und: seine gestochene Handschrift ermöglichte erst das Lesen von sonst als unleserlich geltenden Manuskripten. Entwickelt aus der karolingischen Minuskel wurde schließlich seine Handschrift Vorbild für bewegliche Lettern, in denen der Buchhandel fortan druckte. Heute noch verwenden wir eine daraus abgeleitete Schriftform auf unseren Computern: Alle Schriftformen, die auf roman basieren, stammen aus der Renaissance von Poccio (Greenblatt, 2013, S. 126 f).

Mit der Renaissance erwacht auch langsam das Gefühl für die Subjektivität des Menschen. Dies anfangs nicht im Gegensatz zur Religion, sondern sogar im Einklang mit ihr. Dafür steht Nikolaus Krebs aus dem Moseldorf Kues (latinisiert zu Nicolaus Cusanus, 1401-1464). „Dass Cusanus diese spekulative Forderung, die er stellt, in seiner eigenen Gedankenwelt erfüllt hat, und dass er sie im Kreise der Kirche erfüllen durfte: Das macht seine einzigartige Stellung in der Kirchengeschichte und in der allgemeinen Geistesgeschichte aus“ (Cassirer, S. 43). Er hatte in diese Starrheit erstmals etwas Neues gebracht: Er hatte die Natur, von der Scholastik völlig ausgeblendet, wieder in das Denken gebracht.

Beschäftigen wir uns kurz mit Brunos geistigem Vorgänger Nikolaus.

Schon in seiner allerersten Schrift (mittlerweile als Sermo I definiert) von 1430 beschäftigt er sich mit der Trinitätslehre und kommt zu neuen Ergebnissen. Zu diesem Zeitpunkt war er erst 29 Jahre alt. Seine Studien hatte er in Heidelberg und Padua absolviert. Dort wurde er auch 22-jährig promoviert. Er war noch kein geweihter Priester (das wurde er erst 1436), dennoch war der Sermo I die Weihnachtspredigt, die er in Trier hielt. Er predigte dort, die Trinität als necessario, als (Denk-)Notwendigkeit, bewiesen zu haben, denn sie komme im täglichen Leben als: Tätiges, Objekt und Tätigkeit vor. Eigentlich kommen ähnliche Gedanken schon beim mallorquinischen Denker Roman Lull (1232-1316) in Ansätzen vor. Lull hat Nikolaus stark beeinflusst, in der Tat befinden sich noch heute in Kues entscheidende Teile von Nikolaus Bibliothek, darunter sehr viele Schriften von Lull. Diese Linie lässt sich hier sehr gut verfolgen.

Nikolaus wird als Kämpfer der Gedankenfreiheit bezeichnet. Nun ja: Man findet in seinen Schriften auch Aussagen wie diese: Wer gegen den einheitlichen Glauben wirke, sei mit Feuer und Schwert auszurotten, error est igne et ferro exstirpandus (Der Irrtum ist mit Feuer und Schwert zu vernichten). Wirklich schreibt Nikolaus konstant von error, Irrtum, und nicht errans, irrend. „Es nutzt nicht viel“, schreibt Kurt Flasch (2008, S. 31), ihm „zugute zu halten, dass er hier vom Irrtum, nicht vom Irrenden spricht. Gegen den abstrakten Irrtum braucht man nicht Feuer und Schwert.“ Ähnlich rabiat äußert Nikolaus sich in seiner Schrift De usu communionis, die die Grundlage eines Gesprächs mit den Böhmen (gemeint sind die Anhänger von Johann Hus) darstellt. In drastischen Worten fordert er ihre Unterwerfung unter die Dogmen der Kirche. „Ich kann mich nicht entschließen, ein Schreiben dieser Tonart ein ‚Glaubensgespräch mit den Böhmen‘ zu nennen“, bemerkt auch hierzu Flasch sehr trocken (a.a.O., S. 73). Zur Vorgeschichte: Ein Vorgänger Luthers, eben Johann Hus, wurde unter dem kaiserlichen Ehrenwort und unter ausdrücklicher päpstlicher Bekräftigung von freiem Geleit zu einem Gespräch zum Konzil von Konstanz (1414-1418) eingeladen, aber sofort nach Ankunft verhaftet und 1415 auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt. „Hus, lehrte das Konzil, habe als Ketzer keine Rechte mehr besessen, und wer das bestreite, müsse selbst als Häretiker behandelt werden“ (Flasch, 2008, S. 212). Dass seine Anhänger danach eher zurückhaltend gegenüber Versprechen dieser christlichen, ja ihrem Glauben gemäß den Nächsten liebenden Machthaber reagierten, lässt sich unschwer nachvollziehen.

Wichtig sind die beiden philosophischen Grundideen, die Nikolaus ausführt. Beide haben eine große Wirkung auf die folgenden Denker.

Gott fasse, so summarisch, alles Gegensätzliche in sich zusammen, Nikolaus prägte das Wort von der conincidentia oppositorum, dem Zusammenlaufen der Gegensätze. Diese Koinzidenz betreffe nicht nur Göttlich-Vollkommenes, sondern auch Widersprüche. Eigentlich erinnert dieses Gedankenverfahren an die Hegelsche oder später Marxsche Dialektik. Im Gegensatz zu diesen Prinzipien enden seine Gegensätze nicht in einer neuen These, sondern laufen irgendwann in einen Punkt zusammen. Cusanus erklärt unter diesem Aspekt auch das Minimum zum Maximum, denn das Minimum sei das Maximum an Kleinheit. Die bekannteste Schrift Nikolaus (er nannte seine Schriften stets libelli: Büchlein) ist „De docta ignorantia“ (in Bd. 1 der