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In die rhetorische Schlacht ziehen "Pass' doch auf!", ruft erbost der Radfahrer dem Passanten zu. Dieser schreit zurück: "Pass' doch selber auf!" Der Radfahrer bremst, wendet und fährt bedrohlich auf den Fußgänger zu. Wie schnell bauen ein paar Wörter eine aggressive Stimmung auf. Ruckzuck entsteht ein heftiger verbaler Schlagabtausch zwischen den beiden Verkehrsteilnehmenden. Können sie sich nicht zügeln, kann es sein, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt. Schubsen, schlagen, prügeln. Ernsthafte Verletzungen können die Folge sein. Dieses Beispiel lässt sich auf allerlei Situationen übertragen. Sei es im gesellschaftlichen oder im beruflichen Umfeld, sowie bei unterschiedlichen Ansichten zweier Staaten auf dieser Welt. Wie die jüngste Vergangenheit zeigt, bleibt es dann nicht bei kleineren Rangeleien - der Konflikt artet, läuft alles schief, in eine kriegerische Handlung aus. Hier bleibt es nicht bei vergleichbar harmlosen Verletzungen - der Konflikt eskaliert in bösartige körperlich wie geistig irreparable Schäden, tja tatsächlich wird das Töten und damit sogar das Sterben einkalkuliert. Wird der gewählte Wortschatz - schon im Vorfeld eines Treffens - analysiert, offenbaren sich nicht nur bestimmte Gedanken des Sprechenden, sondern auch seine Strategie. "Denen werden wir es erbarmungslos zeigen!" "Das werden wir bis zum bitteren Ende ausfechten!" "Die werden wir mit eigenen Waffen schlagen." Verstecken sich in der geäußerten Wortwahl nicht mehrere Wörter, die aus feindlichen, ja kriegerischen Auseinandersetzungen stammen könnten? Wird der Gesprächspartner oder die Abordnung der 'anderen Partei' als Gegner gesehen, den es zu besiegen gilt? Herrscht der (überholte) Gedanke vor: Einer wird gewinnen, der andere muss verlieren? Natürlich wird nicht jeder, der eine sogenannte Kriegsfloskel verwendet oder ein Wort aus dem militärischen Umfeld benutzt, zwangsläufig auf Gewinn oder Verlust, auf Sieg oder Niederlage abzielen. Trotzdem verraten die verwendeten Ausdrücke mögliche innere Strategien, beziehungsweise die Einstellung zu den Gesprächspartnern oder der Gesprächssituation. 1 - Verräterische Verbalisierung 2 - Abwertende Körpersignale 3 - Kompromisslose Behauptungen 4 - Unterstellende Befragung 5 - Ablenkendes Antworten 6 - Hemmende Kommunikation 7 - Gewaltvolle Rhetorik 8 - Fröstelnde Atmosphäre Treten Sie ein in die Welt der zweifelhaften Wortwahl, erkennen Sie entstehende Risiken und entkräften Sie eine sich zuspitzende kriegerische Auseinandersetzung.
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Seitenzahl: 150
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INHALTSVERZEICHNIS
PROLOG – VORWORT
KRIEGERISCHE RHETORIK
In die rhetorische Schlacht ziehen
Entgleitende Dynamik
Verräterische Wörter
Kriegsfloskel
HINLEITUNG ZUM THEMA
DIE WELT DER GEWINNER UND DER VERLIERER
Vom rhetorischen Wortgefecht bis zur gegenseitigen Vernichtung
Ich bin der Gewinner
Ich bin der Verlierer
Wir sind die Gewinner
Wir sind die Verlierer
1 – VERRÄTERISCHE VERBALISIERUNG
WORTE KÖNNEN VERLETZEN
Kriegsrhetorik
Ein Angriff bewirkt eine Verteidigung
Auf die Folter spannen
Mit offenem Visier auftreten
„Ich kriege immer, was ich will!“
Das Kriegsbeil ist ausgegraben
Bombenstimmung
Die Rote Linie
Friedliche Wortwahl bevorzugen
Affektive Bedeutung und die Emotionale Reaktion
Gezielte Atmosphäre erzeugen
Euphemismus – Schönmalerei
Unangenehmes freundlich klingen lassen
Nachricht mit doppelter Botschaft – Zeugnissprache
Voll, voller am vollsten
Jemanden wegloben
Zwischen den Zeilen – Mitverstehen von Nicht-Gesagtem
Einverstanden über das Unverstanden
2 – ABWERTENDE KÖRPERSIGNALE
KÖRPERSPRACHLICHE ABNEIGUNG ZEIGEN
Der Körper ‚kämpft‘ mit
Nicht wie, sondern was
Reaktion auf Aktion
Augen
Kopf
Körper
Arme
Finger
Hand
Bein
Widersprüchlich wirkende Signale
3 – KOMPROMISSLOSE BEHAUPTUNGEN
KREATIVE IDEEN WERDEN SOFORT ZERSTÖRT
Killerphrase und Phrasen-Killer
Ausgeklügelte Ideen werden ‚einfach so‘ vergiftet
Klassische Killerphrasen
Killerphrasen geschickt entwaffnen
Zeit gewinnen durch Rückfrage
Lächeln und vernichten
Geheuchelte Ruhe ausstrahlen
Ja-Lächeln-Falle
Aber-Variante – Deshalb-Variante
Vorne zulächeln, hinten zustoßen
Die Stimme drohend einsetzen
Zweifel säen
Symbiosen bilden
Stärke der Zweckgemeinschaft
Menschlichkeit und Sachlichkeit
„Was guckst du?“ – Mangelnde Wertschätzung
Knallharter Egoismus?
Abwertende und beleidigende Bezeichnung
4 – UNTERSTELLENDE BEFRAGUNG
NEUGIERIGE FRAGESTELLUNG
Das Warum-Spiel
Peinlichkeiten ans Tageslicht bringen
Dialog versus Monolog
Inquisition – Peinliche Befragung
Schuldzuweisungen – Du-Botschaften
‚Offen‘ fragen und ‚geschlossen‘ antworten
Halboffene Frage (Cluster-Frage) oder Multiple Choice Frage
Das große Spielfeld der offenen Frage
Manipulierende taktische Fragen
Suggestiv und alternativ
Die einschläfernde Ja-Welle
Gegenfrage zur Kontrolle
Die verwirrende oder beunruhigende Frage – Die taraktische Frage
Den Gesprächspartner richtungsweisend einbinden
Nur was für Akademiker? – Die akademische Frage
Verwirrendes und störendes Verhalten bei Fragestellungen
5 – ABLENKENDES ANTWORTEN
KEINE ANTWORT IST AUCH EINE ANTWORT
Antworten vermeiden – „Das ist nicht die (richtige) Frage“
„Lassen Sie mich eben erst …“
Erstens, zweitens, drittens
Das einschmeichelnde Ja
Aus dem Zusammenhang reißen
Ausweichend antworten
Schwammig antworten
Abläufe stören – Das Sandkorn im Getriebe
Der Sand-Mann
Geschmackssache
Quasseltante
Jungspund und Alter Knopf
Einzelschicksale – Verallgemeinerungen
Der Besserwisser und …
… das Unschuldslamm
6 – HEMMENDE KOMMUNIKATION
MIT VIELEN WORTEN WENIG SAGEN
Zeit gewinnen – Zeit verplempern
Zeit schinden durch geforderte Definition
Zeit schinden durch festgelegte Zielgruppe
Zeit schinden durch unbekannte Vorgehensweise
Vertagen – auf die lange Bank schieben
Zuständigkeit klären – Der unbekannte Dritte
Der Filibuster und die Verknappungs-Taktik
Schlagabtausch
Destruktive Gesprächseinstellung – wie sie vermieden wird
Fremd und abgekürzt
Endlos ohne Luftholen
Unterbrechungen fordern Rechtfertigungen heraus
Gegenläufige Körpersignale
Prioritäten verschieben
Auslassen und Schweigen
Nebelbomben
Glaubhaftigkeit durch Wiederholung
7 – GEWALTVOLLE RHETORIK
DAS VERBALE KREUZEN DER KLINGEN
Unnachsichtig die eigene Meinung vertreten
Rabulistik – Wortklauberei
Sophisterei – Wortverdreherei
Polemik – Streitkunst
Apologetik (Apologie) – Verteidigung
Demagogie – Volksverführung
Agitation – Aufputschen
Propaganda – Aufklärung
Populismus – Stimmungsverstärkung
Politisches Schlagwort – Kampfbegriff
In die Schlacht ziehen
Schlachtfeld – Kampfplatz
Schlammschlacht
Karthagischer Friede – Tödliche Ruhe
Lügen zum eigenen Vorteil
Embedded Journalism – Zivile Berichterstattung
Fake News
Alternative Fakten
Alternativlos
Eskalation der Lügen
Deepfake
Gezeter und Wutanfall
Strafpredigt
Gardinenpredigt
Standpauke
Moralpredigt – Moralpauke
Die Stimme erheben
Laute Drohung
Wüste Beschimpfungen
8 – FRÖSTELNDE ATMOSPHÄRE
DIE KALTE SCHULTER ZEIGEN
Unterkühlte Gesprächssituation
Schwache Sitzposition
Schattenseiten
Dein Platz ist dort!
Frontal platziert – Flanke sichern
Das Schlachtfeld der Verhandlungsfläche
Scharmützel – Das kleine Geplänkel
Zurücklehnen und den Frieden genießen
EPILOG – NACHWORT
DIE WUNDEN LECKEN
Das Wort danach
WORTHERKUNFT
STICHWORTVERZEICHNIS
KNIGGE ALS SYNONYM UND ALS NAMENSGEBER – UMGANG MIT MENSCHEN
Adolph Freiherr Knigge
Damit du nicht geschlagen wirst, schlag selbst!
Elisabeth I., Königin von England (1533 - 1603)
„Pass‘ doch auf!“, ruft erbost der Radfahrer dem Passanten zu. Dieser schreit zurück: „Pass‘ doch selber auf!“ Der Radfahrer bremst, wendet und fährt bedrohlich auf den Fußgänger zu …
Wie schnell bauen ein paar Wörter eine aggressive Stimmung auf. Ruckzuck entsteht ein heftiger verbaler Schlagabtausch zwischen den beiden Verkehrsteilnehmenden.
Können sie sich nicht zügeln, kann es sein, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt. Schubsen, schlagen, prügeln. Ernsthafte Verletzungen können die Folge sein.
Dieses Beispiel lässt sich auf allerlei Situationen übertragen. Sei es im gesellschaftlichen oder im beruflichen Umfeld, sowie bei unterschiedlichen Ansichten zweier Staaten auf dieser Welt.
Wie die jüngste Vergangenheit zeigt, bleibt es dann nicht bei kleineren Rangeleien – der Konflikt artet, läuft alles schief, in eine kriegerische Handlung aus.
Hier bleibt es nicht bei vergleichbar harmlosen Verletzungen – der Konflikt eskaliert in bösartige körperlich wie geistig irreparable Schäden, tja tatsächlich wird das Töten und damit sogar das Sterben einkalkuliert.
Eine weitere Beobachtung ist festzuhalten: Bei dem beschriebenen Vorgehen entwickelt sich eine eigene Dynamik (gr. ‚dynamike‘ für ‚mächtig‘). Diese ist weder vorherzusehen, noch die Richtung einzuschätzen, in der sie sich bewegt.
Die Dynamik entwickelt sich dank ihrer mächtigen Kraft immer schneller und schneller. Was als kleine Streiterei begann, zieht immer größere Kreise, bezieht immer mehr Unbeteiligte ein und bereitet einer unkontrollierbaren Verrohung oder einem geächteten Übergriff den Weg.
Nun kann eingeworfen werden, dass eine berufliche Besprechung nicht zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit tödlichen Folgen führen muss. Glücklicherweise sollte solch eine Entwicklung – wenn überhaupt, dann – eine Ausnahme bleiben.
Wird der gewählte Wortschatz – schon im Vorfeld eines Treffens – analysiert, offenbaren sich nicht nur bestimmte Gedanken des Sprechenden, sondern auch seine Strategie.
„Denen werden wir es erbarmungslos zeigen!“ „Das werden wir bis zum bitteren Ende ausfechten!“ „Die werden wir mit eigenen Waffen schlagen.“
Verstecken sich in der geäußerten Wortwahl nicht mehrere Wörter, die aus feindlichen, ja kriegerischen Auseinandersetzungen stammen könnten?
Wird der Gesprächspartner oder die Abordnung der ‚anderen Partei‘ als Gegner gesehen, den es zu besiegen gilt? Herrscht der (überholte) Gedanke vor: Einer wird gewinnen, der andere muss verlieren?
Natürlich wird nicht jeder, der eine sogenannte Kriegsfloskel verwendet oder ein Wort aus dem militärischen Umfeld benutzt, zwangsläufig auf Gewinn oder Verlust, auf Sieg oder Niederlage abzielen.
Trotzdem verraten die verwendeten Ausdrücke mögliche innere Strategien, beziehungsweise die Einstellung zu den Gesprächspartnern oder der Gesprächssituation.
Der hier gewählte Ausdruck der kriegerischen Rhetorik grenzt sich von Manipulation deutlich ab. Die kriegerische Rhetorik will verletzen, kaputtmachen, den anderen verlieren lassen. Sie ist destruktiv (lat. ‚destructere‘ für ‚niederreißen‘), also zersetzend, zerstörend.
Die Manipulation hingegen will erreichen, dass der Manipulierte sich ‚führen‘ lässt, nämlich zum Ziel des Manipulierenden. Nicht zwangsläufig muss sich der Manipulierte als Verlierer betrachten. Er wird gelenkt, manchmal ohne dass es ihm bewusst wird, manchmal im vollen Bewusstsein (zum Beispiel bei der Werbung).
Das umfangreiche Thema der kriegerischen Rhetorik ist im Buchtext in acht Schwerpunkte gegliedert:
Teil 1 – Verräterische Verbalisierung
Teil 2 – Abwertende Körpersignale
Teil 3 – Kompromisslose Behauptungen
Teil 4 – Unterstellende Befragung
Teil 5 – Ablenkendes Antworten
Teil 6 – Hemmende Kommunikation
Teil 7 – Gewaltvolle Rhetorik
Teil 8 – Fröstelnde Atmosphäre
Treten Sie ein in die Welt der zweifelhaften Wortwahl, erkennen Sie die entstehenden Risiken und entkräften Sie rechtzeitig eine sich zuspitzende kriegerische Auseinandersetzung.
Helfen Sie dabei, Wortgefechte schnell zu befrieden, bevor sie ausarten.
Liebe Leserin, lieber Leser, ich wünsche Ihnen viel Kurzweil bei den folgenden Überlegungen. Bitte nicht alles zu ernst nehmen und gerne auch mal schmunzeln. Und – vor allem – das Kriegsbeil begraben lassen.
Horst Hanisch
Mach keine schlechten Gewinne, sie sind so schlimm wie Verluste.
Hesiodos, gr. Dichter (um 700 v. Chr.)
Da die Gesellschaft immerzu drängt, alles besser, schneller, höher, weiter zu treiben, entsteht schnell ein Wettbewerb untereinander. Einer ist schneller als der andere. Er hat gewonnen – ist der Gewinner. Demnach muss der andere der Verlierer sein, oder?
Der US-amerikanische Psychologe Eric Berne (1910 – 1970) präsentierte der Öffentlichkeit das Win-Win-Modell aus der Transaktionsanalyse. Dieses Modell wird hier auf das vorliegende Thema der kriegerischen Rhetorik (gr. ‚rhetorike‘, für ‚Redekunst‘) gedanklich übertragen. Berne beschreibt vier Ausrichtungen, die zu Beginn und natürlich auch während eines Gesprächs eingenommen werden.
Diese Einstellung scheint fast die Standardeinstellung in vielen Gesprächen wie auch Verkaufssituationen zu sein. Ich will meinen Vorteil erzielen. Ich will den günstigsten Preis rausschlagen. Ich will meine Ziele umsetzen.
Was mit dir geschieht, ist mir egal. Gehst du als Verlierer aus unserer Verhandlung, ist das dein Problem – nicht meines.
Beim Beobachten vieler Verkäufe ist solch ein Vorgehen zu erahnen, manchmal gut zu erkennen. Der Verkäufer sieht sich in der Gewinner-Rolle. Der Kunde allerdings auch. Auch er betrachtet sich als Gewinner. Beide haben die Einstellung: Ich will gewinnen; was mit dir ist, ist zweitrangig.
Wie kann solch eine Einstellung zum Erfolg führen? Die Ziele stehen sich 100 % diametral (lat. ‚diametralis‘ für ‚auf den Durchmesser bezogen‘) gegenüber.
Wer mit solch einer Einstellung ins Gespräch geht, muss sich nicht über einen unangenehmen Verlauf wundern, weil er Konfrontationen einkalkuliert, Auseinandersetzungen nicht fürchtet oder Verluste einplant. Das sind schwache Voraussetzungen für ein harmonisch verlaufendes Gespräch.
Das Gegenbild von Berns oben genannter Ansicht ist die Einstellung, dass der Handelnde sich selbst als Verlierer, den anderen als Gewinner sieht. Diese Haltung ist beispielsweise in Bewerbungsgesprächen beim Bewerber zu beobachten. „Ich muss ja froh sein, wenn die mich nehmen.“ Weshalb diese (negative) Selbsteinschätzung, bevor das Gespräch beginnt? Weshalb den Gesprächspartner von vornherein als stärker, überlegener, als Gewinner betrachten – und sich selbst gleichzeitig als Verlierer?
Kein Wunder, wenn das Bewerbungsgespräch für den Bewerber unvorteilhaft verläuft und ohne Erfolg abgeschlossen wird. „Habe ich ja gleich gesagt, dass ich die Stelle nicht bekomme.“ Griff hier ein Phänomen der Psychologie, die Sichselbst-erfüllende-Prophezeiung?
Wer sich selbst als Verlierer sieht, wird entsprechend handeln und auftreten. Er wird von den anderen ebenso als Verlierer gesehen. Es verwundert nicht, dass das Gespräch für den Bewerber negativ verläuft. „Er hat kampflos aufgegeben.“
Die favorisierte Einstellung dürfte die Variante ‚Ich bin o. k. – du bist o. k.‘ sein. Beide Gesprächspartner betrachten sich als aufrichtigen, emphatischen, selbstbewussten Charakter, kennen während des Gesprächs die Ziele des anderen, nehmen seine Bedenken ernst und beseitigen jegliche Zweifel.
„Ich bin in Ordnung und sehe dich auch als Gewinner an. Wir sind beide Gewinner. Wir kennen unsere Ziele, wir achten einander und gehen wertschätzend miteinander um.“
Ziel dieser Strategie ist es, dass beide – idealerweise – zu 100 % einverstanden aus der Verhandlung gehen. Beide sollen mit dem Ergebnis glücklich sein. Zumindest wurde ein Kompromiss erzielt: „Ich bin zufrieden, du bist zufrieden.“ Besser eine Art Kooperation: „Ich bin glücklich, du bist glücklich.“
Zu solch einem Vorgehen bedarf es eines soliden gegenseitigen Vertrauens. Vertrauen lässt sich bekanntlich nicht einfach bestimmen – es muss sich aufbauen, es muss wachsen.
Deshalb kann zu Beginn einer Verhandlung zwischen zwei bisher Unbekannten im Hinterkopf der Ansatz eines Misstrauens schlummern.
Bei vorhandenem Misstrauen kann sich die Ideal-Strategie ‚Ich bin o. k. – Du bist o. k.‘ (noch) nicht optimal entwickeln.
Grundsätzlich gehört zur Vorgehensweise des beiderseitigen Gewinnens eine gewisse Selbstdisziplin und vor allem auch der Wille, den jeweils anderen ebenso als Gewinner zu sehen.
So kann es keine Verlierer geben. Rhetorische Muskelspiele sind unnötig.
Kurz soll die vierte Strategie in Verhandlungen erwähnt werden: „Ich bin nicht o. k. – Du bist nicht o. k.“ „Ich werde keinen Erfolg haben; du allerdings auch nicht.“ Haben beide Gesprächspartner diese negative Grundeinstellung zueinander, können sie kaum zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen.
Wie auch, wenn schon von vornherein der mögliche Erfolg überhaupt nicht in Betracht gezogen wird? Auch hier gibt es keine (kämpferische) Auseinandersetzung. Das ist zwar lobenswert; allerdings stellt sich auch kein Gewinn ein.
Am besten gar nicht erst in Kommunikation treten.
Allerdings sei hierzu vermerkt, dass sich die zwei Verlierer ‚bis aufs Fleisch‘ bekämpfen können. Der österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl (* 1941) hat das eindrücklich in seinem 9-Stufen-Modell der Konflikteskalation gezeigt.
Die letzte, 9. Stufe, kann benannt werden als: ‚Gemeinsam in den Abgrund‘. Dabei ist das Wort ‚gemeinsam‘ aussagekräftig. Die beiden Kontrahenten können nicht voneinander lassen. Sie verschleudern alle Ressourcen wie Material, Kräfte, Geld, Zeit, um sich gegenseitig zu vernichten.
„Ehe der andere nur den geringsten Vorteil erzielt, reiße ich ihn mit in den Abgrund.“ Wohlwissend, dass es von dort kein Zurück gibt. Beide haben verloren.
Nun soll das hier Geschriebene in übertragener Bedeutung auf das gesellschaftliche und berufliche Zusammensein gelten.
Es lohnt sich deshalb, über die gewählte Wortwahl nachzudenken. Ist der Geist schon in kriegerische Vorbereitung getreten? Oder wird der Gesprächspartner als gleichwertiger Gewinner angesehen?
Zu kleinen Wortgefechten mag es immer wieder kommen. Vielleicht wirken diese sogar befreiend. Aber Ziel sollte es sein, die Gewitterwolken baldmöglichst abziehen zu lassen, damit die strahlende Sonne am blauen Himmel ihren positiven Einfluss geltend machen kann.
„Du glaubst nicht, was ich gesehen habe.“ Verschwörerisch blickt die Frau ihre Freundin an. Sie ergänzt: „Du wirst es nicht fassen. Ich bin noch ganz geplättet.“ Sie wischt sich mit der Hand über die Stirn, als müsste sie sich Schweiß wegwischen.
„Spann‘ mich nicht auf die Folter“, zischt die Freundin und fordert auf: „Nun erzähl‘ schon!“
Was war geschehen, dass die Freundin die zweifelhaften Schmerzen einer Folterbank zum Vergleich bringt? War die Neugierde schmerzhaft groß?
Wer weiß, was sich die beiden Freundinnen zu berichten haben. Wie reizvoll und aufregend können Gerüchte sein, vor allem dann, wenn sie auf abwesende Dritte eingehen.
Wunderbar, verraten sie Unsittliches, Verrufenes, Illegales, Schmutziges jeglicher Art. Wie vorteilhaft, wenn die beiden Frauen nun eingeweiht sind. Ein gemeinsames Wissen macht sie zu Verbündeten. Es bereitet ihnen Freude, etwas Unvorteilhaftes über eine dritte Person erfahren zu haben.
„Ich will ja nichts sagen …, aber …“ und dann sagt sie doch etwas. Oder, beginnend mit der verschwörerischen Formulierung: „Aber nicht weitersagen.“ Was nutzt das prickelndste Geheimnis, wenn es nicht verwendet werden darf? Die Bitte um Verschwiegenheit in allen Ehren – wie oft wird sie wohl befolgt?
Solange die beiden sich einig sind, baut sich eine gewisse Art Freundschaft auf. Diese kann viele Jahre anhalten.
Dann kann es zu einer kleinen Auseinandersetzung kommen, die ein riesiges Loch in die Freundschaft reißt. Aus den bisherigen Freunden werden nun Feinde; erbitterte Feinde, kennen sie doch viele Geheimnisse des/der anderen. Aus Gemeinsamkeiten, Liebe, Hilfe werden Beschimpfungen, Hass, Feindschaften.
Im Krieg verliert die Höflichkeit als Erste. Übertragen auf den rhetorischen Austausch heißt das, dass die Beteiligten sich gegenseitig nicht mehr wertschätzen.
Das Vertrauen zueinander geht verloren, die Offenheit und die Ehrlichkeit ziehen sich nach und nach zurück.
Es dauert nicht lange, bis die Maske der nach außen demonstrierten Höflichkeit fällt und sich das wahre Gesicht der Beteiligten zeigt. Aus ursprünglichen Gesprächspartnern werden Kontrahenten, gegebenenfalls sogar erbitterte Feinde. Ein ‚Gemeinsam‘ gibt es nicht mehr.
Reicht jemand dem anderen die Hand, signalisiert er damit seit jeher die Zuneigung, das Vertrauen, den Wunsch nach Zusammenarbeit. In hiesiger Kultur wurde früher damit sogar gezeigt, dass keine Waffe getragen wurde, weshalb auch keine Befürchtung eines Angriffs gegeben war.
Erfolgt nun doch ein Angriff – auch im Rhetorischen –, erzwingt der Angreifer mehr oder weniger eine Verteidigung. Wer – auch in der Kommunikation – mag sich gerne verteidigen oder rechtfertigen müssen? Wohl kaum jemand.
Die angreifende Person bringt den sich Verteidigenden in eine ungewollte Rolle; in der Rolle der Verteidigung. Wie soll sich in solch einer Konstellation ein ausgewogener, freundlicher, fairer Verhandlungsverlauf ergeben?
Wer angreift muss davon ausgehen, dass der andere über kurz oder lang die Situation, in die er geraten ist, als Attacke entlarvt – und handelt.
Damit ein Angriff nicht versehentlich empfunden wird, hilft nicht nur das wertschätzende Miteinander, sondern auch der geeignete, friedliche Wortschatz.
Nicht jede Vokabel aus dem kriegerischen Umfeld deutet auf ebensolche Absichten hin. Manche werden auch bewusst eingesetzt, um einen Lacher oder zumindest ein Schmunzeln zu erzeugen. „Der hat den Schuss nicht gehört.“ „Ich fühle mich gevierteilt/gerädert.“ „Du kommst an den Marterpfahl.“
Gegebenenfalls soll eine Situation auch lediglich ‚gefährlicher‘, zum Beispiel herausfordernder, kritischer, aufwendiger und so weiter dargestellt werden.
Heißt es im Team: „Lasst uns in die Schlacht ziehen“, wenn es zu einem Treffen mit der Abordnung eines anderen Unternehmens geht, wird die Aktion als schwierig angesehen. Wird sie erfolgreich durchgeführt, zollt dem Team Achtung und Lob. Soll wirklich jemand ‚abgeschlachtet‘ werden?
Würde das Team äußern: „Lasst uns auf den Ponyhof ziehen“, schiene die zu erledigende Aufgabe eher banal.
Auch Kollegen und Kolleginnen wollen bewundert und gelobt werden, wegen ihres ‚tapferen und unerschrockenen Einsatzes‘.
Der Freund empfiehlt: „Du solltest gleich frontal angreifen.“ „Pass auf, dass du nicht in einen Hinterhalt gerätst.“ „Vergiss nicht, dich gut zu schützen.“ „Achte darauf, rechtzeitig auf-/abzutauchen.“
Weshalb werden diese kriegerischen Empfehlungen gewählt? Zieht der Angesprochene in den Krieg?
„Jeder kämpft für sich allein!“ „Ich werde ihn mit eigenen Waffen schlagen!“ „In den Kampf!“ „An die Gewehre!“ „Lasst uns den Erstschlag/Anschlag ausführen.“ „Wir meinen es todernst.“ Die ‚Flanke wird gesichert‘, die ‚Klingen werden gekreuzt‘. ‚Säbelrasseln‘ überall. ‚Grenzen sollen verschoben werden‘. Es wird gekämpft bis zum ‚Todesstoß‘.