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Das Wesentliche des Christentums für alle verständlich auf 250 Seiten, geht das?
Der erste Bestseller von Joseph Ratzinger war seine berühmte »Einführung in das Christentum« von 1968. Das Besondere dieses Buches war, dass hier ein junger Theologe sich ernsthaft bemühte, den Glauben der Kirche modernen Menschen zu erklären. Erstaunlicherweise hat das Buch nichts von seiner Aktualität verloren.
Und so hat Papst Benedikt XVI. dem Erfolgsautor Manfred Lütz noch ein Jahr vor seinem Tod erlaubt, eine allgemeinverständliche Kurzfassung seines Welt-Bestsellers zu erstellen. Dabei hat Lütz sorgfältig darauf geachtet, die gesamte Substanz des Buches zu erhalten. Der Text wurde auf die Kernaussagen gestrafft, die Diskussion theologischer Irrwege wurden weggelassen, Fachbegriffe übersetzt, sodass ein mitunter funkelnder Text zum Vorschein kommt. Papst Benedikt persönlich hat den hier vorliegenden Text noch ausdrücklich gutgeheißen.
»Der Text der Einführung ist und bleibt von großer Aktualität. Manche werden neugierig werden, wenn sie von einer solchen ›Kurzen Einführung in das Christentum‹ hören.« Aus dem Brief von Papst Benedikt XVI. an Manfred Lütz vom 18.2.2022.
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Seitenzahl: 343
Das Wesentliche des Christentums für alle verständlich auf 250 Seiten, geht das?
Der berühmte Text des bekanntesten zeitgenössischen Theologen überhaupt, lesbar für alle, kann das funktionieren? Dass das geht und dass das funktioniert, beweist dieses Buch.
Ein Jahr vor seinem Tod hat Papst Benedikt XVI. dem Bestseller-Autor Manfred Lütz erlaubt, seinen ersten Weltbestseller, die »Einführung in das Christentum«, für ein breiteres Publikum zu überarbeiten.
Der junge Theologe Joseph Ratzinger hat darin nicht bloß seine Privatmeinung aufgeschrieben, sondern versucht, den Glauben der Kirche modernen Menschen zu erklären.
In seiner Überarbeitung hat Lütz sorgfältig darauf geachtet, die gesamte Substanz des Buches zu erhalten, nur der wissenschaftliche Apparat und die Diskussion von theologischen Irrwegen wurden gestrichen, Fachbegriffe wurden übersetzt, sodass ein mitunter funkelnder Text zum Vorschein kommt. Papst Benedikt selber hat die hier vorliegende Fassung noch gesehen und ausdrücklich gebilligt.
»Der Text der Einführung ist und bleibt von großer Aktualität. Manche werden neugierig werden, wenn sie von einer solchen ›Kurzen Einführung in das Christentum‹ hören.«
Aus dem Brief von Papst Benedikt XVI. an Manfred Lütz vom 18.2.2022.
Die umfangreiche, mit Fußnotenapparat versehene Originalausgabe von Joseph Ratzinger erschien 2000 unter dem Titel Einführung in das Christentum bei Kösel.
Aus Gründen der Historizität liegt keine gendergerechte Schreibweise vor. Bei der Verwendung entsprechender geschlechtsspezifischer Begriffe sind im Sinne der Gleichbehandlung jedoch ausdrücklich alle Geschlechter angesprochen.
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Copyright © 2023 Kösel-Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-29402-1V001
www.koesel.de
Für den, der als Geist das Weltall trägt und umspannt, ist ein Geist, ist das Herz eines Menschen, das zu lieben vermag, größer als alle Milchstraßensysteme.
Joseph Ratzinger
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Auftakt: Glaube und Zweifel — Der Theologe als Clown
I. »Ich glaube … Amen« — Was ist das Besondere des christlichen Glaubens?
1. Christentum als Glaube — Verwirklichungen
a. Wie macht man das, glauben? — Eine Gebrauchsanweisung
b. Der christliche Skandal — Vom Traum eines Staubkorns
2. Wie die Wahrheit abhandenkam — Eine kleine Geschichte des Geistes
a. Wie Ciceros Dienstmädchen Karriere machte — Geschichte als neue Wahrheit
b. Machtwechsel im Wahrheitskampf — Über den Sieg des Experiments
3. Wissen und Glauben — Über Unterschiede, die einen Unterschied machen
a. Glaube als Stehen — Glaube als Verstehen
b. Wissen und Sinn — Der Irrtum des Herrn von Münchhausen
c. Die Vernunft des Glaubens — Wider theologische Geheimnistuerei
d. Der Sinn als Person — Über die Anwesenheit des Ewigen
4. Das Apostolische Glaubensbekenntnis — Was lehrt die Kirche?
a. Fakten und Legenden — Wie das Glaubensbekenntnis entstand
b. Schicksal eines Textes — Glanz und Elend der Kirchengeschichte
c. Die »Kehre« der Existenz — Vom persönlichen Bekenntnis zum kirchlichen Dogma
d. Hörer des Wortes — Warum Glauben nur gemeinsam geht
Abenteuer der Wahrheit — Glaube und Philosophie
Religiöse Begabung — Der Irrtum des heiligen Augustinus
Glaube als »Symbol« — Wie ein Philosoph sich bekehrte
II. »Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde« — Gibt es einen Sinn der Welt und ist Gott ihr Schöpfer?
1. Was ist das eigentlich, »Gott«? — Über die Erfahrung des Absoluten
a. Geschwister im Geiste — Monotheismus, Polytheismus, Atheismus
b. Der Sturz der Götter — Das Bekenntnis zu dem einen Gott
2. Was sagt die Bibel von Gott? — Die Geschichte Gottes mit den Menschen
a. Es brennt — Gott erscheint
b. Das Gottesbild klärt sich — Der Gott der Väter und Propheten
c. Der letzte Schritt — Der Gott Jesu Christi
3. Götterdämmerung — Der Gott des Glaubens und der Gott der Philosophen
a. Christlicher Atheismus — Die Entscheidung der frühen Kirche für die Philosophie
b. Verwandlungen — Der Gott der Philosophen wird kreativ
c. Spannungen — Macht und Ohnmacht des Allmächtigen
4. Vom Sinn der Welt — Die christliche Antwort
a. Glaube und Naturwissenschaft — Albert Einstein und die Schönheit
b. Schöpferisches Bewusstsein — Christlicher Glaube als Philosophie der Freiheit
c. Der Preis von Freiheit und Liebe — Das Dämonische
5. Der dreieinige Gott — Was bedeutet die Dreifaltigkeit des einen Gottes?
a. Verstehen, was man erfahren hat — Der Kampf um die Gottheit Jesu
Theater oder Wahrheit — Die Ausweglosigkeit der Auswege
Hegel, Schelling, Marx — Irrwege der Politischen Theologie
Erfolgreiches Scheitern — Warum Irrlehren hilfreich sind
b. Verständnishilfen — Das Experiment mit Gott
Annäherungen — Physikalische Erkenntnis und Christlicher Glaube
Wie man zum Glauben kommt — Der Rat des Blaise Pascal
c. Sprachschöpfungen — Ein Wesen in drei Personen
Ein neues Gottesbild — Über Einheit und Fülle hinaus
Eine Revolution des Weltbilds — Der dialogische Gott
Einssein als christlicher Auftrag — Die Botschaft der Dreifaltigkeit
III. »… und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn« — Wer war Jesus von Nazareth wirklich?
1. Erkenntnisprobleme — Jesus oder Christus
a. Die Nebel der Vergangenheit — Ein Strohhalm im Meer der Geschichte
b. Glaubenserkenntnisse — Warum es keine Lehre Jesu gibt
c. Das Ereignis — Pilatus verkündet Christus am Kreuz
d. Christus — Der letzte Mensch
2. Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch — Bloß ein theologisches Kreuzworträtsel oder die wirkliche Rettung für alle?
a. Jesus Christus — »Sohn Gottes«
b. Menschwerdung Gottes — Christus und die Evolution
3. Die Prinzipien des Christentums — Der Blick auf das Ganze
a. Christ ist man nie allein — Die Erbsünde und der Ärger mit den Institutionen
b. Das wahre Leben — Für die anderen da sein
c. Gott als Größter und als Niedrigster — Über die Fragwürdigkeit der Kirche
d. Überfluss als Prägezeichen Gottes — Ein Weltall für den Menschen
e. Das Prinzip Endgültigkeit — Wider die Gleichgültigkeit der ewigen Jugend
f. Der Vorrang des Empfangens — Christliche Heiterkeit und die Zärtlichkeit Gottes
g. Die tragenden Pfeiler des Christlichen — Glaube, Hoffnung, Liebe
IV. »Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria« — Die Herkunft Jesu verstehen
1. Verkündigung an Maria — Erfüllung einer alten Hoffnung
2. Klärungen — Was Jungfrauengeburt wirklich bedeutet
3. Marienfrömmigkeit — »Alles ist Gnade«
V. »gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben« — Über die Revolution der Religionsgeschichte
1. Die Frage aller Fragen — Warum das Kreuz?
2. Kosmische Liturgie — Christus als der wahre Priester
3. Kreuzesnachfolge — Leben als Christ
4. Ein tief bewegender Text — Wie Platon das Kreuz ahnte
VI. »hinabgestiegen in das Reich des Todes« — Gott ist tot
1. Gottesfinsternis — Das Schweigen Gottes
2. Unheimliche Fragen — Was ist die Hölle?
VII. »am dritten Tage auferstanden von den Toten« — Stärker als der Tod ist die Liebe
1. Enttäuschungen — Selbstgemachte UnsterblicHkeiten
2. Was ist ewiges Leben? — Der Grund christlicheHoffnung
3. Der Auferstandene — Erfahrungen
VIII. »aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters« — Was ist der Himmel?
1. Die Himmelfahrt Christi — Beginn der Zukunft
2. Zeit und Ewigkeit — Kann Gott Gebete erhören?
IX. »Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten« — Das Leben als Ernstfall
1. Am Ende: Ein Gesicht — Warum das Christentum keine Idee ist
2. Die Wiederkunft Christi — Zwischen Angst und Hoffnung
X. »Ich glaube an den Heiligen Geist … Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden« — Das Prinzip einer neuen Geschichte und einer neuen Welt
1. Einheit als Geschenk — Kirchliche Tischgemeinschaft
2. Vergebung — Die verwandelnde Wende
XI. »die heilige katholische Kirche« — »ein Untier von furchtbarer Ungestalt«
1. Enttäuschungen — Ein Traum von Heiligkeit zerplatzt
2. Bischöfe — Nur Mittel zum Zweck
XII. »Auferstehung der Toten und das ewige Leben« — Über die letzten Dinge
1. Der Jüngste Tag — Was bedeutet Auferstehung des Fleisches wirklich?
2. Auferweckung — Warum der Tod nicht »Schlafes Bruder« ist
3. Finale — Die Erlösung der Welt
Die Autoren
Vorwort
Nie wäre ich auf die Idee gekommen, die berühmte »Einführung in das Christentum« von Joseph Ratzinger für ein breites Publikum zu überarbeiten. Im Gegenteil: Ich bewunderte dieses 1968 erstmals erschienene höchst geistreiche Buch als geniales Zeugnis eines mitten im modernen Leben stehenden jungen Mannes für seinen christlichen Glauben. Damals war Joseph Ratzinger noch der Shootingstar der Theologie, die Universitäten rissen sich um den smarten Theologen mit dem angenehmen bayerischen Akzent und vielleicht hatte schon der Vatikan einen begehrlichen Blick auf diesen Deutschen geworfen, der in so gar keine Schubladen passte.
Dann sprach mich im Jahr 2020 Volker Resing, der damalige Chefredakteur der Herder-Korrespondenz, darauf an, ob ich nicht eine Kurzfassung der »Einführung« verfassen wolle, wie ich das vor ein paar Jahren mit dem Werk »Toleranz und Gewalt« von Arnold Angenendt gemacht hatte. Ich hielt den Gedanken für abwegig, denn bei Angenendt ging es damals darum, ein Buch mit 800 Seiten und 3.000 Anmerkungen auf 286 Seiten zu kürzen, aber hier handelte es sich um 300 Seiten mit wenigen Anmerkungen. Außerdem pflegte Papst Benedikt einen Stil, den man nicht für ein breiteres Publikum übersetzen musste. Seine erste Enzyklika »Deus Caritas est« war für jedermann verständlich geschrieben. Andererseits ist aber das Christentum derzeit so fundamental infrage gestellt, dass gerade jetzt eine solche Einführung für alle dringend nötig wäre. Ich hielt mich also wenigstens für verpflichtet, Erzbischof Gänswein bei einem Rom-Aufenthalt Anfang Oktober 2021 auf die Angelegenheit anzusprechen. Der fand das aber gar nicht so abwegig wie ich befürchtet hatte und riet mir, mich schriftlich an Papst Benedikt zu wenden. Mit mulmigem Gefühl schrieb ich daher an den emeritierten Papst von der Idee, vergaß aber nicht hinzuzufügen, dass ich eigentlich sicher sei, dass er das nicht wolle. Und so war ich fast wie vom Donner gerührt, als kurz darauf ein liebenswürdiger Antwortbrief bei mir einging, der amüsiert und amüsant wie so oft – grünes Licht gab.
Erst war ich etwas geschockt, denn ich hatte wirklich nicht damit gerechnet und hatte den Text seit 15 Jahren nicht mehr in der Hand gehabt. Vielleicht funktionierte das ja gar nicht. So machte ich mich zögerlich ans Werk, aber schon nach wenigen Seiten wurde mir klar, dass das ein unglaublich sinnvolles Projekt war. Es ging um das Entscheidende des christlichen Glaubens und Ratzingers Gedankenführung war glänzend und eingängig. Freilich war er damals noch ein junger Professor, der nicht populär, sondern wissenschaftlich veröffentlicht hatte. Außerdem ging ja die »Einführung in das Christentum« auf eine Vorlesung zurück, war also auch sprachlich für ein akademisches Publikum angelegt. Wenn man aber den Gedankengang von etwas sprachlichem »Packpapier« und wissenschaftlichen Debatten befreite, Fachbegriffe übersetzte – oder wegließ, weil er sie selber anschließend übersetzt hatte – und das Ganze straffte, kam ein an manchen Stellen geradezu funkelnder Text zum Vorschein. Und es ging tatsächlich um das Wesentliche und das Wesentliche des christlichen Glaubens ist nicht die Kirche, sie ist allenfalls ein Mittel, nur wenige Seiten von Joseph Ratzingers »Einführung in das Christentum« betreffen die Kirche!
Ich habe mich bei meinen Eingriffen ganz dem Gedankengang Ratzingers verpflichtet gefühlt und nicht – wie beim Angenendt-Projekt – eigene Überlegungen in den Text eingeführt. Damit ist das Buch weder eine Neufassung, noch eine »Kurzfassung« geworden, die eine Auswahl trifft. Es ist vielmehr die gesamte Substanz der »Einführung in das Christentum« erhalten, aber in eine für ein breiteres nichtakademisches Publikum lesbare Fassung gebracht worden. So ist etwa ein Viertel des Originaltextes weggefallen, darüber hinaus der gesamte Anhang. Das betrifft vor allem wissenschaftliche Debatten und theologische Sackgassen, die er beschreibt, damit die »Hauptstraße«, Ratzingers »Einführung« selber, umso deutlicher aufleuchtet. Es wurde im Text nichts umgestellt, nur die Kapitelüberschriften sind ausnahmslos von mir. Natürlich fehlen alle Anmerkungen, die man ja im ursprünglichen Buch leicht finden kann.
Selbstverständlich habe ich den Text Papst Benedikt zur kritischen Lektüre geschickt und war erleichtert, dass, wie er mir schrieb, die Überprüfung durch einen von ihm zugezogenen »kompetenten Gelehrten« ergab, dass tatsächlich, wie oben gesagt, die Gedanken der »Einführung« in dieser Überarbeitung vollständig erhalten geblieben sind.
Um auch diejenigen zu erreichen, für die der kostbare Text trotz der Überarbeitung noch etwas anstrengend ist, habe ich mich entschlossen, eigene Bemerkungen den Abschnitten voranzustellen, die wirklich bloß Appetit auf die Texte machen sollen. Es sind bloß Notbehelfe, auf deren Lektüre man getrost verzichten kann. Schließlich habe ich einige prägnante Schlüsselsätze durch Fettdruck hervorgehoben, die manchmal mit geradezu poetischer Intensität das Wesentliche zum Ausdruck bringen. Tatsächlich kenne ich keinen zeitgenössischen Theologen, von dessen sprachkräftiger Theologie so viele Menschen bezeugen, dass sie dadurch zum Glauben gekommen sind.
So hoffe ich nun, dass diese »Kurze Einführung in das Christentum für alle« den Weg zu vielen Menschen findet, denen der Blick aufs Wesentliche des Christentums verloren gegangen ist: Gebildete und ungebildete Atheisten, die wissen wollen, welche Gedanken am Ursprung der abendländischen Kultur liegen, Christen, die entsetzt über den Missbrauchsskandal der Kirche den Rücken kehren wollen, doch auch solche Christen, die bleiben, aber im Getriebe der tagtäglichen aufgeheizten Kirchendebatten Orientierung suchen.
Bornheim, im Frühjahr 2023.
Auftakt: Glaube und Zweifel — Der Theologe als Clown
Manfred Lütz: Eindrucksvoll, wie Ratzinger hier die radikalsten Zweifel am Glauben ausgerechnet bei jemandem wie der frommen Therese von Lisieux anspricht, aber auch seine eigenen Zweifel. Zum ersten Mal habe ich hier Paul Claudels berühmten »Seidenen Schuh« wirklich verstanden. Was der Glaube in Wahrheit ist, lässt Joseph Ratzinger von einem Juden erklären …
Ein Reisezirkus in Dänemark war in Brand geraten. Der Direktor schickte daraufhin den Clown, der schon zur Vorstellung gerüstet war, in das benachbarte Dorf, um Hilfe zu holen, zumal die Gefahr bestand, dass über die abgeernteten, ausgetrockneten Felder das Feuer auch auf das Dorf übergreifen würde. Der Clown eilte in das Dorf und bat die Bewohner, sie möchten eiligst zu dem brennenden Zirkus kommen und löschen helfen. Aber die Dörfler hielten das Geschrei des Clowns lediglich für einen ausgezeichneten Werbetrick, um sie möglichst zahlreich in die Vorstellung zu locken; sie applaudierten und lachten bis zu Tränen. Dem Clown war mehr zum Weinen als zum Lachen zumute; er versuchte vergebens, die Menschen zu beschwören, ihnen klarzumachen, dies sei keine Verstellung, kein Trick, es sei bitterer Ernst, es brenne wirklich. Sein Flehen steigerte nur das Gelächter, man fand, er spiele seine Rolle ausgezeichnet – bis schließlich in der Tat das Feuer auf das Dorf übergegriffen hatte und jede Hilfe zu spät kam, sodass Dorf und Zirkus gleichermaßen verbrannten.
Diese Geschichte hat der dänische Philosoph Søren Kierkegaard erzählt und man hat in dem Clown, der seine Botschaft gar nicht bis zum wirklichen Gehör der Menschen bringen kann, das Bild des Theologen gesehen. Er wird in seinen Clownsgewändern aus dem Mittelalter oder aus welcher Vergangenheit auch immer gar nicht ernst genommen. Er kann sagen, was er will, er ist immer schon etikettiert und eingeordnet durch seine Rolle. Wie er sich auch gebärdet und den Ernstfall darzustellen versucht, man weiß immer im Voraus schon, dass er eben – ein Clown ist. Man weiß schon, worüber er redet, und weiß, dass er nur eine Vorstellung gibt, die mit der Wirklichkeit wenig oder nichts zu tun hat. So kann man ihm getrost zuhören, ohne sich über das, was er sagt, ernstlich beunruhigen zu müssen.
Vielleicht müssen wir sogar sagen, dass dieses Bild noch immer die Dinge vereinfacht. Denn danach sieht es ja so aus, als wäre der Clown, das heißt der Theologe, der völlig Wissende, der mit einer ganz klaren Botschaft kommt. Die Dörfler, zu denen er eilt, das heißt die Menschen außerhalb des Glaubens, wären umgekehrt die völlig Unwissenden, die erst belehrt werden müssen über das ihnen Unbekannte. Der Clown brauchte dann eigentlich nur das Kostüm zu wechseln und sich abzuschminken – dann wäre alles in Ordnung. Aber brauchen wir uns wirklich einfach bloß abzuschminken und in das Zivil einer normalen unaufdringlichen Sprache zu stecken, damit alles in Ordnung sei? Genügt der geistige Kostümwechsel, damit die Menschen freudig herbeilaufen und mithelfen, den Brand zu löschen, von dem der Theologe behauptet, dass es ihn gebe und dass er unser aller Gefahr sei? Zwar stimmt es, dass derjenige, der heute über den Glauben zu reden versucht, sich wie ein Clown vorkommen kann oder wie jemand, der, aus einem antiken Sarkophag aufgestiegen, in Tracht und Denken der Antike mitten in unsere heutige Welt eingetreten ist und weder sie verstehen kann noch von ihr verstanden wird. Wenn indes der, der den Glauben zu verkündigen versucht, selbstkritisch genug ist, wird er bald bemerken, dass es nicht nur um eine Krise der Gewänder geht, in denen die Theologie einherschreitet. Er wird vielmehr auch die bedrängende Macht des Unglaubens inmitten des eigenen Glaubenwollens erfahren. Er wird also zu verstehen haben, dass seine Situation sich gar nicht so vollständig von derjenigen der anderen unterscheidet.
Im Gläubigen gibt es also die Bedrohung der Ungewissheit, die in Augenblicken der Anfechtung mit einem Mal die Brüchigkeit des Ganzen, das ihm gewöhnlich so selbstverständlich scheint, hart und unversehens in Erscheinung treten lässt. Therese von Lisieux, die liebenswerte, scheinbar so naiv-unproblematische Heilige, war in einem Leben völliger religiöser Geborgenheit aufgewachsen. Ihr Dasein war von Anfang bis Ende so bis ins Kleinste vom Glauben der Kirche geprägt, dass die Welt des Unsichtbaren ein Stück ihres Alltags – nein: ihr Alltag selbst geworden und nahezu greifbar zu sein schien. Für sie war »Religion« wirklich eine selbstverständliche Vorgegebenheit ihres täglichen Daseins, sie ging damit um, wie wir mit den fassbaren Gewöhnlichkeiten unseres Lebens umgehen können. Aber gerade sie, die scheinbar in ungefährdeter Sicherheit Geborgene, hat uns aus den letzten Wochen ihres Todeskampfes erschütternde Geständnisse hinterlassen, so etwa, wenn sie sagt: »Die Gedankengänge der schlimmsten Materialisten drängen sich mir auf«. Ihr Verstand wird bedrängt von allen Argumenten, die es gegen den Glauben gibt. Das Gefühl des Glaubens scheint verschwunden, sie erfährt sich »in die Haut der Sünder« versetzt. Das heißt: In einer scheinbar völlig bruchlos verfugten Welt wird hier jählings einem Menschen der Abgrund sichtbar, der unter dem festen Zusammenhang der tragenden Konventionen lauert – auch für ihn. In einer solchen Situation steht dann nicht mehr dies oder jenes zur Frage, um das man sonst vielleicht streitet – Himmelfahrt Marias oder nicht, Beichte so oder anders –, all das wird völlig sekundär. Es geht dann wirklich um alles oder nichts. Das ist die einzige Alternative, die bleibt, und nirgendwo scheint sich ein Grund anzubieten, auf dem man in diesem jähen Absturz sich dennoch festklammern könnte. Nur noch die bodenlose Tiefe des Nichts ist zu sehen, wohin man auch blickt.
Der französische Schriftsteller Paul Claudel hat in der Eröffnungsszene des »Seidenen Schuhs« diese Situation des Glaubenden in eine große und überzeugende Bildvision gebannt. Ein Jesuitenmissionar, Bruder des Helden Rodrigo, des Weltmanns, des irrenden und ungewissen Abenteurers zwischen Gott und Welt, wird als Schiffbrüchiger dargestellt. Sein Schiff wurde von Seeräubern versenkt, er selbst an einen Balken des gesunkenen Schiffes gebunden, und so treibt er nun an diesem Stück Holz im tosenden Wasser des Ozeans. Mit seinen letzten Worten beginnt das Schauspiel: »Herr, ich danke dir, dass du mich so gefesselt hast. Zuweilen geschah mir, dass ich deine Gebote mühsam fand, und meinen Willen im Angesicht deiner Satzung ratlos, versagend. Doch heute kann ich enger nicht mehr an dich angebunden sein, als ich es bin, und mag ich auch meine Glieder eines um das andere durchgehn, keines kann sich auch nur ein wenig von dir entfernen. Und so bin ich wirklich ans Kreuz geheftet, das Kreuz aber, an dem ich hänge, ist an nichts mehr geheftet. Es treibt auf dem Meere«.
Ans Kreuz geheftet – das Kreuz aber an nichts, treibend über dem Abgrund. Die Situation des Glaubenden von heute könnte man kaum eindringlicher und genauer beschreiben, als es hier geschieht. Nur ein über dem Nichts schwankender, loser Balken scheint ihn zu halten, und es sieht aus, als könnte man den Augenblick errechnen, in dem er versinken muss. Nur ein loser Balken knüpft ihn an Gott, aber freilich, er knüpft ihn unausweichlich, und am Ende weiß er, dass dieses Holz stärker ist als das Nichts, das unter ihm brodelt, das aber dennoch die bedrohende, eigentliche Macht seiner Gegenwart bleibt.
Und dieser schiffbrüchige Jesuit ist nicht allein, sondern in seinem Schicksal ist das Geschick des Bruders mit anwesend, der sich für ungläubig hält, der Gott den Rücken gekehrt hat, weil er als seine Sache nicht das Warten ansieht, sondern »das Besitzen des Erreichbaren …, als könnte er anderswo sein, als Du bist«. Am Ende berührt Rodrigos Geschick dasjenige seines Bruders, indem der Welteroberer als Sklave auf einem Schiff endigt und froh sein muss, wenn eine alte Nonne mit rostigen Bratpfannen und Lumpen auch ihn als wertlose Ware mitnimmt. Wie es dem Glaubenden geschieht, dass er vom Salzwasser des Zweifels gewürgt wird, das ihm der Ozean fortwährend in den Mund spült, so gibt es auch den Zweifel des Ungläubigen an seiner Ungläubigkeit. Er wird der Abgeschlossenheit dessen, was er gesehen hat und als das Ganze erklärt, nie restlos gewiss, sondern bleibt von der Frage bedroht, ob nicht der Glaube dennoch das Wirkliche sei. So wie also der Gläubige sich fortwährend durch den Unglauben bedroht weiß, ihn als seine beständige Versuchung empfinden muss, so bleibt dem Ungläubigen der Glaube Bedrohung und Versuchung seiner scheinbar ein für allemal geschlossenen Welt. Mit einem Wort – es gibt keine Flucht aus dem Dilemma des Menschseins. Wer der Ungewissheit des Glaubens entfliehen will, wird die Ungewissheit des Unglaubens erfahren müssen, der seinerseits doch nie endgültig gewiss sagen kann, ob nicht doch der Glaube die Wahrheit sei.
Vielleicht ist es angebracht, an dieser Stelle eine jüdische Geschichte anzuhören, die Martin Buber aufgezeichnet hat. In ihr kommt das eben geschilderte Dilemma des Menschseins deutlich zur Anschauung. »Einer der Aufklärer, ein sehr gelehrter Mann, der vom Berditschewer gehört hatte, suchte ihn auf, um auch mit ihm, wie er’s gewohnt war, zu disputieren und seine rückständigen Beweisgründe für die Wahrheit seines Glaubens zuschanden zu machen. Als er die Stube des Zaddiks betrat, sah er ihn mit einem Buch in der Hand in begeistertem Nachdenken auf und ab gehen. Des Ankömmlings achtete er nicht. Schließlich blieb er stehen, sah ihn flüchtig an und sagte: ›Vielleicht ist es aber wahr‹. Der Gelehrte nahm vergebens all sein Selbstgefühl zusammen – ihm schlotterten die Knie, so furchtbar war der Zaddik anzusehen, so furchtbar sein schlichter Spruch zu hören. Rabbi Levi Jizchak aber wandte sich ihm nun völlig zu und sprach ihn gelassen an: ›Mein Sohn, die Großen der Thora, mit denen du gestritten hast, haben ihre Worte an dich verschwendet, du hast, als du gingst, darüber gelacht. Sie haben dir Gott und sein Reich nicht auf den Tisch legen können, und auch ich kann es nicht. Aber, mein Sohn, bedenke, vielleicht ist es wahr‹. Der Aufklärer bot seine innerste Kraft zur Entgegnung auf, aber dieses furchtbare ›Vielleicht‹, das ihm da Mal um Mal entgegenscholl, brach seinen Widerstand«.
Hier ist die Situation des Menschen vor der Gottesfrage sehr präzis beschrieben. Niemand kann dem andern Gott und sein Reich auf den Tisch legen, auch der Glaubende sich selbst nicht. Aber wie sehr sich auch der Unglaube dadurch gerechtfertigt fühlen mag, es bleibt ihm die Unheimlichkeit des »Vielleicht ist es doch wahr«. Das »Vielleicht« ist die unentrinnbare Anfechtung, der er sich nicht entziehen kann. Der Glaubende wie der Ungläubige haben, jeder auf seine Weise, am Zweifel und am Glauben Anteil, wenn sie sich nicht vor sich selbst verbergen und vor der Wahrheit ihres Seins. Keiner kann dem Zweifel ganz, keiner dem Glauben ganz entrinnen. Für den einen wird der Glaube gegen den Zweifel anwesend, für den andern durch den Zweifel und in der Form des Zweifels. Es ist die Grundgestalt menschlichen Geschicks, nur in dieser Rivalität von Zweifel und Glaube, von Anfechtung und Gewissheit die Endgültigkeit seines Daseins finden zu dürfen. Vielleicht könnte so gerade der Zweifel, der den einen wie den anderen vor der Verschließung im bloß Eigenen bewahrt, zum Ort der Kommunikation werden. Er hindert beide daran, sich völlig in sich selbst zu runden, er bricht den Glaubenden auf den Zweifelnden und den Zweifelnden auf den Glaubenden hin auf.
I. »Ich glaube … Amen« — Was ist das Besondere des christlichen Glaubens?
M. L.: »All so was kann man doch heute nicht mehr glauben!«, wird wohl mancher Zeitgenosse sagen. »Doch!«, antwortet Ratzinger, und so wird es in diesem Buch nicht um ein »Glaubensmuseum« gehen, sondern darum, ob und wie ein moderner Mensch heute noch glauben kann. Man ist gespannt, ob Joseph Ratzinger das gelingen wird …
1. Christentum als Glaube — Verwirklichungen
M. L.: Warum Glaube nicht dasselbe wie Religion ist …
Die Grundfrage einer Einführung ins Christentum kann von uns angesichts unseres Geschichtsbewusstseins nur noch in der Form gestellt werden: Was bedeutet das christliche Bekenntnis »Ich glaube« heute?
Das »Apostolische Glaubensbekenntnis«, das von seinem Ursprung her Einführung ins Christentum und Zusammenfassung seiner wesentlichen Inhalte sein will, beginnt mit den Worten »Ich glaube …«. Meist setzen wir voraus, dass »Religion« und »Glaube« allemal das Gleiche seien und jede Religion daher ebenso gut als »Glaube« bezeichnet werden könne. Das trifft aber tatsächlich nur in begrenztem Maße zu. Vielfach benennen sich die anderen Religionen anders und setzen damit andere Schwerpunkte. Das Alte Testament hat sich als Ganzes nicht unter dem Begriff »Glaube«, sondern unter dem Begriff »Gesetz« beschrieben. Es ist primär eine Lebensordnung, in der freilich dann der Akt des Glaubens immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die römische Religiosität wiederum hat unter religio vorwiegend das Einhalten bestimmter ritueller Formen und Gepflogenheiten verstanden. Für sie ist nicht entscheidend, dass ein Glaubensakt an Übernatürliches gesetzt wird. Er kann sogar völlig fehlen, ohne dass man dieser Religion untreu wird. Da sie wesentlich ein System von Riten ist, ist deren sorgfältige Beobachtung für sie das eigentlich Entscheidende. Es versteht sich also nicht von selbst, dass das Christsein sich zentral in dem Wort »Credo«, ich glaube, ausdrückt. Aber welche Einstellung ist eigentlich gemeint mit diesem Wort und wie kommt es, dass es uns immer wieder fast unmöglich erscheint, unser heutiges Ich mit jenem von Generationen vorgeprägten Ich des »Ich glaube« zu identifizieren?
a. Wie macht man das, glauben? — Eine Gebrauchsanweisung
M. L.: Man kann noch so gescheit sein, noch so viel wissen, wenn man nur das Sichtbare wahrnimmt, sich nicht vom unsichtbaren Ganzen der Wirklichkeit rühren lässt, wenn man nicht innerlich umkehrt und eine neue Perspektive einnimmt, kann man nicht zum Glauben kommen. Insofern geht glauben natürlich mit und ohne Abitur …
Machen wir uns nichts vor: Das schematische Ich des Glaubensbekenntnisses in Fleisch und Blut des persönlichen Ich umzuwandeln, das war schon immer eine aufregende und schier unmöglich scheinende Sache. Dabei ist nicht selten, statt das Schema mit Fleisch und Blut zu füllen, das Ich in ein Schema umgewandelt worden. Und wenn wir heute als Glaubende in unserer Zeit vielleicht ein wenig neidisch sagen hören, im Mittelalter sei man in unseren Landen ausnahmslos gläubig gewesen, dann tut es gut, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, wie ihn uns die historische Forschung heute gestattet. Sie kann uns darüber belehren, dass es auch damals schon die große Schar der Mitläufer gab und die verhältnismäßig geringe Zahl der wirklich in die innere Bewegung des Glaubens Eingetretenen. Sie kann uns zeigen, dass für viele der Glaube doch nur ein vorgefundenes System von Lebensformen war, durch das für sie das aufregende Abenteuer, welches das Wort »Credo« eigentlich meint, wenigstens ebenso sehr verdeckt wie eröffnet wurde. Das alles einfach deshalb, weil es zwischen Gott und Mensch eine unendliche Kluft gibt, weil der Mensch so beschaffen ist, dass seine Augen nur das zu sehen vermögen, was Gott nicht ist, und daher Gott der für den Menschen Unsichtbare, außerhalb seines Sehfeldes Liegende ist. Gott ist unsichtbar – diese Grundaussage biblischen Gottesglaubens im Nein zur Sichtbarkeit der Götter ist zuerst eine Aussage über den Menschen: Der Mensch ist das schauende Wesen, dem der Raum seiner Existenz durch den Raum seines Sehens und Greifens abgesteckt scheint. Aber in diesem Raum seines Sehens und Greifens kommt Gott nicht vor und wird er nie vorkommen, wie sehr auch immer dieser Raum ausgeweitet werden mag.
Das Wörtchen »Credo« bedeutet, dass der Mensch den Raum seiner Welt nicht mit dem, was er sehen und greifen kann, abgesteckt ansieht, sondern eine zweite Form von Zugang zum Wirklichen sucht, die er eben Glauben nennt, und darin sogar die entscheidende Eröffnung seiner Weltsicht überhaupt findet. Wenn es aber so ist, dann meint das Wörtchen Credo nicht ein Feststellen von dem und jenem, sondern es drückt aus, wie ich mich zum Sein, zur Existenz, zum Eigenen und zum Ganzen des Wirklichen verhalte. Dieses »ich glaube« bedeutet die Überzeugung, dass das nicht zu Sehende, das auf keine Weise ins Blickfeld rücken kann, nicht das Unwirkliche ist, sondern dass – im Gegenteil – das nicht zu Sehende sogar das eigentlich Wirkliche, das alle übrige Wirklichkeit Tragende und Ermöglichende darstellt. Glauben bedeutet die Entscheidung dafür, dass im Innersten der menschlichen Existenz ein Punkt ist, der nicht aus dem Sichtbaren und Greifbaren gespeist und getragen werden kann, sondern an das nicht zu Sehende stößt, sodass es ihm berührbar wird und sich als eine Notwendigkeit für seine Existenz erweist.
Solche Haltung ist freilich nur zu erreichen durch das, was die Sprache der Bibel »Umkehr«, »Be-kehrung« nennt. Das natürliche Schwergewicht des Menschen treibt ihn zum Sichtbaren, zu dem, was er in die Hand nehmen und greifen kann. Er muss sich innerlich herumwenden, um zu sehen, wie sehr er sein Eigentliches versäumt, indem er sich solchermaßen von seinem natürlichen Schwergewicht ziehen lässt. Er muss sich herumwenden, um zu erkennen, wie blind er ist, wenn er nur dem traut, was seine Augen sehen. Ohne diese Wende der Existenz gibt es keinen Glauben. Der Glaube ist die Be-kehrung, in der der Mensch entdeckt, dass er einer Illusion folgt, wenn er sich dem Greifbaren allein verschreibt. Dies ist zugleich der tiefste Grund, warum Glaube nicht vorzeigbar ist: Er ist eine Wende des Seins, und nur wer sich wendet, empfängt ihn. Und weil unser Schwergewicht nicht aufhört, uns in eine andere Richtung zu weisen, deshalb bleibt er als Wende täglich neu, und nur in einer lebenslangen Bekehrung können wir fühlen, was es heißt, zu sagen: Ich glaube.
Immer schon hat Glaube etwas von einem abenteuerlichen Bruch und Sprung an sich, weil er zu jeder Zeit das Wagnis darstellt, das nicht zu Sehende als das eigentlich Wirkliche anzunehmen. Nie war Glaube daher einfach die dem menschlichen Dasein von selbst zu-fallende Einstellung, immer schon war er eine die Tiefe der Existenz anfordernde Entscheidung, die ein Sichherumwenden des Menschen forderte, das nur im Entschluss erreichbar ist.
b. Der christliche Skandal — Vom Traum eines Staubkorns
M. L.: Sind Christen Traumtänzer, wenn sie glauben, dass auf dieser winzigen Erde im gewaltigen Weltall ein einziger Mensch, der vor 2000 Jahren gelebt hat, der Erlöser der Welt ist — oder sind nicht vielleicht die Menschen beschränkt, für die die Welt nur das ist, was messbar ist?
Zur Kluft von »Sichtbar« und »Unsichtbar« kommt für uns erschwerend diejenige von »Damals« und »Heute« hinzu. Alle Modernisierungen eines Glaubens, der im Gewand des Damaligen auftritt, ob sie sich nun »Entmythologisierung« oder »Aggiornamento« nennen, ändern das nicht, im Gegenteil: Diese Bemühungen verstärken den Verdacht, hier werde krampfhaft als zeitgemäß ausgegeben, was in Wirklichkeit doch eben »von gestern« ist. Dadurch erscheint der Glaube so gar nicht mehr als der zwar verwegene, aber doch die Großmut des Menschen herausfordernde Sprung aus dem scheinbaren Alles unserer Sichtbarkeitswelt in das scheinbare Nichts des Unsichtbaren und Ungreifbaren. Er erscheint uns viel eher als die Zumutung, sich als heutiger Mensch auf das Gestrige zu verpflichten und es als das immerwährend Gültige zu beschwören. Aber wer will das schon in einer Zeit, in der an die Stelle des Gedankens der »Tradition« die Idee des »Fortschrittes« getreten ist?
Der Begriff »Tradition« umschrieb ein prägendes Programm, sie erschien als das Bergende, worauf der Mensch sich verlassen kann. Er durfte sich dann sicher und am rechten Orte glauben, wenn er sich auf Tradition berufen konnte. Heute waltet genau das entgegengesetzte Gefühl: Tradition erscheint als das Abgetane, das bloß Gestrige, der Fortschritt aber als die eigentliche Verheißung des Seins, sodass der Mensch sich nicht am Ort der Tradition, der Vergangenheit, sondern im Raum des Fortschritts und der Zukunft ansiedelt. Auch von da her muss ihm ein Glaube, der ihm unter dem Etikett der ›Tradition‹ begegnet, als etwas Überwundenes erscheinen.
In gewissem Sinne wird hier erst die Eigenart des christlichen Skandals greifbar, nämlich das, was man den christlichen Positivismus nennen könnte. Ich meine damit Folgendes: Christlicher Glaube hat es gar nicht bloß, wie man zunächst bei der Rede vom Glauben vermuten möchte, mit dem Ewigen zu tun, das als das ganz Andere völlig außerhalb der menschlichen Welt und der Zeit verbliebe. Er hat es vielmehr mit dem Gott in der Geschichte zu tun, mit Gott als Menschen. Indem er so die Kluft von ewig und zeitlich, von sichtbar und unsichtbar zu überbrücken scheint, indem christlicher Glaube uns Gott als einem Menschen begegnen lässt, dem Ewigen als dem Zeitlichen, als einem von uns, weiß er sich als Offenbarung. Der Anspruch des christlichen Glaubens, Offenbarung zu sein, gründet ja darin, dass er sozusagen das Ewige hereingeholt hat in unsere Welt: »Was niemand je gesehen hat – der hat es uns ausgelegt, der an der Brust des Vaters ruht« (Jo 1,18) Jesus hat Gott herausgeführt aus sich selbst, oder, wie es der 1. Johannesbrief noch drastischer sagt, ihn unserem Anschauen und unserem Betasten freigegeben, sodass der, den nie jemand gesehen hat, nun unserem geschichtlichen Berühren offen steht.
Im ersten Augenblick scheint das wirklich das Höchstmaß von Offenbarung, von Offenlegung Gottes zu sein. Der Sprung des Glaubens, der bisher ins Unendliche führte, scheint auf eine menschlich mögliche Größenordnung verkürzt, indem wir nur noch die paar Schritte zu jenem Menschen in Palästina zu gehen brauchen, in dem uns Gott selber entgegentritt. Aber was zunächst die radikalste Offenbarung zu sein scheint und in gewissem Maß in der Tat für immer die Offenbarung bleibt, das ist doch im selben Augenblick die äußerste Verdunklung und Verhüllung. Was Gott uns zunächst ganz nahe zu bringen scheint, sodass wir ihn als Mitmenschen anrühren können, seinen Fußspuren zu folgen, sie förmlich nachzumessen vermögen, eben das ist in einem sehr tiefen Sinne zur Voraussetzung für den ›Tod Gottes‹ geworden, der fortan den Gang der Geschichte und das menschliche Gottesverhältnis unwiderruflich prägt. Gott ist uns so nahe geworden, dass wir ihn töten können und dass er darin, wie es scheint, aufhört, Gott für uns zu sein. So stehen wir heute ein wenig fassungslos vor dieser christlichen »Offenbarung« und fragen uns vor ihr, besonders wenn wir sie mit der Religiosität Asiens konfrontieren, ob es nicht doch viel einfacher gewesen wäre, an das Verborgen-Ewige zu glauben, sich sinnend und sehnend ihm anzuvertrauen. Ob uns Gott nicht besser in der unendlichen Distanz gelassen hätte. Ob es nicht wirklich einfacher wäre, im Aufstieg aus allem Weltlichen in ruhiger Beschauung das ewig unfassbare Geheimnis zu vernehmen, als sich dem Positivismus des Glaubens an eine einzige Gestalt auszuliefern und auf der Nadelspitze dieses einen Zufallspunktes das Heil des Menschen und der Welt anzusiedeln. Muss dieser auf einen Punkt hin verengte Gott nicht definitiv sterben in einem Weltbild, das den Menschen und seine Geschichte unnachsichtig relativiert zu einem winzigen Staubkorn im All? Einem Staubkorn, das nur in der Naivität seiner Kinderjahre sich als die Mitte des Universums ansehen konnte, aber nun, den Kinderjahren entwachsen, endlich den Mut haben sollte, vom Schlaf aufzuwachen, sich die Augen zu reiben und jenen törichten Traum, wie schön er auch war, abzuschütteln und sich fraglos dem gewaltigen Zusammenhang einzufügen, in den unser winziges Leben hineinverwiesen ist, das gerade im Annehmen seiner Winzigkeit auf neue Weise Sinn finden sollte?
Erst indem wir die Frage so zuspitzen und auf diese Weise in den Blick bekommen, dass hinter dem Skandal von »damals« und »heute« das viel tiefere Ärgernis des christlichen »Positivismus« steht, die »Einengung« Gottes auf einen Punkt der Geschichte hin, erst damit sind wir bei der ganzen Tiefe der christlichen Glaubensfrage angelangt, wie sie heute bestanden werden muss. Können wir überhaupt noch glauben? Nein, wir müssen radikaler fragen: Dürfen wir es noch, oder gibt es nicht eine Pflicht, mit dem Traum zu brechen und sich der Wirklichkeit zu stellen? Wenn wir versuchen, in dieser Weise das Fragen des andern anzunehmen, dann werden wir umgekehrt das Recht haben, festzustellen, dass hier eine Gegenfrage aufsteht. Wir sind heute von vornherein geneigt, einfach das greifbar Vorhandene, das »Nachweisbare«, als das eigentlich Wirkliche zu unterstellen. Aber darf man das eigentlich? Müssen wir nicht doch sorgfältiger fragen, was das in Wahrheit ist, »das Wirkliche«? Ist es nur das Festgestellte und Feststellbare, oder ist vielleicht das Feststellen doch nur eine bestimmte Weise, sich zur Wirklichkeit zu verhalten, die keineswegs das Ganze erfassen kann und die sogar zur Verfälschung der Wahrheit und des Menschseins führt, wenn wir sie als das allein Bestimmende annehmen?
2. Wie die Wahrheit abhandenkam — Eine kleine Geschichte des Geistes
M. L.: Aber was kann die Wissenschaft eigentlich wirklich erkennen? Die »Wahrheit« wohl nicht …
Wenn wir den Weg des menschlichen Geistes überblicken, soweit er sich unserem Auge darbietet, werden wir feststellen, dass es in den verschiedenen Perioden der Entfaltung dieses Geistes verschiedene Sichtweisen der Wirklichkeit gibt, etwa die magische Grundorientierung oder die philosophisch-metaphysische oder schließlich heute die wissenschaftliche, insbesondere die naturwissenschaftliche. Jede dieser menschlichen Grundorientierungen hat auf ihre Weise mit dem Glauben zu tun, und jede steht ihm auch auf ihre Weise im Weg. Keine deckt sich mit ihm, aber auch keine ist einfach neutral zu ihm. Jede kann ihm dienen, und jede kann ihn hindern. Für unsere heutige wissenschaftsbestimmte Grundeinstellung, die unser aller Daseinsgefühl prägt, ist die Beschränkung auf die Phänomene kennzeichnend, auf das Erscheinende und in den Griff zu Nehmende. Wir haben es aufgegeben, das verborgene Ansich der Dinge zu suchen, in das Wesen des Seins selbst hinabzuloten. So etwas zu tun erscheint uns als fruchtloser Versuch, die Tiefe des Seins gilt uns als letztlich unerreichbar. Wir haben uns auf das Sehbare im weitesten Sinn eingestellt, auf das, was unserem messenden Zugriff fassbar ist. Die Methodik der Naturwissenschaft beruht auf dieser Beschränkung auf das Erscheinende. Es genügt uns. Mit ihm können wir hantieren und so uns selbst jene Welt erschaffen, in der wir als Menschen zu leben vermögen. Damit hat sich im neuzeitlichen Denken allmählich ein neuer Begriff von Wahrheit und Wirklichkeit herausgebildet, der meistens unbewusst als die Voraussetzung unseres Denkens waltet, der aber auch seinerseits der Prüfung des Bewusstseins ausgesetzt werden muss.
a. Wie Ciceros Dienstmädchen Karriere machte — Geschichte als neue Wahrheit
M. L.: Hier kann man lernen, warum die schönen Stadtteile des 19. Jahrhunderts, die den Bombenkrieg überlebt haben, wie ein Sammelsurium aus historischen Kunststilen aller Zeiten wirken. Denn Geschichte, das, was Menschen gemacht haben, das galt damals als die edelste Erkenntnis. Doch dieser Hype währte nicht lange.
Wenn wir zu erkennen versuchen, wie es zu der eben geschilderten Einstellung kam, werden wir wohl zwei Stadien des geistigen Umbruchs feststellen können. Das erste, vom französischen Philosophen René Descartes vorbereitet, erhält seine Gestaltung bei Immanuel Kant und vorher schon bei dem italienischen Philosophen Giambattista Vico (1688–1744). Jener hat wohl als Erster die typische Formel des neuzeitlichen Geistes hinsichtlich der Wahrheits- und Wirklichkeitsfrage geprägt. Der mittelalterlich-scholastischen Gleichung »Verum est ens – das Sein ist die Wahrheit« – stellt er seine Formel entgegen: »Verum quia factum«. Das will sagen: Als wahr erkennbar ist für uns nur das, was wir selbst gemacht haben. Die Revolution des modernen Denkens gegenüber allem Vorangegangenen ist hier mit einer geradezu unnachahmlichen Präzision gegenwärtig. Für Antike und Mittelalter ist das Sein selbst wahr, das heißt erkennbar, weil Gott, der Intellekt schlechthin, es gemacht hat. Er hat es aber gemacht, indem er es gedacht hat. Denken und Machen sind dem schöpferischen Urgeist, dem Creator Spiritus, eins. Sein Denken ist ein Erschaffen. Die Dinge sind, weil sie gedacht sind. Für die antike und mittelalterliche Sicht ist daher alles Sein Gedachtsein, Gedanke des absoluten Geistes. Das bedeutet umgekehrt: Da alles Sein Gedanke ist, ist alles Sein Sinn, »Logos«, Wahrheit. Menschliches Denken ist von da aus Nach-Denken des Seins selbst, Nachdenken des Gedankens, der das Sein selber ist. Der Mensch aber kann dem Sinn des Seins nachdenken, weil seine eigene Vernunft Gedanke des Urgedankens ist, des Schöpfergeistes, der das Sein durchwaltet.
Demgegenüber erscheint für Antike und Mittelalter das Werk des Menschen als das Zufällige und Vorübergehende. Das Sein ist Gedanke, daher denkbar, Gegenstand des Denkens und der Wissenschaft, die nach Weisheit strebt. Das Werk des Menschen hingegen ist das aus Logos und Unlogik Vermischte, das überdies mit der Zeit in die Vergangenheit absinkt. Es lässt keine volle Verstehbarkeit zu, denn es fehlt ihm an Gegenwart, die Voraussetzung des Schauens ist, und es fehlt ihm an Logos, an durchgehender Sinnhaftigkeit. Aus diesem Grunde war der antike und mittelalterliche Wissenschaftsbetrieb der Ansicht, dass das Wissen von den menschlichen Dingen nur »Techne«, handwerkliches Können, aber nie wirkliches Erkennen und daher nie wirkliche Wissenschaft sein könne. Deshalb blieben in der mittelalterlichen Universität die artes, die Künste, nur die Vorstufe der eigentlichen Wissenschaft, die dem Sein selbst nachdenkt. Man kann diesen Standpunkt noch bei Descartes am Anfang der Neuzeit deutlich festgehalten finden, wenn er ausdrücklich den Wissenschaftscharakter der Historie bestreitet. Der Historiker, der die alte römische Geschichte zu kennen vorgebe, wisse schließlich weniger von ihr, als ein Koch in Rom wusste, und Latein zu verstehen bedeute, nicht mehr zu können, als was auch Ciceros Dienstmädchen konnte. Rund 100 Jahre später wird Vico den Wahrheitskanon des Mittelalters, der sich hier noch einmal ausdrückte, regelrecht auf den Kopf stellen und damit die grundlegende Wende des neuzeitlichen Geistes zum Ausdruck bringen. Nun erst beginnt jene Einstellung, die das »wissenschaftliche« Zeitalter heraufführt, in dessen Entfaltung wir noch immer stehen.
Für Descartes erscheint also noch einzig die von den Unsicherheiten des Tatsächlichen gereinigte, rein formale Vernunftgewissheit als wirkliche Gewissheit. Die Wende zur Neuzeit kündigt sich immerhin an, wenn er diese Vernunftgewissheit wesentlich vom Modell der mathematischen Gewissheit her versteht, Mathematik zur Grundform alles vernünftigen Denkens erhebt. Während aber hier die Tatsachen noch ausgeklammert werden müssen, wenn man Sicherheit will, stellt Vico die genau umgekehrte These auf. Formal im Anschluss an Aristoteles erklärt er, dass wirkliches Wissen ein Wissen der Ursachen sei. Ich kenne eine Sache, wenn ich ihre Ursache kenne. Das Begründete verstehe ich, wenn ich den Grund weiß. Aber aus diesem alten Gedanken wird etwas durchaus Neues gefolgert: Wenn zu wirklichem Wissen das Wissen der Ursachen gehört, dann können wir nur das