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Die Schlacht um Budapest, auch als "Stalingrad an der Donau" bezeichnet, war eine der blutigsten Kesselschlachten im Zweiten Weltkrieg. Rund 165.000 Menschen fanden den Tod. Die ungarische Hauptstadt wurde komplett zerstört. Neben den 800.000 Zivilisten trotzten ab November 1944 rund 70.000 ungarische und deutsche Verteidiger einer sowjetischen Übermacht von 156.000 Soldaten. Bis zur Kapitulation der deutschen und ungarischen Truppen im Februar 1945 wurde um jede Straße und jedes Haus gnadenlos gekämpft. Neben den Eckdaten zur Schlacht wird auch über die 8. SS-Kavallerie-Division "Florian Geyer" berichtet, die während der 102 Tage andauernden Belagerung Budapests vernichtet wurde. Acht Original-Fotos tragen zur Veranschaulichung bei. Der Romanteil dieses Buches widmet sich dem Untergang der "Florian Geyer" aus der Sicht eines Unterscharführers der Waffen-SS.
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Seitenzahl: 160
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Vorwort
Daten
Roman
Glossar zum Roman
Waffenvorstellung in Stichpunkten
Bildtafel
Quellen- und Literaturverzeichnis, Buchtipps
Man ist für das verantwortlich was man tut, aber auch für das, was man nicht tut.
Im stillen Gedenken an alle Opfer dieser schrecklichen Zeit.
Am 1. November 1944 erreichte das Gros der 8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“ den äußeren östlichen Verteidigungsgürtel von Budapest. Mit dem nur zwei Tage später eingeleiteten sowjetischen Großangriff auf die ungarische Metropole begann eine der längsten und blutigsten Stadtbelagerungen des Zweiten Weltkriegs. Sie sollte 102 Tage andauern, und kostete mehr als 120.000 Menschen das Leben.
Adolf Hitler erklärte die Stadt per Führerbefehl zur Festung. Obwohl Budapest Weihnachten 1944 komplett eingekesselt und die Versorgung der deutsch-ungarischen Truppen mehr als desolat war, tobten in den Trümmern und Ruinen der sterbenden Stadt weiterhin erbitterte Kämpfe. Rotarmisten, deutsche Landser und ungarische Soldaten rangen erbarmungslos um jede Straße und jedes Haus.
Eine der kampfstärksten Einheiten im Budapester Kessel war die 8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“. Sie war anfangs am äußeren Verteidigungsring im Osten der Stadt eingesetzt, wurde aber nach der Kesselbildung in den Westteil Budapests beordert.
Aufgrund der massiven feindlichen Übermacht, sowie des eklatanten Versorgungsengpasses, wagten die Eingeschlossenen im Februar 1945 einen waghalsigen Ausbruch. Der Befehl hierzu wurde aus militärischer Sicht viel zu spät erteilt, denn die Rote Armee belagerte die Stadt zu diesem Zeitpunkt beinah lückenlos. Das Ausbruchsunterfangen endete in einem schrecklichen Blutbad. Tausende Soldaten starben. Nur einigen Hundert Männern gelang es den Belagerungsring zu durchbrechen und die eigenen Linien zu erreichen.
In der Schlacht um Budapest wurde die 8. SS-Kavallerie-Division, die erst seit März 1944 den Ehrennamen „Florian Geyer“ trug, vernichtet.
Im Sommer 1942 wurde die SS-Kavallerie-Brigade (Kommando: SS-Gruppenführer Hermann Fegelein) zum Truppenübungsplatz Heidelager in Debica/Polen verlegt. Dort stockte man sie vornehmlich mit sog. Volksdeutschen zur SS-Kavallerie-Division auf.
Den Beinamen (Ehrenbezeichnung) „Florian Geyer“ erhielt die Division im Frühjahr 1944.
Die SS-Kavallerie-Division wurde ausschließlich an der Ostfront im Krieg gegen die Sowjetunion eingesetzt.
Dienstgrade der Waffen-SS gegenüber der Wehrmacht:
Es war bei offiziellen Anlässen geläufig auf Generalsebene den Rang doppelt zu nennen: z.B. „SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS“
SS-Kavallerie-Regiment 15
SS-Kavallerie-Regiment 16
SS-Kavallerie-Regiment 18
SS-Aufklärungs-Abteilung 8
SS-Artillerie-Regiment 8
SS-Flak-Regiment 8
SS-Panzerjäger-Abteilung 8 (die SS-StuG-Abteilung 8 wurde im Frühjahr 1944 in die Panzerjäger-Abteilung 8 eingegliedert)
SS-Pionier-Bataillon 8
SS-Nachrichten-Abteilung 8
SS-Feldersatz-Bataillon 8
SS-Sanitäts-Abteilung 8
SS-Veterinär-Kompanie 8
SS-Wirtschafts-Bataillon 8
Einsatzgebiet: ausschließlich Ostfront
Okt. bis. Dez.
Heeresgruppe Mitte: Raum Smolensk und Rshew
Bereitstellung zum Angriff gegen durchgebrochene Feindkräfte
Abwehrkämpfe
Sicherung der Westflanke angreifender Panzer-Divisionen
Jan. bis März
Heeresgruppe Mitte: Raum Rshew und Orel
Einsatz gegen versprengte Feindkräfte
April bis Mai
Auffrischung
Juni
Partisanenbekämpfung Raum Ukraine
Juli bis November
Heeresgruppe Süd: Raum Dnjepr
Rückzugskämpfe, Abwehrkämpfe und Bandenbekämpfung
November – Dezember
Besetzung Ungarns
„Unternehmen Margarethe“
Januar
Besetzung Ungarns
Februar – August
Neuaufstellung in Esseg/Kroatien
(endgültige Bezeichnung: 8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“
September- November
Heeresgruppe Süd, bzw. Südukraine: Einsatzraum Siebenbürgen
Rückzugs- und Abwehrkämpfe
ab November bis Februar 1945 (Vernichtung)
Einsatzraum Budapest
Hier muss man berücksichtigen, dass die 8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“ aus den aufgeriebenen Resten der SS-Kavallerie-Brigade hervorging.
Der SS-Kavallerie-Brigade werden zahlreiche Kriegsverbrechen aus dem Jahr 1941 zur Last gelegt. Insbesondere wurden diese während der sog. „Bandenbekämpfung“, hauptsächlich im Gebiet der schwer zugänglichen Pripjet-Sümpfe, begangen. So wurden allein im August 1941 rund 14.000 ermordete Juden gemeldet. Bis zum Jahresende 1941 stieg die Zahl der Opfer auf etwa 40.000 Menschen jüdischen Glaubens an.
Das Kommando führte während dieser Zeit SS-Standartenführer Hermann Fegelein, der für seine Kriegsverbrechen nie zur Rechenschaft gezogen wurde.
Bundesarchiv, Signatur: Bild 146-1992-014-35A, Foto: ohne Angaben.
Hermann Fegelein in Uniform eines Standartenführers der Waffen-SS mit Ritterkreuz. ca. 1942
Fegelein war der Ehemann von Margarete Braun, Eva Brauns Schwester, und gehörte somit zum näheren Umfeld von Adolf Hitler. In den letzten Kriegstagen fiel er bei Adolf Hitler in Ungnade, wurde im Schnellverfahren durch ein hastig aufgestelltes Militärgericht wegen Fahnenflucht zu Tode verurteilt und unmittelbar darauf, am 29. April 1945, erschossen.
Auch der SS-Brigadeführer Gustav Lombard war an den o.g. Kriegsverbrechen beteiligt. Im Juli 1941 befehligte er bei der „Bandenbekämpfung in den Pripjet-Sümpfen“ als SS-Sturmbannführer dort eingesetzte Kavallerie-Kräfte.
Bundesarchiv, Signatur: Bild 183-J12804, Foto: Fritsch, F.
Ritterkreuzträger SS-Standartenführer Gustav Lombard erhielt das Ritterkreuz als Rgts.-Kdr. in der Kav.-Divis. der Waffen-SS am 15.3.43. Scherl P.K. Fritsch
Während seiner sowjetischen Kriegsgefangenschaft wurde Lombard wegen Vergewaltigung und Ermordung einer Russin, sowie der Erschießung von Partisanen durch das von ihm befehligte Regiment, zu 25 Jahren Haft verurteilt. Er kam jedoch aufgrund einer Amnestie 1955 frei. Ein Verfahren bezüglich Lombards Beteiligung an der Vernichtung der im Pripjetgebiet lebenden Juden wurde im Dezember 1970 aufgrund des damals gültigen deutschen Strafrechts eingestellt.
Zeitraum der Kämpfe:
29.10.1944 bis 13.02.1945
Belagerungszeit:
102 Tage
hiervon Kessel:
51 Tage
Verteidiger
Ungarische Truppen:
Befehlshaber:
General Ivan Hindy
3. ungarische Armee mit einer Truppenstärke von ca. 37.000 Soldaten, darunter u.a.
10. Infanterie-Division
Alarmbataillon „Vannay“
Universitäts-Sturmbataillon
1. Panzer-Division
Deutsche Truppen:
Befehlshaber:
SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Karl Pfeffer-Wildenbruch
Truppenstärke: etwa 33.000 Soldaten darunter u.a.:
8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“
22. SS-Freiwilligen-Kavallerie-Division “Maria Theresia“
Panzer-Grenadier-Division „Feldherrnhalle“
503. Schwere Panzer-Abteilung (Panzerkorps Feldherrnhalle)
271. Volks-Grenadier-Division
IX. Waffen-Gebirgs-Armeekorps der SS
13. Panzer-Division
17. Flak-Brigade
Angreifer
Sowjetische Truppen (mit verbündeten ungarischen und rumänischen Einheiten):
Befehlshaber:
Marschall Rodion Malinowski
( 2. Ukrainische Front) und
Befehlshaber:
Marschall Fjodor Tolbuchin
(3. Ukrainische Front)
Truppenstärke: etwa 156.000 Soldaten
Kräfteverhältnis Verteidiger vs. Angreifer:
Soldaten:
1 : 2
Panzer und Geschütze:
1 : 5
Gefallene während der Kesselschlacht: 80.000 Rotarmisten
17.000 ungarische Soldaten
30.000 deutsche Soldaten
38.000 Zivilisten
Die o.g. Zahlen werden von Historikern als realistisch bezeichnet, wobei einige Quellen von weit mehr Todesopfern sprechen. So beziffert der ungarische Wissenschaftler Krist ián Ungváry in seinem Buch: Die Schlacht um Budapest 1944/45 (erschienen 1999 im Herbig Verlag München, ISBN: 3-7766-2120-6, Kapitel V. Belagerung und Bevölkerung, Seite 450) die Gesamtverluste der Budapester Bevölkerung während der Kämpfe um die Stadt auf etwa 76.000 Opfer.
Während der Belagerung Budapests wurden von Angehörigen der antisemitischen Partei der Pfeilkreuzler tausende Zivilisten jüdischen Glaubens hingerichtet. Das Martyrium vieler Juden endete am Ufer der Donau. Sie wurden dort erschossen und in den eisigen Strom geworfen.
Ihnen zum Gedenken wurde von dem Künstler Gyula Pauer südlich des ungarischen Parlaments, am unteren Donaukai, ein Holocaust-Mahnmal errichtet. Auf einer Länge von 40 Metern wurden zum Andenken an die Opfer dieser Gräueltaten sechzig Paar metallene Schuhe gereiht.
Der in Budapest lebende schwedische Diplomat Raoul Wallenberg rettete vielen jüdischen Ungarn das Leben, indem er falsche schwedische Schutzpässe ausstellte. Als Wallenberg von der geplanten Vernichtung des jüdischen Ghettos erfuhr, wandte er sich an den Befehlshaber der deutschen Streitkräfte im Stadtteil Pest, General der Wehrmacht Gerhard Schmidhuber und bat diesen um Hilfe. Aus Furcht bei Untätigkeit nach dem Krieg als Kriegsverbrecher angeschuldigt zu werden, verbot Schmidhuber die Aktion (von der er keine Kenntnis hatte und sich auch distanzierte), ließ die Verantwortlichen (Ungarn und Deutsche) antreten und teils festsetzen (Haft). Zusätzlich sandte er zur Durchsetzung seines Befehls Wehrmachtstruppen ins Ghetto und verhinderte damit den geplanten Pogrom.
Das allgemeine jüdische Ghetto wurde einen Tag später, beinahe kampflos, von der Roten Armee eingenommen. Etwa 70.000 Juden hatten überlebt.
Raoul Wallenberg wurde nach der Eroberung Budapests durch die Rote Armee von Sowjettruppen inhaftiert, da man ihn verdächtigte für die Amerikaner als Spion tätig zu sein. Der Schwede starb 1947 in sowjetischer Gefangenschaft.
Weiterhin wurden während der Kämpfe um Budapest 50.000 jüdische Männer dem deutschen Arbeitsdienst überstellt. Rund die Hälfte von ihnen überlebte die Einsätze (Schanzarbeiten und/oder Deportation nach Deutschland) nicht.
Bundesarchiv, Signatur: Bild 101I-680-8285A-25, Foto: Faupel
Budapest - ungarische und deutsche Soldaten treiben verhaftete Juden ins Stadttheater, 20./22. Oktober 1944; Einsatz Kompanie Lw zbV
Für die Budapester Bevölkerung änderte sich nach der Befreiung durch die Rote Armee nicht viel. Die humanitäre Hilfe hielt sich in Grenzen. Plünderungen standen an der Tagesordnung. Hierbei gingen die Rotarmisten teilweise äußerst brutal vor. Es kam u.a. auch zu Erschießungen von ganzen Familien.
Zudem wurden rund 70 % aller weiblichen Bewohner Budapests, die sich im Alter zwischen 10 und 70 Jahren befanden, vergewaltigt. Als Folge hiervon breiteten sich rapide Geschlechtskrankheiten aus.
Wahllos wurden Männer zu Zwangsarbeiten verpflichtet. Anfangs mussten die seit Tagen herumliegenden Leichen tausender gefallener Soldaten beseitigt werden, später verschleppte die Rote Armee rund 50.000 Ungarn nach Russland.
Ebenso rücksichtslos wurde mit deutschen und ungarischen Kriegsgefangenen umgegangen. Kranke und marschunfähige Soldaten stellten für die Rote Armee eine Last dar. Sie wurden sofort hingerichtet. In der Regel erschoss man sie an Ort und Stelle, es kam aber auch vor, dass die wehrlosen Opfer bei lebendigem Leib von Panzern überrollt wurden.
Täglich fanden willkürliche Hinrichtungen sowohl von Angehörigen der Waffen-SS, als auch von russischen Hilfswilligen statt, die als Landesverräter angesehenen wurden.
Beim berüchtigten Todesmarsch der Gefangenen von Budapest nach Baja wurde jeder Kriegsgefangene, der den Marschtritt nicht mithalten konnte und aus der Reihe fiel, unverzüglich erschossen.
Erzählt wird die Geschichte eines Unterscharführers, der in den Trümmern von Budapest den Untergang der 8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“ miterlebte.
Bis auf historische Persönlichkeiten, sind alle Personen/Namen frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig.
Es wurde bereits dunkel, als sie ihren neuen Einsatzraum erreichten. Vor den Nüstern der Pferde tanzten mit jedem Schnauben kleine Dunstwölkchen. Eisiger Ostwind blies den Reitern ins Gesicht, zwängte sich durch den dicken Mantelstoff und hielt die Kavalleristen mit seiner kalten Hand fest. Die Alten unter den Kavalleristen wussten, dass dies der Vorbote eines frostigen Ostwinters war.
Untersturmführer Max Weberknecht stieg von seinem Trakehner. Er streckte sich und konnte dabei ein langes Gähnen nicht verkneifen. Mit der flachen Hand tätschelte der Offizier der Waffen-SS den Hals seines Pferdes. „Brav, Brauner!“
Das Hufgetrampel hinter ihm nahm langsam ab. Der Reiter-Zug kam gemächlich zum Stillstand. Lediglich zwei Panjewagen mit Ausrüstung folgten noch mit etwas Abstand. Sie wurden erwartet. Ein Soldat trat aus dem schwachen Tarnscheinwerferlicht eines Kübelwagens. Er ging auf Weberknecht zu, grüßte die Ankömmlinge salopp, indem er den militärischen Gruß mehr andeutete als ausführte und stellte sich vor. „Guten Abend! Ich bin der Verbindungsoffizier zwischen den Ungarn und unseren Leuten.“
Bundesarchiv, Signatur: Bild 146-2001-019-36, Foto: Adendorf, Peter
Sowjetunion, Mitte.- Waffen-SS-Kavallerie-Brigade, Angehörige der Waffen-SS zu Pferd, 1941
Weberknecht kannte den Hauptsturmführer nicht. Zumindest konnte er sich an das Gesicht des Stabsoffiziers nicht erinnern. „Untersturmführer Weberknecht, 3. Zug, 1. Schwadron“, kam die prompte Antwort.
Der Verbindungsoffizier winkte schon mitten im Satz ab. „Ich weiß! Ihr Eintreffen wurde mir zeitnah angekündigt. Die restliche Schwadron befindet sich bereits in den Stellungen. Die Pferde bleiben hier. Ein paar Hiwis bringen die Tiere zum Tross. Ihre Männer können sich eine heiße Tasse Tee gönnen, dann werden sie in die neuen Stellungen geführt“, kam es unmissverständlich.
„Wir haben einen langen und anstrengenden Ritt hinter uns!“, wollte Weberknecht protestieren, erkannte aber auch sofort die Sinnlosigkeit seines Unterfangens.
Der Stabsoffizier, der die eintreffenden Einheiten der 8. Kavallerie-Division „Florian Geyer“ einwies, schob seine Schirmmütze lässig nach vorn, kratzte sich am Hinterkopf und richtete die Kopfbedeckung anschließend wieder zurück in die korrekte Position. „Das ist mir sonnenklar, aber der Russe ist bereits aktiv. Die Ungarn sind zu schwach. Sie werden den Iwan ohne unsere Hilfe nicht abwehren können. Unsere Männer müssen unbedingt die Lücke zwischen den ungarischen Truppen und der Hauptverbindungsstraße nach Budapest schließen. Zudem traue ich unseren Verbündeten nicht über den Weg. Sie wissen ja wie andere sogenannte Verbündete in der Vergangenheit reagiert haben, oder?“, spielte er auf Rumänien und Italien an.
„Müssen wir wieder einmal die Feuerwehr spielen?“, presste der Kavallerist fragend über die Lippen. An der Reizbarkeit seines Gemüts war zu erkennen, dass er müde und durchfroren war. Der Untersturmführer hatte sich auf ein warmes Nachtquartier gefreut. Umso größer war seine Enttäuschung bezüglich des Befehls ihrer Verwendung.
„Sieht so aus, Weberknecht, aber ich werde dafür sorgen, dass Sie nach dem Einsatz gute Quartiere erhalten“, sagte der Hauptsturmführer mit ruhiger Stimme. Er zeigte volles Verständnis für die Kavalleristen.
„Nun denn ... “, stöhnte der Reiter. „Hoffentlich wird das Ganze nicht zu lange dauern.“
Der Stabsoffizier zog ein Zigarettenetui aus seiner Hosentasche, öffnete es und hielt dem Untersturmführer das silberne Teil hin. „Möchten Sie eine? Nachher herrscht absolutes Rauchverbot. Der Iwan sitzt in Lauerstellung. Wir möchten ihn nicht unbedingt einladen beim Wachwechsel mit dabei zu sein! Sie wissen schon ...“
„Ist die Front ansonsten ruhig?“
„Drüben bei der „Maria Theresia“ rumst es schon ordentlich.“
„Ist die 22.te schon hier?“, fragte Weberknecht leicht erstaunt.
„Gestern angekommen!“
Der Kavallerist nahm sich eine der Zigaretten. Es war eine deutsche Marke. „Atikah! Die hatte ich auch schon länger nicht mehr!“ bemerkte er. Noch bevor der Zugführer die Zigarette anzündete, gab er seinen Männern das taktische Zeichen zum Absitzen. „Wo können wir uns ein wenig aufwärmen?“
Der Stabsoffizier, der unverkennbar mit österreichischem Dialekt sprach, blickte auf seine Armbanduhr. Um die Uhrzeit besser ablesen zu können, hielt er den linken Arm in das schwache Licht der Scheinwerfer seines Kübelwagens. Danach deutete er an seinem Fahrzeug vorbei nach hinten. „Dort drüben, in der großen Scheune. Warmer Tee steht auch bereit. Ihre Leute sollten aber vorher die persönliche Ausrüstung abladen. Um die Pferde kümmern sich die Hiwis, aber das habe ich ja schon erwähnt. Sie und ihre Männer haben eine gute Stunde Zeit, dann führt man Sie in die Stellung.“
„Wo ist der Rest von unserer Schwadron eigentlich abgeblieben?“
„Beide Züge sind neben ihnen eingesetzt, der Tross befindet sich drei Kilometer weiter hinten in der Offizier versuchte einen ungarischen Ortsnamen fehlerfrei auszusprechen, gab es aber gleich wieder auf, „... ach diese Ungarn haben eine außergewöhnlich impraktikable Sprache. Nichts kann man normal aussprechen“, schimpfte der Österreicher. „Wenn ich den Namen dieses Nestes korrekt wiedergeben müsste, würde ich mir dabei die Zunge brechen!“ Er lachte.
„Warum denn?“, griente Weberknecht zurück. Der Verbindungsmann hatte es tatsächlich geschafft, die aufkommende üble Laune des Reiters zu unterdrücken. „Üllö geht einem doch leicht über die Lippen. So heißt doch die Gegend hier, oder?“, schob er scherzend hinterher.
„Ich bin zwar in der österreich-ungarischen Monarchie geboren, aber die ungarische Sprache hat man uns Österreichern nicht in die Wiege gelegt“, entgegnete der Verbindungsoffizier, kam aber sofort auf Weberknechts Frage zurück. „Stimmt, wir sind im Raum Üllö, aber genauer gesagt, werden Sie an der Straße Budapest-Cegléd in Stellung liegen. Passen Sie auf! Der Russe hat die ersten Vororte von Budapest schon eingenommen. In Üllö selbst sitzt er angeblich auch schon, aber wir werden ihn dort so schnell es geht wieder rauswerfen! Möglich, dass der Iwan es heute Nacht auch bei Ihnen versuchen wird. Hinter uns befindet sich der Flugplatz. Den gönnt uns der rote Bruder offenbar nicht.“, der Hauptsturmführer grinste. „.oder er möchte ihn erobern um seine abgekämpften Truppen zurück nach Moskau zu fliegen“, feixte der Österreicher mit einer ordentlichen Portion Galgenhumor.
„Ein Gefecht ist heute Nacht das Letzte, was ich nach dem Ritt brauche!“
„Vielleicht haben Sie Glück. Nach dem aktuellsten Bericht der Aufklärer pausieren die Bolschewisten. Sie rüsten auf. Die Rote Armee führt momentan immer noch Truppen nach. Alles sieht nach einem großen Schlag aus! Soviel steht fest, Weberknecht, hier in Budapest wird es ordentlich rumsen! Wir müssen zusehen, dass wir eine anständige Verteidigungslinie aufbauen und die rückwärtigen Nachschublinien schützen, bevor es losgeht.“
Ein paar russische Hilfswillige kamen angelaufen. Sie übernahmen die Pferde, führten sie auf eine umzäunte Koppel und begannen damit die Tiere zu versorgen. Die Reiter warteten indessen auf die Panjewagen. Einige hopsten ungeduldig von einem Bein auf das andere, um sich ein wenig aufzuwärmen. Endlich rollten die Kutscher mit ihren Gefährten ein. Schnell wurde abgeladen.
„Sie können den Hiwis folgen“, wurde den Männern auf den Kutschböcken mitgeteilt. „Neben der Weide befindet sich die Scheune, von der ich vorhin gesprochen habe. Unsere Leute haben aus einer Tonne einen Kanonenofen gebaut und ordentlich mit Holz gefüllt. Zumindest rund um den Ofen ist es schön warm. Ihre Männer sollen alles zusammenstellen, was sie mit in den Graben nehmen. Der Rest kommt zum Tross.“
„Alles klar!“, bestätigte Weberknecht. Sein Zug trat an. Die Gesichter wirkten müde. Mancher von ihnen zitterte vor Kälte.
„Die Ungarn haben übrigens ein gutes Grabensystem angelegt. Man kann sich relativ sicher in den Laufgräben bewegen. Das ist hilfreich gegen russische Scharfschützen!“
„Sind die auch schon hier?“
„An welcher Front sind sie nicht?“
Der versprochene heiße Tee war zwar nur noch lauwarm, dennoch verfehlte er bei den ausgefrorenen Reitern nicht seine zugedachte Wirkung. Nachdem die Feldflaschen gefüllt waren, bekam jeder Landser für zwei Tage Kaltverpflegung ausgehändigt.
„Ist freilich ´ne prima Sache, dass ich was zum Futtern bekomme, aber das bedeutet gleichzeitig, dass morgen früh das warme Frühstück ausfällt“, meinte Frank Bauer mit seiner typisch schnoddrigen, sächsischen Art, unterdrückte aber zum besseren Verständnis den eigenwilligen Dialekt. Ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht. „Wie sieht es eigentlich mit Marketenderware aus? Habt ihr nichts für uns erhalten?“
Die beiden Essensausgeber blickten sich fragend an. „Mir ist nichts bekannt!“
„Mir auch nicht!“
„Keine Zigaretten? Kein Schnaps? Nicht mal ein paar Drops?“
„Brauchst du Zigaretten, Kamerad?“
„Nicht zum Rauchen. Ich tausche sie ein. Bin selbstverständlich Nichtraucher!“
„Dann kann ich dir leider nicht helfen. Ich bin selber Nichtraucher und tausche meine Zigarettenration ausschließlich gegen flüssiges Gold ein.“
„Schnaps?“
Ein kurzes Nicken sagte alles.
Bauer packte leicht enttäuscht die Kaltverpflegung in den Brotbeutel und ging rüber zum Kanonenofen. Als Brandschutz waren unter der Tonne ein paar Steinplatten ausgelegt. Zusätzlich stand neben dem heißen Ofen ein Eimer mit Löschwasser. Einer der russischen Hiwis legte gerade ein paar Holzscheite nach. Feuerzungen leckten gierig nach dem Brennstoff. Je näher man zu der Tonne kam, desto wärmer wurde es.
„Feuer gutt für Kälte!“, sagte der Russe, prüfte mit fachmännischem Blick ob das Feuer richtig.
„Ich wees, waste meenst, meen Gutster, abba dis is nisch waa!“
Ein verdutzter Blick. „Kann nix verstehen!“