Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Lappland 1942 - eine Kompanie der Spezialeinheit Lehr-Regiment Brandenburg z.b.V 800, ugs. als "Brandenburger" bezeichnet, wird im Januar nach Lappland beordert. Ihr Auftrag lautet hinter den feindlichen Linien Sabotageakte gegen die wichtigste Versorgungsroute der Roten Armee durchzuführen; die Murmanbahn. Als die Rote Armee im April/Mai in Skandinavien zur Offensive überging, erhielten die "Brandenburger" weitere gefährliche Spezialaufträge.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 148
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
„Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen.“
Plato
„Ich bin nicht sicher mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg geführt wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.”
Albert Einstein
Vorwort
Daten
Eckdaten zum Sondereinsatz in Lappland
Glossar zum Roman
Aus dem allgemeinen Landser-Jargon
Flugzeugvorstellung in Stichpunkten
Technische Daten der Ju 52/3m
Bildtafel
Quellen- und Literaturverzeichnis, Buchtipps
Das am Arktischen Ozean (Nordpolarmeer) liegende Murmansk entwickelte sich aufgrund seines ganzjährig eisfreien Hafens im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zu einer der bedeutungsvollsten Nachschubbastionen Russlands.
Mit Zugang sowohl zur Barentssee, als auch zum Nordatlantik, konnten auf dem Seeweg alliierte Hilfslieferungen mit kriegswichtigem Material anlaufen. Über die nördlichste Eisenbahnstrecke Europas, die Murmanbahn, wurden diese Güter weitertransportiert und stärkten die Rote Armee im Kampf gegen die Achsenmächte.
Die Murmanbahn avancierte zur wichtigsten militärstrategischen Nachschubroute in Lappland.
Aufgrund des erheblich unzugänglichen Geländes beorderte man eine leichte Kompanie der „Brandenburger“, wie das eigens für Spezialauftrage gebildete Lehrregiment Brandenburg z.b.V. 800 umgangssprachlich genannt wurde, nach Finnland.
90 handverlesene Elitesoldaten sollten hinter die feindlichen Linien gelangen und ge2ielte Störaktionen durchführen. Ihr Auftrag war es die Murmanbahn aus2uschalten.
Als die Sowjetunion im April/Mai 1942 in Skandinavien eine Offensive durchführte, erhielt die in Finnland stationierte Kompanie der „Brandenburger“ auch in Karelien, wo der Feind durchzubrechen drohte, weitere gefährliche Spezialaufträge.
(Bezeichnung des Verbandes im Zeitraum vom 01.06.1940 bis 20.11.1942)
Der militärische Verband wurde anfangs in Kompaniestärke aufgestellt und war eine Sonderformation der Wehrmacht, die unter der direkten Führung des Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht stand und sowohl Kommandounternehmen ausführte, als auch eine organisationstechnische Basis deutscher Agenten und V-Leute der Abwehr war.
Zusammengesetzt aus Spezialisten verschiedener Arten, wurde die Einheit unter dem Namen: „Brandenburger“ bekannt.
Anfangs noch unter Tarnbezeichnungen geführt, wuchs der Verband schnell auf Regimentsstärke, später zu einer Division an.
Immer wieder wurden die „Brandenburger“ für spezielle Unternehmen eingesetzt, entwickelten sich aber bis zum Ende des Kriegs hin zu einem Frontverband. Umgewandelt in eine Panzer-Grenadier-Division wechselte die Befehlsgewalt in den Bereich des Heeres.
Die Ursprünge des Verbandes gehen in die Zeit um 1920 zurück. Der damals aufgestellte bewaffnete „Industrieschutz Oberschlesien“ bestand aus polnisch sprechenden Deutschen.
1935 wurde die Wehrverfassung neu strukturiert und der „Industrieschutz Oberschlesien“ eingegliedert. 1939 unterstellte man die Einheit als „Deutsche Kompanie“ der Abwehrstelle des Wehrkreiskommandos VIII in Breslau. Angehörige der Einheit wurden im Vorfeld des Polenfeldzuges (zum Teil in polnischen Uniformen) im deutsch-polnischen Grenzraum eingesetzt.
Verstärkt mit dem 1938 entstandenen „Sudetendeutschen Freikorps“, war der Basis für die spätere Spezialeinheit geschaffen.
Aufgrund des Erfolges im Polenfeldzug, wurde unter der Tarnbezeichnung Bau-Lehr-Kompanie z.b.V. 800 (teils auch als Bau-Lehr-Bataillon z.b.V. 800 zu finden), die Aufstellung des Verbandes forciert indem man weitere freiwillige Spezialisten hinzuzog. Standort wurde Brandenburg an der Havel. Der Kommandoeinsatz beim „Unternehmen Weserübung“ folgte.
Vom 01.06.1940 bis 20.11.1942 hieß der Verband: Lehr-Regiment Brandenburg z.b.V. 800, und wuchs aufgrund der Anwerbung weiterer freiwilliger Spezialisten (vorwiegend Volksdeutsche) mit besonderen Fähigkeiten auf Regimentsstärke an. In Berlin bildete man den Führungsstab.
Gliederung:
I. Bau-Lehr-Bataillon z.b.V. 800 mit 1. – 4. Kompanie (Einsatzgebiete West und Ost)
II. Bau-Lehr-Bataillon z.b.V. 800 mit 5. – 8. Kompanie (Einsatzgebiet Südost)
III. Bau-Lehr-Bataillon z.b.V. 800 mit 9. – 12. Kompanie (Einsatzgebiet West)
IV. Bau-Lehr-Bataillon z.b.V. 800 mit 13. – 17. Kompanie
Zudem entstanden noch sog. „Legionärsabteilungen“, wie z.B.
- Deutsch-Arabische Legion
- Montenegrinische Legion
- Indische Legion
- Persische Kompanie
- Muselmanische Legion
Abschließend stellte man verschiedene Spezialeinheiten auf:
- Fallschirm-Jäger-Abteilung
- Küsten-Jäger-Abteilung
- Gebirgs-Jäger-Abteilung
- Tropen-Kompanie
Die „Brandenburger“ verfügten über eigene Schulen an verschiedenen Orten, wie z.B. die Kampfschule Quenzsee (Quenzgut), bei Brandenburg/Havel.
weiterer Verlauf:
20.11.1942 – 01.04.1943 neue Bezeichnung:
Sonderverband Brandenburg
Gliederung:
- I. Bataillon (Verband 801)
- II. Bataillon (Verband 802)
- III. Bataillon (Verband 803)
- die Verbände 804 und 805 wurden neu formiert
- Küsten-Jäger-Abteilung 800
- Nachrichten-Abteilung 800
Im Zeitraum vom 01.04.1943 – 13.09.1943 wurde der Sonderverband in
Division Brandenburg z.b.V. 800
umbenannt und dem Wehrmachtsführungsstab unterstellt.
Gliederung:
- Regiment 1 Brandenburg (801)
- Regiment 2 Brandenburg (802)
- Regiment 3 Brandenburg (803)
- Regiment 4 Brandenburg (804)
- Lehr-Regiment 5 Brandenburg (805)
In diesem Regiment befanden sich die V-Leute und Agenten – es unterstand direkt der Abteilung II – Abwehr
- Küsten-Jäger-Abteilung Brandenburg
- Nachrichten-Abteilung Brandenburg
Der Verband wurde immer noch in unterschiedlichen Stärken (gruppenweise/kompanieweise/bataillonsweise) für verschiedene Kommandounternehmen eingesetzt; zusätzlich jedoch regimentsweise an Brennpunkten der Front, sowie zur Bekämpfung von Partisanen verwendet.
Ab 15.09.1944 wurde der Verband schließlich zur
Panzer-Grenadier-Division „Brandenburg“
umbenannt und aus den Kommandoeinsätzen herausgenommen.
Die Aufstellung beanspruchte aufgrund der vorangegangenen hohen Verluste viel Zeit.
Von Dezember 1944 bis 10.05.1945 vereinigte man die Reste der Division „Brandenburg“ (analog Panzer-Grenadier-Division „Brandenburg“) mit der Panzer-Grenadier-Division „Großdeutschland“ zum Panzerkorps „Großdeutschland“
Der größte Teil dieses Verbandes geriet nach der Kapitulation Deutschlands im Raum Böhmen in sowjetische Gefangenschaft.
Von der Abwehr II festgelegte/erwünschte Voraussetzungen für die Rekrutierung:
- Freiwilligkeit
- schnelle Reaktionsfähigkeit (psychisch und physisch)
- Improvisationsvermögen
- hohe Eigeninitiative
- Teamgeist
- kontrollierte Abenteuerlust
- Sprachfertigkeiten (die im Idealfall so weit gehen sollten, dass ein
„Brandenburger“
problemlos einen Offizier seines Herkunftslandes mimen konnte)
- Auslandskenntnisse (je nach eigener Herkunft)
- körperliche Leistungsfähigkeit
Spezialkenntnisse, z.B. im Umgang mit Sprengstoffen, Waffentechnik usw., wurden während der Ausbildung gefestigt oder geschult.
Okt. 1939 – Anfang Okt. 1940
Hauptmann Dr. Theodor von Hippel
Oktober 1940
Major Andreas von Aulock
Nov. 1949 – Feb. 1943
Oberstleutnant Paul Haehling von Lanzenauer
Feb. 1943 – Apr. 1944
Generalmajor Alexander von Pfuhlstein
Apr. 1944 – Okt. 1944
Generalleutnant Friedrich Kühlwein
Okt. 1944 – Mai 1945
Generalmajor Hermann Schulte-Heuthaus
Einsatzgebiet:
Weltweite Kommandounternehmen - über die allerdings kaum Unterlagen vorhanden sind. Eine detaillierte Auflistung ist daher nicht möglich.
Beispielhaft sind jedoch ein paar der bekanntesten Einsätze aufgeführt:
Beim Unternehmen „Weserübung“ (Angriff auf Dänemark und Norwegen) – wurden kleinere Kommandotrupps zur Sicherung von strategisch wichtigen Objekten, wie z.B. Brücken, eingesetzt
Im Rahmen des Westfeldzuges eroberten „Brandenburger“ im Tarneinsatz wichtige Brücken in Belgien (Maaseik) und den Niederlanden (Gennep, Uromon).
Während des Unternehmens „Marita“ (Angriff auf Jugoslawien und Griechenland) wurde eine strategisch wichtige Brücke eingenommen, sowie die Insel Euböa erobert.
In der Anfangsphase den Unternehmen „Barbarossa“ (Angriff auf die Sowjetunion) gelangten „Brandenburger“, getarnt mit russischen Uniformen und Beute-Lastwagen, zur Düna-Brücke (Dünaburg), besetzten und verteidigten sie bis zum Eintreffen regulärer deutscher Truppen.
Auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz wurden permanent Störaktionen auf britische Nachschublinien in Ägypten, Tunesien und Libyen durchgeführt.
Ebenfalls 1942 erhielt eine Kompanie der „Brandenburger“ den Auftrag in Lappland u.a. gegen die Murmanbahn vorzugehen und die sowjetische Nachschublinie empfindlich zu stören.
Die „Brandenburger“ wurden für erste Großeinsätze als „Feuerwehr“ an den bröckelnden Fronten verwendet, und wurden gegen Partisanen (auch als Banden bezeichnet) auf dem Balkan eingesetzt.
1944 (als Panzer-Grenadier-Division)
November: Einsatzgebiet: Kroatien / Belgrad
Januar: Ostpreußen
Februar: Lausitz
Mai: Olmütz
Da die Einsätze der „Brandenburger“ oft in Halb-, Voll- oder Mischtarnung (Annäherung und Kampf in gegnerischer Uniform) erfolgten, verzichteten sie – ebenso wie die Kommandotrupps anderer Nationen – auf den Schutz der Haager Landkriegsordnung (HLKO).
Diese gewährt nur Kombattantenstatus (das sind aus humanitär völkerrechtlicher Sicht Personen, die – ungeachtet der Rechtmäßigkeit eines Konflikts – zu Kriegshandlungen berechtigt sind) für Personen, die
- einer zentralen Befehlsgewalt unterstehen
- anhand einer Uniform oder eines Abzeichens erkennbar sind
- ihre Waffen offen tragen
- gem. Art. 1 der HLKO die Gesetze und Gebräuche des Krieges beachten
Wurden Kommandosoldaten während eines Tarneinsatzes gefangen genommen, wurde ihnen als sog. Nicht-Kombattant der Schutzstatus nach der HLKO verwehrt und er i.d.R. als Spion hingerichtet (Kriegsvölkergewohnheitsrecht),
Ausnahme: Kehrte ein Kommandosoldat zu den eigenen Frontlinien zurück und geriet zu einem späteren Zeitpunkt in Kriegsgefangenschaft, konnte er wegen früherer Spionageaktionen nicht mehr belangt werden und musste gem. Art. 31 der HLKO als Kriegsgefangener behandelt werden.
Massaker von Lemberg
Nachdem am 30. Juni 1941 die polnische Stadt von deutschen Truppen besetzt wurde (u.a. von Angehörigen der „Brandenburger“), fand man in den Gefängnissen die Leichen tausender politischer Häftlinge. Nach einer Inszenierung, in der die Morde den jüdischen Bolschewiken zugeschoben wurden, kam es zu Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung, wobei sich die örtliche ukrainische Miliz hervortat. Hunderte Juden wurden ermordet. Eine Beteiligung von deutschen Soldaten, auch von „Brandenburgern“, konnte nicht ausgeschlossen werden.
Nach einer eingehenden Untersuchung in den Jahren 1961 und 1962 fand man zwar Indizien, die für eine Beteiligung von Soldaten des Lehr-Regiments z.b.V. 800 sprach, jedoch gab es keine stichhaltigen Beweise.
Massenmord im serbischen Dorf Grgurevci
Am 06. Juni 1942 erschossen Angehörige des Lehr-Regiments z.b.V. 800 – im Rahmen des Partisanenkrieges – mindestens 257 serbische Männer. Die Tat wurde als Vergeltung für erlittene Verluste vom Vortag ausgeführt.
Erschießung von Kriegsgefangenen
Einige Quellen berichten über Erschießungen von Kriegsgefangenen, begangen von Angehörigen der Division Brandenburg z.b.V. 800. Insbesondere sollen im November 1943 vier italienische Soldaten grundlos hingerichtet worden sein.
(Anm. des Autors: Hierüber konnte ich keine detaillierten Berichte finden, wollte den in den Quellen genannten Tatvorwurf aber auch nicht verschweigen.)
Im Zusammenhang mit der Partisanenbekämpfung kam es beiderseits zu völkerrechtswidrigen Taten. Dies entsprach dem damaligen Charakter dieser Kriegsführung.
Viele Taten sind bis heute nicht abschließend aufgeklärt.
Verantwortlich: Abteilung Abwehr / Ausland II
Kommando: Leutnant Trommsdorf
erste Ausbildungsstätte: Truppenübungsplatz Zossen
Personal: 90 ausgesuchte Soldaten der
„Brandenburger“
- ausnahmslos erfahrene, gute Skifahrer
- darunter, ausgebildete Pioniere
- ausgebildete Hundeschlittenführer
- Funktrupps
- Sanitätspersonal
- ein Arzt
jeder dieser Männer wurde geschult an
- Pistole
- Karabiner
- unterschiedlichen Schnellfeuerwaffen
- Leichtgeschütz
zweite Ausbildungsstätte: Finnland
Unterstellung: Armeeoberkommando Lappland — später umbenannt in 20. Gebirgs-Armee, Generaloberst Eduard Dietl (seit Januar 1942 mit dem Oberbefehl beauftragt)
Ergebnis:
- mehrere Kommandounternehmen im Rücken der sowjetischen Front (Lappland)
- während der sowjetischen Offensive an der Nordfront folgten weitere Einsätze (Kardien) gegen spezielle Ziele, bzw. wurde durch Störaktionen (z.B. legen von Minengürteln) der Vormarsch des Feindes erschwert
Dieser Roman spiegelt die Ereignisse wider, die Angehörige des Lehr-Regiments Brandenburg z.b.V 800, während ihres Einsatzes in Lappland und Kardien erlebten.
Bis auf historische Persönlichkeiten, sind alle Personen/Namen frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig.
Berlin
Das mächtige Bauwerk mit der Hausnummer 74 wirkte an diesem regnerischen Tag grau und abweisend. Der Verkehr am Ufer der Tirpitz zog sich nur schleppend am Dienstgebäude der militärischen Abwehr vorbei. Die zur Arbeit eilenden Menschen hatten Schirme aufgespannt. Hüte waren tief ins Gesicht gezogen, Mantelkrägen hoch geschlagen.
Admiral Canaris lehnte sich zurück. Er schloss die Augen und massierte einen Moment lang mit Daumen, Mittel- und Zeigefinger die Nasenwurzel. Gedanken rasten durch sein Gehirn, manifestierten sich, um im nächsten Moment wieder zu verschwinden. Wie konnte er dem Problem begegnen? Er schlug die Augenlider auf. Sein Blick schweifte durch das Büro und blieb an einer großen Landkarte hängen, an der täglich der aktuelle Frontverlauf mit verschiedenfarbigen Stecknadeln und Bindfäden korrigiert wurde. Das einzig wahrnehmbare Geräusch im Büro war der Regen, der prasselnd gegen die großen Fensterscheiben hämmerte. Das Gewusel aus dem Treppenhaus drang nicht bis in die Amtsräume des Chefs der deutschen Abwehr vor. Ein Luxus, den Canaris sehr schätzte.
Von Nordafrika kommend, überflogen die Augen des Offiziers förmlich den Balkan, wanderten durch die Ukraine und gelangten in sekundenschnelle nach Skandinavien. Dort verengten sie sich etwas. Canaris suchte eine bestimmte Stadt am Arktischen Ozean. Murmansk. Der ganzjährig eisfreie Hafen war ihm seit langem ein Dorn im Auge. Das gesamte OKW zermarterte sich den Kopf, wie die russische Stadt am besten einzunehmen war. Zu viele Schiffe der Alliierten kamen dort an und brachten kriegswichtige Güter in die Sowjetunion. Freie Fahrt in den Nordatlantik und die Barentssee gewährten dem Feind viel Raum für kriegswichtige Konvois. Der militärische Nachschub wurde anschließend über die Murmanbahn, eine der nördlichsten Eisenbahnlinien Europas, bis nach Zentralrußland transportiert und von dort aus an die diversen Frontabschnitte verteilt. Admiral Canaris wusste, dass jeder einzelne Versorgungstransport den Krieg verlängerte. Die Murmanbahn entwickelte sich immer mehr zu Stalins Lebensader. Sie musste zerstört werden! Doch wie?
Neben starken russischen Kräften schützten zusätzlich ein unzugängliches Gelände und das dort herrschende menschenfeindliche Klima gegen militärische Widersacher. Eiskalte lange Winter und kurze, schwül heiße Sommer, begleitet von Myriaden von Mücken, zermürbten jeden dort eingesetzten Soldaten innerhalb weniger Wochen. Angriffe der deutschen Luftwaffe waren zwar die Regel, doch die schier übermächtige russische Flak war nur schwer zu überwinden.
„Murmanbahn“, murmelte Canaris kaum verständlich und stand auf. Mit der linken Hand schnappte er sich einen Bleistift. Der Admiral ging zur Landkarte, setzte die Spitze des Bleistifts auf Murmansk und fuhr dann langsam die Strecke der Eisenbahnlinie entlang. Als ob jemand eine Frage gestellt hätte, nickte der ranghohe Offizier ganz kurz. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck ging er zurück zu seinem Schreibtisch. Der Admiral nahm die Akte mit der Aufschrift „geheime Kommandosache“ in die Hand. Absender war die Abteilung Abwehr/Ausland II. Bereits zum dritten Mal an diesem Vormittag schlug der Chef der Abwehr die Akte auf. Ihm gefiel der Vorschlag des jungen Leutnants des Regiments 800 z.b.V. Brandenburg immer besser. Die eigens für Spezialeinsätze aufgestellte Sondereinheit hatte schon viele Himmelfahrtkommandos zufriedenstellend erledigt. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Offiziers.
Sie sind schon Himmelhunde, diese Brandenburger, schoss es durch seinen Kopf, dann las er den Vorschlag ein letztes Mal durch, obwohl er den Inhalt schon fast auswendig kannte. Leutnant Trommsdorf schlug vor, eine Sonderkompanie aus ausgesuchten Brandenburgern zu bilden. Alle sollten zu ihren ohnehin schon vorhandenen überdurchschnittlichen Fähigkeiten zusätzliche Spezialausbildungen erhalten, um schließlich hinter der Frontlinie in speziellen Kommandounternehmen gegen die Murmanbahn eingesetzt zu werden. Wie immer setzte man auf die Freiwilligkeit der Männer.
Dieser Trommsdorf dachte an alles.
Das Gros der Truppe sollte aus den Alpenländern stammen. Bayern, Österreicher und Südtiroler. Sie mussten Bergerfahrung haben, gute Skifahrer sein und sich in winterlicher Landschaft wohlfühlen. Ihre Lebenserfahrung war nach Meinung Trommsdorfs für einen Einsatz in Lappland unverzichtbar. Ferner machte der Leutnant den Vorschlag zusätzlich Hundeschlittenführer einzusetzen. Ebenso wollte er eigenhändig ausgebildete Funktrupps und eine eigene Sanitätsstaffel inklusive Arzt in die Sonderkompanie integrieren. Insgesamt sollte die Stärke der leichten Kompanie 90 Mann betragen. Drei Züge, die unabhängig voneinander arbeiten konnten. Insbesondere natürlich um Kommandounternehmen hinter den feindlichen Linien durchzuführen. Es war gefährlich, aber möglicherweise ein wirksames Mittel um gegen die verhasste Nachschubroute vorgehen zu können. Wenn es jemand schaffen würde, dann die Brandenburger. Davon war der Abwehrchef überzeugt. Verwegene Soldaten! Himmelhunde!
Der Admiral griff zum Telefonhörer. Noch bevor die Stimme am anderen Ende der Leitung den Begrüßungssatz zu Ende führen konnte, unterbrach Canaris mit befehlsgewohntem Ton. „Schicken Sie unverzüglich Major von Schellingen zu mir!“
„Zu Befehl!“
Nur wenige Minuten später klopfte es an der Tür.
„Herein!“
Ein Major, dessen linker Arm steif nach unten hing, betrat das Büro.
„Sie kennen den Inhalt?“, fragte Admiral Canaris und hob die bewusste Akte nach oben, noch ehe Major von Schellingen grüßen konnte.
„Jawohl. Ich habe sie selbst studiert und Ihnen die Papiere nach reiflicher Überlegung zum Entscheid vorgelegt“, antwortete der Abwehroffizier und näherte sich seinem Vorgesetzten.
„Wie stellt sich Leutnant Trommsdorf die Ausbildung der Männer vor?“, fragte Canaris und bot dem Offizier durch Handzeichen einen Stuhl an.
Von Schellingen setzte sich. „Er möchte die ausgesuchten Soldaten zuerst auf einem Truppenübungsplatz begutachten und ihnen Sonderausbildungen zukommen lassen. Dann würde er mit den Männern gern in den Einsatzraum verlegen und unter Realbedingungen die Kompanie endgültig für ihre Spezialeinsätze vorbereiten.“
„Nun, Major von Schellingen, Sie sind ein erfahrener Mann und kennen die nordische Tundra gut. Wie schätzen Sie die Sache ein?“
„Wenn wir absolut nur ausgesuchte Männer in die leichte Kompanie von Leutnant Trommsdorf versetzen, seine Vorschläge umsetzen und die Truppe noch zusätzlich vor Ort mit ausgesuchten Leuten unserer finnischen Verbündeten verstärken, dann gehe ich davon aus, dass dies ein überaus probates Mittel gegen den Feind sein wird.“
„Das Lehrregiment Brandenburg z.b.V. 800 wird in diesen Tagen ohnehin umgestellt. Haben Sie zufällig schon mit dem Kommandeur, Oberst Haehling, gesprochen?“
Canaris grinste bei dieser Frage. Er kannte Major von Schellingen gut genug, um zu wissen, dass dies schon längst erfolgt war.
„Das habe ich, Herr Admiral“, erwiderte der kriegsversehrte Offizier. „Leutnant Trommsdorf würde im III. Bataillon die 15. Kompanie führen. Diese leichte Kompanie könnte nach Vorstellung des Leutnants aufgestellt werden.“
„Ich gebe grünes Licht für das Vorhaben. Teilen Sie das Oberst Haehling und Leutnant Trommsdorf mit. Was Ausrüstung, Waffen und dergleichen angeht, so gewähren Sie alles was angefordert wird. Wo genau soll die erste Sonderausbildung stattfinden?“
„Hier in Berlin, Herr Admiral. Zumindest in der Nähe. Genauer gesagt, auf dem Truppenübungsplatz Zossen.“
„Danke.“
Der Major stand auf und verließ zufrieden das Büro. Sein Weg führte ihn direkt in seine eigenen Amtsräume. „Verbinden Sie mich mit Oberst Haehling vom Regiment Brandenburg“, sagte er zu seiner Sekretärin. „Und brühen Sie uns eine Kanne Kaffee auf. Ich rechne mit einem langen Arbeitstag.“
irgendwo an der russischen Front
Der Gefreite Ulrich Czegenyi spürte einen leichten Druck in der Magengegend als sich die Flughöhe der Ju 52 verringerte. Im Frachtraum der alten Tante Ju, wie das Transportflugzeug liebevoll genannt wurde, herrschte nicht nur Ruhe, sondern eisige Stille.
Foto: privatarchiv des Autors, PA-0043-Ju 52 im Flug