Leben an der Seite Jesu - Eugen Drewermann - E-Book

Leben an der Seite Jesu E-Book

Eugen Drewermann

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Beschreibung

Wie lebt man an der Seite Jesu, nach der Art Jesu? Ausgehend vom ersten Kapitel des Markusevangeliums, das einen Tag im Leben Jesu schildert, spricht Eugen Drewermann von der Bedeutung des Gebets als einer inneren Sammlung. Die Rede vom Menschen, der von einem »unreinen Geist besessen« war, um den es in der Geschichte über Jesus in der Synagoge von Kafarnaum geht, bezieht er auf ein heutiges psychologisches Verständnis von äußeren Zwängen gegen‧über innerer Integrität. Eugen Drewermann schlägt den Bogen zu aktuellen politischen Konflikten und fordert dazu auf, ‧die eigenen Gedanken angesichts von Krieg, Flucht und Unterdrückung zuzulassen und ernst zu nehmen.

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Über diese Buch

Wie lebt man an der Seite Jesu, nach der Art Jesu? Ausgehend vom ersten Kapitel des Markus­evangeliums, das einen Tag im Leben Jesu schildert, spricht Eugen Drewermann von der Bedeutung des Gebets als einer inneren Sammlung.

Die Rede vom Menschen, der von einem »unreinen Geist besessen« war, um den es in der Geschichte über Jesus in der Synagoge von Kafarnaum geht, bezieht er auf ein heutiges psychologisches Verständnis von äußeren Zwängen gegen­über innerer Integrität.

Eugen Drewermann schlägt den Bogen zu aktuellen politischen Konflikten und fordert dazu auf, die eigenen Gedanken angesichts von Krieg, Flucht und Unter­drückung zuzulassen und ernst zu nehmen.

Über den Autor

Eugen Drewermann studierte Philosophie in Münster und Katholische Theologie in Paderborn; er habilitierte sich in Theologie und lehrte als Privatdozent; außerdem absolvierte er eine Ausbildung zum Psychoanalytiker und ist als Therapeut tätig. Wegen seiner kirchen- und religionskritischen Ansichten geriet er in Konflikt mit der katholischen Kirche, die ihm Anfang der 1990er-Jahre die Lehrerlaubnis entzog und ihn als Priester suspendierte. Eugen Drewermann publizierte zahlreiche Bücher und ist ein viel gefragter Redner und Kommentator.

Begrüßung

Agnes Dorothea Frei: Liebe Besucherinnen und Besucher des dritten Ökumenischen Kirchentages! Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen. Ich habe gerade schon zu Herrn Drewermann gesagt: Ich bin in der Nähe vom Bodensee und wir haben hier strahlenden Sonnenschein. Ich weiß nicht, wo Sie sind und welches Wetter Sie haben. Aber mir strahlt gerade die Sonne ins Herz und das ist gut. Ich bin Agnes Dorothea Frei, die Vorsitzende der Leserinitiative von Publik-Forum, und ich heiße Sie, liebe Gäste, herzlich willkommen zu diesem Kirchentag, der so ganz anders ist als vergangene Kirchen- und Katholikentage. Anders für uns, weil wir uns nicht persönlich treffen können. Anders ist, dass Sie Ihre Fragen an Herrn Drewermann heute nicht persönlich stellen können, sondern bitte schriftlich stellen müssen. Wir – das Team von Publik-Forum – werden Ihre Fragen sammeln, und ich gebe im Anschluss an den Vortrag Ihre Fragen an Herrn Drewermann weiter.

Nicht anders ist, dass Sie sich auch dieses Jahr mit mir darüber freuen dürfen, dass Herr Drewermann wieder bereit war, unserer Einladung zu folgen. Nach jedem Kirchen- und Katholikentag werde ich von den Besuchern angesprochen: Bitte laden Sie ihn für das nächste Jahr wieder ein, und das haben wir somit getan. Lieber Herr Drewermann, kein Kirchentag, kein Katholikentag und erst recht kein Ökumenischer Kirchentag ohne Ihre kraftspendenden Ausführungen über diesen Jesus von Nazareth, dessen Wirken uns alle hier verbindet. Alle, das sind über 700 Menschen, die nun gespannt vor ihren Monitoren sitzen. Ich möchte Sie alle, wo immer Sie auch gerade sind, in Gedanken noch einmal mit zurücknehmen: an diesen 20. Juni 2019 in Dortmund. Bei diesem strahlenden Sonnenschein erinnern Sie sich vielleicht an den nicht endenden Applaus und den einsetzenden Gesang aller Besucher im Gemeindezentrum, als wir erfahren haben, dass Sie, Herr Drewermann, damals an Ihrem Geburtstag bei uns waren und diesen Vortrag gehalten haben. Diese Atmosphäre von Dortmund wünsche ich mir natürlich auch jetzt herbei, auch wenn wir hier virtuell zusammen sind.

Lieber Herr Drewermann, ich freue mich sehr, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind. Stellvertretend für viele möchte ich Ihnen noch herzliche Grüße von Magdalene Bußmann überbringen, die normalerweise an dieser Stelle Ihre Begrüßung moderiert. Doch nun gebe ich Ihnen, Herr Drewermann, das Wort.

Teil 1 Leben an der Seite Jesu

Von Einkehr und Gebet beim Hören einer Bibelstelle (Markusevangelium 1, 21-38)

Eugen Drewermann: Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Frei, darf ich zum Ökumenischen Kirchentag sagen: Meine lieben Schwestern und Brüder, ich danke Ihnen von ganzem Herzen für die Einladung, zu einem Thema sprechen zu dürfen, das mir selber genau wie Ihnen zentral ist: »Leben mit Jesus, wie Jesus.«

Sie sitzen heute zu Hause in Ihren eigenen vier Wänden, nicht in einer Kirche, und womöglich ist das schon der erste und richtigste Hinweis für unser Thema selber. Da, wo Sie mit Ihrem Herzen, mit Ihrer Person sind, ist Gott. Wir brauchen dafür keinen ausgegliederten, besonders geweihten Raum. Sie mit Ihrem Dasein machen präsent, was zu lernen ist und was im Gebet Jesu selber vom Himmel auf die Erde kommen möchte: Dein Reich komme. Genau das tun Sie jetzt.

Womöglich gibt es keinen Text, der zu unserem Thema besser als Einführung und Wegweisung tauglich wäre, als das erste Kapitel im Markusevangelium. Wie lebt man an der Seite Jesu, nach der Art Jesu? Der älteste uns bekannte Evangelist probiert eine Antwort in einer Art Themenmontage aus Überlieferungsteilen. Er schildert einen Tag im Leben Jesu. Gerade hat Jesus seine »Jünger« berufen – das sind, in unsere Tage übertragen, wir selber. Und dann entsteht die Frage: Wie begleiten die gerade berufenen Jünger Jesus durch den Tag? Und wie endet ein solcher Tag bis zu einem neuen Morgen? Ich erlaube mir, Ihnen diesen Abschnitt aus dem Markusevangelium vorzulesen, und ich übersetze ihn so gut es geht, möglichst getreu, aus dem Griechischen ins Deutsche. (Mk 1,21-38)

Machen Sie einmal etwas, das nicht ganz normal und gewohnt für Sie ist: Sie schlagen die Bibel auf oder Sie lassen sie im Regal stehen, doch Sie hören einfach zu – vielleicht mit geschlossenen Augen. Sie vernehmen die Worte so, dass Sie selber davon berührt sind, und verbinden sie mit den Fragen, die Sie haben, wenn Sie sie vernehmen. Die Bibel lesen war für Protestanten mal eine gute Übung, doch fast ist sie auch bei ihnen aus der Übung gekommen. Für Katholiken war es von jeher weniger gewohnt. Aber wesentlich kann die Lektüre der Bibel in jedem Betracht sein. Ich hoffe, Sie erfahren genau das heute Morgen.

Da spricht Jesus durch das Evangelium des Markus zu uns, so wie damals zu seinen Jüngern: Er nimmt uns bei der Hand, und wir dürfen ihn begleiten und lernen von der Art, wie er Menschen begegnet, wie er redet, wie er wirkt. Und wir sollten uns mit dem eigenen Herzen öffnen genau für diese Botschaft.

»Da halten sie Einzug in Kafarnaum. Gleich am Sabbat ging er in die Synagoge hinein und nahm die Lehre auf, und außer sich waren sie über seine Lehre.

Denn er war ein sie Lehrender, wie jemand, der Macht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.

Und sogleich war in ihrer Synagoge ein Mann mit einem unreinen Geist, der schrie auf, er sagte: ›Was haben wir mit dir zu tun? Jesus, du Nazarener! Bist du gekommen, uns zu vernichten? Wir wissen, wer du bist: der Heilige Gottes.‹ Da trug ihm Jesus auf und sprach: ›Schweige und fahre aus aus ihm.‹ Da, hin und her zerrt ihn der unreine Geist, schreiend, mit lautem Geschrei fuhr er aus ihm aus. Da waren sie alle erschrocken, sodass sie einander fragten und sagten: ›Wer ist dieser? Eine neue Lehre in Vollmacht. Und sogar den bösen Geistern gebietet er, und sie gehorchen ihm.‹ Und die Kunde davon drang hinaus sogleich ins ganze Umland von Galiläa.

Und sogleich aus der Synagoge sind sie in das Haus des Simon und Andreas herausgegangen – gemeinsam mit Jakobus und Johannes. Es war aber die Schwiegermutter des Simon da liegend mit Fieber. Und sogleich sagten sie ihm von ihr. Er ging hinzu, richtete sie auf und nahm sie bei der Hand. Da verließ sie das Fieber, und sie bediente sie.

Spät am Abend war es geworden, als die Sonne unterging. Da brachten sie zu ihm alle, die übel dran waren und die dämonisch Besessenen. Und die ganze Stadt versammelte sich zur Türe hin. Er aber heilte viele, die übel dran waren mit vielerlei Krankheiten. Und all die dämonisch Besessenen trieb er aus. Und nicht erlaubte er ihnen – den Dämonen –, dass sie sagten, sie würden ihn kennen.

Früh am Morgen, als es noch Nacht war, stand er auf, ging hinaus, ging fort an einen einsamen Ort, und dort betete er. Es folgten ihm Simon und die mit ihm und fanden ihn und sagten: ›Alle suchen dich.‹ Er aber sagte ihnen: ›Lasst uns woanders hin in die umliegenden Dörfer fortgehen. Denn auch dort möchte ich verkündigen, denn dazu bin ich doch gekommen.‹« (Mk 1,21-38)

Denken wir uns mal, wir folgten der Botschaft Jesu, indem wir es so machen, wie dieser lange Tag geendet hat und ein neuer Morgen sich öffnet. Eigentlich tun Sie genau das gerade selber.

Sie sind an einen Ort fortgegangen, an dem es still geworden ist, wo Sie mit sich alleine sind. Es ist, wie wenn das Dunkel sich öffnet zum Licht hin und in Ihrer Seele ein neues Bewusstsein Einzug hält. Dafür steht das Wort Gebet.

Für viele, die jetzt uns zuhören, ist »Gebet« ein ungewöhnliches, ein ungemütliches Wort. Wer betet noch? Zwei Verschattungen liegen so oft darüber. Die Protestanten unter Ihnen werden sich an den Konfirmandenunterricht erinnern: Da lernte man beten, man lernte auswendig, man lernte die Psalmen. Das Bemühen war vielleicht nicht ganz falsch, aber es ist so ähnlich, wie wenn man einem 14-Jährigen sagt: »Ich breche dir jetzt alle Zähne aus dem Mund, ich setze dir Goldzähne ein. Die sehen viel besser aus. Die sind kostbar, und mit denen kriegst du keine Karies. Ich meine es nur gut mit dir.« Soll heißen: Sprich nicht, was dein Herz dir eingibt, sprich das von fremd Implantierte.

Auf die Weise hat man gelernt, in Worten zu beten, die kaum je die eigenen werden. Auswendig heißt nicht innerlich, es heißt wie fremd dahergesagt, mehr geplappert als mit Eigenem erfüllt. Und diese Art von Beten hat man irgendwann verlernen wollen. Sie war ein Zwangsritual. Nichts von Ihnen selbst lebte darin. Es verhinderte mehr das Leben, als davon getragen zu werden.

Diese Art von Beten hat den meisten übel getan und sie haben damit aufgehört, aber ersatzlos, es ist bei den allermeisten nichts Neues an die Stelle getreten. Eine Leere ist da entstanden, die mit keinem neuen Inhalt sich füllte. Ein Vakuum gewissermaßen, das durch den Außendruck gefährdet ist, zerpresst zu werden.

Beten im Vertrauen zu Gott und im Selbstvertrauen