4,99 €
Band zwei der spannenden, preisgekrönten Buchreihe „Shatterproof Bond“ von Isobel Starling. Ein Schotte und ein Brite verlieben sich … nach der unglaublichsten Woche ihres Lebens auf Dunloch Castle an den Ufern des Loch Ness in Schottland. Der charmante, geheimnisvolle Samuel Aiken hat Declan Ramsays Leben auf den Kopf gestellt. Declan hat eine bemerkenswerte Veränderung durchgemacht. Er hat die Tatsache akzeptiert, dass er bisexuell ist und sich Hals über Kopf in Sam, den Sohn seines Bosses verliebt. Aber sich mit dem Sohn seines Vorgesetzten einzulassen ist nicht gerade der einfachste Weg zum Glück, vor allem da es sich bei fraglichem Boss um den millionenschweren Immobilienhai und Ex-MI5-Agenten Sir James Aiken handelt. Sir James ist angewidert von der Homosexualität seines Sohnes, und dass sein Mitarbeiter Declan Ramsay – der Mann, den er als Verwalter seines Luxusimmobilien-Imperiums eingesetzt hat – in einer Beziehung mit Sam ist, gefällt ihm ganz und gar nicht. Lange können die Liebenden sich der drohenden Präsenz Sir James Aikens nicht entziehen! Schon bald schlägt James zu, und Declan findet heraus, war er ertragen muss, um bei Sam bleiben zu können, und was er geben muss, um sich Sams Liebe würdig zu fühlen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Inhaltsverzeichnis
INHALT
Licht ins Dunkel
SHATTERPROOF BOND #2
Isobel Starling
Aus dem Englischen übertragen von
Betti Gefecht
WWW.DECENTFELLOWSPRESS.COM
Copyright © 2019-2023 Isobel Starling
Aus dem Englischen von Betti Gefecht
ISBN: 9783757929053
Deutsche Erstausgabe
Alle Reche vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung der Autorin nachgedruckt oder anderweitig verwertet werden. Davon ausgenommen sind Rezensionen: Kurze Passagen können in einer Rezension zitiert werden und als Teil davon auch in Zeitungen oder Zeitschriften abgedruckt werden.
Die Figuren und Ereignisse, die in diesem Buch beschrieben werden, sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Dies ist eine brandneue, werkgetreue Übersetzung von "Illuminate the Shadows" von Isobel Starling. Sie ersetzt die zuvor veröffentlichte deutsche Fassung mit dem Titel "Licht in den Schatten".
Copyright © der englischen Originalausgabe 2016
„Illuminate the Shadows“ by Isobel Starling
Alle Rechte vorbehalten.
Cover Art Design by Isobel Starling
Vielen Dank an Betti Gefecht.
Ein wundervoller Übersetzer und
ein guter Freund.
Kapitel 1 Frühstück
Kapitel 2 VIPER
Kapitel 3 Die Befragung
Kapitel 4 Saubermachen
Kapitel 5 Der junge Declan
Kapitel 6 Fingerspitzengefühl
Kapitel 7 Verhör
Kapitel 8 Blödmann
Kapitel 9 Wahre Liebe
Kapitel 10 Enthüllungen
Kapitel 11 Der normale JOB
Kapitel 12 COBURG
Kapitel 13 SElbstzweifel
Kapitel 14 COMING OUT
KAPITEL 15 Trennungsangst
Kapitel 16 Wieder zuhause
Kapitel17 Bring mich an den Rand
Über die Autorin
Was bisher geschah…
(Synopsis von „Wie Ihr wünscht“, Shatterproof Bond 1)
Der Schotte Declan Ramsay und der Brite Sam Aiken begegnen einander erstmals persönlich wenige Tage vor der Hochzeit ihrer Geschwister Annabelle Aiken und Oliver Ramsay auf Dunloch Castle an den Ufern des Loch Ness in Schottland. Sowohl Sam als auch Declan sind Trauzeugen. Gemeinsames Lachen, das Tragen von Kilts und die Entdeckung, dass sie den gleichen Lieblingsfilm haben – „Die Braut des Prinzen“ – führen dazu, dass sie sich ineinander verlieben.
Vor Dunloch Castle war Declan Ramsays Leben leer und haltlos. Beruflich ging es dem zweiunddreißigjährigen Schotten bestens. Er arbeitete für Aiken Luxury Lettings, kurz A.L.L., wo er James Aikens Immobilien-Portfolio verwaltete, und er genoss das Leben, welches damit einherging, sich um die Reichen und Berühmten zu kümmern. Declans Privatleben jedoch war eine Katastrophe. Er ging massenhaft mit Frauen aus, scheute aber vor jeglicher Bindung zurück, und keine seiner Beziehungen dauerte je länger als höchstens drei Monate.
Sam Aiken, der dreiundzwanzigjährige Sohn James Aikens, hatte im Mittleren Osten Linguistik studiert und arbeitete bei den internationalen Immobiliengeschäften seines Vaters als Übersetzer. Declans einziger Kontakt zu Sam vor der Hochzeit bestand im Austausch von E-Mails. Aber als er den schlanken, blonden und teuflisch frechen Sam Aiken persönlich trifft, kann er die große Anziehung, die er empfindet, nicht leugnen. In kürzester Zeit wird Sam zu allem, was Declan sich je gewünscht hat – sein bester Freund, sein Geliebter, sein Komplize.
Doch nach ihrer gemeinsamen Woche in Schottland verschwindet Sam und bleibt für ganze drei Monate unauffindbar. Declan ist am Boden zerstört und weiß nicht, wie er mit seinem Leben weitermachen soll. Aber dann erhält er einen Anruf von der Polizei mit der Aufforderung, sich in einer von A.L.L.s Immobilien einzufinden, die während eines Einbruchs beschädigt worden sein soll. Seltsamerweise jedoch findet er Sam Aiken in dem Haus. Nach ihrem leidenschaftlichen und erotischem Wiedersehen wissen beide ganz genau, was sie füreinander empfinden. Declan erfährt endlich alles darüber, wer Sam wirklich ist und worin die wahre Natur dessen liegt, womit er seinen Lebensunterhalt verdient.
Im weiteren Verlauf der Geschichte wird Declan lernen, dass sich in den Sohn seines Arbeitgebers zu verlieben, nicht gerade der leichteste Weg zum Glück ist. Nicht, wenn sein geheimnisvoller Boss, Multimillionär Sir James Aiken, von Sams und Declans Beziehung erfährt.
****
Licht ins Dunkel
von
Isobel Starling
WESTLEY: Hör mich an. Ich werde immer zu dir zurückkehren.
BUTTERCUP: Aber wie kannst du dir sicher sein?
WESTLEY: Das ist wahre Liebe. Glaubst du, das gibt es jeden Tag?
„Die Brautprinzessin“
von William Goldman
Kapitel 1
Frühstück
Declan Ramsay leckte sich einen Tropfen Sperma von den Lippen, während seine raue, stoppelige Wange auf den verschwitzten Bauchmuskeln seines Geliebten ruhte. Er stieß ein tiefes, kehliges Lachen aus und lächelte. Er war äußerst zufrieden mit sich, weil er Sam soeben einen unheimlich heftigen Orgasmus verschafft hatte.
Sams Finger fuhren durch Declans dichtes, dunkles Haar. Er lachte träge über das kitzelige Gefühl von Declans starkem Bartwuchs an seinem Bauch. Sams Schwanz rutschte langsam zur Seite und landete schlaff auf seinem Oberschenkel. Sam seufzte zutiefst befriedigt, während die Euphorie des Höhepunktes langsam nachließ. Declan mochte ein Neuling sein, aber Gott, der Mann war ein Naturtalent im Schwanzlutschen.
Mehrere Minuten lang lag das Liebespaar in gesättigtem Schweigen da, bevor Declans Kichern die friedliche Stille unterbrach.
„Was?“, fragte Sam, und seine Lippen verzogen sich zu einem schläfrigen Lächeln.
„’s gurgelt in deinem Bauch“, erklärte Declan in seinem breiten schottischen Akzent. Langsam fuhr er mit seinen Fingern an Sams schlankem rechten Oberschenkel aufwärts und über den hervorstehenden Hüftknochen, bis er schließlich seine Hand flach auf Sams Magen legte. Er konnte das Rumoren in seinen Fingerspitzen spüren.
„Dann füttere mich“, verlangte Sam spielerisch. „Du hast mir das Gehirn ausgelutscht. Im Ernst, Ramsay, ich kann mich nicht bewegen. Ich will mich nie wieder bewegen.“
Declan antwortete darauf, indem er zärtliche Küsse um Sams Bauchnabel herum verteilte. Er war überglücklich und fühlte sich unheimlich wohl. Sam und er hatten die letzten beiden Tage im Bett verbracht, hatten Liebe gemacht, geredet und gelacht. Das natürliche Hochgefühl, das er darüber empfand, so begehrt zu werden und so verliebt zu sein, wollte einfach nicht nachlassen.
Vor diesem Wochenende der Liebe war Sam ganze drei Monate lang für Declan nicht erreichbar gewesen, was Declan in ein Labyrinth aus Verwirrung und Depression gestürzt hatte – nur um schließlich festzustellen, dass Sam gar nicht, wie er gesagt hatte, in Dubai war, sondern sich nur wenige Minuten von Declans Wohnung in Mayfair entfernt in einem Haus in Belgravia aufhielt, in der Chester Row siebenundsechzig.
Declans anfänglicher Zorn über Sams Lüge hatte sich in Luft aufgelöst. Sam hatte sein Herz geöffnet und sich Declan offenbart, und Declan hatte dasselbe getan. Sie liebten einander und waren nun in einer festen Beziehung. So einfach war das. Es war keine Spur Wut mehr im Körper des Schotten. Sie war ersetzt worden von einem sanften, erfreulichen Summen in seiner Brust und einer wohligen Wärme in seinem Bauch. Zum ersten Mal seit Monaten fühlte Declan sich wieder ganz. Er rang nicht länger mit seinen Gefühlen. Es war einfach atemberaubend schön, sich Sam Aiken hinzugeben.
„Ich finde, du gehörs’ auf die Liste gefährlicher Substanzen, Bürschchen! Dein Sperma is’ echt suchterzeugend“, sagte Declan gedehnt und mit tiefer Stimme. Sam prustete ein Lachen.
Seine Hand ließ Declans Haarschopf los und ergriff stattdessen seinen Nacken. „Komm her, du“, verlangte Sam. Declan rutschte auf dem Bett hoch, und Sam setzte sich auf, um ihm für einen Kuss auf halbem Wege entgegenzukommen. Seine freie Hand landete an Declans stoppeliger Wange, und seine Zunge glitt mühelos zwischen Declans Lippen, die noch ganz weich und geschwollen vom Blasen waren. Sams warme, samtige Zunge füllte Declans Mund, erforschte ihn tief und raubte Declan den Atem. Sam schmeckte die salzige Bitterkeit seines eigenen Samens, vermischt mit Declans Speichel. Sie schmeckten köstlich zusammen. Declan schlang einen Arm um Sams schmale Taille, dann rollte er sich auf den Rücken, und Sam gab einen kleinen Jubellaut von sich, als er ihm folgte – überglücklich, dass sein schlanker, athletischer Körper von starken, muskulösen Armen gehalten und an Declans Brust gedrückt wurde.
„Also, was willste zum Frühstück haben?“
Sams Hand glitt zwischen ihre Körper und ergriff Declans weichen Penis. Declan hatte gerade erst geduscht, und Sams Blowjobs waren, nun ja, die besten aller Blowjobs – leidenschaftlich und ungeplant.
„Hände weg, ich bin am Verhungern, Sam“, beschwerte Declan sich mit rauer Stimme, als Sam mit seinen triebhaften Liebkosungen fortfuhr. „Du kanns’ dich später noch revanchieren.“ Declan gab ein kehliges Lachen von sich und zuckte mit den Hüften, um Sams eifrige Hand abzuschütteln.
Sam schmollte über die Zurückweisung; er war geiler, als er sich überhaupt erinnern konnte, jemals gewesen zu sein. Aber er gab nach und ließ widerwillig von Declans Schwanz ab.
„Okay, Mister Ramsay, Essen. Aber dann Ficken. Das klingt nach einer guten Art und Weise, den Tag zu verbringen.“
Declan warf einen Blick auf den Wecker; es war 12:23 Uhr mittags.
„Viel is’ nich’ mehr übrig vom Tag. Gott sei Dank is’ heute kein Werktag, sonst käme ich zu spät zur Arbeit.“ Deutlich zu spät. „Brunch?“, schlug Declan vor. „Wie wär’s mit einem meiner super-duper Frühstücksbagels? Ich geh’ schnell um die Ecke und hole frische Bagels von Baker & Spice. Und du springs’ in der Zwischenzeit unter die Dusche, aye?“
Sie hatten das ganze Wochenende über nichts außer Zeug vom Lieferservice gegessen. Etwas Speck und ein paar Eier zu braten und dazu eine Sauce Hollandaise anzurühren, war das Mindeste, was Declan für seinen Liebsten tun konnte.
Sam nahm Declans Gesicht in beide Hände und schaute ihm in die Augen. Er musterte seinen Geliebten eindringlich. „Hat dir schon einmal jemand gesagt, wie wunderbar du bist?“, fragte er mit großem Ernst. Declans Hände waren an Sams Rücken abwärts gewandert, ruhten nun auf Sams Arschbacken und kneteten und drückten sie zärtlich.
„Aye, aber keiner, der zählte … außer dir“, gestand Declan aufrichtig. Die beiden Männer verloren sich eine ganze Minute lang im Blick des jeweils anderen, bevor Sam schließlich in beinahe klagendem Tonfall sagte:
„Ich weiß nicht, was ich ohne dich täte, Ramsey. Es ist … ein seltsames Gefühl, jemanden so … verzweifelt zu brauchen. Ich habe noch nie zuvor gegenüber einem anderen Menschen so empfunden, weißt du … als würde ich dich schon mein ganzes Leben lang kennen. Dabei wissen wir kaum etwas voneinander.“
Eine Explosion von Zärtlichkeit ließ Declan die Brust eng werden – aber da war auch eine plötzlicher Stich von Furcht. Die Vorstellung, je wieder ohne Sam zu sein … Declan rang eine Sekunde lang um Atem, als er sich fragte, wie es möglich war, dass er endlich das Gefühl hatte, sein Leben im Griff zu haben, und sich gleichzeitig so verloren zu fühlen. In den letzten drei Monaten hatte die Besessenheit, Sams Aufenthaltsort zu finden, seine ganze freie Zeit bestimmt. Und jetzt war Sam zurück in seinen Armen, und diese Liebe war das Einzige, das zählte. Das einzig Wahre, das Declan sich je gewünscht hatte, gehörte nun ihm … aber für wie lange?
Declan konnte diesen beunruhigenden Gedanken in seinem Hinterkopf nicht verleugnen. Er wusste, früher oder später würde er Sams Vater, seinem Boss Sir James Aiken gegenübertreten müssen. Vor einigen Tagen hatte Sam sein „Familiengeheimnis“ gelüftet – dass Sir James Aiken ein Ex-Geheimagent des MI-5 war, der, nachdem er aus dem Regierungsdienst ausgeschieden und in den Ruhestand gegangen war, seinen eigenen privaten Geheimdienst aufgebaut hatte, unter der Tarnung einer Immobilienfirma, der Aiken Luxury Lettings, kurz A.L.L.
Und wie Declan erfahren hatte, hatte er selbst unwissentlich seit zwei Jahren als das öffentliche Gesicht von Sir Aikens Geschäften fungiert und dabei geholfen, Gott weiß was für geheime Deals abzuwickeln. Diese Erkenntnis hatte ihn ziemlich umgehauen.
Declan hatte außerdem gelernt, dass Sam Aiken ein Wunderkind gewesen war, hochintelligent und überdurchschnittlich sprachbegabt, und nun bereits seit seinem sechzehnten Lebensjahr als Dolmetscher und Undercover-Agent für A.L.L. arbeitete. Obwohl Declan immer noch nicht ganz klar war, was genau Sam für die Organisation tat. In einer Sache aber hatte Sam vollkommen recht – egal wie groß ihre Gefühle füreinander waren, sie wussten fast nichts voneinander.
Sam hatte erklärt, dass er nach inzwischen acht Jahren nicht länger dieses Schattendasein führen wollte. Er sehnte sich nach einem normalen Leben. Er wollte einen stinknormalen Acht-Stunden-Job, ein ordentliches Zuhause, zu dem er jeden Abend zurückkehren konnte, und er wünschte sich, jede Nacht im selben, vertrauten Bett zu schlafen. Er wollte die Dinge, die ihm gehörten, an einem Ort bei sich haben anstatt verstreut zwischen dem Zimmer im Haus seines Vaters in Holland Park, wo er kaum je schlief, und den A.L.L.-Lagerräumen am Flughafen Heathrow. Und am meisten wünschte er sich eine echte Beziehung mit Declan Ramsay.
Sam sagte, er hätte einen Plan entwickelt, wie er sich dem Aufgabengebiet seines Vaters entziehen konnte, nachdem er sich in Declan verliebt hatte. Sir James fand es jedoch heraus, und um seinen Sohn im Spiel zu halten, hatte er ihm einen Deal vorgeschlagen: Sam konnte Declan Ramsay haben, solange beide Männer weiterhin für Sir James’ Organisation arbeiteten.
Da war Declan endgültig klar geworden, dass der Job, den er für so alltäglich und langweilig gehalten hatte, alles andere war als das. Die Firma, für die er arbeitete, war lediglich eine Tarnung, und er war in diese Lüge verstrickt. Sir James hatte offensichtlich beschlossen, sich Sam und Declan fortan auf neue Art zunutze zu machen. Es war der Beginn eines ganz neuen Kapitels, und Declan hatte keine Ahnung, was das für sie beide bedeutete.
„Vertraust du mir?“, fragte Sam, der den abwesenden Blick seines Geliebten bemerkte. Declan hob die Arme und tat es Sam gleich, indem er Sams jungenhaftes Gesicht in seine großen, kräftigen Hände nahm.
„Großer Gott, natürlich vertrau’ ich dir. Du machst mich verrückt, Sam. Kannste das nich’ sehen?“ Sam biss sich auf die Unterlippe und starrte Declans feuchte, vom Küssen geschwollene Lippen an, während Declan sprach.
„Weißte, ich verlor den Verstand, als ich nichts von dir hörte! Wir sind jetzt zusammen. Du wirst nie wieder ohne mich sein, hörste? Is’ mir egal, ob dein Papa James Scheiß-Bond is’. Wenn er dir was tut, muss er’s mit mir aufnehmen!“ Declan erzitterte in Sams Armen, und die aufwallenden Gefühle ließen seinen schottischen Akzent deutlich hervortreten. Er meinte seine Worte mit jeder Faser seines Körpers.
Sams Brust füllte sich mit Wärme und wurde etwas eng, als er Declans inbrünstige Erklärung hörte. Dass seine Liebe so erwidert wurde, war das Unglaublichste, das er jemals gefühlt hatte. Declans Liebeserklärung und Kampfansage machte ihn glücklich. Declan mochte nach außen wie ein zwar gut aussehender, aber mürrischer, viel zu ernster Kerl erscheinen. Aber Sam hatte den Mann dahinter kennengelernt, und dieser Mann war eher wie ein Hundewelpe. Und zutiefst romantisch.
Trotzdem, das wachsende Gefühl von Grauen in seinen Eingeweiden bei der bloßen Erwähnung seines Vaters verstörte Sam. Declans Absicht, es mit Sir James „aufzunehmen“, oder umgekehrt, war aufrichtig und gut gemeint, aber naiv. Declan hatte wirklich keine Ahnung, mit wem zur Hölle er es zu tun hatte. Sam erschauerte unwillkürlich und verbarg sein Gesicht in Declans Halsbeuge. Er genoss den Hautkontakt und atmete den Zitrusduft seines frisch geduschten Liebsten ein. Ein Welle von Schulgefühlen überkam ihn bei dem Wissen, was ihnen bevorstand. In was für ein Leben hatte er Declan so selbstsüchtig hineingezogen? Sam hatte wirklich Angst um seinen Geliebten und hoffte, dass dessen kampfeslustige Erklärung nicht nur Schall und Rauch war.
James gestattete nicht einfach jedem Hinz und Kunz Zugang zu seiner Organisation; man musste dazu durch mehrere brennende Ringe springen. Sir James war ein unnachgiebiger Boss, der die Kandidaten bis an ihre Grenzen testete. Declan würde alles aus sich herausholen müssen, um durchzustehen, was ihm bevorstand. Sam beschloss, Declan nach dem Brunch mehr über die … unethischen Verhörtechniken zu erzählen, die A.L.L. bei den Vorstellungsgesprächen benutzte – nur damit er eine Ahnung bekam, was auf ihn wartete. Aber, so überlegte Sam weiter, noch war jede Menge Zeit, bevor Declan sich mit diesen Informationen würde befassen müssen.
Sam bekam von Declan erst eine feste Bärenumarmung, dann einen klatschenden Schlag auf sein festes, blasses Hinterteil. Er stieß einen spitzen Schrei aus. „Los jetzt, unter die Dusche!“, befahl Declan rau und schob Sam von sich herunter. Er wusste, wie leicht Sam wieder einschlief, und dann würde Declan dem Drang nachgeben, Sam im Arm zu halten, und keiner von ihnen würde etwas zu Essen bekommen. Sam rollte sich aus dem Bett und stolperte verschlafen ins Bad. Declan folgte ihm, um zu pinkeln, während Sam die Dusche aufdrehte und ein wenig laufen ließ, damit das Wasser sich erwärmen konnte.
„Brauchen wir sonst noch was, wenn ich schonmal unterwegs bin?“
„Eine Familienpackung Kondome und einen Eimer Gleitmittel“, antwortete Sam verdorben. Declan schmunzelte und nickte. Er beugte sich hinüber, um Sam einen Kuss auf die Wange zu geben, dann gab er ihm der Vollständigkeit halber noch einen weiteren festen Klaps auf den Hintern, bevor er das Badezimmer verließ.
„Das kriegst du wieder!“, rief Sam ihm nach. Declan joggte nackt die Treppe hinunter und lachte vor lauter Glück leise in sich hinein.
Er spazierte ins Esszimmer und fand seine Sachen genau da, wo er sie vor zwei Tagen ausgezogen und fallen gelassen hatte. Hastig zog er sich an. Er hatte vor, nicht länger angezogen zu bleiben, als nötig war, um in die Bäckerei und zur Drogerie zu gehen, weshalb er die Unterwäsche gleich wegließ und nur Jeans, T-Shirt und seine Jacke überzog. Dann steckte er seine nackten Füße in seine Lederschuhe.
Als Declan zur Vordertür ging, blieb er noch einmal stehen, um dem Rauschen des Wassers zu lauschen, und Sam, der fröhlich unter der Dusche sang. Sentimentale Wärme erfüllte seine Brust. Er würde die beste Frühstückspfanne zubereiten, die Sam Aiken je gegessen hatte! Declan ging durch den Flur mit den schwarz-weißen Bodenfliesen und öffnete die Vordertür. Er stutzte, als er den Mann sah, der dort stand, die Faust erhoben, als wollte er gerade klopfen … oder Declan ins Gesicht boxen.
„Oh, Verzeihung“, sagte der Mann mit einem deutschen Akzent. Der Fremde auf der Treppe war etwa einen Meter fünfundsiebzig groß und mochte Ende zwanzig sein. Er war spindeldürr und gebräunt, mit harten kantigen Zügen in einem Gesicht, das etwas zu klein wirkte für seinen Körper. Sein Haar war platinblond gefärbt und raspelkurz geschnitten. Er trug einen dunklen Kurier-Overall und hielt eins dieser elektronischen Geräte zum Unterschreiben in der Hand.
„Eine Lieferung für Mister Samoohuel Aiiiken.“
„Ach, aye, Sam is’ unter der Dusche. Ich nehm’s entgegen“, bot Declan an. Der Mann schaute auf sein Hand-Terminal und tippte mit dem Stylus aufs Display.
„Und Sie sind?“, fragte er und blickte von seinem Terminal auf, um Declan in die Augen zu sehen. „Als Nachweis für den Empfang.“
„Oh, Declan Ramsay.“ Der Kurier nickte, lächelte freundlich, tippte noch einige Male auf den Bildschirm und hielt schließlich Declan das Gerät zum Unterschreiben hin. Declan setzte seinen Namen auf die Linie und gab dem Kurier das Gerät zurück. Der Mann nickte noch einmal, dann drehte er sich um und hüpfte die Stufen hinunter. Er ging ein Stück die ruhige Londoner Seitenstraße hinunter zu einem schwarzen Lieferwagen, der, wie Declan erst jetzt bemerkte, ein paar Türen weiter am Straßenrand parkte, teils verdeckt von einem Weidenbaum. Declan wartete einen Augenblick, dann hörte er den Kurier rufen:
„Tut mir leid, Mister Ramsay, könnten Sie mir vielleicht kurz anfassen? Das Paket ist schwerer, als ich dachte.“
„Aye, sicher, kein Problem, rief Declan zurück. Er joggte die Vorderstufen hinab und ging mit langen Schritten zum Lieferwagen. Die Seitentür des Vans war offen, und der Mann war hinter den Wagen gegangen und hatte auch eine der Hecktüren geöffnet. Declan hatte keine Ahnung, was Sam bestellt haben mochte, nahm aber an, dass es etwas Großes sein musste. Als er sich in den Laderaum beugte, wurde plötzlich die Hecktür zugeschlagen. Überrascht sah Declan eine weitere Person im Inneren – maskiert, ganz in Schwarz gekleidet – die einen schwarzen Baumwollsack in der Hand hielt. Bevor er begriff, was los war, oder irgendwie reagieren konnte, spürte Declan einen Stich am Hals, dann senkte sich Dunkelheit über ihn.
****
Kapitel 2
VIPER
„Jesus, Dec, hast du die Haustür offen gelassen?“, rief Sam, als er sich anzog und die frühe Dezemberkälte spürte, die der Durchzug ins Schlafzimmer trieb. Er erhielt keine Antwort. Sam schlüpfte in eine Jogginghose und ein langärmeliges T-Shirt
„Declan?“, rief Sam noch einmal. Er war nicht sicher, ob sein Geliebter überhaupt schon von seinem Ausflug zur Bäckerei um die Ecke zurück war. Sam lief rasch die Treppe hinunter und stellte fest, dass die Haustür in der Tat weit offen stand. Mit langen Schritten durchquerte er den Flur und schnaubte: „Verdammt, Ramsay, wurdest du in einer Scheune geboren?“ Dann blieb Sam stehen, als plötzliche Furcht ihm den Magen umdrehte. Am Türklopfer war ein weißes Blatt Papier befestigt und flatterte träge in der kalten Brise. Rasch ging er zur Tür und sah, dass sein Name auf dem Papier stand. Es dürfte niemand wissen, dass ich mich überhaupt an dieser Adresse aufhalte. Mit einem unguten Gefühl pulte Sam das Papier von dem Messingklopfer. Er faltete es auseinander und stellte fest, dass es sich um einen Empfangsbeleg von „E-Zee Fix“ handelte, einer Computer-Reparaturfirma, von der Sam nur zu genau wusste, dass sie gar nicht existierte. Die handschriftliche Notiz war kaum leserlich – um es authentischer aussehen zu lassen, wie Sam annahm. Der Beleg trug das Datum von heute und seinen Namen als Kunde.
Kunde: Sam Aiken-Ramsay
Gegenstand: Declan Ramsay, Komplett-Service.
Lieferung binnen sieben Tagen.
Gezeichnet: A K 47
„DU VERLOGENER SCHEISSKERL!“, brüllte Sam. Barfuß trat er hinaus auf die Vordertreppe und rannte die Stufen hinab. Er schaute auf die Straße und sah gerade noch einen schwarzen Lieferwagen von der Chester Row in die Eaton Terrace einbiegen. Es hatte keinen Sinn, die Verfolgung aufzunehmen. Declan war weg.
Sam fuhr sich mit den Fingern durch das feuchte, blonde Haar und ließ geschlagen die Schultern hängen. Er hatte gewusst, dass das passieren würde, aber er hätte wirklich nicht gedacht, dass es so schnell geschehen würde. Verflucht seist du, Vater. Sam kehrte ins Haus zurück und knallte frustriert die Tür hinter sich zu. Er stapfte ins Wohnzimmer und hob das Festnetztelefon ab. Sam wartete einen Moment, und nachdem er den Piepton hörte, sagte er die Worte „Desert Fox für Viper“. Nach einer weiteren Minute antwortete eine strenge Stimme im Plauderton:
„Desert Fox?“
Sofort ließ Sam eine wütende Schimpftirade los. „Was zum Teufel, Papa? Zwei beschissene Tage?“ Er ließ sich auf die Couch sinken und fuhr sich mit der freien Hand aufgebracht durch sein Haar.
„Du sagtest, ich würde mit im Team sein. Ich sollte ihn einführen. Verdammt, du hast es mir versprochen. Das war wirklich vollkommen unnötig.“ Sam spie die Worte heftig aus. Er wusste, es hätte ihn eigentlich nicht überraschen dürfen, aber es schmerzte tief, dass sein Vater wieder einmal ein Versprechen gebrochen hatte.
„Zwei Tage sind reichlich Zeit, um sich … erneut bekannt zu machen. Und komm, du weißt, dass ich dich niemals ernsthaft den Mann verhören lassen würde, den du offensichtlich … liebst.“
Angespanntes Schweigen hing einen Augenblick lang zwischen ihnen, und Sam fragte sich, ob sein Vater diesen Moment brauchte, um seinen Abscheu und seine Missbilligung zu dämpfen, bevor er fortfahren konnte. Es tat weh, dass James den Eindruck erzeugte, als würde er nicht glauben, dass Sams Gefühle für Declan echt waren. Du würdest Liebe nicht einmal erkennen, wenn sie dich in den Arsch beißt, Vater. Aber Sam biss die Zähne zusammen und verschluckte die zornige, scharfe Entgegnung.
„Mrs. K hat Agent Devon Brody sowie ihr neues Protegé Agent Ranier Strauss ausgewählt, ihr bei der Befragung zu assistieren. Mach in der Chester Row sauber und zieh in die Wohnung in Mayfair. Wir haben seine Bankkonten schon ausgiebig überprüft, ebenso seine E-Mails und Bewegungen in den sozialen Medien. Stell seine Wohnung auf den Kopf. Ich will wissen, ob er irgendwelche Wegwerfgeräte besitzt. Geh seine Papiere durch, Bücher, alles Verdächtige, und dann gib umgehend Bericht.“
In Sams Kopf drehte sich alles. Er war hungrig und niedergeschlagen, und nun musste er sein Gehirn umschalten und zurück ins Spiel. „Ja, Sir“, antwortete Sam in unterwürfigem Ton, ohne jede erkennbare Emotion. Nach einem weiteren unangenehmen Moment des Schweigens redete James weiter.
„Sam, du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Es ist die Standardprozedur bei allen Kandidaten, das weißt du … und natürlich gehört Declan jetzt zur Familie. Und du weißt, wie ich mich um die Meinen kümmere“, beruhigte er Sam mit einem höhnischen Unterton in seinem glasklaren britischen Akzent.
Damit war das Gespräch zu Ende, und Sam knallte das Telefon auf den Couchtisch. Dann verbarg er sein Gesicht in den Händen. Genau davor hatte Sam Angst. Selbst er, Sir James’ einziger Sohn, hatte bei seinem „Bewerbungsgespräch“ keine Gnade erfahren.
Großer Gott, Declan, es tut mir so leid.
****
Sir James Aiken betrat den Aufzug im dritten Stock seiner gregorianischen Stadtvilla, die in Londons lebendigem Bezirk Holland Park gelegen war. Er legte seine elegante, langfingerige Hand auf den an die Wand montierten Touchscreen. Ein grünes Licht leuchtete auf und zeigte an, dass seine Handfläche gescannt wurde. „Viper“, sagte er im Befehlston. Die Türen glitten zu, und der Aufzug fuhr abwärts.
Als sich die Türen wieder öffneten, trat James hinaus in einen langen, stillen, unterirdischen Korridor. Ein gespenstisches, wässeriges Licht durchdrang die gesamte Länge des klinisch-farblosen Ganges und wurde von den weißen Wänden und dem polierten Fußboden reflektiert.
James war ein attraktiver, beeindruckender Mann im Maßanzug, der für seine 55 Jahre umwerfend fit aussah. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein blondes Haar, das an den Schläfen in helles, fast weißes Grau überging. Während das Tapp-Tapp seiner Schritte auf dem polierten Betonboden durch den Korridor hallte, wandte er den Blick nach oben. Wie immer genoss er das wunderbar exzentrische Spektakel der Decke aus schusssicherem Glas hoch über seinem Kopf, das gleichzeitig der Boden eines Pools war, dessen einzige Schwimmbahn sich über den gesamten Korridor erstreckte. Er lächelte verhalten, als er die geschmeidige, nackte Gestalt von Akiko Kimura entdeckte, die ein paar Bahnen schwamm. Sie machte eine Wende und stieß sich von der Beckenwand ab. Ihr glatter, stromlinienförmiger, ockerfarbener Körper bewegte sich durchs Wasser wie ein Pfeil, und ihr langes, schwarzes Haar wirbelte in der Strömung wie Tinte.
Der Korridor teilte sich nach rechts und links. Direkt vor James befand sich zudem eine weiße Tür, die optisch mit der Wand verschmolz – nur wenn man genau hinsah, ließ sich die schwache, rechteckige Kontur erkennen. Es gab keine Klinke oder andere sichtbare Hilfsmittel, um die versteckte Tür zu öffnen. Der linke Korridor war von einer dicken, chromglänzenden Metalltür verschlossen, und ein weiterer Handscanner war an der seitlichen Wand angebracht. Man konnte durch ein winziges Fenster aus schusssicherem Glas in den dahinter liegenden Gang sehen. Auch dort ging es mit den weißen Wänden weiter, aber es gab mehrere Türen und weitere Flure, die Gott weiß wohin führten, mit poliertem Betonboden und schlichten Neonröhren an der Decke.
James bog nach rechts ab und stieß auf eine weitere Metalltür. Er scannte erneut seine Hand, und als der Summer ertönte, drückte er die Tür auf und betrat einen Flur, der sich deutlich vom Rest des übrigen Kellerkomplexes unterschied, der sich wie ein Kaninchenbau Hunderte von Metern unterhalb des historischen London erstreckte. Hier, in diesem zweiten Korridor gab es teure Originalkunstwerke an den Wänden, Designerleuchten und einen dicken Teppichboden, der James Schritte komplett verschluckte. Mehrere Türen gingen vom Hauptkorridor ab. James nahm die erste davon und betrat sein Büro.
Sir James Aikens Büro war ein großer, rechteckiger Raum, zweckmäßig und schnörkellos eingerichtet. Gegenüber der Tür gab es zwei künstliche Fenster, die so beleuchtet waren, dass sie hier unter der Erde die Illusion von Tageslicht erzeugten. Ansonsten gab es schwarzes Leder, Glas und Chrom – schlicht und maskulin. Ein riesiger, antiker Eichenschreibtisch stand links vom Eingang, ein Sofa und ein Couchtisch standen in der Mitte des Raumes, und ein langer, niedriger Glastisch an der Wand auf der anderen Seite. An dieser Wand war auch ein großer Flachbildschirm angebracht, und auf dem Glastisch darunter befanden sich verschiedene technische Geräte – mehrere Computertablets, superflache Laptops, eine Reihe unterschiedlich gekennzeichneter Smartphones sowie ein Satellitentelefon, das gerade auflud.
James ging zu diesem Glastisch und nahm den ersten Laptop. Er ließ sich in die lederne Chesterfield-Couch sinken, öffnete den Deckel des Laptops und presste seinen Daumen auf den Bildschirm. Sobald seine Identität verifiziert war, erschienen mehrere Fotos des zweiunddreißigjährigen Immobilienverwalters Declan Ramsay auf dem Monitor. Es war eine Serie von Stakkato-Aufnahmen, die Declan zeigten, wie er vor wenigen Tagen, das The Ritz Hotel verließ. James lehnte sich zurück und legte seine Fingerspitzen aneinander. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Declan Ramsay war ein Enigma, und insgeheim fand James den Mann absolut faszinierend.
Seit einem gewissen Ereignis vor elf Jahren war Declan Ramsay so etwas wie ein privates Nebenprojekt für James geworden. Wie ein gerissenes Raubtier beobachtete James seine Beute schon seit langer Zeit. Und er hatte die Spannung der Jagd ausgiebig genossen, bevor er beschloss, dass es an der Zeit war zuzuschlagen. Zugegebenermaßen hatte er einige Jahre dazu gebraucht, und es war ein wenig Einmischung von seiner Seite nötig gewesen, bis der Mann willentlich Teil der Belegschaft wurde. Der Schotte hatte einen teuflischen Sinn fürs Detail und war exzellent in seinem Job als Manager des riesigen Londoner Immobilien-Portfolios von A.L.L. Aber nach seinen persönlichen Beobachtungen war James zu dem Schluss gekommen, dass der Schotte die Gesetze von Ursache und Wirkung völlig zu missachten schien, besonders was seine eigenen Handlungen betraf. James wurde nicht schlau aus Ramsay, und es war nicht so, als hätte er es nicht versucht. Er wusste nicht, ob Declan ein ganz gewöhnlicher Mann war, der rein zufällig in gefährliche Situationen hineinstolperte, oder ob er der genialste Schläfer einer feindlichen Gegenspionage-Organisation war, dem er je begegnet war.
Ein geheimnisvolle Funkeln trat in James’ Augen. Er hatte Sam gestattet, Declan lediglich das nackte Grundgerüst von A.L.L. zu erklären. James hatte das Gespräch per Live-Audiofeed verfolgt und Declans Reaktion auf das, was Sam ihm eröffnet hatte, gehört. Der Schotte hatte tatsächlich vollkommen überrascht gewirkt. Vielleicht ist er einfach ein guter Schauspieler, so wie Sam? James schürzte die Lippen und verzog angewidert das Gesicht; er erinnerte sich an die Laute und Geräusche, die er mitangehört hatte, als sein Sohn gefickt wurde, und an die Liebeserklärung seines Sohnes an diesen Mann. Die Erinnerung daran drehte ihm den Magen um. Spionage war ein von Grund auf schmutziges Geschäft, und über die Jahre hatte er vieles gehört und gesehen, das er am liebsten gleich wieder vergessen hätte. Das hier gehörte dazu! Es war der Moment gewesen, der ihn veranlasst hatte, den Livefeed auszuschalten.
Sam hatte keine Ahnung, dass das Haus verwanzt war. Nummer 67 war eines ihrer sauberen Häuser, abgesehen von der direkten Telefonleitung. Ironischerweise war es Ramsay selbst, der die Wanze hineingetragen hatte, und zwar in seinem eigenen Smartphone. Es war ein Kinderspiel gewesen, das Gerät zu aktivieren und zuzuhören.
James hatte danach beschlossen, dass es besser war, mit Ramsays Befragung umgehend anzufangen. Sam hatte praktischerweise die Initiative ergriffen und Declans neugierigen Verstand zwei Tage lang mit ausgiebigem Sex abgelenkt. Und jetzt befand sich Ramsay in einem sicheren Raum auf der anderen Seite seines unterirdischen Holland Park-Komplexes. James würde seine Antworten schon bald bekommen. Die „Reinigungskraft“ würde zweifellos herausfinden, aus welchem Holz der Mann geschnitzt war. Sie würde Schicht um Schicht abtragen, bis auf die Knochen, und Ramsays wahre Natur offenlegen.
James klickte mit der Mouse, und das Bilderkarussel stoppte bei einem Foto, das seinen Sohn zusammen mit Ramsay zeigte, heimlich aufgenommen auf Dunloch Castle. Der Blick, den die beiden Männer wechselten, war verzehrend, und ganz ehrlich … allein dieses Foto ließ in James keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie sich schon dort ineinander verliebt hatten.
Es enttäuschte ihn, dass sein einziger Sohn sich nicht nur als homosexuell entpuppt hatte, sondern auch als zutiefst sentimentaler junger Mann. Als Junge war Sam so fügsam gewesen, so eifrig darauf bedacht, seinem Vater zu gefallen. Und James hatte als Vater getan, was er konnte. Er hatte versucht, Sam abzuhärten und ihn auf die harte Realität als verdeckter Agent vorzubereiten. Er hatte ihn zum Kampftraining unter Männern geschickt, denen nicht einmal er selbst gern in einer dunklen Gasse begegnen würde. Und dann hatte er Sam absichtlich Aufträge in Ländern zugeteilt, wo er sich enthalten musste, weil seine sexuellen Vorlieben ihn dort das Leben kosten konnten, sollte er dabei erwischt werden, sie zu praktizieren.