Liebesleuchten am Bodensee - Johanna Nellon - E-Book

Liebesleuchten am Bodensee E-Book

Johanna Nellon

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Beschreibung

Eine Landschaftsgärtnerin und ein Filmschauspieler – kann das gutgehen? Als Bettina Solberg den charmanten Rick auf der Insel Mainau kennenlernt, hält sie ihn zunächst für einen Winzer aus der Gegend. Und Rick ist froh, dass er mal nicht erkannt wird, und gibt den Weinkenner. So nimmt am hochsommerlichen Bodensee, zwischen Blütenpracht und Segeljacht, das Liebeschaos seinen Lauf. Doch je ernster es zwischen den beiden wird, desto größer die Flunkerei. Rick muss kämpfen für ein Happy End zwischen Mainau, Kreuzlingen und Bregenz ...

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Das Buch

Bettina Solberg ist Landschaftsgärtnerin auf der Insel Mainau. An einem stürmischen Nachmittag lernt sie am Ufer des Bodensees den Winzer Richard Meiningen kennen. Bettina ist überwältigt von Richards weltmännischer Gewandtheit und Attraktivität und kann kaum glauben, dass er schnell ernsthaftes Interesse an ihr zeigt. Doch sie lässt sich auf die Beziehung mit ihm ein und wundert sich nicht, dass er in der Öffentlichkeit immer wieder für einen anderen gehalten wird. Allerdings wundert sie sich sehr, als auf einmal eine andere Frau auftaucht … Ist Richard ehrlich, oder will er sie nur ausnutzen?

Die Autorin

Johanna Nellon lebt im schönen Rheinland, ist aber gern auf Reisen und liebt den Chiemgau und das Dreiländereck.

Johanna Nellon

Liebesleuchten

am

Bodensee

Roman

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein-buchverlage.de

ISBN 978-3-8437-0740-4

Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage April 2014© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, MünchenTitelabbildung: © getty images / Clandestini (Frau); FinePic®, München (Steg und Bodensee)

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

1

Schwer klatschten die ersten Regentropfen auf die Erde, zerplatzten auf dem trockenen Boden und hinterließen kleine dunkle Kreise. Der Himmel, vor einer halben Stunde noch von strahlendem Blau, wurde dunkel, gefährlich hoch türmten sich Gewitterwolken auf, bizarre Gebilde, zwischen denen im Westen schon vereinzelte Blitze aufzuckten.

»Das muss doch nicht gerade jetzt sein«, murmelte Bettina und zog sich die dünne Jacke fester um die Schultern. Sie war mitten auf dem Damm, der die Insel Mainau mit dem Festland verband. Grau schwappte rechts und links das Wasser gegen die Holzbohlen. Zwei Entenmütter schnatterten aufgeregt auf ihre Jungen ein, sie lockten die Kleinen ans Ufer, wo sie sicherer waren.

»Lauf, Tina, es gibt gleich ein irres Gewitter! Nicht, dass du noch vom Blitz getroffen wirst!« Ulli Erbinger, ein junger Azubi, fuhr auf seinem Rennrad an ihr vorbei. Sein blonder Zopf, über den sich zwei der älteren Gärtner immer noch aufregten, wehte im Wind.

Der hat gut reden, dachte Bettina und beschleunigte ihren Schritt. Er wohnt nur einen Steinwurf vom Parkplatz entfernt und ist bald daheim. »Pass du mit deinem Drahtesel auch auf!«, rief sie Ulli nach. »Du lebst gefährlich!« Doch ob er sie gehört hatte, war fraglich, denn ein heftiger Donnerschlag übertönte ihre Worte.

Und dann setzte ein Platzregen ein, der Bettina in Sekunden völlig durchnässte. Beinahe blind stolperte sie weiter. Wie eine graue Wand stand der Regen schräg vor ihr, und Bettina wandte sich ein bisschen mehr nach rechts, damit sie zumindest das Geländer des Damms erkennen konnte. In der Ferne zuckte nacheinander eine Reihe von Blitzen über den Himmel. In ihrem Licht konnte sie die kleine Segeljacht erkennen, die ganz in der Nähe dahindümpelte. Der Segler hatte sich wohl vor dem Unwetter am Ufer in Sicherheit gebracht.

Sie schenkte dem Boot keine Beachtung, sondern sah zu, dass sie auf den glitschigen Holzplanken nicht ausrutschte.

Wieder erhellte ein Blitz die Szene, sein helles Licht spiegelte sich im Wasser. Und nun erblickte Bettina die große Gestalt auf dem Boot, die sich aufrichtete, einen Atemzug lang zögerte – und sich dann mit einem gewaltigen Hechtsprung ins Wasser stürzte.

Unwillkürlich blieb Bettina stehen und umklammerte das Geländer.

»Hey, Sie!« Sie beugte sich weiter vor, konnte den Mann, der mit langen Kraulzügen auf eine bestimmte Stelle zuschwamm, nur mit Mühe erkennen. »Der ist ja wohl verrückt geworden!«, murmelte sie vor sich hin.

Über den fast schwarzen Himmel zuckte ein weiterer Blitz, und in seinem Licht bekam Bettina mit, dass der Mann krampfhaft etwas umklammert hielt.

»Warten Sie, ich komme!«

Sicher hört er mich nicht, dachte sie, als sie mit langen Sätzen die restlichen Meter auf der Brücke zurücklegte, dann nach rechts ans grasbewachsene Ufer eilte. Sie rutschte aus, landete auf dem Hosenboden, rappelte sich wieder auf und kam gerade rechtzeitig, um dem Mann, der sich mühsam ans Ufer schleppte, seine Last abzunehmen. Der Sturm hatte das Wasser aufgewühlt, ungewöhnlich hohe Wellen schwappten an Land und machten es nicht einfach, ans Ufer zu klettern.

»Geben Sie schon her!« Das schwarze Fellbündel wimmerte leise, als sie es an sich drückte.

»So ein dummer Hund!« Schwer atmend ließ sich der Mann ins Gras fallen. »Lebt er?«

»Ja.« Bettina ging in die Hocke und legte den Hund vorsichtig auf die Erde. Er zitterte, japste ein paarmal, dann versuchte er, sich aufzurichten, doch die Beine trugen ihn noch nicht. Das nasse dunkle Fell klebte an der Haut, die Rippen und Hüftknochen traten deutlich hervor.

»So ein armer Kerl!« Bettinas Herz krampfte sich vor Mitleid zusammen. »Der ist ja viel zu dünn.« Sie streichelte den Kopf des Hundes, der sie mit großen dunklen Augen ansah. »Ob man ihn in den See geworfen hat?«

»Glaub ich nicht. Ich denke eher, dass er nach einem Fisch hat schnappen wollen und dann den Boden unter den Füßen verloren hat.«

»Sie waren ziemlich mutig.« Erst jetzt sah Bettina den Hunderetter näher an. Eine Strähne seines dunklen Haares klebte ihm auf der Stirn. Er war ein athletischer Typ, soweit sie das erkennen konnte. Die nasse Jeans und das kurzärmelige karierte Hemd betonten seinen Körper perfekt.

»Ich habe in der Schule meinen Rettungsschwimmer-Schein gemacht. Jetzt hab ich mein Können endlich mal unter Beweis stellen können.« Ein leises Lachen begleitete seine Worte. »Allerdings sehen Sie so aus, als wären auch Sie von mir aus dem Wasser gezogen worden.« Er strich sich das Haar aus der Stirn. »Allerdings gefallen Sie mir besser als der Hund.«

»Danke. Welch großes Kompliment!« Bettina schaute nur kurz in die dunklen Männeraugen, die sie interessiert musterten. Um ihre Verlegenheit zu kaschieren, kümmerte sie sich wieder um den Hund, der immer noch völlig erschöpft im Gras lag. »Er muss dringend ins Trockene.« Sie sah sich um. »Sind Sie mit dem Wagen da?« Sie hob das erschöpfte Tier auf die Arme. »Sonst nehme ich ihn mit zu mir, ich wohne ganz in der Nähe.«

Nur kurz zögerte der Mann. »Nein.« Er stand auf und nahm ihr den Hund ab. »Wir müssen wohl bei Ihnen aufgepäppelt werden.«

»Wir?« Bettina schüttelte den Kopf. »Ich wollte nur den Hund mitnehmen. Ihnen geht’s doch schon wieder sichtlich gut, Sie können aufs Boot zurück.«

»Das glauben auch nur Sie. Mir ist ziemlich kalt. Und … schwindelig ist mir plötzlich auch.«

»Tatsächlich?« Skeptisch sah Bettina ihn an. Der Fremde war fast einen Kopf größer als sie. Er hatte den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, atmete schwer und presste die Lippen fest aufeinander. Ihm schien es wirklich nicht gutzugehen. Jetzt fuhr er sich seufzend mit der Hand übers Gesicht, so dass ein paar Wassertropfen in seinem dunklen Bart hängenblieben.

»Los, kommen Sie schon mit.« Bettina kletterte die Böschung hoch. »Mein Auto steht auf dem Parkplatz.«

»Aber …«

»Was ist denn?« Sie drehte sich kurz um.

»Wir sind klatschnass.« Der Mann hob die Arme kurz an, in denen er den Hund hielt, der sich verängstigt an ihn drückte.

Wieder zuckte ein Blitz über den Himmel, gefolgt von einem heftigen Donnerschlag. Bettina schüttelte sich unmerklich. Sie wollte es nicht zugeben, aber das Gewitter so direkt über ihnen … das war ihr unheimlich.

»Egal. Ich will jetzt nur noch weg. Im Wagen sind wir sicher.« Ohne sich noch einmal umzudrehen, lief sie auf ihren kleinen Zweisitzer zu, der gleich am Anfang des Parkplatzes stand.

»Los, rein mit Ihnen. Die Sitze können morgen in der Sonne wieder trocknen.«

Sie startete, kaum dass der Mann Platz genommen hatte. Er hatte Mühe gehabt, seine langen Beine unterzubringen.

Bettina griff hinter sich und zog ein altes Handtuch vom Notsitz. »Für den Hund. Wickeln Sie ihn da rein.«

»Verdammter Mist! So eine Gemeinheit!«

»Was ist los?« Bettina fuhr vom Parkplatz. Nur kurz blickte sie nach rechts.

»Er ist doch verletzt, der arme Kerl.« Der Mann hob die linke Hand hoch, sie war blutverschmiert. »Ich fürchte fast, man hat versucht, ihm die Halsschlagader zu durchtrennen, die Wunde ist direkt an der Kehle.« Er streichelte das Tier, das keinen Laut von sich gab. »Du arme Socke, bist deinem Peiniger wohl gerade noch entwischt.«

»Kennen Sie einen Tierarzt hier in der Nähe?«, erkundigte sich Bettina.

»Nein. Aber den brauchen wir nicht. Ich denke, der Schnitt ist nicht allzu tief, da tut’s auch ein Verband.«

»Wir sind gleich da, dann können wir nachsehen.« Mit Schwung nahm Bettina die nächste Kurve. Wasser spritzte auf, klatschte gegen die Sträucher am Wegrand. Die Scheibenwischer bekamen zusätzlich Arbeit.

Es war nicht weit bis Meersburg. Als sie den Ort erreichten, war das Gewitter weitergezogen, stand jetzt schon über den Schweizer Bergen.

Bettina parkte direkt vor ihrem Haus im Halteverbot. Normalerweise stellte sie den Wagen in die Tiefgarage, doch dafür war jetzt keine Zeit.

»Hoffen wir, dass bei dem Wetter keine Politesse unterwegs ist«, meinte sie.

»Egal, den Strafzettel zahle dann ich.« Es war nicht leicht für den Mann, mitsamt dem Hund aus dem Wagen zu klettern.

»Ihre Beine sind zu lang für meinen Murkel.«

»Das stimmt. Ich dachte schon, ich müsste sie entknoten.« Er folgte ihr zur Haustür. »Warum geben Frauen ihren Autos eigentlich immer Kosenamen?«

Bettina grinste. »Die haben sich beim Kauf schon so vorgestellt.«

»O shit, ich bin vielleicht ein Stoffel.« Den Hund mit der Linken festhaltend, streckte ihr der Mann die rechte Hand entgegen. »Ich heiße Richard. Richard Meiningen.«

»Bettina Solberg.« Sie schloss auf. »Kommen Sie mit, ich wohne unterm Dach. Einen Aufzug gibt es leider nicht.«

Sie bekam nicht mit, dass Richard leicht das Gesicht verzog. Er fror tatsächlich, und der nasse Hund auf seinen Armen wurde mit jeder Minute schwerer. Zumindest kam es ihm so vor.

»Puh, man merkt, dass Sie im Training sind.« Sein Atem rasselte ein bisschen. »Und wohin mit dem Hund?«

»Hierher, in die Küche.« Sie stieß die Tür zu einer kleinen Küche auf. »Ich hole eine Decke.«

Richard schaute sich um. Der Raum war nicht groß, doch ansprechend eingerichtet. Das Weiß der Einbauschränke wurde durch hellblaue Kissen auf den Stühlen, hellblaue Vorhänge und zwei Bilder, die Rittersporn und Lavendel zeigten, unterbrochen. Auf der Fensterbank stand ein hellblaues Regal mit Küchenkräutern.

Mit einer raschen Bewegung nahm Bettina den Obstkorb vom Tisch und breitete eine Decke darauf aus. »So, dann wollen wir mal sehen, wie schwer die Verletzungen sind.« Mit einem sauberen Küchentuch säuberte sie den Halsbereich und atmete auf, als sie feststellte, dass der Schnitt an der Kehle wirklich nicht tief war.

»Können Sie ihn festhalten? Ich tue was zum Desinfizieren drauf, dann gibt’s einen Verband.« Sie tätschelte vorsichtig den Kopf des Hundes, der sie aus großen dunklen Augen vertrauensvoll ansah.

Schnell war das Tier versorgt. Mitsamt der Decke legte ihn Bettina dann in eine Ecke der Küche, holte Wasser und ein Stückchen Brot, das sie mit Leberwurst bestrich.

»Das ist zwar nicht hundgerecht, aber er wird es mögen«, erklärte sie lächelnd und fütterte dem Hund die ersten beiden Stücke, die er gierig fraß. »Nicht so schnell«, mahnte sie, und Richard sah fasziniert in das schmale Frauengesicht, das jetzt einen beinahe zärtlichen Ausdruck angenommen hatte. »So, jetzt ist’s erst mal genug.« Sie richtete sich auf. »Und nun zu Ihnen …« Sie grinste. »Verarzten muss ich Sie ja nicht, aber vielleicht wollen Sie was Trockenes zum Anziehen haben?«

»Gern. Wenn Sie was Passendes haben?« Er hatte sich umgesehen, nichts deutete darauf hin, dass in dieser Wohnung ein Mann lebte.

»Ob’s passt, wird sich rausstellen. Kommen Sie mit, drüben rechts ist das Bad, da finden Sie im Regal unter dem Fenster frische Handtücher. Und ich hole ein paar trockene Sachen.«

Während er wartete, schaute sich Richard um. Die Maisonettewohnung war hell und freundlich eingerichtet, soweit er das bis jetzt beurteilen konnte. Die Tür zum Wohnraum stand offen, hier herrschten helles Holz und Glas vor. Die Sessel waren aus dunkelblauem Leder, ebenso die Couch. Blau schien Bettinas Lieblingsfarbe zu sein.

Natürlich standen hier viele Blumen, und auch draußen auf dem kleinen Balkon grünte und blühte es in verschwenderischer Pracht. Seine neue Bekannte schien den berühmten grünen Daumen zu haben.

»So, das müsste passen. Und wenn nicht …« Sie lachte leise. »Zur Modenschau wollen Sie ja damit bestimmt nicht.«

»Danke.« Etwas irritiert blickte Richard auf die grüne Latzhose und ein weites T-Shirt. Auf beidem prangte das Logo der Insel Mainau.

»Ich arbeite da«, antwortete Bettina auf seine unausgesprochene Frage. »Und die Hose gehörte einem Kollegen.«

»Ach so.« Richard umklammerte die grüne Latzhose so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Er konnte nicht genau erklären, warum das so war, doch die Vorstellung, dass hier in der Wohnung die Klamotten eines anderen Mannes lagen, störte ihn.

Irgendwie.

Obwohl es ihn absolut nichts anging.

Bettina wies auf eine Tür. »Los, ziehen Sie sich um, sonst erkälten Sie sich noch.« Sie verschwand hinter einer anderen Tür, und Richard beeilte sich, ins Bad zu kommen. Er durfte sich nicht erkälten, es wäre fatal gewesen, denn in der kommenden Woche musste er zu Synchronaufnahmen nach München. Er sollte zum ersten Mal einem weltbekannten amerikanischen Star seine Stimme leihen.

Während er sich die etwas zu langen Haare trocken rubbelte, dachte er daran, dass er in München mit Vanessa verabredet war. Er sah in den Spiegel und verzog das Gesicht, als er sich über den dunklen Bart strich, der ihm auch jetzt, nach zehn Tagen, noch fremd war. »Wenn sie dich so sehen könnte«, murmelte er dabei und grinste. Der Gedanke daran erheiterte ihn.

Ein Lächeln war noch auf seinem Gesicht, als er das Bad verließ. Die Latzhose saß ganz gut, das T-Shirt hingegen war viel zu eng, doch es war wenigstens trocken!

Er ging in die Küche und hockte sich neben den Hund, der kurz den Kopf hob, ihm über die Hand leckte und dann die Augen gleich wieder schloss.

»Er ist total geschafft, der arme Kerl.« Bettina war, von ihm unbemerkt, in die Küche gekommen.

Richard stand auf und drehte sich um. In seinen Augen blitzte es auf, als er Bettina ansah. Das blonde lange Haar war immer noch ein wenig feucht, doch es fiel ihr in weichen Wellen auf die Schultern. Das nasse karierte Hemd und die grüne Arbeitshose hatte sie gegen eine kurzärmelige weiße Bluse und einen hellblauen Jeansrock getauscht. Ein dunkelblauer Gürtel betonte die schlanke Taille.

»Was halten Sie von einem Glas Rotwein? Es regnet immer noch wie verrückt, und ich fürchte, das Gewitter kommt zurück.«

»Rotwein ist immer gut, danke.«

»Dann kommen Sie mit rüber ins Wohnzimmer.« Bettina ging ihm voraus. Sie wunderte sich ein bisschen über sich selbst, denn schließlich hatte sie gerade einen Wildfremden mit in ihre Wohnung genommen.

Ach was, sagte sie sich dann, ein Mensch, der bei diesem Wetter in den See springt, um einen Hund zu retten, kann kein übler Kerl sein.

»Öffnen Sie schon mal die Flasche.« Sie hielt Richard eine Flasche hin, die er aufmerksam betrachtete.

»Sie haben einen guten Geschmack«, stellte er fest. »Der Wein ist exzellent.«

»Woher wissen Sie das?«

Er lächelte. »Mein Großvater hat ihn gemacht.«

2

Ein leichter Wind wehte vom See herauf und trocknete, zusammen mit der aufsteigenden Sonne, die letzten Regentropfen auf den Reben.

»Guten Morgen, Gertrud.« Ottmar Meiningen nickte der Haushälterin zu und setzte sich an seinen Stammplatz am langen Eichentisch, der unter der breiten Fensterfront stand. Seit dem Tod seiner Frau vor fast zehn Jahren frühstückte er mit seinen Leuten in der großen Gutsküche. »Hast du Richard schon gesehen? Er war gestern bei dem Gewitter unterwegs.«

»Nein. Der schläft sicher noch. Der Bub hat schließlich Urlaub.« Gertrud, eine schlanke Frau von fünfundfünfzig Jahren, schenkte Ottmar Kaffee ein und schob ihm den Brotkorb hin. Eine Platte mit Käse und Wurst stand schon bereit, ebenso selbstgemachte Marmelade und goldgelber Honig.

»Hast du dir endlich überlegt, ob du deinen Fünfundsiebzigsten groß feiern willst oder nicht?« Gertrud setzte sich zu ihrem Dienstherrn. Sie war seit mehr als dreißig Jahren auf dem Gut und gehörte zur Familie.

»Ach was, hör mir mit dem Unsinn auf! Es besteht überhaupt kein Grund zu feiern, dass man bald zum alten Eisen gehört.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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