Lovecraft und Duve - Thomas Michalski - E-Book

Lovecraft und Duve E-Book

Thomas Michalski

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Beschreibung

H.P. Lovecraft und Karen Duve – zwei Schriftsteller, die auf den ersten Blick keinerlei Parallelen zueinander aufzuweisen scheinen. Der eine einer der Begründer der modernen, amerikanischen Schauerliteratur, die andere eines der Aushängeschilder der Bewegung, die als deutsches „Fräuleinwunder“ tituliert für junge Autorinnen um die Jahrtausendwende stand. Er oftmals gelesen als eine Verkörperung eines längst vergangenen Weltbildes, das von Kreativität genauso geprägt war wie durch die Furcht vor dem Fremden, sie ein Beispiel für die progressive, furcht- und tabulose Literatur junger, deutscher Schriftsteller. Als Duve zur Welt kam, war Lovecraft bereits 24 Jahre verstorben. Und doch finden sich in Texten der beiden Autoren Parallelen. Lovecraft wie Duve verwenden in einigen ihrer bekanntesten Texte das Motiv humanoider Fisch-Mensch-Hybriden; doch wo formale Ähnlichkeit herrscht, findet sich zugleich große, inhaltliche Differenz. Wie aber kommt es dazu? Warum ist dieses in sich eigenwillige Motiv so einprägsam, und doch zugleich so offen, dass es grundverschiedenen Schriftstellern mit fast diametralen Ansichten dennoch gleichermaßen dienen kann? Dieses Buch begibt sich auf die Suche nach einer Antwort.

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Über dieses Buch

H.P. Lovecraft und Karen Duve – zwei Schriftsteller, die auf den ersten Blick keinerlei Parallelen zueinander aufzuweisen scheinen. Der eine einer der Begründer der modernen, amerikanischen Schauerliteratur, die andere eines der Aushängeschilder der Bewegung, die als deutsches „Fräuleinwunder“ tituliert für junge Autorinnen um die Jahrtausendwende stand. Er oftmals gelesen als eine Verkörperung eines längst vergangenen Weltbildes, das von Kreativität genauso geprägt war wie durch die Furcht vor dem Fremden, sie ein Beispiel für die progressive, furcht- und tabulose Literatur junger, deutscher Schriftsteller. Als Duve zur Welt kam, war Lovecraft bereits 24 Jahre verstorben.

Und doch finden sich in Texten der beiden Autoren Parallelen. Lovecraft wie Duve verwenden in einigen ihrer bekanntesten Texte das Motiv humanoider Fisch-Mensch-Hybriden; doch wo formale Ähnlichkeit herrscht, findet sich zugleich große, inhaltliche Differenz.

Wie aber kommt es dazu? Warum ist dieses in sich eigenwillige Motiv so einprägsam, und doch zugleich so offen, dass es grundverschiedenen Schriftstellern mit fast diametralen Ansichten dennoch gleichermaßen dienen kann?

Dieses Buch begibt sich auf die Suche nach einer Antwort.

Über Thomas Michalski

Thomas Michalski wurde am 16. Februar 1983 in Euskirchen geboren und wuchs danach in Schleiden in der Eifel auf. 2003 zog er nach Aachen und studierte dort Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft sowie Philosophie an der RWTH Aachen.

Er lebt weiterhin in Aachen, ist der Autor mehrerer Bücher und arbeitet derzeit freiberuflich als Übersetzer, Lektor und Setzer, sowie gelegentlich als Grafiker und Fotograf.

Für all jene, die stets bereit sind, auch lange Wege mit mir zu beschreiten.

Inhalt

Vorwort

1 Einleitung

2 Die Primärtexte

2.1 H.P. Lovecraft

2.1.1 Über H.P. Lovecraft

2.1.2 Schatten über Innsmouth

2.1.3 Zur Auswahl der Textfassung

2.2 Karen Duve

2.2.1 Über Karen Duve

2.2.2 Über Im tiefen Schnee ein stilles Heim

3 Die Darstellung der Fischwesen

3.1 Das Motiv in Schatten über Innsmouth

3.1.1 Die primäre Textstelle

3.1.2 Das generelle Motiv

3.1.3 Lovecraft und das Meer

3.1.4 Lovecrafts direkte Inspiration

3.1.5 Von der anderen Seite betrachtet: Schatten über Innsmouth als Utopie

3.1.6 Zusammenfassende Deutung

3.2 Das Motiv in Im tiefen Schnee ein stilles Heim

3.2.1 Die primären Textstellen

3.2.2 Das generelle Motiv

3.2.3 Duve und mythische Wesenheiten

3.2.4 Die Novelle als Märchen-Allegorie

3.2.5 Zusammenfassende Deutung

3.2.6 Ist Anita ein verlässlicher Erzähler?

4 Das Motiv des humanoiden Fisch-Mensch-Hybriden

4.1 Lovecraft und Duve

4.1.1 Formale Parallelen in beiden Texten

4.1.2 Motivbezogene Parallelen

4.1.3 Eindeutige Abweichungen

4.1.4 Duve als Epigone Lovecrafts?

4.2 Gemeinsame Ursprünge des Motivs?

4.2.1 Volkssagen und Märchen

4.2.2 Literarische Grundlagen

5 Schlussfolgerungen und Deutung

5.1 Die Angst vor dem Unbekannten

5.2 Das Fremde in unserer Mitte

5.3 Die Ebene der Sexualität als eindeutige Differenz

5.4 Das kollektive Unbewusste als Erklärungsansatz

5.5 Ungeklärt bleibende Fragen

6 Fazit

Nachwort

Danksagungen

Bibliographie

Primärliteratur

Ergänzende Primärliteratur

Sekundärliteratur

Vorwort

Als Hans Magnus Enzensberger im Vorwort zur publizierten Fassung seiner Dissertation – 1961 bei Hanser unter dem Titel „Brentanos Poetik“ veröffentlicht – schrieb, dass es ihm nicht gelungen sei, den Text aus dem Germanistischen ins Deutsche zu übersetzen, hat er mutmaßlich viele Feuilletonisten glücklich gemacht, denn das Zitat tauchte anschließend wieder und wieder auf.

Es steckt in diesen Worten jedoch auch abseits der Selbstaussage eine Erkenntnis, die in der Tat Beachtung verdient. Dass überhaupt die Notwendigkeit einer solchen „Übersetzung“ im weiteren Sinne besteht, ist Sprache und Form der Wissenschaft geschuldet. Doch in dem gleichen Maße, wie Fachjargon und etablierter Formalismus sicherlich ihre Daseinsberechtigung haben – da mit ihnen eine Eindeutigkeit und Präzision einhergeht, die sich in der Alltagssprache manchmal verweigert –, sind sie zugleich doch auch ein Problemfaktor, der verhindert, dass eine breite Leserschaft Zugang zur Fachliteratur erhält.

Mancher Zyniker sagte schon einmal, dass das vielleicht eine elfenbeinturmhafte Absicht sei. Während dies in solcher Pauschalität aber sicher nicht haltbar, jedoch auch nicht in jedem Fall von der Hand zu weisen ist, kann ich zumindest sicher sagen, dass es für mich ein Anliegen war, gut lesbar zu sein. Als ich die Entscheidung traf, „Das Motiv humanoider Fisch-Mensch-Hybriden in den Werken von H.P. Lovecraft und Karen Duve“ als Taschenbuch zu veröffentlichen, lag für mich gerade der Reiz darin, es den Leuten damit auch wirklich zugänglich zu machen. Zugänglich als Buch, aber auch zugänglich vom Inhalt her.

Die vorliegende Textfassung weicht insofern ein wenig von der ursprünglichen Arbeit ab. Sehr viele Direktzitate sind durch Paraphrasen ersetzt worden, was nicht zuletzt dem Lesefluss zuträglich sein dürfte. Damit die Präzision aber gewahrt bleibt, habe ich die Quellenverweise dennoch beibehalten, sodass sich auch in dieser Fassung jede meiner Aussagen letztlich anhand der Primärtexte prüfen lässt. Ob die Paraphrase im Vergleich zum Direktzitat nun mehr oder weniger dazu geneigt ist, dem Leser die textlichen Zusammenhänge zu erschließen, muss ohnehin jeder für sich selbst bestimmen. Dass jedoch, egal wie sehr einem eine wissenschaftliche Arbeit entgegenkommt, letztlich für ein Verständnis der Betrachtungen in ihrer ganzen Tiefe eine grundlegende Kenntnis der behandelten Primärtexte notwendig ist, dürfte außer Frage stehen. Warum man dem Leser aber darüber hinaus regelrecht zusätzliche Arbeit machen sollte, erschloss sich mir nie.

Gleichermaßen neu ist das Nachwort am Ende des Buches, eine Reflexion über den eigenen Text, wenn man so möchte.

Ob die Übertragung letztlich geglückt ist, ob es also ein gut zu lesender Text geworden ist, dem dennoch die Präzision der Erstfassung erhalten blieb, ist nun letztlich die Entscheidung der Leser. Ich hoffe jedoch, dass die Lektüre sowohl Unterhaltung als auch einen Wissensgewinn bieten wird, denn dann würde sie letztlich auch meine eigene Erfahrung bei der Bearbeitung des Themas widerspiegeln.

Thomas Michalski Aachen, April 2013

Kontakt

Seid ihr meiner Meinung? Seid ihr nicht meiner Meinung? Habt ihr Fragen, Anmerkungen oder anderweitig Lust, in Kontakt zu treten?

Ich würde mich freuen!

Mail:[email protected]:@seelenworteWebseite:http://www.thomas-michalski.de

1. Einleitung

Das Motiv des Meeres, seiner Bewohner und seiner Geheimnisse war vermutlich schon immer ein Teil der Literaturgeschichte. Doch eine sehr spezialisierte Variante davon, Mischwesen aus Mensch und Meeresbewohner, die unerkannt unter den Menschen Leben und deren Kultur anscheinend unterwandert haben, stellt eine seltenere Ausnahme dar.

Diese Motivvariante findet sich in den Texten des amerikanischen Autors H.P. Lovecraft, vor allem in der Geschichte „The Shadow over Innsmouth“ (1946), aber auch in der Novelle „Im tiefen Schnee ein stilles Heim“ (1995) der deutschen Autorin Karen Duve.

Das ist insbesondere bemerkenswert, weil es sehr schwer fällt, zwischen den beiden Autoren und ihrem Werk weitere Parallelen zu finden, sei es nun inhaltlich, historisch oder ideologisch.

In diesem Buch will ich untersuchen, wieso dennoch ausgerechnet in diesen beiden Texten, trotz ihrer Unterschiede, diesem seltenen Motiv eine so zentrale Rolle zugedacht wurde. Ich werde mich dabei auch mit der Frage beschäftigen, ob und wie es möglich ist, dass beide Texte ganz unterschiedliche Botschaften mithilfe des gleichen Bildes vermitteln, oder ob nicht doch bei einer genauen Untersuchen Nuancen zutage treten, die der wahrgenommenen Parallelität widersprechen.

Zu diesem Zweck werde ich, nach einer kurzen Vorstellung der beiden Autoren und der genannten Werke sowie einer Eingrenzung des Motivs, zunächst die für diese Untersuchung relevanten Textstellen genauer analysieren. Mit diesen Untersuchungen als Grundlage werde ich dann in einem nächsten Schritt zwei Fragen nachgehen: Wo liegen wirklich die Parallelen und wo die Unterschiede zwischen den beiden Texten, und ist das geschilderte Motiv tatsächlich solch eine Ausnahme gegenüber anderen, vergleichbaren Motive aus der Literatur?

Den Abschluss bildet dann eine Interpretation der Texte im Kontext des zugrunde liegenden Motivs und auf Basis der herausgearbeiteten Aspekte, sowie ein Versuch, bei allen bis dahin gefundenen Unterschieden eine Erklärung zu finden, wie es zu dieser Parallele zwischen den Texten gekommen sein könnte.

2. Die Primärtexte

2.1 H.P. Lovecraft

2.1.1 Über H.P. Lovecraft

Howard Phillips Lovecraft wurde am 20. 8. 1890 als Sohn des Handlungsreisenden Winfield Scott Lovecraft und Sarah Susan Phillips Lovecraft in Providence, Rhode Island, geboren. Lovecraft zeigte bereits sehr früh eine große Begabung, beherrschte angeblich mit zwei das Alphabet, konnte mit vier lesen und schrieb mit sechs erste Texte1, besuchte aus gesundheitlichen Gründen jedoch nie ein College. Mit Ausnahme der Jahre 1924 bis 1926, die er in New York gelebt hat, verbrachte er sein ganzes Leben in seiner neuenglischen Heimatstadt. Dort schrieb er Zeit seines Lebens Geschichten, jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Viele seiner Texte wurden auch erst posthum veröffentlicht. Lovecraft haftet bis heute der Ruf eines Außenseiters und Einzelgängers an, was jedoch nicht uneingeschränkt stimmt. Zwar sind neben seiner kurzen Ehe mit der Sonia Haft Greene, einer Jüdin russischer Herkunft2, keine Beziehungen Lovecrafts bekannt, doch insbesondere in Form von Briefen pflegte er viele Kontakte. Nach eigenen Angaben schrieb er 5 bis 10 Briefe pro Tag und die von ihm verfasste Gesamtzahl wird zwischen 42.000 und 84.000 geschätzt3.

Lovecraft verstarb 1937 an Darmkrebs und Nierenversagen. Bis zu seinem Tod war er niemals von dem Wert seines eigenen Schaffens überzeugt. Eine nur wenige Seiten umfassende Autobiographie – schon symptomatisch als „Einige Anmerkungen zu einer Null“ bzw. „Some Notes on a Nonentity“ betitelt – eröffnet er mit der Aussage, die Hauptschwierigkeit einer Autobiographie sei für ihn, überhaupt etwas zu finden, was bedeutsam genug sei, um festgehalten zu werden.4

Aus heutiger Sicht ist dies natürlich eine Fehleinschätzung und sein Einfluss auf nachfolgende Generationen ist ungebrochen groß5.

2.1.2 Schatten über Innsmouth

„Schatten über Innsmouth“ erscheint erstmals 1936 nach einem sehr ausgedehnten Vorlauf. Lovecraft selber hatte die Arbeit daran nach mehreren Anläufen 1931 bereits abgeschlossen, zeigte sich aber unzufrieden und konnte sich nicht vorstellen, dass sich jemand für den Text interessieren würde. Nur seinem Verleger August Derleth, der das Manuskript ohne das Wissen des Autors kursieren ließ, ist eine Veröffentlichung zu verdanken6