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Schon einmal hat Matt es versäumt, zum festgelegten Termin Rulfan aus der Parallelwelt zurückzuholen, in der dieser mit seinen Mannen gegen die Daa'muren kämpft. Er weiß nicht, wie es um seinen Freund steht, ob er noch lebt oder die andere Erde von den Gestaltwandlern überrannt wurde.
Ein Zweiteiler klärt uns nun darüber auf, was in der Zwischenzeit geschah - von Rulfans Rückkehr in seine eigene verdammte Welt, in der Matt und Aruula und viele andere Freunde lange tot sind, bis zum heutigen Stand. Ein Highlight, das ihr nicht verpassen dürft!
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Seitenzahl: 163
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Was bisher geschah...
Rulfans Rückkehr
Leserseite
Vorschau
Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder, und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche gegen dessen kosmischen Feind, den Streiter, zu verteidigen, woraufhin der Wandler mit den meisten Daa'muren die Erde verlässt...
Durch eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums tauchen überall auf der Erde Areale verschiedener Parallelwelten auf. Zwar können unseren Helden die Risse versiegeln – aber eine letzte Bruchstelle tauscht ein Areal um den Victoriasee in Afrika aus, das Kaiserreich Pilâtre de Roziers. Eine gewaltige Stadt erscheint, deren Bewohner einen »Dunklen Keim« verbreiten. Nach einigen Angriffen der Dunklen findet man dank der befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein Heilmittel: Die Splitter von Daa'muren-Kristallen saugen den Dunklen Keim aus den Infizierten!
Ein Absturz über der Gigantopole wird Matt und Aruula zum Verhängnis: Ihre bösen Ebenbilder ermorden de Roziers Enkel Pilou und über hundert Hydriten, bevor man sie vernichten und das Zentrum der Stadt sprengen kann. Da diese daraufhin erstarrt, hofft man ihr Dunkles Herz zerstört zu haben – doch es lebt!
Da naht eine neue Gefahr: Ein Roboter mit dem Geist von Professor Dr. Smythe, Matts Erzfeind, lockt einen Streiter zur Erde. Zunächst trifft die kosmische Wesenheit auf den Mars treffen, wo der dort lebende Hydree Wang'kul ihn per Zeitstrahl sechs Monate in die Zukunft versetzen kann. Dann erreicht »Robo-Smythe« mit dem gestohlenen Raumschiff PLASMA die Erde, wo er seinem Parallelwelt-Ich begegnet.
Währenddessen ringen Tom Ericson und die zwielichtige Vasraa Uon den Wurmloch-Architekten auf dem Planeten Cancriss einen mobilen Generator ab, mit dem Matt & Co. eine mächtige Waffe, den Flächenräumer, vom Ringplaneten- ins Sonnensystem schaffen wollen. Um ihn zu bekommen, müssen sie die verbrecherische Pancinowa-Regierung decken, die einen Wandler gefangen hält, um ihm Energie abzuziehen. Während Matt und Aruula zur Erde reisen, bringt Vasraa den Generator an sich. Es kommt zu einer Konfrontation zwischen Parallelwelt- und Novis-Vasraa, wobei Letztere getötet wird und Erstere auf Novis eine neue Heimat findet. Damit ist der Generator wieder in Matts Hand, und auch ein weiterer Erfolg ist zu verbuchen: Es gelingt ihnen, Robo-Smythe endgültig zu zerstören.
Da geschieht in Afra Seltsames: Die Dunklen stoppen ihren Vorwärtsdrang und folgen einem Ruf zur Dunklen Stadt, um dort zu vergehen. Das Herz der Stadt ist wieder erwacht und saugt alle Energie ein, derer es habhaft werden kann – bis die vier Daa'muren Grao, Ira, Balat und Soro es in sein Koma zurückstoßen können; Letzerer opfert dafür sogar sein Leben.
Nun muss der Flächenräumer zur Erde, bzw. zur Mondstation gebracht werden. Da seine Substanz gelitten hat, wird es nötig, ihn dort neu aufzubauen und die relevanten Komponenten einzufügen. Doch dann passieren seltsame Unfälle, bei denen Matt fast ums Leben kommt. Sie entpuppen sich als Sabotage – hinter der Victorius zu stecken scheint, der Kronprinz und Vater des ermordeten Pilou!
Rulfans Rückkehr
von Ian Rolf Hillund Lara Möller
Reese wuchtete die schwere Holzkiste auf den Horsay-Karren und hielt erschöpft inne. Seit einer Stunde belud sie Fuhrwerke mit Vorräten, die für den Stützpunkt außerhalb Coellens bestimmt waren. Ihr Rücken und die Arme schmerzten von der Anstrengung. Doch sie durfte sich keine Pause gönnen.
Ein Grollen rollte aus der Ferne heran. Angsterfüllt hob sie den Blick. Am Horizont stiegen Rauchsäulen auf. Dort tobten die Kämpfe zwischen den Rebellen und den Daa'muren. Es war lediglich eine Frage der Zeit, bis die Monster die Stadt erreichen würden.
Auf einmal hörte sie Schreie vom Marktplatz. Eine Vielzahl von Stimmen, die unverständliche Worte riefen. Reese erstarrte.
Die Daa'muren sind da!
Hektisch blickte Reese sich um. Die beiden Frauen, die Kisten mit Gemüse, Brot und getrocknetem Fleisch aus dem Lager gebracht hatten, ergriffen schreiend die Flucht. Auch der Wachmann, der verhindern sollte, dass hungrige Einwohner die Vorräte stahlen, rannte entsetzt davon.
Reese kauerte sich neben dem Horsay-Karren zusammen. Gleich würden die ersten Detonationen Coellen erschüttern und die wenigen Gebäude, die noch standen, zum Einsturz bringen. Trümmerteile würden vom Himmel herabregnen.
Sie hielt sich die Ohren zu und schloss die Augen. Wartete mit wild pochendem Herzen auf das Unvermeidliche. Die Daa'muren hatten Coellen schon einmal fast vollständig zerstört. Selbst eine magische Hecke hatte die Monster nicht aufhalten können.* Die Barrieren, die Überlebende später vor den Durchbrüchen im Schutzwall errichtet hatten, würden einem Angriff nicht lange standhalten.
Es gab kein Entrinnen! Reese hatte erlebt, mit welcher Gnadenlosigkeit die Daa'muren Menschen abschlachteten. Manchmal träumte sie von verwüsteten Dörfern und verstümmelten Leichen. Von ihren Eltern.
Etwas berührte sie an der Schulter. Sie schrie auf. Schlug wild um sich und zog ihr Kurzschwert, bereit, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
»Beruhige dich, mein Kind!« Hinter ihr stand ein alter Mann in einer zerschlissenen Uniform. Er hob in einer besänftigenden Geste die Hände und betrachtete sie aus trüben blauen Augen. »Hier droht dir keine Gefahr«, versicherte er mit kratziger Stimme.
»Die Daa'muren greifen an!«, gab Reese vor Angst bebend zurück. »Ich habe die Schreie vom Marktplatz gehört.«
Das faltige Gesicht ihres Gegenübers verzog sich zu einem Lächeln. »Das Portal hat sich geöffnet. Deshalb herrscht eine solche Aufregung.«
»Das... Portal?« Reese starrte den Alten ungläubig an.
Der nickte. »Wir bekommen Besuch aus der anderen Welt. Hoffentlich weitere Verstärkung, die uns im Kampf gegen die Daa'muren hilft.«
Euphorie durchströmte Reese. Ihr jüngerer Bruder war seit dem Weltenwechsel verschollen. Anders als sie, hatte Aaron sich in der Stadt befunden, als diese durch ein alternatives Coellen ausgetauscht worden war. Nach dem Tod ihrer Eltern war er die einzige Familie, die Reese blieb. Falls er noch lebte.
Um das herauszufinden, musste sie durch das Portal reisen. Allein aus diesem Grund war sie hier. Und jetzt bot sich die vielleicht einzige Gelegenheit!
Reese steckte das Schwert zurück in die improvisierte Halterung an ihrem Gürtel. Sie ließ den alten Mann ohne Erklärung stehen und rannte los. Vorbei an Ruinen und windschiefen Häusern, die aus den Trümmern anderer Gebäude errichtet worden waren. Dazwischen türmten sich Schuttberge auf, aus denen grotesk verdrehte Metallstreben ragten.
Reese war nicht die Einzige, die sich auf dem Weg zum Portal gemacht hatte. Zahlreiche Coelleni eilten durch die Gassen. Sie wich einem Horsay-Karren aus und rempelte dabei eine ältere Frau an, die ihr empört etwas hinterherrief.
Ein kleiner Junge kam ihr entgegengelaufen. »Das Portal hat sich geöffnet!« Seine Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Das Portal hat sich geöffnet!«
Reese schob einen Mann brüsk beiseite und strauchelte auf dem unebenen, von Schlaglöchern durchzogenen Untergrund. Sie fing sich und hetzte weiter.
Vor nicht allzu langer Zeit waren bereits Reisende durch das Portal gekommen. Männer, die ursprünglich aus dieser Welt stammten. Widerstandskämpfer, die im Stützpunkt vor der Stadt ihr Lager aufgeschlagen hatten.
Während des letzten Versorgungstransports hatte Reese versucht, dort etwas über Aarons Verbleib zu erfahren. Keiner der Ankömmlinge kannte ihren vier Jahre jüngeren Bruder. Obwohl Aaron auffiel mit seinen kupferroten Haaren und den hellblauen Augen. Sie sahen sich so ähnlich.
Reese kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Vor ihr versperrten Menschen die Gasse. Ein blaues Leuchten fesselte die Aufmerksamkeit aller. Reese zwängte sich an den Frauen und Männern vorbei. Sie durchbrach den Ring der Schaulustigen – und prallte zurück, als sich vor ihr ein Horsay aufbäumte. Darauf saß ein langhaariger Hüne.
Bevor Reese sich von dem Schock erholen konnte, sprang ein Schatten auf sie zu und riss sie von den Beinen. Sie landete hart auf dem Boden. Hörte Schreie hinter sich. Und entdeckte den Lupa.
Das Tier stand geduckt vor ihr, das Maul leicht geöffnet, bereit zum Sprung. Vor Angst konnte Reese keinen Muskel rühren. Sieh ihm nicht in die Augen! Sonst zerfetzt er dich!
Ein gellender Pfiff ertönte. Der Lupa wandte den zottigen Kopf. Er sah hoch zu dem muskelbepackten Hünen mit dem fast weißen Haar, der nun sein Horsay heranführte.
»Wulf meint es nicht böse. Du hast ihn erschreckt.« Die Stimme des Mannes klang rau, doch warm und freundlich. Er musterte sie aus roten Albinoaugen und beugte sich herab, um ihr aufzuhelfen. Hinter ihm verströmte das Portal unruhiges blaues Licht. Reese ergriff die dargebotene Hand.
Scheinbar mühelos zog sie der Fremde auf die Beine. »Hast du dich verletzt?«, erkundigte er sich besorgt.
Sie wollte gerade antworten, als das Portal verschwand. Ohne Vorwarnung, ohne ein letztes Aufflackern. Als wäre es nie dagewesen. Starr vor Entsetzen blickte Reese auf die Stelle, an der sich gerade eben noch der Weg in die andere Welt befunden hatte. Der Weg zu ihrem Bruder. Sie hatte die Gelegenheit verpasst!
»Ist alles in Ordnung?« Der Fremde musterte sie verwundert. Er hielt noch immer ihre Hand. Reese riss sich los und warf sich herum. Sie zwängte sich an den Gaffern vorbei, stieß jeden beiseite, der ihr in die Quere kam. Während sie durch die Gassen lief, kamen die Tränen.
Schließlich erreichte sie das halbverfallene Haus, in dem sie seit einigen Wochen wohnte. Sie kletterte über die Reste einer Steinwand, stürmte durch den ehemaligen Wohn- und Essbereich, den die halb eingestürzte Decke verwüstet hatte, und öffnete die Tür zum einzigen bewohnbaren Zimmer. In der Mitte des kleinen dunklen Raums blieb sie keuchend stehen.
Alles vorbei! Weil sie zu spät gekommen war. Heiße Wut schnürte ihr die Kehle zu. Ohne diesen verfluchten Lupa hätte sie das Portal rechtzeitig erreicht! Sie wischte sich schniefend eine Träne von der Wange.
Wie ihr dieser Raum zuwider war! Das Fenster hatte sie mit Holzbrettern zugenagelt, um Regen und ungebetene Gäste jeglicher Art fernzuhalten. Durch die Spalten zwischen den Brettern drangen frische Luft und ein wenig Tageslicht herein. Tiefe Risse zogen sich durchs feuchte Mauerwerk. Es roch schimmlig.
In einer Ecke des Zimmers lag eine schmale Matratze. Darauf ein Kopfkissen und eine zusammengefaltete Decke. In einer anderen Ecke stand eine rußgeschwärzte Truhe, die Reese aus einer anderen Ruine geborgen hatte. Darin bewahrte sie ihre wenige Kleidung und einige Vorräte auf. Das war ihr armseliges Leben.
Sie sank auf die Matratze. Drängte neue Tränen zurück. Sie würde nicht aufgeben. Sie durfte es nicht! Aaron war irgendwo in dieser anderen Welt. Ihr Bruder lebte, und er wartete auf sie.
»Ich werde einen Weg finden«, sagte Reese leise. Es war ein Versprechen. An Aaron. Und an sie selbst.
Zu Hause!
Rulfan wurde von seinen Gefühlen förmlich überwältigt. Einerseits war er froh, wieder hier zu sein, bei seinen Kameraden, seinen Mitstreitern, seinen Freunden. Andererseits plagte ihn das schlechte Gewissen. Er fühlte sich wie ein Verräter, der die Truppe im Stich gelassen hatte. Rational betrachtet wusste er zwar, dass es bis zur Stabilisierung des Portals keinerlei Möglichkeit gegeben hatte, dieses zu öffnen, damit er aus der Parallelwelt zurück in seine Realität wechseln konnte, doch gleichzeitig nagten in ihm Zweifel.
Hatten sie wirklich alles versucht, um eine Rückkehr zu forcieren? Oder hatten sie insgeheim gezaudert und sich lieber anderen Problemen gewidmet, um dem furchtbaren Krieg gegen die Daa'muren wenigstens für ein paar Monate den Rücken kehren zu können? Ein paar Monate. Rulfan schnaubte. Über ein Jahr war vergangen! Und nein, er und seine Kameraden, allen voran Ulfis und Honnes, hatten keineswegs die Hände in den Schoß gelegt und Däumchen gedreht.
Das dumpfe Stechen, das bei jedem Atemzug durch seine Brust fuhr, erinnerte ihn schmerzhaft an seinen Verlust und den letzten großen Kampf gegen Professor Dr. Jacob Smythe, dem seine geliebte Frau Maleen zum Opfer gefallen war.
Sie mochten sich im letzten Jahr mehr und mehr auseinandergelebt haben, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass sie die Mutter seines Sohnes Leonard gewesen war, den er in der Sicherheit der Parallelwelt zurückgelassen hatte. In jenem Coellen, das durch ein sonderbares Phänomen aus der Realität herausgerissen und gegen das Pendant aus der anderen Welt ausgetauscht worden war.
Gemeinsam mit Matthew Drax, Aruula und dem Archivar Worrex hatte er nach einer Möglichkeit gesucht, die Kaskade der Parallelwelten aufzuhalten, sehr zum Missfallen von Maleen, die keinen Grund darin gesehen hatte, einen Weg zurück in eine Welt zu suchen, die ihrer Meinung nach längst dem Untergang geweiht war.
Doch Rulfan weigerte sich, so zu tun, als ginge ihn der Krieg gegen die Daa'muren nichts mehr an. Er hätte sich nie wieder im Spiegel ansehen, geschweige denn seinem Sohn in die Augen blicken können.
Aus diesem Grund hielt er sich auch nicht lange am Marktplatz auf, wo das Erscheinen des Portals für jede Menge Aufregung gesorgt hatte. Dabei war es ja nicht das erste Mal, dass sie es mit Hilfe des Tachyon-Prionen-Wesens geöffnet hatten. Ulfis und Honnes waren schon lange vor ihm hindurchgegangen und zum Stützpunkt des Widerstandes geritten, wo sie ihn erwarteten. Er selbst hatte sich noch von Matt, Aruula und vor allen Dingen dem kleinen Leonard verabschieden wollen.
Es zerriss ihm das Herz, wenn er daran dachte, dass er ihn womöglich nie wieder sah. Und ein Teil von ihm konnte Maleen verdammt gut verstehen. Warum nicht einfach dort bleiben, wo es sicher war? Doch die Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft, der Menschheit, wog nun einmal schwerer als der Wunsch, seinen Sohn aufwachsen zu sehen.
Zumal er diesen Krieg auch für ihn führte.
Sollten die Daa'muren gewinnen und das Portal unter ihre Kontrolle bekommen, würden sie gewiss nicht vor der anderen Welt Halt machen.
Kurz dachte Rulfan an die junge Frau mit den kupferroten Haaren, die unvermittelt vor ihm aufgetaucht war und regelrecht verstört reagiert hatte, nachdem das Portal sich wieder geschlossen hatte. Ob es jemanden auf der anderen Seite gab, den sie vermisste?
Nun, dachte Rulfan mit einem Hauch von Wehmut, da ist sie nicht die Einzige. Aber es ist Krieg. Und wir müssen alle Opfer bringen.
Der Neo-Barbar verschloss sein Herz hinter einem Panzer aus Eis und drückte dem Horsay die Fersen in die Flanken. Er durfte sich keine Sentimentalitäten erlauben. Und so schüttelte er die Erinnerung an die kurze Begegnung ab, verdrängte die Sehnsucht nach Leonard und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt.
Wulf war schon vorgelaufen, die Nase dicht über dem Boden. Als das Stampfen der Hufen schneller und lauter wurde, hob Rulfan den Kopf und beschleunigte ebenfalls.
Seine Augen brannten, als er sah, was die Daa'muren angerichtet hatten. Das Coellen aus der Parallelwelt war schon zuvor in keinem guten Zustand gewesen, das wusste er von Matt und Aruula, doch die Daa'muren hatten die Stadt förmlich in Schutt und Asche gelegt. Der Geruch nach kaltem Ruß lag in der Luft, so wie man ihn in kürzlich ausgebrannten Ruinen roch.
Wohin er auch schaute, sah er zerlumpte Menschen, die sich mit leeren Augen und stumpfen Blicken an ihre alltäglichen Verrichtungen klammerten, um sich durch ihre Routine einen Hauch von Normalität zu bewahren.
Rulfan überquerte den Strom, der sich träge und schmutzig durch die Landschaft wälzte. Das Wasser stand niedrig, der Uferbereich war verschlammt. Kinder wateten durch den Schlick, auf der Suche nach etwas Wertvollem oder Essbarem.
Die Lage schien schlimmer als erwartet. Rulfans Miene verhärtete sich.
Die Sonne stand schon tief über dem Horizont, als er die Stadt hinter sich ließ und nach Osten ritt, wo der Widerstand seinen neuen Stützpunkt eingerichtet hatte. Knapp außerhalb des Dornenwalls, der das Parallelwelt-Areal umgeben hatte.
Noch auf der anderen Seite, am Portal, hatte Aruula telepathisch Kontakt mit dem Pflanzenbewusstsein GRÜN aufgenommen und es dazu gebracht, die Hecke verdorren zu lassen.
Rulfan ritt so schnell, wie es Wulfs Zustand erlaubte. Der tapfere Lupa war im Kampf gegen Smythe und seine Schergen verletzt worden, würde sich jedoch rasch erholen, dessen war sich der Neo-Barbar sicher.
Als der Stützpunkt endlich in Sicht kam, konnte Rulfan die Tränen nicht länger zurückhalten. Dutzende Frauen und Männer, darunter auch Ulfis und Honnes, hatten sich versammelt, um ihn zu begrüßen.
Wulf hechelte in wilder Freude und holte noch einmal alles aus seinem geschundenen Körper heraus. Das arme Tier wusste gar nicht, wem es zuerst seine Aufmerksamkeit schenken sollte.
Ein Lächeln huschte über Rulfans Lippen, als er das Horsay zügelte und aus dem Sattel glitt. »Über solch eine Begrüßung würde ich mich auch freuen!«, rief er.
Prompt sah er sich umringt von Kameradinnen und Mitstreitern, schüttelte Hände, während andere ihm auf die Schultern klopften. Einige umarmten ihn sogar.
Und mit einem Mal perlten die Scham, die Zweifel von ihm ab wie Regentropfen von Wulfs Pelz.
Rulfan blickte sich um und nickte anerkennend. Ein großes flaches Gebäude, das umringt wurde von Zelten und provisorisch errichteten Hütten, duckte sich inmitten eines dichten Waldes.
Aus den Ställen vernahm er das Schnauben von Horsays, auf einer nahegelegenen Lichtung grasten Wakudas, Kamauler und sogar zwei Frekkeuscher. Überall herrschte geschäftiges Treiben von Frauen und Männern, die den Kampf gegen Daa'muren an lebensgroßen Puppen trainierten, Waffen herstellten oder den Umgang mit ihnen übten.
Rulfan machte aus seiner Anerkennung keinen Hehl. »Ich bin beeindruckt«, sagte er geradeheraus. »Unfassbar, was hier geschaffen wurde.«
Honnes nickte. »Das kannst du laut sagen. Komm, ich stelle dich dem Lagerkommandanten vor. General Luubge ist schon sehr gespannt, dich kennenzulernen.« Er zwinkerte seinem alten Freund zu. »Dein Ruf eilt dir voraus.«
Der Neo-Barbar antwortete nicht. So etwas war ihm stets unangenehm, da solche Vorschusslorbeeren häufig mit zu hohen Erwartungen verknüpft waren.
Ulfis und Honnes führten Rulfan durch einen Vorhang in das flache Hauptgebäude. Auch jetzt wich Wulf seinem Herrn nicht von der Seite. Der Boden war mit brüchigen Fliesen ausgelegt, die teilweise mit Brettern abgedeckt worden waren. Durch die Fenster fiel nur wenig Licht.
Sie passierte mehrere Türen, bis sie das Ende des Korridors erreichten, der in einem Saal mündete, in dem sich gut ein Dutzend Frauen und Männer vor einem großen Tisch versammelt hatten und heftig miteinander diskutierten.
Als die Tür hinter Ulfis, Honnes und Rulfan ins Schloss fiel, verstummten die Gespräche abrupt. Sämtliche Köpfe wandten sich den Neuankömmlingen zu, darunter auch das Gesicht eines bärtigen Mannes mit stechenden Augen, der einen schlichten, leicht verschmutzten Overall trug, der Rulfan unwillkürlich an den von Matt erinnerte.
Der Mann schob sich durch seine Untergebenen und blieb vor der Gruppe stehen. »Das ist also der berühmte Rulfan?«
Der Neo-Barbar nickte. »Ob ich berühmt bin, weiß ich nicht.«
»Zumindest ist dein Name in aller Munde«, erwiderte Luubge und streckte Rulfan die Hand entgegen, die dieser zögernd ergriff.
Ein freudloses Lächeln huschte über die Lippen des Kommandanten. »Meine Freunde nennen mich Robb.«
»Sehr erfreut, meine nennen mich Rulfan.«
»Das dachte ich mir.« Robbs Blick heftete sich auf Wulf, der die Schnauze gereckt hatte und Luubge neugierig beschnupperte.
»Und du musst Wulf sein. Ich muss schon sagen, ein derart prächtiger Lupa ist mir noch nie zuvor begegnet.«
Er streckte die Hand aus, damit Wulf sie ebenfalls inspizieren konnte. Schließlich streichelte der General das Tier vorsichtig. Wulf ließ es geschehen und Rulfan entspannte sich. Er legte sehr viel Wert auf das Urteil des Lupas und hatte schon befürchtet, dass Wulf den General nicht akzeptierte.
»Kommt, ich stelle euch den Rest der Mannschaft vor. Einige kennt ihr sicherlich, aber es sind auch viele neue zu uns gestoßen, seit ihr zusammen mit der Stadt verschwunden ward.«
Rulfan und seine Gefährten folgten Robb. Obwohl dem Neo-Barbaren der lange Ritt in den Knochen steckte und er nicht nur Hunger und Durst verspürte, drängte es ihn vor allem, mehr über das aktuelle Kriegsgeschehen zu erfahren.