Minna Melone - Wundersame Geschichten aus dem Wahrlichwald - Sven Gerhardt - E-Book

Minna Melone - Wundersame Geschichten aus dem Wahrlichwald E-Book

Sven Gerhardt

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Beschreibung

Jeden Abend Abenteuer!

An einem gewöhnlichen Tag im Wahrlichwald machen die Tiere das, was sie immer tun: Sie sammeln Futter, fegen die Wohnung oder reparieren ihren Gartenzaun. Kaum jemand bemerkt, dass etwas Wundersames vor sich geht. Am Waldrand taucht eine merkwürdige Gestalt auf, die einen schwer beladenen Bollerwagen hinter sich herzieht. Nur Zara das Eichhörnchen sieht, wie die Wanderratte in der eleganten Hose und dem Schal, der nach Großstadt riecht, eine Bühne errichtet. »Jeden Abend Abenteuer!« steht dort geschrieben – und noch ahnt Zara nicht, wie sehr Minna Melone mit ihren fantastischen Geschichten das Leben der Tiere durcheinanderwirbeln wird.

Ein wundervoll poetisches Vorlesebuch über die inspirierende Kraft der Fantasie, die alles möglich macht.

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Seitenzahl: 87

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Sven Gerhardt

Mit Illustrationen von Mareike Ammersken

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© 2022 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Illustrationen: Mareike Ammersken

Covergestaltung: Lena Ellermann, Potsdam unter Verwendung einer Illustration von Mareike Ammersken

aw · Herstellung: AJ

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

Reproduktion: Lorenz & Zeller, Inning a.A.

ISBN 978-3-641-28415-2V004www.cbj-verlag.de

Die Ankunft

Der Weg des Mondes

Der Schatz von Rattlantis

Die unsichtbaren Piraten

Der Papageienkönig

Der Amerika-Express

Der Wolkenkratzer

Das Bermudaviereck

Das Eishotel

Der Krakenmarlin

Die lachenden Heuler

Ein Zettel und ein Zylinder

»Wisst ihr noch, als sich im Wahrlichwald etwas wirklich Wundersames ereignete?«, fragen sich die Tiere der kleinen Waldsiedlung immer und immer wieder. Und immer und immer wieder lautet die Antwort: »Natürlich, wie könnten wir das nur vergessen?«

Aber was war denn das wirklich Wundersame, das damals geschah? Was war es, an das die Tiere noch viele Jahre später denken und vermutlich immer denken werden?

Nun, alles begann an einem sehr gewöhnlichen Tag im Frühsommer. Die Sonne schien nicht zu kräftig und nicht zu schwach. Der Wind wehte nur dann, wenn man ihn brauchte – zum Wäschetrocknen zum Beispiel – und die Bewohner der kleinen Siedlung im Wahrlichwald erledigten das, was sie jeden Tag erledigten: Sie sammelten Futter, gossen die Blumen, fegten die Wohnungen, reparierten die Gartenzäune oder wuschen die Wäsche.

Alle waren in ihre alltäglichen Arbeiten vertieft und dachten auch nicht weiter darüber nach. So war das Leben und so war es gut. Und deshalb bemerkte auch zunächst niemand, dass am Rande der Siedlung, da, wo der Wald endete und die große, mit sommerlichen Blumen übersäte Wiese begann, jemand einen schwer beladenen, hölzernen Bollerwagen über den Feldweg zog.

Dieser Jemand war kein Bewohner des Wahrlichwaldes. Nein, es war eine Ratte. Genauer gesagt, eine Wanderratte. Und dass diese Ratte aus einem anderen Teil des Landes, ja vielleicht sogar von noch weiter weg kam, konnte man ihr sofort ansehen. Sie trug eine elegante, seidene Hose, eine gestreifte Bluse, einen schicken Schal, der nach Großstadt roch, und einen schwarzen, runden Hut. Nicht gerade also das, was die Tiere im Wahrlichwald so trugen. Sie bevorzugten einfache und praktische Kleidung.

Als die Ratte den Waldrand erreichte, schien es, als würde sie nach etwas suchen. Sie zog ihren Bollerwagen mal hierhin und mal dorthin, blickte sich nachdenklich um und brachte ihn schließlich unter einer alten, knorrigen Eiche, deren Äste und Blätter wie ein Dach über einen fast kreisrunden, staubigen Platz ragten, zum Stehen.

Als die Ratte den Waldrand erreichte, schien es, als würde sie nach etwas suchen. Sie zog ihren Bollerwagen mal hierhin und mal dorthin, blickte sich nachdenklich um und brachte ihn schließlich unter einer alten, knorrigen Eiche, deren Äste und Blätter wie ein Dach über einen fast kreisrunden, staubigen Platz ragten, zum Stehen.

»Perfekt«, sagte sie zufrieden und blinzelte durch das löchrige Blätterdach in die Sonne. Obwohl sie müde von der langen Reise war, ruhte sie sich nicht aus, denn sie hatte noch viel zu tun, bevor die Sonne unterging. Wären die Bewohner des Wahrlichwaldes nicht selbst so vertieft in ihre Arbeit gewesen, hätten sie das Sägen und Hämmern am Waldrand noch leise hören können.

»Habt ihr, habt ihr, habt ihr …?«, rief Zara, das Eichhörnchen, aufgeregt, als es am Abend in die Siedlung gelaufen kam. »Habt ihr gesehen … vorne, am Waldrand?«

Kulle, der Igel, der gerade damit beschäftigt war, sein Gartentor zu streichen, schenkte ihr keine Beachtung. Auch Borke, das Wildschwein, hielt es nicht für nötig, seine Arbeit im Kräuterbeet zu unterbrechen. Zara redete immer so hektisch, das waren die anderen Tiere mittlerweile gewohnt. Und meist waren die Dinge nicht so dramatisch, wie Zara sie darstellte. Erst letzte Woche war sie in die Siedlung gestürmt und hatte für einen großen Aufruhr gesorgt. »Ein Wolf, ein Wolf, ein Wolf!«, hatte sie gebrüllt. Doch es war kein Wolf, den sie auf der Lichtung gesehen hatte. Es waren lediglich die Umrisse eines umgestürzten Baumes gewesen, die sich in der Abendsonne wie eine bedrohliche Gestalt in der Ferne abzeichneten.

»Eine, eine, eine Ratte!« Zara hüpfte ungeduldig auf und ab. »Unter der alten Eiche!«

Borke und Kulle sahen sich an und rollten mit den Augen. Dieses verrückte Eichhörnchen, schienen sie gleichzeitig zu denken.

»Eine Bühne, die Ratte hat eine Bühne gebaut! Mit rotem Vorhang!« Zara sah den Igel und das Wildschwein erwartungsvoll an. Doch als sie bemerkte, dass beide kein Interesse an ihrem Bericht hatten, ließ sie sich enttäuscht auf eine Wurzel sacken.

Sie ärgerte sich über sich selbst. Warum konnte sie nicht einfach ruhig bleiben? Kein Wunder, dass die anderen ihr nicht mehr zuhörten. Aber dieses Mal hatte sie recht. Am Waldrand war wirklich eine fremde Ratte und die Bühne hatte sie sich auch nicht eingebildet.

Zara dachte nach. Waren Ratten vielleicht gefährlich? Musste sie die anderen nicht warnen? Aber das wäre ja zwecklos gewesen, die Tiere würden ihr ohnehin nicht zuhören, geschweige denn glauben. Und gefährlich sah diese Ratte auch eigentlich gar nicht aus.

Zara nahm schließlich all ihren Mut zusammen. Obwohl die Sonne schon langsam unterging und ihr Herz alleine bei dem Gedanken, wieder zurück zum Waldrand zu laufen, wie wild vor Aufregung zu pochen begann, machte sie sich auf den Weg. Sie musste Borke und Kulle beweisen, dass sie recht hatte. Sonst würden ihr ihre Freunde vermutlich niemals wieder etwas glauben.

Zara kletterte geschickt die Rinde einer Buche empor und sprang, hüpfte und kletterte fast lautlos von Baum zu Baum, bis sie schließlich die Lichtung erreichte. Auf dem Ast einer Kiefer hielt sie inne. Von hier aus hatte sie einen perfekten Blick auf die kleine Bühne, die nur wenige Meter von ihr entfernt seelenruhig dastand, so als hätte es sie schon immer gegeben. Neben der Bühne prangte ein Schild. Was war da zu lesen? Zara kniff die Augen zusammen. »Jeden Abend Abenteuer!«, stand dort in einer verschnörkelten Schrift. Was hatte das zu bedeuten?

»Hallo da oben!«, rief plötzlich eine unbekannte, kräftige Stimme. Zara zuckte zusammen.

Dann blickte sie unter sich und sah die Ratte. Das Eichhörnchen war gerade im Begriff zu fliehen, da sprach die Stimme erneut zu ihr, freundlich und klar. »Ich bin Minna«, sagte die Ratte und hob ihren Hut zum Gruß. »Minna Melone!«

Am nächsten Morgen sah Borke Zara ungläubig an. Das Eichhörnchen war schon früh zum Haus des Wildschweins geeilt. Und nun stand Zara vor ihm und hielt ihm einen roten Fetzen Stoff unter den Rüssel, den Minna ihr am Abend zuvor geschenkt hatte. Zara war nämlich nicht geflohen, sondern hatte sich für eine kurze Weile mit Minna unterhalten.

»Das, das, das ist ein Rest vom Vorhang!«, sagte Zara energisch. »Das ist der Beweis, dass du mir glauben kannst!«

Borke schnaufte. Zara erzählte ihm alles, was sie über Minna Melone herausgefunden hatte. Zum Beispiel, dass sie einen Hut trug, den man Melone nannte, und dass ihre Kleidung elegant aussah und fremd duftete. Sie berichtete ihm außerdem, dass die Ratte am Waldrand eine kleine Theaterbühne errichtet hatte, auf der sie fortan jeden Abend eine Vorführung geben wollte. Der rote Fetzen Stoff war beim Bau übrig geblieben und Minna hatte ihn ihr geschenkt.

»Aber warum tut sie das?«, fragte Borke skeptisch. »Die führt doch irgendwas im Schilde! Wanderratten kann man nicht trauen, das weiß doch jeder!«

»Sie tut es vermutlich, weil es ihr Spaß macht!«, erwiderte Zara. »Glaub mir, sie ist sehr nett. Und ihre Stimme – so kraftvoll und klar!«

»Weil es ihr Spaß macht?« Borke schüttelte den Kopf. »Das glaube ich kaum! Du solltest dich besser von ihr fernhalten!«

Zara sah Borke traurig an. Er kannte Minna doch gar nicht. Wie konnte er da so über sie reden? Sie sah sich das rote Stück Stoff in ihrer Pfote an. Es war weich und warm und trug den gleichen fremden Duft wie die Wanderratte. Es erweckte in ihr den unbedingten Wunsch, sich die Abenteuergeschichten von Minna anzuhören. Sie würde am Abend zur Bühne gehen, das stand fest. Und es war ihr egal, was Borke sagte. Sie steckte sich das Stück Stoff in die Tasche und verabschiedete sich von dem Wildschwein.

»Ich sag’s dir, nimm dich in Acht!«, rief er ihr noch hinterher, doch Zara wollte es gar nicht hören.

Zaras Herz schlug wie wild, als sie am Abend zur Lichtung eilte. Sie wusste nicht, ob es vom schnellen Klettern oder vor Aufregung so heftig pochte. Schon von Weitem sah sie die Bühne und den roten Vorhang. Die bunten Lampions leuchteten in der Abenddämmerung. Es sah wundervoll aus, und Zara spürte, dass sie das Richtige tat. Die Warnung von Borke hatte sie wie eine lästige Mücke verscheucht. Auch Kulle und die anderen Tiere der Siedlung, mit denen sie über Minna gesprochen hatte, hatten nur müde mit dem Kopf geschüttelt. Sie glaubten ihr nicht, und das, obwohl sie ihnen den roten Stofffetzen gezeigt hatte. Aber was wussten sie schon?

Zara kletterte von der Kiefer, auf der Minna sie am Abend zuvor entdeckt hatte. Schnell huschte sie über die dicken Äste, die die Wanderratte als Sitze vor der Bühne platziert hatte, und setzte sich in die letzte Reihe.

Erwartungsvoll starrte Zara auf den geschlossenen roten Vorhang, der den Blick auf die Bühne versperrte. Von Minna keine Spur. Plötzlich ertönten fremde Geräusche aus einem eigenartigen Kasten rechts neben der Bühne. Aus der hölzernen Box, auf der sich eine schwarze Scheibe drehte, ragte ein goldener Trichter, der ungewohnte Laute in die Abendruhe entließ. Die Melodie klang wie eine Mischung aus dem Gesang der Goldammer und dem Klopfen der Spechte. Zara fing unwillkürlich an im Takt zu wippen. Wenn Borke und Kulle das doch nur hören könnten!

Als die Melodie verstummte, saß Zara wie gebannt auf ihrem Ast. Hatte sich hinter dem Vorhang nicht gerade etwas bewegt?