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Rätselhafte Morde zeichnen eine Spur des Grauens. Sie bringen die Ermittler der SOKO-MOOR auf die Fährte eines skrupellosen Serienmörders. Welches Geheimnis trägt der Moor-Mörder in sich? Was treibt ihn an? Warum entführt er junge Frauen? Jessica Bauer genießt nichts mehr, als ihren wohlhabenden Ehemann zu demütigen, in dem sie ihre sexuellen Fantasien an zahlreiche Liebhaber verkauft. Ihr Doppelleben bringt sie in gefährliche Situationen. Ein Stalker kreuzt ihren Weg und es beginnt ein von Psychoterror geprägtes Katz und Maus Spiel. Welche Rolle spielt die Psychiaterin Sandra Fechter? Ist ein Patient von ihr, das Phantom, der fieberhaft gesuchte Moor-Mörder? Ein Mann, der sein Unwesen in der Umgebung von Bremen treibt?
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Seitenzahl: 225
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Viel Freude und spannende Unterhaltung mit dem
„BREMEN-Krimi“.
Jessica Bauer
Daniel Bauer
Ben Irmler
Sandra Fechter
Martin Hellweg
Christina Hellweg
Tomke Schmidt
Andreas Meyer
Julia Schönherr
Claudia Neumann
Thomas Berger
Stefan Reuter
Florian Weise
Heike Best
Benjamin Precht
Tomke Schmidt
Stefanie Wolter
Rolf Baumann
Daniela Baumann
Timo Baumann
Melanie Baumann
Mateo Diaz
Valentina Diaz
Kai Bogner
Gerrit Steiner
Sven Lohner
Nele Gerber
Dieter Grams
Dr. Huber
Tom Meister
Michael Wolter
Sönke Gerhardt
David Hellweg
Heinz Köhler
Alte Frau, Treckerfahrer, Drogenfahnder, Pfleger
Die Falten der Seele sind unendlich.
Prolog
1. Worpswede bei Bremen
2. Polizeipräsidium Bremen
3. Worpswede
4. Moordeich, Gemeinde Stuhr
5. Worpswede
6. Frauengefängnis Vechta
7. Tarmstedt
8. Bremen
9. Syke
10. Bremen
11. Bremen-Oberneuland
12. Polizeipräsidium Bremen
13. Bremen-Oberneuland
14. Bremen
15. Kriminalpolizei Bremen
16. Teufelsmoor
17. Friedeholz
18. Bremen Burg-Lesum
19. Polizeipräsidium Bremen
20. Hamburg. Zollamt Waltershof
21. Bremen
22. Worpswede
23. Bremen
24. Bremen-Oberneuland
25. Hamburg
26. Bremen
27. Worpswede
28. Polizeipräsidium Bremen
29. Bremen
30
31. Bremen
32
33. Polizeipräsidium Bremen
34. Worpswede
35. Friedeholz
36. Polizeipräsidium Bremen
37
38. Moordeich
Epilog
Motto
Nutzen Sie bitte die Möglichkeit, in meine aktuellen Titel hineinzulesen
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Anmerkung
Autoren-Porträt
Danksagung
Hinweis
Grußwort
Ein friedliches Landleben nahm ein jähes Ende.
Spielende Kinder entdeckten die mit Laub zugedeckte Leiche einer jungen Frau. Die Tote lebte erst kurze Zeit in dem Dorf bei Bremen, in Moordeich. Niemand hatte sie dort wahrgenommen. Kannte sie näher.
Die Rechtsmedizin stellte fest, dass der Frau der Haarzopf abgeschnitten wurde. Die Frau war nackt und nicht mehr zu erkennen. Ihr Körper war durch und durch von Ungeziefer befallen. Die Kinder waren bei dem Anblick schnell davongelaufen. Berichteten den Fund ihren Eltern.
Angst ging auch um in der Dorfgemeinschaft von Tarmstedt und darüber hinaus. Gab es eine Verbindung zu noch ungeklärten Vermisstenfällen in der Gegend um Worpswede, dem angesehenen Künstlerdorf bei Bremen, wo auch einige sehr vermögende Leute ihr Anwesen haben? Menschen, die ländliche Ruhe und schnelle Verbindung in den Einzugsraum von Bremen wollen.
Ist es ein Serienmörder, der auch in der Umgebung des Teufelsmoors bei Worpswede sein Unwesen treibt?
Eine groß angelegte Polizeiaktion begann, fieberhaft wurden Spuren ausgewertet. Schnell geriet ein Fremder ins Visier der Ermittler.
Der Mann wurde aus dem Gefängnis entlassen. Er hatte ein Zimmer in einem Haus in Tarmstedt bezogen.
In Tarmstedt begann nun eine Hexenjagd. Ein Landwirt heizte die Stimmung an, organisierte Menschenversammlungen. Das Phantom des Moor-Mörders geht um.
Ich bin Stefanie Wolter. Polizei-Psychologin. Was Besonderes hat mein Entführer mit mir vor? Lesen Sie weiter, erfahren Sie meine Geschichte.
“Ihr seid doch alle gleich. Betrügt Eure Männer. Wahre Werte, Anstand, Treue und Familie, sind Euch fremd geworden.”
Ich saß gefesselt und zusammengesackt auf dem Holzstuhl und hörte den Mann die ersten Worte sprechen. Das unheimlich wirkende Prozedere wurde nur unterbrochen durch das heftige Geräusch des starken Regens.
Martin Hellweg hat sich gekleidet wie ein Pfarrer, mit weißem Hemd und einer schmalen Krawatte.Sein Blick war auf mich gerichtet. Mein stummes Flehen nahm der Mann mit einem Lächeln wahr.Ich wusste nicht, dass der mir fremde Mann bei seinen krankhaften Machtspielen sich auf mich konzentriert hat. Seine glänzende Haut schimmerte im Schein der nur in der Fassung steckenden Glühbirne.
Stefanie Wolter war nur langsam zu Bewusstsein gekommen.
Sie spürte die Fesselung, gegen die sie sich nicht wehren konnte. Schaute sich um. Sie war in einem kargen, nasskalten, dunklen Raum, gefangen. Durch ein kleines vergittertes Fenster fiel nur wenig Licht hinein.
Sie sah, wie der Mann eine Schere in die Hand und nahm und auf sie zuging. Er schnitt ihr als Erstes den zusammengebundenen roten Haarzopf ab. Band ein Band darum und ging mit dem Haarzopf in ein Nebenzimmer. Der Raum war hell erleuchtet. An der Frontseite stand ein altarähnlicher Tisch, mit brennenden Kerzen dekoriert. Es hing an einem gespannten Seil bereits ein brauner Haarzopf.
„Nun kommt sicherlich meiner dazu“, dachte ich.
Genüsslich betrachtet Martin Hellweg die erweiterte Reihe der Haarpracht mit dem roten Zopf. Fasste jeden Zopf einzeln an und machte dabei ein Gebet.Ich blickte aufgeschreckt in das Gesicht des Mannes. Der brachte mich in das vorbereitete Zimmer. In der Mitte des Raumes stand ein Operationstisch.
Gierig riss der Mann meine Bluse auf. Auf die nackte Haut, mittig zwischen die zur Seite fallenden Brüsten, spürte ich ein Kreuz. Es fühlte sich kalt an. Ein metallenes Kreuz. Meine Brust hob und senkte sich.
Mein Entführer hob mich leicht an und zog mir die enge Jeans aus. Seine kalte Hand glitt langsam unter meinen schwarzen knapp sitzenden Slip.
Ich schaute ängstlich zur Seite. Oh mein Gott! Eine Wand voller Fotos. Schwarz-Weiß, auch einige farbige Bilder. Alle eingerahmt und jeweils einer Frau zugeordnet.Auffallend immer dabei ein Bild einer Frau angezogen mit einem weißen langen Kleid. Auf dem Kopf einen dornigen Rosenkranz tragend.
“Auch Du wirst nichts spüren. Lass es einfach geschehen.” Martin Hellweg zieht eine Spritze auf. In seinen Augen erkannte ich einen hasserfüllten Blick.
“Warte, es gibt doch für alles eine Lösung.”Ich musste es versuchen. „Du willst Gott sein? Aber Du bist nicht Gott. Du bist ein Mensch und Menschen machen Fehler.“ Der fremde Mann lacht: “Gott wird alle bestrafen!”
Ich versuchte, den Mann zu provozieren. „Gelingt es mir, in das Seelenleben des Mannes einzudringen? Hat er überhaupt eines? Er ist der Teufel in Person. Werde ich sein nächstes Opfer?“, fragte ich mich.
An meiner Hand spürte ich einen metallenen Armreif. Daran war eine lange Kette gebunden.
Mein Blick ging ängstlich zu den aufgereihten Kerzen. Es mochten wohl über dreißig Stück sein. Zu zählen vermochte ich sie nicht.
Wie lange ich geschlafen hatte, wusste ich nicht. Sicherlich waren es wohl einige Stunden in dem gespenstisch wirkenden, leeren Raum.
Martin Hellweg öffnete eine alte Holztür und betrat ehrwürdig den ansonsten kahlen Raum. Er murmelte ständig vor sich hin. „GOTT HAT DIESES LAND VERLOREN.“ Dabei zündete er langsam die weißen Kerzen an.Eine nach der anderen. Erst die Länglichen. Dann die kürzeren. Zuletzt die runden, dicklichen. Nach einer Weile hielt Martin inne. Er kniete vor einem Kreuz, faltete die Hände zu einem Gebet. Sprach das VATER UNSER. Mit keinem Blick würdigte er mich, sein neues Opfer.
Ich verhielt mich ruhig. Meinen Atem unterdrückte ich mir. Mein Blick war starr auf die steinerne Kellerdecke gerichtet. „Ja, wer zuerst spricht, der hat verloren.“ Ich wollte nicht die ersten Worte sprechen. Mein Kopf war von Gedanken frei. Das Gehirn kam mir fast Blutleer vor. Ausgesaugt, wie von einem Vampir.
„GOTT HAT DIESES LAND VERLOREN.“ Die Worte wiederholte der in meiner Vorstellung, erkrankte Mann und verließ den kargen Raum.
Ich traute mich jetzt den hellen Kerzenschein anzuschauen. Beobachtete das flackernde Licht. Ordnete die langsam zurückkehrenden Gedanken. Erhob mich von der Pritsche und ging zu einem Holzstuhl.
Die Kette, aus vielen Gliedern bestehend, zog ich hinter mir her.
Der kranke Mann hatte die Holztür offen stehen lassen. Ich blicke hindurch und sah, wie der Mann einen Holztisch knarrend heranzog.
Er trug ihn durch die Tür hindurch und stellte ihn vor dem Holzstuhl.
Wenig später deckte er den Tisch. Ein eher normales weißes Geschirr. Er legte ein Ess-Besteck dazu und stellte ein leeres Weinglas mittig auf den Tisch.
„Haben sie kein zweites Glas?“ Ich forderte mutig das Schicksal heraus. „Trinken sie mit mir?“
Fügte ich mutig hinterher. Martin Hellweg sprach sehr leise seine Antwort aus. Er erwiderte: „Der Herr hatte auch eine Braut. Trank gerne Wein. Also warum nicht. Gerne!“
Ich hatte es geschafft. Der Mann sprach mit mir.Der krankhafte Psychopath. Der Ritual-Mörder.
Mörder von unschuldigen Opfern. Wehrlosen Frauen. Ich hatte eine Hand frei.
Nahm eines der beiden mit Rotwein gefüllten,
Gläser und schaute den Mann an. Es war makaber.Trank ich Wein mit einem Massenmörder?
„Wie soll ich die weitere Unterhaltung führen? Ich muss das Vertrauen des Mannes gewinnen.“
Ja, Berufsschicksal. Ich bin nun mal eine Polizistin.
„Ich heiße Stefanie Wolter.“
„Ich weiß!“
Die Antwort verblüffte mich vollkommen.
„Stefanie Wolter, 35 Jahre alt. Sie sind Polizistin.
Polizeipsychologin. Ich habe sie ausgesucht.“
„Warum?“
„Sie sollen mich kennenlernen und verstehen.Miterleben, wenn ich die nächste Frau ihnen vorstelle! Ich muss die ausgebrannten Seelen erlösen und brauche dabei ihre Hilfe.“
Ich hielt meinem Entführer das Rotweinglas entgegen. „Wollen wir uns duzen?“
Martin Hellweg schenkte aus der halb vollen Flasche nach. „Stefanie.“
„Angenehm, Martin!“
„Und wie weiter?“
„Martin. Ich bin Martin Hellweg.“
„Sie sind nett gekleidet, Martin. Passend zu dieser Situation.“
Martin Hellweg stand auf und holte eine der Kerzen und stellte sie auf den Tisch und begann zu erzählen. In seinen Ausführungen erwähnte er immer wieder die Kirche, den Dom St.-Petri in Bremen. Er war da als Junge im Chor.
Er prahlte mit seinem Wissen.
„Der Dom wurde über den Fundamenten älterer Bauten vom 11. Jahrhundert an in romanischen Stil erreichtet, im 13. Jahrhundert im gotischen Stil umgebaut und erweitert. Die Reformation stoppte im Jahr 1502 die begonnene Umgestaltung. Im späten 19. Jahrhundert komplett renoviert mit Erneuerung des einen, der eingestürzten zwei Kirchentürme.“
Die Kirche musste einen hohen Stellenwert in Martin Hellwegs Leben haben. Das spürte ich sofort. „Ich gehe mehrfach in der Woche dort zum Beten hin. Gott wird mich schützen.“
Dann sagte er: „Ich werde ihm helfen, dass er das verlorene Land zurückbekommt.“
„Das Licht wird erstrahlen. Das Licht ist Jesus!“
„Was ist damals vorgefallen? Warum sind sie, ich meine, warum bist Du nicht mehr im Chor?“
Martin Hellweg antwortete nicht.
Er stand auf und verließ, ohne ein Wort zu sagen, den Raum. Martins Erklärung kommt wie eine Erleuchtung. Klar. Der Mann suchte als Kind Schutz in der Kirche. Vor der Mutter. Die bekam er offensichtlich nicht. Oh, mein Gott. Ja, klar. Gott hat dieses Land verloren. Die Kirche. Die Menschen. Deshalb trägt der Mann die Pfarrer-Kleidung.
Deshalb diese Inszenierungen. Mir wurde das Ritual des Mannes immer klarer.
Er strafte in Gottes Namen. Vollzog das Urteil.
Was mochte er mit mir vorzuhaben? Sollte ich seine Zeugin sein?
Der Blick von Martin entfernte sich von mir. Er erstarrte. Verstummte. Ergriff nacheinander jeden der beiden Haarzöpfe. Langsam glitt seine Hand über das seidene Haar der beiden Zöpfe. Der Moment wurde für ihn groß.
Ich hörte ihn sagen: „Es gibt doch Sachen, die man tun muss, damit die Welt gerechter wird.“
Martin Hellweg zog einen Vorhang auf, der eine Wand voller Fotos freilegte. Schwarz-weiß Aufnahmen, auch Farbfotos. Sämtliche Fotos zeigten junge Frauen in allen täglichen Situationen. Auf der Straße, in einem Auto. In einer Sitzgruppe, an der Theke einer Bar, am Meer, vor einem Club, bei der Gartenarbeit, bei einer Ampelanlage, im Park, an einem See.
Martin Hellweg ist also ein Stalker. Das wurde mir klar.
„Du darfst Dir eine Frau aussuchen. Ich bringe sie Dir.“ Ich glaubte nicht, was ich da hörte. Der Mann wurde mir immer unheimlicher. Immer perverser wurden mir seine möglichen Absichten.
„Was hast Du mit der ausgesuchten Frau dann vor?“
„Ich werde sie erlösen. Befreien von den Lastern.
Schau, was hältst Du von dieser?“ Der Mann nahm das Foto von der Wand und gibt es mir. Dann nahm er zwei weitere Fotos von der Wand. Sämtlich junge Frauen mit langen blonden Haaren.
Ich ließ mich auf das Spiel ein. „Welche der Frauen gefällt Dir am besten?“ Ich antwortete leise. „Was macht Dich am meisten geil? Die Frau nimmst Du Dir.“ Der Mann schaute mich plötzlich ernst an. Er wurde laut. „Du hast nichts begriffen. Frauen machen mich nicht geil. Geil macht mich, wenn sie leiden. Hilflos sind.“
„Nein, Martin, Liebe ist stärker als der Tod. Diese Frauen leben weiter im Herzen der Menschen ihres Umfeldes. Ihrer Mütter und Väter, ihre Geschwister, Freunde, Männer, Kinder.“
Ich provozierte den Mann bewusst.
Martin Hellweg begann zu erzählen. Über seine Mutter. Er hatte Bilder aus seiner Kindheit klar vor Augen. „Meine Mutter trieb es mit einem Postzusteller. Ich sah durch die offenstehende Tür, wie der Mann sie hob, auf den Küchentisch legte und die beiden Ihre Triebe befriedigten.“
Ich nahm wahr, dass Martin etwas stockte, dann wurde er deutlicher.
„Ich kam gerade vom Kindergarten. Meine ältere Schwester hat mich früher als sonst abgeholt.
Meine Mutter hatte mich wohl nicht in unserem Haus vermutet.“
„Ja, meine frühe Jugendzeit war die Hölle. Mein Vater strafte meine Mutter mit häuslicher Gewalt.
Mein Vater war beruflich als Spezialmonteur überwiegend auf Montage. So war er auch schon über eine Woche im Stück fort. Meine Mutter, einige Jahre jünger als ihr Mann, zeigte sich einigen der Lieferanten und Dienstleistern gerne frivol.“
Martin Hellwegs Gesichtsausdruck wurde ernster. „Ihre roten Haare trug sie meistens offen. Eng anliegend Ihr Rock und die Bluse. Von Alkohol und Drogen, meine Mutter bereits am Vormittag angetrieben, ich musste oft darunter leiden. Für mehrere Stunden wurde ich im früheren Schweinestall unseres Bauernhauses in Moordeich gesperrt.“
Ich hörte genau zu. Immer mehr konnte ich mich in die Gedankenwelt, seine Hasswelt auf Frauen, hineinversetzen. Aber rechtfertigte so ein Verhalten solche bestialischen Verbrechen?
„Klar“, dachte ich, „ich lebe auch nur einmal. Nahm es schon mal nicht so genau mit der Treue zu meinem Freund. Ich trage die Haare wie seine Mutter. Rötlich. Oh, mein Gott!“
„Die Beziehung meiner Eltern in Moordeich eskalierte. Entwickelte sich zu einem Horrorszenario. Meine Mutter bekam anonyme Anrufe. Wurde als Ost-Schlampe beschimpft. Mein Vater wurde in den Anrufen verunglimpft. Er soll eine andere Frau im Osten haben.“
Martin Hellwegs Erzählung wurde heftiger.
„Die Trennung war nur noch eine Frage der Zeit.
Mein Vater begann zu trinken. Meine Mutter blieb immer häufiger über die Nacht fort. Kam oft erst nach drei Tagen nach Hause. Mein Vater bekam das nicht mit. Aber wir Kinder wussten Bescheid.“
„Du hattest Geschwister?“
„Ja, Vater hatte eine Tochter aus seiner ersten Ehe.
Meike. Sie war drei Jahre, als ich zur Welt kam.“
An dieser Stelle brach Martin Hellweg das Gespräch abrupt ab. Ich fasste das Gehörte gedanklich zusammen und konzentrierte mich wieder auf mein Schicksal.
Martin Hellweg wusste also über mich Bescheid, hatte mich sicherlich schon einige Zeit gestalkt. Hatte mein tägliches Verhalten studiert. Den günstigen Moment abgepasst. Er war als Strom-Ableser in das Haus meiner Familie in Bremen-Huchting gekommen.
Anfangs war es eine offene und nette Unterhaltung.
Ich kochte dem freundlichen fremden Mann einen Kaffee, brachte Zucker, Milch und Kekse und stellte ein Glas Mineralwasser dazu. Als es zur Stromablesung kommen sollte, passierte es.
Der Stromzähler befindet sich in der Doppelgarage des frei stehenden Hauses. Ich muss durch eine Überdosierung Morphin bewusstlos geworden sein.
Ich wurde in den Kofferraum seines Wagens gelegt und war wohl erst Stunden später in einem der Kellerräume eines sehr heruntergekommenen Hauses aufgewacht.
Martin Hellweg heftete zwei Fotos an die Bilderwand. Ein Foto faltete er und steckte es in seine Hosentasche. Ich sah noch, wie er das Haus verließ und hörte, wie mit seinem Lieferwagen fortfuhr.
In einem kleinen Abstand von dem Anwesen in
Worpswede parkte Martin Hellweg den Lieferwagen.
Er hat das Haus vor einiger Zeit mehrere Tage beobachtet. Fotos von der jungen Frau gemacht. Wie sie in aufreizender Kleidung in das Auto eines älteren Mannes einstieg.
Die blonden, langen Haare der jungen Frau haben es ihm angetan. Ja, das nächste ausgesuchte Opfer soll in seine Sammlung kommen.
Martin wartete etwa längere Zeit.
Er sah, wie die junge Frau wieder zurückgebracht wurde. Sich mit einem Kuss von dem Fahrer verabschiedete.
Freundlich grüßte ihn die Frau, nickte ihm lächelnd an und öffnete das Tor zu dem großen Anwesen.
Martin Hellweg hatte den Lieferwagen nicht verlassen. Er startete den Motor und fuhr langsam davon.
Jessica Bauer saß gedankenversunken auf der großzügig angelegten Terrasse. Ihr Handy klingelte.
„Ja, Schatz?“
„Die Tagung verlängert sich. Sorry. Komme wohl erst in drei Tagen.“
„Viel Erfolg. Ich liebe Dich.“
Der Frau wurde schnell bewusst, dass sie hat noch mindestens zwei Tage Zeit hat, um weitere Freier zu empfangen. Freier, die auf Privat-Escorts stehen. Reiche, ältere Herren.
Sie blättert in ihrem Notizbuch. Entschied sich Timo Baumann, Sohn von Rolf Baumann anzurufen, einem sehr reichen Reeder aus Bremen.
„Wir kommen nicht voran!“
Die Aussage von Tomke Schmidt teilt die besorgte Öffentlichkeit.
Der mit den Ermittlungen beauftragte, führende Hauptkommissar, Leiter der Soko Moor, steht stark unter Druck. Seit Monaten führt ein Verbrecher sein Unwesen in der Umgebung von Bremen. Die Zeitungen, alle Medien haben den Fall, als „DAS PHANTOM: DER MOOR-MÖRDER“, große Teile ihrer Auflagen gewidmet. Die Radio- und TV-Sender führen Interviews.
Das Kommissariat K 3 ist im Polizeipräsidium in der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne In der Vahr 76 im Stadtteil Bremen-Vahr untergebracht.
„Uns fehlt der Kommissar Zufall“, lässt Hauptkommissar Tomke Schmidt keinen Zweifel.
„Wir stecken in einer Sackgasse.“
Bei der letzten Sitzung der Behörde wurde ein Einsatz eines Lockvogels erörtert.
Heikle Diskussionen folgten Argumenten. Bis in die Nacht hinein. Einig sind alle sich in der Annahme, dass ein mögliches weiteres Opfer, die vermisste Polizei-Psychologin Stefanie Wolter sein könnte. Der Profiler Thomas Berger stellte seine Theorie vor.
„Es gibt Parallelen. Die gefundene Tote bei Moordeich, aber auch die vermisste junge Kollegin, tragen lange Haare in unterschiedlichen Farben. Wir können von einem auf diese Merkmale fixierten Täter schließen. Und darauf, dass die Serie nicht zu Ende ist. Eher am Beginn. Das Opfer aus Moordeich wurde nicht vergewaltigt. Das schließt den herkömmlichen Sexualtäter aus, grenzt den Täter ein. Er ist eher ein Psychopath, will Macht ausüben, die Opfer quälen. Bestrafen. Ich erkenne das Muster eines Ritual-Täters.“
„Sie meinen, der Mann, ich denke, von einem Täter ist auszugehen, sich eine Sammlung von Haarzöpfen zusammenstellt? Wie viele Farbtöne gibt es? Zehn oder mehr? Oh, mein Gott. Dann sind wir wirklich am Anfang einer Mordserie.“
„Jammern auf hohem Niveau bringt uns nicht weiter.“
„Wie schön, das LKA ist wie immer schlauer.“ Florian Weise vom K 62 - Zentrale Aufgaben - lässt sich nicht provozieren.
„Die neue Anordnung ist okay. Ohne eine zeitliche Begrenzung ab 1. Oktober die besonderen Orte zu kontrollieren. Bahnhofsvorstadt, Willy-Brandt-Platz, An der Weide, Rembertistraße, Wallgraben, Contrescarpe, Präsident-Kennedy-Platz, Birkenstraße, Bürgermeister-Schmidt-Straße. Beim Handelsmuseum. Aber damit werden große Kapazitäten gebunden.“
„Der Täter geht geschickt vor. Er spielt die Bremer Polizei gegen die niedersächsische geschickt aus. Die vermisste Kollegin kommt aus der Region Worpswede. Deshalb werden fünf Beamte aus Niedersachsen die Soko Moor verstärken. Sie sind dann insgesamt 20 Personen stark.“
Oberstaatsanwalt Stefan Reuter machte die schon lange erwartete Ansage. „Moordeich liegt zwar in Niedersachsen, aber die Leiche wurde auf Bremer Gebiet entdeckt.“
Der Ermittlungsschwerpunkt liegt auf dem Erforschen des Umfeldes der Toten.
„Es muss weitere Gemeinsamkeiten geben.
Vereinsleben, Clubs, Verhaltensauffälligkeiten.
Grabt alles um im Leben der Frauen.
Bekanntschaften, Liebschaften, Ehemänner, Arbeitsplatz. Das ganze Programm. Und geht systematisch vor. Das kleinste Detail kann den Erfolg bringen. Und prüft alte, unaufgeklärte Fälle.
Entlassungen aus Gefängnis, Psychiatrie. Befragt die Nachbarn der Opfer. Irgendjemand muss doch etwas aufgefallen sein.“
„Presse?“
„Keine Einzelinformationen. Sagt den
Schreiberlingen das. Es gibt nur abgestimmte
Informationen auf der Pressekonferenz.“
„Die Sozialprognose fiel günstig aus. Der Mann wurde sechs Monate früher entlassen. Benjamin Precht. 35 Jahre alt. Und jetzt kommt es: Gemeldet in Tarmstedt.“
„Hat er einen Job?“
„Fährt für einen PIZZA-Dienst.“
„Dann hat er Zugang zu vielen Wohnungen.“
„Könnte eine Spur sein. Observieren!“
„Schon veranlasst Chef!“
Heike Best ist die rechte Hand von Hauptkommissar Tomke Schmidt.
„Für Andreas Meyer steht er als Täter schon fest.
Die Kollegen haben Hasskundgebungen gemeldet.
Sein Bewährungshelfer ist vorstellig geworden.“
„Scheiße.“
„Haben wir was über den Landwirt?“
„Großunternehmer. Bestimmt so alles im Dorf.
Ohne ihn soll da nichts gehen.“
„Checkt den mal durch. Vielleicht hat der eine Leiche im Keller. Also, Dreck am Stecken.“
„Schon verstanden, Chef!“
Mit allem hatte Martin Hellweg gerechnet, aber nicht damit, dass Jessica Bauer zu Hause männlichen Besuch empfängt.
Er wollte nur mehr von ihr sehen, hatte sich als Techniker vor einigen Tagen Zutritt verschafft, um Wartungsarbeiten auszuführen.
Ein Ton- und Bildaufzeichnungsmedium versteckt anzubringen, war kein Problem. Auch für das Telefon der Bauers hatte er eine Lösung.
Genüsslich verfolgt er nun in seinem Auto das Geschehen in dem Anwesen.
Es wurde langsam dunkel. Jessica Bauer hatte die Vorhänge zugezogen. Martin Hellweg sah den gierigen Blick des gut aussehenden Mitte 30er beim Anblick der nackten Frau. Jessica fasste sich an ihre Scheide. Nahm den zarten Finger, immer wieder drehte sie ihn hin und her. Ihr wohlgeformtes Becken bebte. Die Brüste standen straff. Martin Hellweg sah, wie ihr Po sich auf und ab bewegte.
Der Freier sah dieses Spiel in verschiedenen Spiegelvariationen. Plötzlich stand Jessica Bauer auf und band sich ein großes, weiches, helles Handtuch um die Hüften. „Hat es dir gefallen, Timo? Entspann dich. Wenn du es dir selbst machst, kannst du dann noch einmal?“
„Wie kann man nur so geil sein?“ Timo Baumann befeuchtete seine Lippen. „Nein, warte, war Spaß!“ Jessica Bauer trieb den jungen Mann sichtbar für Martin Hellweg zum Wahnsinn.
Jessica wartete einen Moment, dann geht sie an den Vorratsschrank. „Kleines Menü, der Herr?
Nudeln sind schnell zubereitet. Trockentomaten.
Einige Gewürze. Thunfisch aus der Dose.“ Sie schenkt zwei Gläser mit Rotwein ein und stellt das Essen auf den Tisch.
“Prost!”
Ihr Handy macht sich bemerkbar. Sie liest den Absender. Schaut zweimal hin. „Ja, Liebling?“
„Schläfst du schon? Musste gerade an dich denken.
Ich liebe dich!“
„Ich dich auch. Komme gerade aus dem Bad.“
„Oh, duftest du gut?“ Sie öffnet das Handtuch und hält ihren Körper Timo entgegen. „Glaub schon.“
„Dann schlaf schön.“
Jessica schaltete schnell. Legte das Handy beiseite, setzte sich im Schneidersitz auf das helle Ledersofa. Eben stand sie noch, jetzt saß sie, mit verknoteten Beinen, schaute auf das Handy. Ihr Mann hatte aufgelegt. Liebe? Sie will ihren Ehemann demütigen. Ihr Ehemann will sie besitzen. Leben kann wirklich schön sein. Für sie vielleicht das nächste Leben. „Erst speisen oder erst ......?“ „Frag nicht, komm, wie willst du es am liebsten?“
Die nächsten Minuten fesselten neben Timo Baumann auch Martin Hellwegs Gedanken. Der Stalker störte das erotische Spiel mit
Telefonanrufen.
„Was will der Arsch schon wieder.“
Jessica drückt den Anruf weg. Martin Hellweg ist in seinem Element. Er ruft weiter an. „Ich glaube, wir lassen es heute.“
Timo Baumann sieht, dass Jessica Bauer ihre erotische Ausstrahlung verloren hat. Der junge Mann hatte derweilen seine Kleidung angezogen.
Durch einen schmalen Spalt im Vorhang schaut Jessica aus dem Fenster. Sieht niemanden.
„Ein andermal. Du hast ja meine Nummer.“
Die Verabschiedung war kurz. Noch in einer anderen Gedankenwelt versunken, steigt der junge Mann in sein Auto. Fuhr langsam davon.
Martin Hellweg folgt dem Wagen in einem unverfänglichen Abstand.
Als der Wagen an einer Tankstelle stoppte, gelang es dem Stalker einige Fotos von dem jungen Mann zu machen.
Froh gelaunt fuhr Martin Hellweg zu dem Versteck von Stefanie Wolter. Er fand sie schlafend vor.
Stefanie hatte ihren Körper mit einer Wolldecke zugedeckt. Die Eisenkette lag auf dem Boden.
Martin Hellweg nahm die lange Kette und zog sie kurz an. „Schau, ich habe dir etwas mitgebracht.“
Stefanie Wolter rieb sich die Augen.
Blickte in ein Smartphone-Handy und sah ein Video abspielen.
„Erkennst du die Frau? Eine gute Freundin von dir?“
„Was hast du getan?“
„Umgeplant!“
„Wie?“
„Sagen wir mal so. Spaß gehabt.“
Stefanie Wolter war schnell klar: Ihr Entführer hatte seinen Plan geändert. Wollte ihre Freundin Jessica Bauer stalken? Und danach? Psychoterror ausüben? Die Fotos dem Ehemann senden? Dem Arzt Daniel Bauer senden? Anonym? Sie konfrontiere Martin mit ihren Gedanken.
„Ja. Das wird spannend!“ Martin Hellweg stellte Stefanie ein Glas Wasser hin. „Erzähl mir von deiner Mutter.“ Ich versuchte weiter, das Vertrauen des Mannes zu gewinnen. „An meinen Vater habe ich wenig Erinnerungen, er ist eines Tages ins Ausland gegangen. Meine Mutter konnte das Haus allein nicht halten. Es kam zu Pfändungen. Das Jugendamt schaltete sich ein. Nachbarn hatten die teilweise mangelnde Betreuung von Meike und mir angezeigt.“
Und dann erzählt der Mann mir eine furchtbare Geschichte.
David Hellweg hatte sich gleich nach der Wende in die junge attraktive Frau aus Potsdam verliebt.
Er war für seine Firma, ein Maschinenbau-Unternehmen, öfters außerhalb von Bremen tätig. Nach der Wende begann schnell der Neuaufbau in der ehemaligen DDR. Martin lernte in Potsdam Christine kennen. Es war für ihn die sogenannte Liebe auf den ersten Blick. Es dauerte nicht lange.
1991 kam Zuwachs. Der kleine Martin. Im Jahr 1995 kaufte David den Resthof bei Bremen in der Gemeinde Stuhr.
Oft gingen Christine und David Hellweg in dem sehr verträumten Ort Moordeich spazieren. Sie gingen an den Bächen entlang. Saßen auf der Bank. Träumten von der Zukunft. Träumten ein Leben jenseits der Großstadt, auf dem Land. Und doch mit guter Anbindung nach Bremen und der Autobahn.
David Hellweg kam mit einem älteren Mann ins Gespräch. Er saß vor dem ziemlich verfallenen, reetgedeckten Bauernhaus. Er war der Inhaber und Bewohner des alten Hauses seit seiner Kindheit. Es gelang David Hellweg, das Anwesen zu kaufen.
Umfangreiche Sanierungsarbeiten waren nötig.
Nach einem halben Jahr konnten wir zusammen einziehen.
Moordeich hat zu Recht seinen Namen. Gleich neben dem fast 3.000 Quadratmeter großen Grundstück des Resthofes begann das Moor.
Christine Hellweg liebte den weiten Blick auf die Wiesen. Weite Felder mit unverbaubaren Blick.
Seitlich des großen Grundstücks des Resthofes an der Moordeicher Landstraße war es kein Problem für den jungen Hund unter dem alten Drahtzaun, den nur wenige alte Stämme hielten, hindurchzuschlüpfen. Zur großen Freude, allerdings nicht von Frauchen. Wenn der Junghund Kai von Homburg, ein junger Langhaarschäferhund nach Stunden zurückkehrte, war er kaum zu erkennen.
David Hellweg hatte ihn seiner Frau als Welpen geschenkt. Er sollte groß und stark werden. Haus, Hof und Familie beschützen, denn David Hellweg wusste, dass er als Spezialmonteur oft für einige Tage fort sei.
Es war an einem Wochentag. Einem Montag. Martin Hellweg war in Leipzig beruflich unterwegs. Christine ist mit einem Lkw mitgefahren. Der Fahrer hatte stets bei der Vorbeifahrt am Haus der Hellwegs gehupt, wenn Christine zu sehen war. An diesem Tag hielt er an, stieg aus, sprach mit Christine.
Meike und Martin waren mit Kai allein im Haus.
Martin Hellweg erinnert sich genau.
Es war Vollmond.
Kai war an dem Tag schon mehrere Stunden fort.
Das war keine Seltenheit. Er liebte die Freiheit.
Das Grundstück war nicht eingezäunt.
In der Nacht wurde Mike wach. Sie hörte ein klägliches Jammern. Weckte Martin und machte ihn darauf aufmerksam. War das Jammern, kamen die kläglichen Laute von Kai.
Die beiden Geschwister liefen in den Garten hinter dem Haus. Gingen zum abgrenzenden alten Drahtzaun. Im Schein des Vollmondes sahen sie in weiter Ferne einen Schäferhund. Er hatte sich in einem Stacheldrahtzaun verhangen. Kam weder vor noch zurück. Das Jaulen wurde stärker.
Martin nahm eine Holzbohle, gab seiner Schwester Meike eine kleinere. Meter um Meter legten die Kinder die Bohlen so, dass sie darauf vorwärtskamen. Nach gut dreißig Minuten erreichten sie völlig erschöpft den Hund.