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Rätselhafte Morde zeichnen eine Spur des Grauens. Was treibt den Serienmörder an? Welches Geheimnis trägt der Waldmörder in sich? Die Ermittler der Soko WALD werden unterstützt von der Polizeipsychologin Stefanie Wolter. Sie verfängt sich in einem Katz-und-Maus-Spiel mit dem Psychopathen, der sein Unwesen in Bremen und Umgebung treibt. Eine Vielzahl hochrangiger Persönlichkeiten treibt ihre sexuellen Fantasien im Rotlichtmilieu aus und gerät in einen Sumpf von Gewalt und Erpressung von Clan-Kriminalität. Befindet sich das Phantom, der Waldmörder, unter ihnen? Ein mörderisches Spiel aus Psycho-Terror zieht seine Kreise.
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Seitenzahl: 201
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Stefanie Wolter
-Polizeipsychologin
Martin Hellweg
-Psychopath
David Hellweg
-Privatier
Tomke Schmidt
-Hauptkommissar K3
Thomas Berger
-Profiler
Florian Weise
-LKA K62
Stefan Reuter
-Oberstaatsanwalt
Jessica Bauer
-Sekretärin
Daniel Bauer
-Arzt
Timo Baumann
-Reeder
Melanie Baumann
-Reeder-Schwester
Ben Irmler
-Rechtsmediziner
Heike Best
-Oberkommissarin
Sven Lohner
-Privatdetektiv
Julia Schönherr
-Gefängnisinsassin
Amelie Jürgens
-Prostituierte
Erika Bruns
-Prostituierte
Natalie Schwarz
-Prostituierte
Erwin Junghans
-Lehrer
Silke Beier
-Pflegerin
Ingrid
-Hostess
Krümel / Hotte
-Junge
Hotte
-Pseudonym
Horst Bertram
-Busfahrer
Monika Bertram
-Jugendamt
Michael Wolter
-Strafverteidiger
Peter Graf
-Bauunternehmer
Axel Claus
-Handwerker
Jürgen Buhl
-Sachbearbeiter HBA
Gabriel Hörmann
-Rentner
Juan Esteban Garcia
-Kolumbianer
Rolf Steinbach
-Journalist
Menschen, die Schlechtes tun, zerstören sich selbst
Prolog
Im Jahr 2024
1. Bremen
Zur selben Zeit: Syke
Am nächsten Tag: Polizeipräsidium Bremen
2. Syke
Zur selben Zeit
Etwas später
Vor einigen Tagen
3. Bremen, Polizeirevier Innenstadt
Einige Tage später
Davos
Am Abend
Es geschah vor zwei Jahren
4. Hamburg. Zollamt Waltershof
In der Nacht
Am kommenden Tag
Einige Stunden später
Hamburg
Zu selben Zeit
In der Nacht. Gegen 24 Uhr.
Bremen
Am nächsten Tag
Zur selben Zeit
Zwei Jahre später
5. Bremen
Zur selben Zeit: Bremen
Zur selben Zeit
6. Syke
Am folgenden Tag: Bremen
Etwas später: Polizeipräsidium Bremen
Zur selben Zeit
Wenig später
Einige Stunden später: Bremen, Bürgerpark
Vor vielen Jahren. Im Jahr 1992
7. Bremen
Zur selben Zeit
Einige Tage später
Ein Monat später
Am nächsten Tag
Wieder im Jahr 2024
8. Bremen
Zur selben Zeit: -DIE BESTIE VON BREMEN-
Am nächsten Tag: Bremer Schweiz
Einige Stunden später
Am nächsten Tag
9. Syke
Zur selben Zeit: Bremen
Einige Stunden später
Zur selben Zeit
10. Syke
11. Bremen
12. Zentralkrankenhaus Bremen-Ost
Etwas später: Bremen
Drei Stunden später
13. Syke
14. Bremen
Wenig später
15. Bremen
16. Syke
Zur selben Zeit: Bremen
Einige Tage später
17. Braunschweig
Conium maculatum L.
Am nächsten Tag
18. Bremen
Zur selben Zeit
Etwas später
19. Frauengefängnis Vechta
Einige Tage später
Am nächsten Tag
Etwas später: Friedeholz
Einige Tage später
20. Bremen
Zur selben Zeit: Syke
Ein Tag später: Bremen
Zur selben Zeit
Etwas später
21. Syke
Zur selben Zeit
Etwas später
Einige Tage später
22. Bremen
Zur selben Zeit: Seniorenwohnpark in Bremen-Nord
Etwas später
23. Bremen-Findorff
Etwas später
24. Polizeipräsidium Bremen
Zur selben Zeit
Einige Tage später: Zentralkrankenhaus Bremen-Ost
Etwas später: Außerhalb von Bremen
Am nächsten Tag
Etwas später: Polizeipräsidium Bremen
25
26
Zur selben Zeit
Am nächsten Tag
27
Etwas später
Zur selben Zeit
Ein Monat später
28. Teufelsmoor
Etwas später: Moordeich
Epilog
Anmerkung
Über den Autor
Danksagung
Hinweis
Unvergessen bleiben mir die 80er Jahre in Erinnerung. Sie waren nicht nur in Bremen ein bewegtes Jahrzehnt, das Spuren hinterlassen hat. Es war neben guten Zeiten das Jahrzehnt der Skandale. Als „Schwarzer Freitag“ geht der 6. Mai 1980 in die Bremer Geschichte ein. Die Vereidigung von 1200 Rekruten im Weserstadion lockte aus ganz Deutschland Menschen an. Der Osterdeich wurde in ein Schlachtfeld verwandelt. Vermummte Demonstranten buddelten Pflastersteine vor dem Weserstadion aus, warfen Molotow-Cocktails. Polizeieinsätze eskalierten. Autos wurden demoliert, einige in Brand gesetzt. Die Randalierer verletzten 300 Polizisten und Soldaten. Ein brennendes Geschoss traf einen Polizisten. Der „antimilitärische Widerstand“ erreichte in Bremen seinen Höhepunkt. Bremen, als „linke Hochburg“ verschrien, leidet viele Jahre darunter.
Mitte März 1981 trat die Weser über das Ufer. Der Werdersee mit seiner Umgebung war ein Hochwassergebiet. Parzellenhäuser wurden mitgerissen, eine Straße fortgerissen.
Bremen hatte die Werftenkrise. Auslöser war die erste Ölkrise. Seit den 70er Jahren sank die Belegschaft von 5500 auf 2200. Zum Slogan wurde „USE AKSCHEN“. Am 31. Dezember 1983 ist Schluss. Nach 140 Jahren.
Der „NEUE HEIMAT-Skandal“ beschäftigte die Bremer im Jahr 1982. Das gewerkschaftseigene Unternehmen wurde von Vorstandmitgliedern hintergangen. Mieter sollen betrogen worden sein, über Tarnfirmen wurden überteuerte Bau- und Handwerkeraufträge vergeben.
Der Roland wurde restauriert. Im Kino lief BOND 007, IM ANGESICHT DES TODES.
Pferdekutschen transportierten HAAKE BECK Bier. Der SV WERDER stieg empor. Die „Otto-Zeiten“. Bruce Springsteen, „The Boss“ und Tina Turner traten im Weserstadion auf.
Im August 1988 halten zwei Bankräuber auf ihrer Flucht Bremen in Atem. Sie kaperten im Ortsteil Huckelriede einen Linienbus und nahmen 35 Geiseln. Eine Geisel wird erschossen. Polizei- und Ermittlungsbehörden wurden Fehler vorgeworfen. Der Innensenator trat zurück. Das Geiseldrama wurde einige Tage später von Polizeikräften mit einem heftigen Schusswechsel beendet. Eine Geisel wird dabei tödlich verletzt.
Im Stadtviertel Ostertor entstand eine Drogenszene. Dealer verkauften den Stoff an Bremer Junkies. Fast jeden vierten Tag gab es einen Toten.
Ein ganz besonderes Erlebnis war in Bremen für Wirtschaftsführer, Politiker, Behördenmitarbeiter, Baulöwen und Handwerksmeister ein Besuch im geheimen Etablissement in der Schwachhauser Heerstraße. In Anwesenheit netter „Hostessen“, mit Musik untermalte, angenehmer Atmosphäre, wurden hier Geschäfte u.a. verhandelt. Eine der Hostessen war Ingrid. Sie war nicht nur hübsch, sondern in hohem Maße sehr intelligent. Konnte sich vorstellen, was dort im Geheimen ablief und vor allem, wie man aus dem geheimen Wissen Profit ziehen konnte. Sie wurde Mutter. Der Sohn lernte seinen „Vater“ nicht kennen. Oder doch? War er einer der zahlreichen „Besucher“ in der Wohnung, währenddessen er sich „unsichtbar“ machen musste? Er wuchs als Kind Ende der 80er auf. Bekam schnell den Kosenamen „Krümel“, also genannt wie ein kleines, abgebrochenes Stückchen vom Kuchen. Der Kuchen war groß genug, um ihn in der illustren Gesellschaft, in der seine Mutter verkehrte und ihre Dienste anbot, verteilen zu können.
Der Junge war fünf Jahre, als es am 8. August 1992 passierte. Ingrid kehrte zurück von dem Michael Jackson Live-Konzert im Weserstadion. Eine der Stationen auf der MJ Dangerous World Tour. Der Junge hört noch heute die Stimmen der Männer, den Schrei seiner Mutter. Sie wurde entführt. Später im Wald von einem Hund eines Jägers aufgespürt. Ein junges Leben war brutal ausgelöscht worden. Aus „Krümel“ wurde „Hotte“. So angesprochen im Heim, in der der Schule, auf der Lehrstelle, bei der Bundeswehr, im Berufsleben.
Ich bin Stefanie Wolter, Polizeipsychologin. Beschäftigt mit einem mysteriösen Kriminalfall, der mich vor eine große Herausforderung stellen wird.
Es war Frühling. Der Staub lag auf den zarten Zweigen der Sträucher. Die kühle Luft vertrieb die wenigen Sonnenstrahlen. Der Moment der Angst schien vergessen. Es war ein Fehler gewesen, mich erst jetzt meinem Gewissen zu stellen.
Die Gedanken aus einer vergangenen Zeit überschlugen sich. Der Weg war beschwerlich. Die innere Stimme rief nach Ordnung und lachte bei dem Vorhaben, zur Ruhe zu gelangen. Der Gesang meiner inneren Stimme klang, als würde ein Kind laut singen. Die Luft zum Atmen wurde weniger. „Halt, du Atem des Todes. Ich bin noch nicht bereit.“
In der Kirche angekommen, verlangte ich den Pfarrer zu sprechen, war bereit zum Beichten. Dem Seelsorger reichte ich mein Handgelenk und setzte mich auf das karge, harte, dunkle Brett im Beichtstuhl. Ich vernahm das Knacken an der Tür auf der anderen Seite. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Das Sprechen eines jeden Wortes fiel schwer. Jedes Wort tat weh. Ich sah dabei die Schatten des Todes, die ich über einige Menschen gebracht hatte.
Wird Gott mir vergeben? Soll ich ihn um die ersehnte, köstliche, ewige dunkle Ruhe bitten?
Ich schloss meine Augen. Das Gesicht der jungen Frau schaute mich unaufhörlich an. Eigentlich wollte ich ausschlafen, dann nur spazieren gehen.
Ich wollte nicht die Hände um den Hals der Frau legen. Ich wollte das beginnende Schwindelgefühl unterbrechen, den Duft der langen blonden Haare genießen. Etwas Wärme spüren.
Und dann wurde ich dieses Schicksal nicht mehr los. Forderte es bei anderen Frauen heraus.
Es war wie ein Sog, ein Strudel, der in den Abgrund reißt, in das Verderben. Es war berauschend, die Macht zu spüren, den letzten Atem, der ein Leben zum Tod bringt.
„Was hast du mir zu sagen, mein Sohn?“
„Herr Pfarrer, ich habe gesündigt.“
„Rede dir alles von der Seele. Der Herr vergibt dir.
Wir alle sind Sünder. Gott vergibt dir deine Schuld.
Du musst aufrecht sein. Zur Wahrheit stehen.“
Ich fingerte aus meiner Hosentasche ein weißes Taschentuch. Schnaubte hinein. Dann begann ich langsam zu erzählen.
„Herr Pfarrer, mein Leben wäre anders verlaufen, wenn.........“
„Ja, wenn? Was ist passiert, erzähle doch weiter.
Ich höre zu, versprochen und jedes Wort bleibt unter uns.“
Der Pfarrer vernahm kein Wort mehr.
„Hallo. Was ist? Hast du Angst, mein Sohn? Willst du ein Glas Wasser trinken? Soll ich einen Arzt rufen? Sage doch etwas. Warum sprichst du denn nicht weiter?“
Ich wurde wach. Spürte, dass der Privatdetektiv Sven Lohner mich in den Arm nimmt.
„Du hast geträumt, Schatz!“
„Ja, es war furchtbar. Ich träumte von Martin Hellweg!“
„Hallo, Frau Polizeipsychologin. Es sind zwei Jahre vergangen. Verfolgt er dich immer noch? Nicht nur in deinen Gedanken, jetzt auch in deinen Träumen?“
„Martin Hellweg ist wegen Unzurechnungsfähigkeit
nicht strafrechtlich verurteilt worden. Er lebt in einem besonders geschützten Rahmen in der forensischen Psychiatrie im Klinikum Bremen-Ost.“
„Er ist krank, die oft zitierte Opfer-Täter-Rolle. Aber er ist ein mehrfacher Mörder, hat brutale Morde begangen, ist als das Moor-Mörder-Phantom in die Bremer Kriminalgeschichte eingegangen.“
„Martin Hellweg wurde in einem, von einer Psychiaterin herbeigeführten Medikamentenrausch, mit dem vernommenen „Moorgeflüster“, zu seinen Taten angetrieben. Jeder Gedanke, hat also eine Ursache. Der Gedanke an das Erlebte, ist der Antrieb für das, was folgt. Oft sind es Erinnerungen, die einen Menschen zu einem bösen Menschen machen.“
Stefanie Wolter ist hin- und hergerissen. Gefordert in einem neuen Fall, für sie noch mysteriöser, als alle bisher erlebten. Die von Beamten aus Bremen und Niedersachsen gebildete Soko WALD jagt einen Serienmörder. Sie ist als Polizeipsychologin eingebunden.
„Die schicksalhafte Bestimmung des Täters muss herausgefunden warden. Alles im Leben hat einen Ursprung!“
Stefanie Wolter stellte sich die Frage, was sie aus ihrem letzten Traum lesen könnte.
„Sven, man träumt nie ohne Grund“, hat ein Psychologe einmal zu mir gesagt. Ich muss zu ihm.
Ja, ich muss Martin Hellweg befragen und muss dazu lernen.“
In der kommenden Nacht brachte mir mein Traum kein Erschrecken. Ich lag nur da, starrte mit offenen Augen auf das Mondlicht, das hell ins Fenster fiel.
Meine nächtliche Traumwanderung blieb in der Vorstellung lebendig.
Ich versuchte zu verstehen, warum die leblosen Frauenkörper in das Gestrüpp vom Unterholz des Waldes gelegt wurden. In einem Sumpfgebiet. Ein Zeichen?
Ich konfrontierte meinen Freund mit meiner Annahme.
„Sven, Wildwuchs bezeichnet ein unmäßiges Wachstum in der Natur. Aber auch zu deuten für Taten ohne regulierende Eingriffe als ungerecht empfundene Gesetze, wirre Gedanken. Es gibt sie, die Gesezte des Dschungels. Ich stelle mir vor, dass sich der Täter auf einer Mission der Reinigung befindet. Der Sittenverfall, der wachsende Größenwahn im Kapitalismus und die zunehmende Gewaltbereitschaft unter den Menschen nehmen zu. Er befindet sich in einer Konfliktsituation.“
Sven Lohner dachte einige Momente nach. Dann sagte mein Freund: „Es ist wichtig, dass du diesen Ansatz deinen Kollegen vorstellst. Der Täter hat in seinem Leben mit bestimmten Ereignissen konfrontiert werden müssen, die er nicht verarbeitet hat. Traumata verfestigen sich zu diesem Szenario.“
Amelie Jürgens spürte etwas Leben in ihr. Sie sah, wie der ihr unbekannte Mann eine Spritze aufzog.
Er trug blaue Schutzkleidung. Sein Gesicht wurde von einer Gasmaske verdeckt.
„Warum bin ich hier?“
Sie erhoffte, auf ihre gequält gesprochene Frage eine Antwort zu bekommen. Der Mann zögerte nicht: „Du hast für einen Drogenhändler und Zuhälter gearbeitet.“
„Nicht nur ich.“
„Ich weiß.“
„Hast du Erika getötet, Erika Bruns?“
Der Mann näherte sich der Pritsche, auf der die Frau lag, prüfte die Festigkeit der Fesselung.
Ohne die Spritze zu benutzen und eine Antwort zu geben, verließ der Mann den Raum, ein karges, weiß gefliestes, kalt wirkendes Zimmer.
Er ging einige Schritte, nahm die Gasmaske vom Gesicht und öffnete eine Tür, die wie auch weitere Türen mit Eingabe eines Codes auf einer Tastatur zu öffnen sind.
Der Mann setzte sich an den ganz aus Glas hergestellten Schreibtisch. Genüsslich schaute er auf eine aus vielen Fotos bestehende Fotowand.
Farbfotos, aber auch Zeitungsausschnitte waren mit Vermerken aneinandergereiht.
Er schenkte sich ein Glas Rotwein ein. Zündete eine Zigarre an. Sein Telefon klingelte. Er schaute ein wenig verwundert auf die Uhr und nahm den Anruf nicht an.
Amelie Jürgens Gedanken purzelten, sie empfand ihren Zustand zweifellos lebensbedrohlich.
Welchem Psychopathen ist sie in die Hände geraten und wie geschah es? Durch K.-o.-Tropfen?
Sie versuchte, sich an die Ereignisse zu erinnern.
Es fehlten Raum und Zeit. Ihr Gehirn war wie leer.
Sie sieht die aufgezogene Spritze.
„Was treibst du Arsch für ein Psychospiel?“
Ihre Schreie nach Hilfe prallen wie Wortfetzen von der Fliesenwand ab. Sie sieht ständig vor Augen die Gasmaske. Der einzige Hinweis auf den Mann ist seine Stimme. Sie fragt sich, ob sie die schon einmal vorher vernommen hatte. „Bist du ein Freier von mir? War ich nicht gut genug? Was habe ich dir getan?“ Ihre Gedanken schweifen ab zu Erika Bruns.
„Scheiße!“ Die beiden Frauen wollten aussteigen.
„Ihr“ Ding machen. Noch mehr Kohle ziehen, bei den reichen Säcken. Die zwar Geld auf dem Konto haben, aber eher wenig in der Hose. „Ist es das?
Konntest du nicht, du Arsch? Bekamst deinen „Kleinen Jungen“ nicht hoch?“
Genüsslich zeichnete währenddessen der Mann ein großes X auf das Foto an der Bilderwand. Es zeigte Erika Bruns neben Amelie Jürgens und Natalie Schwarz. Darunter platziert, hatte er auch das Foto von Monika Bertram mit einem X versehen. Monika Bertram war die für ihn zuständige Kraft beim Jugendamt. Er war sich sicher, alles in seinem Leben hätte einen anderen Verlauf genommen, wenn, ja, wenn diese Frau, wenn Monika Bertram damals anders gehandelt hätte.
„Ja, unser Job ist nun einmal die Chemie des Todes. Der menschliche Körper beginnt schon kurz nach dem Tode zu verwesen. Es ist ein Automatismus. Er beginnt, sich selbst zu verdauen.
Alle Organismen bedienen sich an diesem Festschmaus. Zuerst die Bakterien. Die Muskeln verfallen. Der Körper der Frau wies eine lange Madenspur auf. Der starke Insektenbefall, die Temperatur, der trockene Boden, wenig Regen und der besondere Verwesungszustand. Denke, die Tatzeit kann eingegrenzt werden.“
„Hat sie lange gelitten?“
„Es ist wie bei einer Uhr. Die Zeit läuft, irgendwann ist die Batterie leer. Bevor du die Erde verlässt, verliert das Gehirn die Gedanken. Ja, sehr qualvoll.
Begleitet von Angstzuständen und Wahnvorstellungen.“
Der Rechtsmediziner Ben Irmler sprach wie immer Klartext in Mischung mit gesundem Sarkasmus.
Das Protokoll zu lesen, verlangte den Beamten schon viel ab.
„Die Überprüfung der Insekten ergab einen Madenbefall. Einige waren in der Farbe blass, andere hatten eine dunkle Farbe. Sie standen kurz vor der Verpuppung. Also 7 bis 8 Tage. Es gab Käfer. Und Fliegen. Schmeißfliegen. Die Wunden an dem Körper sind nach ihrem Tode entstanden.
Beiß-, auch Risswunden. Wahrscheinlich durch wildernde Tiere. Fliegen leben in der Regel 14 Tage.
Das zur zeitlichen Eingrenzung der Leichenablage.“
„Also liegt die Todeszeit zwischen ein und zwei Wochen. Es gibt also eine Übereinstimmung mit unseren Annahmen aufgrund der Fakten. Den Fotos.“
„Der Fundort der Leiche, war nicht der Tatort. Sie wurde abgelegt. Spuren an der Kleidung lassen auf eine kurzfristige Verweildauer auf einer Steinfläche schließen. Vermutlich in einem Kellerraum. Die Todesursache war Herzstillstand. Auszugehen ist von einem Erstickungstod.“
„Bei der Frau wurden keine Papiere, kein Handy gefunden. Nichts, was auf ihre Identität schließen lässt. Allerdings ergab die DNA-Probe einen Treffer in der Datenbank. Sie wurde aktenkundig durch eine Anzeige. Ein Freier hatte einen Diebstahl gemeldet. Die Frau ist als Prostituierte registriert.
Erika Bruns, 24 Jahre alt. Wohnhaft in Syke bei Bremen.“
Hauptkommissar Tomke Schmidt vom K3 schaltet sich ein. „Wir haben es mit einem Tötungsdelikt an einer Prostituierten zu tun. Der Sachverhalt zeigt einige Übereinstimmungen zum Tötungsdelikt von Monika Bertram. Der Leichenfund in einem Waldgebiet, die Todesursache und der Zusammenhang mit einem möglichen Festhalten, einer Gefangenschaft in einem Kellerverlies. Und vor allem der jeweils platzierte weiße Würfel.“ „Herr Oberstaatsanwalt, ein weiterer Fall für die Soko WALD?“
Stefan Reuter bejaht. „An die Presse vorerst nichts!“
Nutzen Sie die nächsten 2-3 Tage. Wir brauchen ein Ergebnis und keine Beunruhigung in der Bevölkerung.“
Ich vernahm die Stellungnahme des Profilers und meldete mich zu Wort.
„Als Polizeipsychologin arbeite ich als eine von Spezialisten eng mit dem Profiler Thomas Berger zusammen. Erfolgreich, bereits im Fall der Soko MOOR vor zwei Jahren.“
„Bitte, Frau Wolter, wie ist ihre erste Einschätzung?“
„Ich denke, die Annahme eines Serientäters ist zutreffend. Bedauerlicherweise. Das vom Kollegen Berger beschriebene Täterprofil passt zu einem Mann. Einem Normalbürger, der unauffällig, eher zurückgezogen lebt. Die spätere Ablage der Leichen in einem schwer zugänglichen Sumpf- und Teichgebiet in einer Waldlandschaft ist eine gewählte Inszenierung. Insbesondere der Fundort inmitten von Gestrüpp, dem Wildwuchs in der Natur, ist bezeichnend. Wildwuchs drückt auswucherndes Wachstum aus. Ich sehe den Mann auf einer „Reinigungstour“. Er ist ein Psychopath, der den Wahn hat, seine Mitmenschen von „Wildwuchs“ zu befreien. Für die Opfer, vielleicht sogar für die Hinterbliebenen, sieht er darin eine Erlösung.“
Ein Raunen erfüllte den Raum. Ich bezog mich zu den speziellen Fällen der Inszenierung mit den Zahlen der Würfel 1 und 2. „Er sucht Personen ganz bewusst aus. Tritt in das Leben der Personen ein, gewinnt ihr Vertrauen. Es geht dem Täter um Machtausübung. Er fühlt sich, warum auch immer, erniedrigt. Berauscht sich an dem fortwährenden und zunehmenden Zustand des Leidens seines Opfers. Der Ablageort, ein Wald, ist bewusst gewählt. Dort leben Tiere. Er sieht Prostituierte als freies Wild. Stellt sie mit Tieren auf eine Ebene. Die abgelegten Würfel bei den Leichen sollen wir als ein Zeichen sehen. Ein Würfel hat bekanntlich sechs Seiten.“
„Starke Analyse, Frau Kollegin. Aber, wenn ihre Annahme vom „Wildwuchs“ zutreffend ist, können noch ganz andere Personengruppen im Visier des Täters sein. Aber die Ermordung von Monika Bertram? Die Frau arbeitete beim Jugendamt.“ „Der Bezug kann mit der früheren Jugendgeschichte des Täters in Zusammenhang stehen. Unter Umständen hat er Erfahrung mit dem Jugendamt gemacht und wenn, dann sicherlich keine guten.“
Der Polizeichef gab bekannt, dass der LKA-Beamte Florian Weise die Soko unterstützt und eingebunden wird. „Na, dann, auf ein Neues.
Hoffentlich wieder so erfolgreich, wie damals!“
Ich vernahm, wie die Aufteilung der Ermittlungsarbeit beschlossen wurde. Tomke Schmidt gab dazu präzise Anweisungen.
Hauptermittlung vorerst das persönliche private Umfeld der getöteten Prostituierten, inklusive ihrer Kunden und deren Umfeld. Darüber hinaus Begehung der Wohnungen der Opfer. Einschaltung der KTU. Die gleiche Vorgehensweise in Sachen Monika Bertram. Alles war nun wichtig. Das kleinste Stück Papier im Mülleimer, jedes Foto. Der Laptop. Das zufällige Auffinden eines Tagebuchs.
Und natürlich die Gespräche mit den „Kolleginnen“ und „mutmaßlichen Beschützern“, die sich selbst wohl als Berater und Buchhalter für die Damen in dem Gewerbe verstehen. „Heike, du nimmst dir die Akte vor über den Mann, der damals die Diebstahlanzeige aufgegeben hat.“
„Klar, Chef. Guter Ansatz. Ich werde Erwin Junghans zu dem Vorgang befragen.“
Stefanie Wolter versuchte, sich in die Lage des Täters hineinzuversetzen. Sie war bekannt für ihren eigenwilligen Arbeitsstil, bei dem sie auch Gefahren ausgesetzt war.
Heike Best trommelt mit den Fingern über das Lenkrad. Ihre Migräne war heute unerträglich.
Beim Geräusch vom Zuschlagen der Autotür wurde ihr kurz schwarz vor den Augen. Sie ist gespannt, was Erwin Junghans zu sagen hat. Sie hält es für fragwürdig, dass ein Lehrer in einem Rotlichtmilieu verkehrt. Der Mann ist nicht vorbestraft, lehrt an der Europa-Schule, Berufszentrum Utbremen in der Meta-Sattler-Straße. Dort ist er erst seit Kurzem tätig.
Sie unternahm ein zweimaliges Klingeln und wartete auf eine Antwort, lauschte an der angebrachten Sprechanlage am Tor. Hörte ein „Ja, bitte?“
„Herr Junghans, guten Morgen. Heike Best, Kripo Bremen. Haben Sie Zeit für ein paar Fragen?“
„Ja, wenn es nicht lange dauert, ich muss in 20 Minuten zur Arbeit.“
„Dauert nicht lange, danke.“
„Ich öffne das Tor, komme ihnen entgegen.“
„Kripo, das ist ja ein ungewöhnlicher Besuch heute Morgen.“
„Ich will gleich zur Sache kommen. Es geht um Erika Bruns. Der Name sagt ihnen etwas?“
„Schon, das vergesse ich nicht. Ja, ich musste sie anzeigen. Leider ein bedauerlicher Irrtum.“
„Eine Diebstahlanzeige, was aber hat sie bewogen, die Anzeige zurückzuziehen?“
„Verstehe nicht, was hat die Kripo damit zu tun?“
„Frau Bruns wurde Opfer eines Gewaltverbrechens.“
„Oh, das tut mir leid. Das ist ja furchtbar, was ist passiert?“
„Darüber kann ich keine Auskunft geben. Wir ermitteln in allen Richtungen. Sie war eine Prostituierte. Wie war ihre Beziehung zu der Frau?“
„Beziehung? Ich war einmal dort. Mir fehlte dann Geld in der Brieftasche. Hatte es aber später wiedergefunden. Die Anzeige tut mir leid. Habe sie gleich wieder zurückgezogen.“
Erwin Junghans schaute auf die Uhr. „Zwei Fragen noch, dann war es das, Herr Junghans. Sie unterrichten was?“
„Ich bereite die jungen Leute auf die staatliche Prüfung zum Chemie-Techniker und der Chemie-Technikerin vor. Eine mehrjährige Ausbildung in Teilzeit, Tages- und Abendkurse.“
„Interessantes Thema. Sie leben allein?“
„Meine Freundin lebt in Braunschweig. Wir führen eine Wochenendbeziehung, leider, aber durch meinen berufsbedingten Wohnortwechsel nicht zu ändern. Vorerst jedenfalls nicht. Wenn Silke Beier, also meine Freundin, einen Job in Bremen bekommt, ziehen wir wieder zusammen.“
„Da wünsche ich ihnen viel Glück bei.“
„Danke, Glück braucht man im Leben! Ihnen viel Glück bei den Ermittlungen. Finden Sie das Schwein, das der Frau das angetan hat.“
„Ein schönes Haus bewohnen sie.“
„Ja, Glück gehabt. Wollte unbedingt auf einem Resthof leben. Meine Freundin reitet. Hier ist alles vorhanden, auch die Stallung für das Pferd.
Übrigens, ein netter Vermieter. Ein Pensionär.
Witwer. Das Haus wurde frei, weil er mit seiner neuen Lebenspartnerin zusammenzog.“
„Danke für ihre Offenheit. Falls ihnen noch etwas einfällt, hier meine Karte.“
Heike Best fuhr schnell zu ihrer Wohnung, kramte im Medizinschränkchen herum, um das Migränemittel zu finden.
Ein Mittel gegen die Übelkeit nahm sie zusätzlich ein.
Ihr Schrei hallte von den Kachelwänden im Bad zurück, die Gedanken zerrten an ihrem Verstand.
Den Anruf von ihrem Chef drückte sie weg. Sie blieb für den Rest des Tages unerreichbar.
Langsam schöpfte sie wieder Atem, drehte sich auf dem Sofa liegend um, der Schmerz ließ nach und ihre Augen konnte sie nun etwas länger aufhalten.
Sie dachte darüber nach, was Männer für Fähigkeiten brauchen, um Einfluss auf Frauen zu gewinnen.
Quälende Gedanken nahmen Besitz von ihr.
Hauptkommissar Tomke Schmidt entfernte das Siegel von der Tür, öffnete sie und betrat die Wohnung von Erika Bruns. Er versah seine Hände und Füße mit Schutzfolienüberzügen. Ging von Raum zu Raum. Im Wohnzimmer erblickte er eine Fotogalerie. Sah eine wunderschöne junge Frau, die vielfältige Hobbys hatte. Sie war zu sehen beim Surfen, beim Reiten, beim Bogenschießen. Ein Foto zeigte sie mit einem Mann. Es war ein älterer Herr, Anfang sechzig. Nach dem Aussehen tippte der Kommissar dabei auf ihren Vater.
Die Wohnung war gemütlich eingerichtet. Nichts deutete auf den Job der Frau hin. Er schätzte einen hohen Lebensstandard ein. Nicht zuletzt durch den umfangreich ausgestatteten Kleiderschrank zu erkennen. Eine Mischung aus sportlichem Flair und Eleganz. „Wo hast du verkehrt? Wer waren deine Freier?“ Ein Laptop wurde nicht gefunden. In der Küche standen auf einer an der Wand angebrachten steinernen, ovalen Tischablage zwei Gläser und eine Flasche Rotwein. Daneben eine weiße Kerze, die angezündet worden sein musste.
„War das dein letztes Date? Mit wem? Zu wem hattest du ein so großes Vertrauen? Wurde das zu deinem Verhängnis.“
Die Gedankengänge von Tomke Schmidt nahmen zu. „Was ist, wenn du dein Leben ändern wolltest, wegen einer großen Liebe aussteigen wolltest? Wem könnte das missfallen? Wer hat dadurch einen Schaden? Gibt es einen Zuhälter?“
Bevor Tomke Schmidt die Wohnung verließ, machte er einige Schnappschüsse von Fotos auf seinem Handy. Dabei zwei Bilder von jungen Frauen.
Freundinnen der Getöteten? Vielleicht auch Verwandtschaft? Er erneuerte das Siegel und ging nachdenklich die Treppe hinunter, bestieg sein Auto und fuhr zu der Wohnung von Heike Best.
„Ich machte mir Sorgen, Heike.“