Nur die Liebe führt zum Glück - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Nur die Liebe führt zum Glück E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Glück und Liebe sind oft zum Greifen nah, aber dennoch muss man meist so manches Hindernis umschiffen, bis am Ende alles gut ist. Kaum eine Autorin hat sich diesem Thema so ausführlich und klug gewidmet wie Hedwig Courths-Mahler. In dieser liebevoll gestalteten Retro-Ausgabe mit den Romanen "Ich hab dich lieb" und "Hilfe für Mona" vereint die Erfolgsautorin erneut die Macht des Schicksals mit dem Zufall der Liebe. Zwei zauberhafte Romane um Leid und Glück zweier Menschen - Lesefreude bis zum Happy End!

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Seitenzahl: 661

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumUnterschrift der AutorinGedichtIch hab Dich lieb123456789101112131415161718Rezept »Geflügelsuppe«GedichtHilfe für Mona1234567891011121314151617181920Rezept »Ausgezogener Apfelstrudel«

Über dieses Buch

Glück und Liebe sind oft zum Greifen nah, aber dennoch muss man meist so manches Hindernis umschiffen, bis am Ende alles gut ist. Kaum eine Autorin hat sich diesem Thema so ausführlich und klug gewidmet wie Hedwig Courths-Mahler. In dieser liebevoll gestalteten Retro-Ausgabe mit den Romanen »Ich hab dich lieb« und »Hilfe für Mona« vereint die Erfolgsautorin erneut die Macht des Schicksals mit dem Zufall der Liebe. Zwei zauberhafte Romane um Leid und Glück zweier Menschen – Lesefreude bis zum Happy End!

Ich hab dich lieb

Um einen alten Familienzwist zu beenden, vermacht Friederike Elisabeth von Lingen, geborene Lehenau, das Gut Herrenberg den letzten beiden Abkömmlingen der Familie. Einzige Bedingung: Die Erben, die aus zwei verfeindeten Linien der Familie stammen, sollen ein Jahr lang ihren neuen Aufgaben in Herrenberg nachkommen. So führt das Schicksal Mark von Lehenau, bislang Chauffeur, und Lonny von Lehenau, bisher Sekretärin, zusammen. Schon bald sind sich die beiden herzlich zugetan. Doch dann taucht plötzlich die Tochter von Marks früherem Chef auf und scheut vor keiner Raffinesse und Lüge zurück, um einen Keil zwischen die Liebenden zu treiben …

Hilfe für Mona

Mona, die reiche Erbin der Falkner-Werke, ist todunglücklich, als sich ihr Jugendfreund Richard Römer mit der verführerischen Gloria verlobt. Doch keiner soll wissen, wie es um sie steht. Deshalb gibt sie dem Werben des Lebemannes Hubert Meining nach, der es nur auf ihr Geld abgesehen hat. Schon bald muss Meining allerdings erkennen, dass er nicht beliebig über das Vermögen seiner Frau verfügen kann. Aus maßloser Enttäuschung, schmiedet er einen verbrecherischen Plan, der Mona in höchste Gefahr bringt …

Über die Autorin

Die Lebensgeschichte der Hedwig Courths-Mahler könnte aus einem ihrer Romane stammen: ein wahrgewordenes Märchen, die Geschichte vom Aschenputtel, das zwar nicht den Prinzen heiratet, aber aus eigener Kraft Königin wird. Am 18. Februar 1867 als Ernestine Friederike Elisabeth Mahler in Nebra a. d. Unstrut unehelich geboren, wuchs Hedwig – wie sie sich selbst als Kind nannte – bei verschiedenen Pflegeeltern auf. Zunächst arbeitete sie in Leipzig als Verkäuferin und schrieb mit siebzehn ihren ersten Roman. Zwischen 1905 und 1939 entstanden die Courths-Mahlerschen Liebesromane und machten ihre Verfasserin – inzwischen verheiratet und Mutter zweier Töchter – zur auflagenstärksten Autorin. In den Schoß fiel der energischen jungen Frau, die zunächst schrieb, um ihre Familie zu ernähren – ihr Mann Fritz Courths war lange Zeit arbeitslos –, der Erfolg allerdings nicht. Sie arbeitete hart, saß bis zu vierzehn Stunden am Schreibtisch und verfaßte sechs bis acht Romane im Jahr.1939 hörte sie auf zu schreiben. Die Nationalsozialisten verweigerten ihrem Verlag das Papier. Schließlich ließ das Leid um ihre Tochter Friede Birkner, die in Gestapohaft kam, die beliebte Schriftstellerin endgültig verstummen. Am 26. November 1950 ist Hedwig Courths-Mahler auf ihrem Bauernhof am Tegernsee gestorben. Die Renaissance ihrer Romane hat sie noch miterlebt.

Hedwig Courths-Mahler

Nur die Liebe führt zum Glück

Ich hab dich liebHilfe für Mona

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

  

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen nach einer Idee von Sandra Taufer, München

Unter Verwendung eines Motivs von © Knopazyzy/shutterstock

  

eBook-Produktion: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-7325-5626-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

 

 

Lass nur mein Haupt an deinem Herzen liegen

Lass mich nur lauschen still auf seinen Schlag

Und streich mir sanft und leise übers Haar

Still, sag kein Wort

Schick mich nicht fort

Dann wird die Seele wieder licht und klar

Ein heißer, lichter Friede strömt mir zu

Und zwingt das ungestüme Herz zur Ruh’

Die tollen heißen Wünsche schlafen ein

Vorbei ist Herzensnoth und Seelenpein.

2.November 1901

Ich hab Dich lieb

1

Mark Lehenau steckte tief in der Arbeit. Er untersuchte einen Motorschaden und hatte für nichts und niemand Zeit als für diesen Schaden. Das Auto war sein bester Freund. Es war für ihn kein wertloser toter Gegenstand und half ihm mehr als die Menschen seiner Umgebung über Alltagsdepressionen hinweg. Wenn es nicht unbedingt notwendig war, ließ er keine andere Hand an den Wagen. Dabei gehörte ihm das Auto gar nicht, er war nur als Chauffeur angestellt und freute sich, dass er endlich, nach langem Herumlaufen, diese Stellung erhalten hatte. Das verdankte er nur dem Auto, nicht dem Besitzer, einem reichen Mann, der es verstanden hatte, durch alle Wirtschaftskrisen, nicht nur ungeschädigt, sondern noch obendrein bereichert hindurchzukommen, und jetzt satt und zufrieden mit Frau, Sohn und Tochter eine protzige Villa bewohnte. Mark Lehenau hatte, als er sich auf eine Zeitungsanzeige hin bei Heinrich Seifert um den Posten eines Chauffeurs bewarb, insofern Glück gehabt, als die beiden Damen des Hauses, Mutter und Tochter, ihn recht interessant fanden und sehr dafür eingetreten waren, dass gerade er Seiferts Chauffeur werden sollte. Herr Seifert senior interessierte wenig, wie der Chauffeur aussah, ihm kam es darauf an, dass er ein guter, zuverlässiger Fahrer war. Und Herr Seifert junior war mit achtundzwanzig Jahren ein weltmüder Mensch, der alles fad und langweilig fand, weil er mit seines Vaters Geld viel zu gut gelebt hatte, dass er sich ganz gewiss nicht darum kümmerte, wer den Wagen fuhr, in dem er seinen müden Körper fortbewegte. Aber Frau Lilli Seifert, die Mutter, die noch sehr unternehmungslustig war, und Fräulein Marlen Seifert – sie hieß eigentlich Martha-Helene, fand es aber wünschenswert, sich nach einem Filmstar Marlen zu nennen –, die mit begehrlichen Augen den neuen Chauffeur ansahen, hatten lebhaft für ihn gestimmt. Und so wurde Mark Lehenau der Fahrer des wundervollen Wagens, der gleich beim ersten Anblick sein Herz gewann. Fräulein Marlen hätte es lieber gesehen, wenn sie dieses Herz gewonnen hätte, und auch Lilli Seifert wäre nicht abgeneigt gewesen, sich von diesem interessanten Chauffeur ein wenig über ihre unbefriedigende Ehe hinwegtrösten zu lassen. Aber Mark Lehenau sah diese beiden Frauen mit seinen ausdrucksvollen blauen Augen so gleichgültig an, als seien sie Dinge, die gar nicht über seine Bewusstseinsschwelle traten.

Er hatte sich richtiggehend in den Wagen verliebt und wäre ihm am liebsten nicht mehr von der Seite gewichen. Zwar war ein Wagenwäscher gestellt worden, weil Frau Lilli darauf hielt, dass ihr interessanter Chauffeur seine gepflegten Hände behielt, aber dieser Mann machte Mark Lehenau nichts gut genug. Immer putzte und bastelte er noch selbst an dem Wagen herum.

Nun hatte er heute Morgen, als er Herrn Seifert senior in seine Fabrik fuhr, am Motor ein fremdes Geräusch gehört und lag inzwischen in seinem Overall unterm Wagen.

Nachdem er die Störung beseitigt hatte und gerade wieder herauskroch, erschien, auf hohen Absätzen trippelnd, Fräulein Marlen, die sich neuerdings, gleich ihrer Mutter, sehr für die Garage interessierte, und sagte mit spitzem Mund:

»Oh, Herr Chauffeur – wie sehen Sie aus?«

Er sah an sich herab.

»Wahrscheinlich ziemlich schmutzig, mein gnädiges Fräulein; ich hatte eine kleine Reparatur am Wagen!«

»Weshalb machen Sie denn das selbst? Das sollen Sie doch nicht, der Wagenpfleger hätte den Wagen doch zur Werkstatt fahren können, damit der Schaden behoben wird.«

»Das tu ich lieber selbst, gnädiges Fräulein, wenn es sich um keine große Sache handelt.«

Sie schmachtete ihn an.

»Solche Arbeit sollen Sie aber nicht tun. Sie wissen doch, dass Mutter einen Chauffeur mit gepflegten Händen wünscht!«

Er sah sie mit einem etwas spöttisch überlegenen Blick an. »Die gnädige Frau wird sich nicht zu beklagen brauchen. Haben Sie sonst noch etwas zu befehlen, gnädiges Fräulein?«

Marlen Seifert kokettierte sehr deutlich mit ihm.

»Sie sollen mich ein wenig spazieren fahren. Es ist so herrliche Frühlingsluft, und draußen im Wald möchte ich dann ein wenig laufen.«

»Wie Sie befehlen, gnädiges Fräulein. Gestatten Sie nur, dass ich meine Hände säubere und mich rasch umziehe. In fünf Minuten bin ich wieder zur Stelle.«

Sie lachte ihn verliebt an.

»Aber – ich befehle doch nicht, das wissen Sie genau. Einen Mann wie Sie kann man doch immer nur bitten, auch wenn er nur Chauffeur ist.«

Mit unbeweglichem Gesicht verneigte er sich stumm und verließ die Garage. Was er über solche Annäherungsversuche Marlen Seiferts sowie über die ihrer Mutter dachte, hat nie ein Mensch erfahren. Als er dann den Wagen vorfuhr und den Wagenschlag öffnete, um Marlen einsteigen zu lassen, verbeugte er sich wieder und sagte ganz sachlich:

»Zehn Minuten vor eins muss ich Ihren Herrn Vater wieder mit dem Wagen an der Fabrik abholen.«

Sie sah auf ihre Armbanduhr.

»Also haben wir zwei Stunden Zeit. Bitte, fahren Sie dorthin, wo wir vorgestern waren.«

Wieder verneigte er sich. Aber Marlen nahm nun nicht etwa im Fond des Wagens Platz, wie er erwartet hatte, sondern sie setzte sich neben den Fahrersitz. Das war ihm durchaus nicht angenehm, aber was konnte er dagegen tun? Er stieg mit gelassenem Gesicht ein und versuchte, jede Berührung mit der jungen Dame zu vermeiden.

Zuerst war Marlen mit dieser Haltung einverstanden. Als sie aber ins Freie hinauskamen, rückte sie immer näher. Eine Weile konnte er das übersehen, aber als er dadurch beim Schalten behindert wurde, sagte er artig, aber sehr kühl:

»Würden Sie die Güte haben, gnädiges Fräulein, etwas mehr zur Seite zu rücken – ich bin sonst beim Fahren behindert.«

Sie rümpfte ein wenig das Näschen.

»Ach, kam ich Ihnen zu nahe? Das ist zuweilen beim Fahren nicht zu vermeiden.«

»Sehr richtig, deshalb täten gnädiges Fräulein vielleicht besser daran, einen anderen Platz einzunehmen.«

Das Blut schoss ihr nun doch ins Gesicht, und sie meinte ärgerlich:

»Das wollen Sie bitte mir überlassen.«

»Bitte sehr!«, erwiderte er ruhig.

Sie rückte nun sehr betont von ihm ab und blickte auf der andern Seite zum Fenster hinaus. Er achtete nicht darauf.

Eine Weile schmollte Marlen, dann aber rutschte sie doch unmerklich wieder etwas näher an ihn heran. Sie blickte ihn von der Seite an und freute sich, dass er so braun gebrannt aussah, dass er sich so straff und aufrecht hielt und dass es zuweilen in seinem Gesicht zuckte und sprühte. Schade, dass er nur ein Chauffeur war! So einen Mann hätte sie auf der Stelle geheiratet. Dabei hegte sie über sein Einverständnis keinen Zweifel. Eine Millionenerbin verschmäht kein Mann, darin war sie sich sicher. Aber es störte sie doch etwas, dass er nur Chauffeur war. Einen solchen heiratet man doch nicht, mit dem kann man wohl ein wenig flirten, aber heiraten – nein –, das heißt – schlimmstenfalls würde sie ihn auch heiraten, wenn die Eltern einverstanden wären. Der Vater konnte ihm ja dann in seiner Fabrik einen anderen Posten geben – gut genug sah er ja für jede, selbst für die höchste Stellung aus. Aber – nun – vorläufig wollte man nicht weiter darüber nachdenken – erst musste sie mal seine Scheu vor der Tochter des Chefs besiegen –, daran lag es wohl, dass er so zurückhaltend war.

Während dieser Gedanken war sie wieder näher gerückt, und das gefiel ihm gar nicht. Er sehnte sich danach, am Ziel zu sein und aussteigen zu können.

Auf der Avus schlug er deshalb ein ziemlich schnelles Tempo an, und Marlen wurde zuweilen wider ihren Willen dicht an seine Seite gerüttelt. Aber am Ende der Avus musste er wieder ein ruhigeres Tempo fahren. Endlich war die Stelle im Wald erreicht. Er hielt den Wagen an und sagte kurz:

»Diese Stelle meinten Sie, gnädiges Fräulein?«

Sie nickte ihm lächelnd zu.

»Wenn mein Vater wüsste, welches Tempo Sie gefahren sind!«, sagte sie und drohte ihm mit dem Finger.

»Sie haben mir vorgestern gesagt, dass Sie gern schnell fahren. Mit Ihrem Herrn Vater und der gnädigen Frau würde ich das natürlich nicht wagen.«

Sie stützte sich fest auf seinen Arm beim Aussteigen und meinte lächelnd:

»Ich verrate es meinem Vater schon nicht.«

Darauf wusste er nichts zu sagen.

»Bitte, begleiten Sie mich ein Stück in den Wald hinein, ich habe immer ein wenig Angst, dass mich ein Strolch oder ein Tier erschreckt.«

Seine Antwort war nur eine Verbeugung. Und so gingen sie nebeneinander eine Schneise entlang.

Während sie so dahinschritten, legte sie plötzlich ihre Hand in seinen Arm.

»Sie müssen mich ein wenig stützen; mit den hohen Absätzen geht es sich hier so unsicher.«

Er musste nun wohl seinen Arm beugen, damit sie wirklich eine Stütze hatte, aber seine Haltung ließ dabei keinen Zweifel darüber, dass er am liebsten weit weg von Fräulein Marlen Seifert gewesen wäre. Und doch war sie ein ganz hübsches Mädchen, mit feurigen, dunklen Augen und schön gepflegtem braunen Haar, das unter der schmalen, aufgeschlagenen Krempe ihres Hutes hervorquoll. Allerdings waren ihre Züge etwas gewöhnlich; sie sah jedoch nicht so aus, dass sich ein junger Mann daran hätte stoßen müssen, Arm in Arm mit ihr zu gehen. Mark Lehenau musste aber einen ganz anderen Geschmack haben, denn er konnte diesem Spaziergang nichts abgewinnen. Eine Weile schritten sie still dahin, als er plötzlich fühlte, dass ihre Hand immer fester seinen Arm drückte. Er verzog keine Miene und gab sich den Anschein, nichts gemerkt zu haben.

Dann sah sie schelmisch zu ihm auf und flüsterte:

»Ich bin wohl nicht Ihr Typ?«

Jetzt musste er ihr notgedrungen sein Gesicht zuwenden.

»Verzeihung – aber daraufhin habe ich noch gar nicht gewagt Sie anzusehen, gnädiges Fräulein.«

Sie hörte nur, dass er es nicht gewagt hatte. Also musste man ihm Mut machen.

Sie lehnte den Kopf nun ganz nachdrücklich an seinen Arm und sagte, lachend zu ihm aufsehend:

»Und ich glaubte schon, Sie seien ein Stockfisch oder Eisklumpen, weil Sie gar nichts merken.«

Er musste nun doch ein wenig lachen.

»Weder das eine noch das andere, gnädiges Fräulein; aber bitte, vergessen Sie nicht, wer Sie sind und wer ich bin.«

»Ach, Unsinn, das will ich doch gerade vergessen – ich bin ganz einfach in Sie verliebt. Da haben Sie die Wahrheit, und nun werden Sie wohl weniger zurückhaltend sein?«

Es zuckte um seinen Mund.

»Im Gegenteil, gnädiges Fräulein – noch viel mehr!«

Trotzig sah sie zu ihm auf.

»Warum denn?«

Er fand ihre Aufdringlichkeit eher abschreckend als anziehend, aber irgendwie belustigte sie ihn doch, gerade weil sie so unverblümt aussprach, was er noch nie aus dem Munde einer Dame gehört hatte. Und eine Dame wollte Fräulein Marlen Seifert ja sein.

»Weil ich meine Stellung nicht verlieren möchte – es ist mir weiß Gott schwer genug geworden, eine solche zu finden. Sie in Ihrer glücklichen Lage als Tochter eines reichen Mannes können wahrscheinlich kaum begreifen, wie froh man ist, wenn man endlich wieder arbeiten und verdienen kann, gleich in welcher Stellung. Bitte machen Sie es mir also nicht unnötig schwer, diese Stellung zu behalten.«

Etwas unsicher sah sie zu ihm auf, hielt aber immer noch seinen Arm fest.

»Herrgott, wie Sie das gesagt haben – ganz tragisch. Ist es denn wirklich so schwer, eine Stellung zu bekommen, wenn man so ein tüchtiger Chauffeur ist und so gut aussieht wie Sie?«

Es huschte bei ihrer naiven Frage ein Lächeln um seinen Mund.

»Glauben Sie es nur!«

Wieder sah sie ihn verliebt an.

»Wenn Sie lächeln, sind Sie noch viel bezaubernder. Ja, ja – Sie sind ein bezaubernder Chauffeur, da kann man lange suchen, bis man einen Mann Ihrer Art findet. Also – es ist nur Angst um Ihre Stellung, dass Sie sich zu mir immer so zurückhaltend gezeigt haben?«

»Nehmen Sie das an, gnädiges Fräulein«, sagte er vorsichtig.

Sie war nun ganz überzeugt, dass er sich nur deshalb von ihr zurückhielt, weil er seine Stellung nicht verlieren wollte. Und verliebt schmiegte sie wieder ihre Wange an seinen Arm.

»Wissen Sie, so gut gefallen Sie mir, dass ich Sie vom Fleck weg heiraten würde, wenn Sie nicht Chauffeur wären – oder nein –, auch trotzdem würde ich Sie heiraten – Sie müssten ja dann nicht mehr Chauffeur bleiben. Aber meine Eltern wollen natürlich hoch hinaus mit mir. Meine Mutter sagt, es gibt jetzt so viele hochgebildete angesehene Herren, selbst Adelige, die froh sind, eine reiche Frau zu bekommen. Aber – Sie gefallen mir viel zu gut, als dass ich einen andern haben möchte. Und stolzer als Sie kann auch kein Doktor oder Freiherr sein. Was meinen Sie, soll ich meinem Vater um den Bart gehen, dass er Ihnen eine gute Stellung gibt? Würden Sie mich dann heiraten?«

Obwohl sie so aufdringlich war, widerstrebte es ihm, sie in deutlicher Art zurückzuweisen, wie er es gern gewollt hätte. Immerhin war sie eine Frau – und er hatte von Jugend an gelernt, dass man Frauen ritterlich begegnen muss. Was sollte er jetzt antworten?

Er sah sie unschlüssig und zaudernd an, da reckte sie sich plötzlich auf die Zehenspitzen, umfasste seinen Nacken und küsste ihn auf den Mund.

»So, Sie lieber Mann, ich finde es so fein, dass Sie so stolz sind und auf meine Frage gar nicht antworten. Tausende würden jetzt begeistert zugegriffen haben, denn immerhin werde ich mal eine ganz hübsche Erbschaft machen. Aber Sie brauchen mir jetzt gar nichts mehr zu sagen. Ich betrachte mich ab heute als Ihre heimliche Verlobte und werde meinen Vater schon so geschickt bearbeiten, dass alles glatt geht. Nein, reden Sie kein Wort – wir sprechen nicht mehr darüber, bis ich meinen Vater herumgekriegt habe. Aber ab und zu mal einen Kuss, nicht wahr – das können wir uns doch schon leisten?«

Er war einfach sprachlos, wusste nicht, was er tun und sagen sollte, und hätte am liebsten rundheraus erklärt, dass sie sich irre, wenn sie meine, er lasse sich einfach auf so eine Weise von einer Frau heiraten – und wenn sie noch so viele Millionen besitze. Sie sah ihn siegessicher und lachend an und hob sich wieder auf die Zehen, um ihm ihren Mund zu reichen. Aber er wich erschrocken zurück und sagte abwehrend:

»Gnädiges Fräulein, ich will das alles nicht gehört haben, will alles vergessen, was hier geschehen ist. Sie müssen vernünftig sein, das geht doch nicht so, wie Sie sich das denken. Es kann gar keine Rede davon sein, dass ich Sie beim Wort nehme, es wäre unverzeihlich von mir. Kommen Sie, ich fahre Sie jetzt wieder heim, und wir denken nicht mehr daran, was hier geschehen ist.«

Mit einem verschmitzten Lächeln trat sie zurück.

»Nun verliebe ich mich nur noch mehr in Sie. So einen stolzen Mann habe ich mir immer gewünscht. Also gut, wir reden nicht mehr davon, aber vergessen werde ich mein Versprechen nicht. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich das Eis zwischen uns gebrochen habe. Heutzutage haben wir Frauen doch dasselbe Recht wie die Männer, und in unserem Fall musste ich doch reden, wenn die Sache in Fluss kommen sollte.«

Mark Lehenau war gewiss kein Feigling, aber dieser Unentwegtheit gegenüber musste er sich vorläufig geschlagen geben. Er tröstete sich damit, dass dies alles nur eine verliebte Laune dieser verwöhnten jungen Dame war und morgen vielleicht schon vergessen sein würde; aber dennoch nahm er sich vor, sich doch beizeiten nach einer anderen Stellung umzusehen, damit er nicht wieder stellenlos auf der Straße lag, wenn ihm sein Chef nachdrücklichst mitteilen würde, dass er für einen Chauffeur, der danach trachte, sein Schwiegersohn zu werden, keine Verwendung mehr habe.

Leider wusste er aber auch, dass es sehr schwer sein würde, eine andere Stellung zu bekommen. Und so saß er auf der Heimfahrt ziemlich bedrückt am Steuer.

Mark Lehenau war froh, als der Wagen wieder vor der Villa Seifert hielt und er Marlen beim Aussteigen helfen konnte. Ihre Mutter stand an einem Fenster des Erdgeschosses. Sie hatte eine sehr anstrengende Verschönerungskur hinter sich, fand sich aber blendend aussehend und lächelte dem Chauffeur huldreich zu. Sie öffnete ein wenig das Fenster und rief hinaus:

»Bitte, kommen Sie doch herein, Chauffeur! Ich will mit Ihnen besprechen, wann Sie mich heute ausfahren.«

Mark Lehenau verneigte sich und eilte die Stufen hinauf in das Haus, froh, auf diese Weise einem etwas gewagten Abschied Marlens zu entgehen.

Marlen suchte mit einem Siegerlächeln ihre Zimmer auf. Sie fühlte sich schon ganz als Mark Lehenaus Braut.

Dieser hatte inzwischen einen zweiten Kampf zu bestehen, der ihm noch widerlicher war als der erste. Frau Lilli Seifert girrte und schmeichelte um ihn herum, klagte ihm, dass sie eine unverstandene Frau sei und ihr Mann sie sehr vernachlässige. Sie sehne sich nach einem Menschen, der sie verstehe, mit dem sie sich zuweilen aussprechen könne. Mark stand wie auf Kohlen und fragte schließlich ziemlich kurz angebunden:

»Also wann befehlen Sie den Wagen, gnädige Frau? Ich muss jetzt zur Fabrik fahren und Herrn Seifert abholen.«

Sie sah ihn sehr enttäuscht an und meinte etwas ungehalten, sie wolle sich das erst noch überlegen, er werde nach Tisch Nachricht bekommen. Mark Lehenau atmete tief auf, als er wieder im Freien war und zu seinem Wagen gehen konnte. Ganz zärtlich strich er über den Kühler, als streichle er den Rücken eines Pferdes.

Und als er am Steuer saß, sagte er ärgerlich vor sich hin:

»Sind denn alle Weiber verrückt geworden?«

Aber obwohl er allein war, fand er, dass er sich sehr hässlich ausgedrückt habe und schämte sich ein wenig.

In derselben Stunde, da Lehenau seinen Chef von der Fabrik abholte, stand eine junge Dame in einer mittelgroßen Provinzstadt von ihrem Platz an der Schreibmaschine auf und stülpte die Schutzhaube darüber. Dann trat sie in den kleinen Waschraum neben ihrem Zimmer und machte sich fertig, um nach Hause zu gehen. Ihr Chef, ein sehr bekannter Schriftsteller, hatte ihr schon vor einer Stunde gesagt, dass er heute aufs Land eingeladen sei und vor Abend nicht zurückkomme. Wenn sie aufgearbeitet habe, was er ihr als Stenogramm diktiert habe, könne sie das Wochenende anbrechen lassen. Es war Sonnabend.

Lonny Lehenau freute sich sehr auf den freien Nachmittag. Sie hatte sich beeilt mit ihrer Arbeit, damit sie nach Tisch nicht noch einmal an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren brauchte, und sie hatte das auch geschafft. Nun schritt sie aufrecht und ferienfroh ihrer Behausung zu. Sie freute sich schon auf Tante Marias Freudenausbruch, wenn sie vorzeitig nach Hause kam.

Tante Maria war die Schwester ihrer Mutter. Leonie oder Lonny, wie sie sich einfach rufen ließ, hatte keine Eltern mehr, und auch Tante Maria stand nach dem Tod ihres Mannes allein auf der Welt. Sie bezog eine kleine Pension. So war Lonny sehr froh, bei einem Schriftsteller als Sekretärin angestellt zu sein. Die beiden einsamen Frauen lebten in einer bescheidenen, aber behaglichen kleinen Wohnung zusammen. Tante Mia, wie Lonny sie nannte, hielt den kleinen Haushalt in Ordnung, wobei sie sich jede Woche einmal vormittags für die ganz groben Arbeiten eine Frau kommen ließ. Sie kochte, nähte und bügelte alles selbst, ging einkaufen und war ziemlich gefürchtet, weil sie nachdrücklich herunterhandelte, was ihr zu teuer erschien; dabei sah sie immer nett und sauber aus.

Ihre ganze Liebe galt Lonny, der sie alles zu Gefallen tat, was sie nur konnte. Wegen ihrer zarten kleinen Gestalt hätte man ihr das energische Wesen gar nicht zugetraut. Als Lonny nach Hause kam, lief ihr Tante Mia schon aufgeregt entgegen.

»Gut, dass du endlich kommst, Lonny – sechs Minuten später als sonst, muss ich feststellen.«

Lonny umarmte sie lachend.

»Dafür habe ich den ganzen Nachmittag frei, mein Chef macht Wochenend, und ich mit ihm.«

»Das ist gut und schön, Lonny, aber ich habe dich heute besonders sehnlich erwartet. Ich komme bald um vor Neugier!«

»Nicht doch, Tante Mia! Das ist, glaube ich, ein schrecklicher Tod. Wo brennt es denn?«

Die Tante zog Lonny aufgeregt ins Wohnzimmer hinein, wo sie ein amtlich aussehendes Schreiben vom Tisch nahm und es erregt vor Lonnys Gesicht hin und her schwenkte.

»Da! Sieh dir das an und wage zu behaupten, dass man kein Anrecht auf qualvolle Neugier hat, wenn man so ein Ding stundenlang verschlossen vor sich liegen sieht.«

Sie reichte Lonny den Brief mit wichtiger Miene. Diese sah darauf nieder und drehte ihn in der Hand herum. Er war an Lonny gerichtet und sah wirklich sehr amtlich und wichtig aus. Etwas unbehaglich sah Lonny zur Tante hinüber.

»Das sieht höchst wichtig aus, Tante Mia; was kann denn das sein?«

Tante Mia zappelte mit Händen und Füßen.

»Das fragte ich mich, seitdem die Frühpost kam. Nun erbarme dich und mach es endlich auf, damit diese Frage gelöst wird.«

Da entschloss sich Lonny, das Schreiben zu öffnen, tat es aber mit spitzen Fingern, als könne aus diesem Schreiben irgendein Unheil kommen.

Ein großer amtlicher Bogen kam zum Vorschein. Lonny entfaltete ihn und begann zu lesen, was das Amtsgericht in Wengern ihr zu melden hatte. Sie war aber kaum bis zur Mitte gekommen, als sie erblassend die Hand sinken ließ, sich in einen Sessel setzte und fassungslos in das Gesicht Tante Mias sah, die nun ebenso fassungslos auf ihre Nichte starrte.

»Um Gottes willen, Lonny – was ist denn los?«

Lonny strich sich über die Stirn.

»Tante Mia, hast du jemals von einem Familienzwist der Familie Lehenau gehört?«

»Aber natürlich, Lonny. Dein Vater hat uns, deiner Mutter und mir, einmal davon erzählt. Die Lehenaus bekriegten sich einige Jahrhunderte lang, weil der eine Teil der Familie bei einer Erbteilung bevorzugt worden war. Offen gesagt, ganz genau weiß ich nicht mehr, wie die Sache zusammenhing, auch dein Vater wusste es nicht mehr so richtig. Genug, die beiden Familienzweige fühlten sich seither verpflichtet, einander als Feinde zu betrachten. Die Nachkommen wussten nicht mehr so recht, warum, doch die Vorfahren hatten ihren Kindern immer wieder eingebläut: Du musst jeden, der zum andern Zweig der Familie gehört, von Rechts wegen erbittert hassen. – Aber sage mir, was das mit diesem Schreiben zu tun hat.«

Lonny atmete tief auf. Dann sagte sie in ihrer wundervoll ruhigen und gefassten Art, die sie wiedererlangt hatte:

»Nun setz dich erst mal, Tante Mia! Oder hast du das Essen noch auf dem Feuer stehen? Dann bring es erst in Sicherheit.«

»Es ist schon in Sicherheit; und wenn du denkst, du bekommst mich hier weg, bevor ich haargenau weiß, was in dem Brief steht, dann kennst du deine Tante Mia nicht.«

Lonny lachte ihr weiches, gütiges Lachen.

»Ich kenne meine Tante Mia nur zu genau; deshalb verlange ich, dass du dich niedersetzt, aber bitte recht fest, damit du nicht herunterfällst. So, das ist geschehen. Und nun höre und staune: Ich bin Erbin!«

Die alte Dame sprang wie ein Wiesel auf, aber Lonny ließ das Schreiben, das sie aufgenommen hatte, sinken.

»Liebste Tante, wenn du wie ein Propeller herumschwirrst, kann ich nicht lesen, was da drin steht. Ich weiß vorläufig kaum die Hälfte.«

Die Tante sank gehorsam in den Sessel zurück.

»Aber geerbt hast du, Kind? Sag mir das nur gleich im Voraus.«

»Es scheint mir so, Tante Mia, aber es ist, glaube ich, eine Bedingung daran geknüpft – oder mehrere. Willst du mich nun vorlesen lassen?«

»Aber ja, ich warte doch darauf, wie das Kind auf den Weihnachtsmann.«

Lonny atmete tief auf und las:

»An die Freiin Margareta Leonie von Lehenau, Tochter des Freiherrn Axel Willbrecht v. Lehenau.

Hiermit benachrichtigen wir Sie, dass auf Rittergut Herrenberg bei Wengern Frau Friederike Elisabeth von Lingen, geborene Lehenau, Witwe des Herrn Fritz von Lingen, verstorben ist und dass sie ihr Gut Herrenberg mit allem toten und lebenden Inventar, desgleichen ein Barvermögen von 600000 Mark und verschiedene Schmuck- und Wertsachen zu gleichen Teilen Ihnen und dem Freiherrn Mark von Lehenau vermacht hat. Sie und der besagte Freiherr von Lehenau entstammen, wie testamentarisch festgestellt ist, zwei bisher verfeindeten Zweigen der Familie Lehenau. Die Erblasserin will diesem langen Familienzwist auf folgende Weise ein Ende machen: Alles, was sie hinterlassen hat, soll in genau zwei gleichen Teilen an Sie und den Freiherrn Mark von Lehenau übergehen unter der Bedingung, dass Sie sich beide verpflichten, vom Tag Ihrer nunmehr erwarteten Ankunft in Herrenberg bis zu demselben Tag des nächsten Jahres, also ein Jahr lang, zusammen im Herrenberger Gutshaus zu wohnen. Sie müssen sich verpflichten, während der ganzen Zeit gemeinsam an einem Tisch ihre Mahlzeiten einzunehmen, sich keinen Tag von Herrenberg zu entfernen und genau dieselben Rechte und Pflichten zu übernehmen, die mit dem Antritt der Erbschaft verbunden sind. Auf diese Weise hofft Frau von Lingen, allen Hader zwischen den Familienmitgliedern für immer aus der Welt zu schaffen. Gelingt es ihr nicht, wird kein Familienfriede erzielt, so hat sie das Ihre getan, ihn zu beseitigen. Genau ein Jahr nach ihrem gemeinsamen Einzug sollen die beiden Erben ungehindert ihre eigene Entscheidung treffen, wo sie ferner ihren Wohnsitz nehmen wollen. In diesem Fall ist der Rechtsbeistand der Frau von Lingen berechtigt und verpflichtet, den beiden Erben zur Regelung dieser Angelegenheit zur Seite zu stehen. Alles Weitere erfahren Sie, wenn Sie am 10.Mai dieses Jahres in Herrenberg eintreffen. Ihrem Miterben ist das gleiche Schreiben zugegangen. Wir bitten um Nachricht an den Herrn Rechtsanwalt und Notar Herbig, ob Sie zur gegebenen Zeit eintreffen können.«

Nach diesen Worten ließ Lonny das Schreiben sinken, und die beiden Frauen sahen sich fassungslos an.

Endlich raffte sich Lonny auf, lachte ein wenig und sagte:

»Tante Mia, das ist doch wie im Märchen! Hältst du das für Wirklichkeit? Ich kenne doch diese Frau von Lingen gar nicht, habe nie etwas von ihr gehört. Du vielleicht?«

Tante Mia rieb sich erst die Stirn und, da dies nichts half, den schmalen Nasenrücken.

»Warte mal, warte mal eine Minute, gleich wird’s Tag bei mir. Da war doch eine Elisabeth Lehenau – eine Base deines Vaters –, und da hat sich zwischen den beiden eine heimliche Liebesgeschichte abgespielt. Dein Vater hat das deiner Mutter kurz vor der Heirat gebeichtet. Ja, jetzt bin ich wieder ganz im Bilde. Elisabeth Lehenau und dein Vater wollten ursprünglich heiraten, aber sie gehörten zu den feindlichen Zweigen der Familie, und diese legten Widerspruch ein. Sie durften nicht heiraten. So ein Unsinn, was? Meine Schwester ist trotzdem die glückliche Frau deines Vaters geworden, und er hat sie auch sehr lieb gehabt. Seine Jugendliebe hatte er bald überwunden. Aber vielleicht war das nicht so leicht bei Elisabeth Lehenau. Kurzum – sie hat dann einen reichen Herrn von Lingen aus Herrenberg geheiratet. Dein Vater und sie sind nie mehr zusammengekommen, darüber hat wohl die Familie gewacht. Man glaubt nicht, wie tief so ein Unsinn sitzen kann. So ist es also gekommen, dass du nie etwas von dieser Frau von Lingen gehört hast. Und – sie hat wohl mehr darunter gelitten als dein Vater; Männer werden mit solchen Geschichten meist leichter fertig. Und sie scheint einen Zorn auf diesen Familienhader gehabt zu haben und will ihn nun durch ihr Testament endlich aus der Welt schaffen. Hoffentlich gelingt es ihr. Dass du nur einen einzigen Vetter auf der feindlichen Seite hast, war mir bekannt gewesen, ich hatte es aber inzwischen vergessen. Nun soll er dein Miterbe sein. Herrgott, Lonny, bei all diesen Überlegungen kommen wir gar nicht dazu, uns zu freuen.«

Lonny strich sich über die schöne, klare Stirn.

»Nein, zur Freude bin ich bei all meinem Erstaunen noch nicht gekommen. Wer weiß, ob das alles nicht ein schlechter Scherz ist?«

»Aber, Lonny, es ist doch alles amtlich. Denkst du, die Behörden haben Zeit und Lust, einen schlechten Scherz mit dir zu machen?«

»Vielleicht sind ganz unerfüllbare Bedingungen daran geknüpft?«

»Diese Bedingungen sind doch in diesem Schreiben schon angegeben. Sie erscheinen mir nicht unerfüllbar.«

Lonny sah das Schreiben noch einmal durch.

»Sonderbar sind sie schon, aber nicht unerfüllbar. Es wird sich ja mit einigem guten Willen ertragen lassen, ein Jahr lang mit diesem mir völlig unbekannten Vetter in einem Haus zusammen zu leben, zumal das wohl ein sehr geräumiges Haus sein wird, und mit ihm an einem Tisch zu essen. Hoffentlich ist es mir aber gestattet, dass ich eine Ehrendame mitbringen darf – nämlich dich, geliebtes Tantchen.«

Tante Mia richtete ihre kleine zarte Gestalt kriegerisch empor.

»Das ist doch selbstverständlich, man kann dir doch nicht zumuten, allein mit einem jungen Mann in einem Hause zusammen zu wohnen.«

»All das muss man erst abwarten, Tante Mia.«

Diese umarmte die bedeutend größere Nichte und lachte und weinte ein wenig durcheinander.

»Ich lass mich durch nichts und niemand irremachen. Irgendwelche wichtige Bestimmungen kann es bei diesem Testament doch außerdem nicht noch geben. Wir reisen natürlich nach diesem Wengern. Wo mag es nur liegen?«

»Also setz dich gleich hin und schreibe an diesen Rechtsanwalt – wie heißt er gleich? Herbig! Ach ja – also schreibe ihm gleich, dass du mit deiner Tante pünktlich am zehnten Mai eintreffen wirst. Er soll dir mitteilen, ob wir direkt nach diesem Herrenberg kommen sollen und wie wir dahin kommen.«

Lonny umfasste lachend die Tante.

»Ich bin mehr dafür, dass wir erst mal zu Mittag essen.

Ich habe Hunger.«

Tante Mia zuckte die Achseln.

»Wie kann man nur Hunger haben in so einer Aufregung? Mein Magen ist wie zugeschnürt.«

»Er wird sich schon wieder bereitwillig öffnen, wenn du ihm etwas zu essen gibst.«

»Na schön, aber wenn wir gegessen haben, musst du mir den ganzen Brief noch einmal genau Wort für Wort vorlesen, damit ich das alles verstehen kann. Und während du dann an den Notar schreibst, fange ich schon an zu packen.«

Lonny lachte hellauf.

»Geliebte Tante Mia – wir haben heute den zweiten Mai, es bleiben uns also gut acht Tage Zeit, die Koffer zu packen.«

»Ja, was denkst du denn – wir müssen doch auch gleich bereit sein, in Herrenberg zu bleiben. Wir kommen vielleicht gar nicht mehr hierher zurück. Was wird dann aus der Wohnung?«

Lonny strich ihr über den Kopf.

»Gutes Tantchen, unserer Wohnung wird vorläufig kein Härchen gekrümmt. Das bleibt alles, wie es ist, wir schließen unsere Tür gut zu, und damit sind die Vorbereitungen erledigt. Ist die Erbschaft wirklich eine sichere Sache, dann sind wir reich genug, jemand hierherzuschicken, der alles auflöst und in Ordnung bringt. Erweist sich aber alles als ein schöner Traum, dann sind wir froh, wenn wir hier alles in der alten Ordnung finden.«

Tante Mia nickte zustimmend.

»Das ist wirklich das Vernünftigste. Also brauchen wir nur einzupacken, was wir an Kleidern und so weiter brauchen. Da muss ich wirklich nicht schon heute damit anfangen.«

»Das meine ich auch. Und nun erst etwas zu essen auf den Tisch, sonst verhungere ich.«

»Na, na, nur nicht gleich so fürchterliche Drohungen ausstoßen. Ich gehe ja schon.«

Und Tante Mia trug die Mahlzeit auf. Der Tisch war schon gedeckt, und die Damen aßen mit gutem Appetit, was Tante Mia, wie immer, sehr schmackhaft zubereitet hatte.

Während des Essens blieb es aber nicht still zwischen ihnen. Lonny meinte:

»Hoffentlich bekomme ich Urlaub. Ich denke, mein Chef wird in den nächsten Tagen mit dem Diktieren seines Romans fertig. Denn mitten in der Arbeit würde er mich nicht fortlassen.«

»Aber in einer so wichtigen Angelegenheit!«

Lonny lachte.

»Es gibt für ihn nichts Wichtigeres auf der Welt als seine Arbeit, und ich weiß auch, dass er mich nicht entbehren kann, wenn er mitten in einer Arbeit steckt. Aber ich denke, dass wir in drei, vier Tagen fertig werden. Am Montag früh werde ich ihm jedenfalls gleich sagen, dass ich am Sonnabend, dem zehnten Mai, unbedingt reisen muss.«

»Selbstverständlich musst du das tun. Er soll sich daranhalten.«

Sie überlegten nun, was sie unbedingt auf die Reise mitnehmen mussten. Und dann unterhielten sie sich darüber, dass jener Vetter Mark Lehenau nun wohl auch diese Nachricht erhalten habe und ob ihn diese ebenfalls so interessieren würde.

»Wer weiß, vielleicht ist er so reich, dass ihm diese Erbschaft nebensächlich erscheint.«

»Aber Lonny, ein halbes Rittergut und dreihunderttausend Mark sind auch für einen reichen Mann kein Pappenstil. Ich glaube auch nicht, dass dieser Zweig der Lehenau sehr vermögend ist. Soviel ich weiß, ist die Lehenau gleich nach der Inflation unter den Hammer gekommen. Es war das Stammgut der Familie, und um dieses hat es wohl damals den Zwist gegeben.«

»Tantchen, du bist ja fabelhaft in alles eingeweiht.«

»Das ist doch selbstverständlich. Womit man umgeht, das hängt einem an. Und ich gehöre nun mal zur Familie Lehenau. Davon will man dann auch was haben.«

Sie mussten beide lachen. Dann sagte Lonny stolz:

»Also, jetzt bitte ich mir Respekt aus, ich, die Mitbesitzerin von Herrenberg. Das ist doch was. Wenn mein berühmter Chef erfährt, welch altadeligen Geblüts ich bin, verwendet er mich in seinem nächsten Roman als Heldin. Ich werde es ihm daher lieber nicht verraten, sondern auch jetzt noch die Lonny Lehenau bleiben.«

2

Mark Lehenau hatte seinen Herrn von der Fabrik abgeholt, und als er wieder zu Hause anlangte, sah er einen Eilboten von der Post am Portal stehen.

Herr Seifert stieg aus und fragte den Boten, was er wünsche. Dieser zeigte einen eingeschriebenen Eilbrief.

»Dieser Brief ist an einen Freiherrn Mark Lehenau gerichtet? Das ist wohl nur ein schlechter Scherz?«, wandte er sich an seinen Chauffeur. Mark Lehenau kam die Stufen herauf und streckte die Hand aus.

»Es hat schon seine Richtigkeit, gnädiger Herr!«

Mark gab dem Postboten ein kleines Trinkgeld, und dieser entfernte sich.

Inzwischen war das Portal geöffnet worden, aber Herr Seifert trat noch nicht ein, sondern sah seinen Chauffeur etwas verblüfft an und fragte:

»Wollen Sie mir das nicht erklären?«

Mark zuckte ein wenig die Achseln und sagte ruhig und höflich:

»Ich erlaubte mir, als Sie mich anstellten, zu verschweigen, dass ich ein Freiherr von Lehenau bin. Sonst hätten Sie mich vielleicht nicht genommen.«

Herr Seifert war nicht ganz ohne Humor und meinte:

»Das weiß ich allerdings nicht. Immerhin hätten Sie es mir sagen müssen. Aber – davon sprechen wir ein andermal, jetzt will ich zu Tisch gehen.«

Mark verneigte sich, stellte den Wagen in die Garage und suchte sein Zimmer auf, das oberhalb der Garage lag. Hier hatte ihm das Hausmädchen schon sein Essen hingestellt. Er hatte sich erbeten, hier allein essen zu dürfen, was ihm Frau Seifert sofort bewilligt hatte.

Herr Seifert war inzwischen auch zu Tisch gegangen. Seine Damen und sein Sohn erwarteten ihn bereits.

Während er Platz nahm, lachte er vor sich hin und strich sich über seinen runden, glattrasierten Schädel.

»Das ist ja zum Lachen! Wisst ihr, was ich gerade erfahren habe?«

Sein Sohn hob müde und gelangweilt die schweren Lider. Die Scherze seines Vaters nötigten ihm wenig Interesse ab. Seine Frau war schon etwas neugieriger, und Marlen war es noch mehr.

»Was hast du denn herausbekommen, Vater?«

Er lachte ihr ins Gesicht.

»Dass wir einen freiherrlichen Chauffeur haben.«

Seine Angehörigen sahen ihn mehr oder minder begriffsstutzig an.

»Wie meinst du das, Vater?«, fragte sein Sohn mit müder Stimme und einem Augenaufschlag, der um Erbarmen zu flehen schien.

Der Vater sah ihn scharf an.

»Bist wohl wieder mal erst am hellen Morgen zu Bett gegangen, und nun fällt dir meine gesunde Stimme auf die Nerven. Also, entschuldige, Herr Sohn, wenn ich auf deine angegriffenen Nerven nicht die nötige Rücksicht genommen habe.«

Wieder ein müder, anklagender Blick des Sohnes.

Dann fragte Marlen hastig:

»So sprich doch, Vater, und achte nicht auf Horsts Primadonnenlaunen. Ich platze vor Neugier, was es mit dem freiherrlichen Chauffeur für eine Bewandtnis hat.«

Herrn Seiferts kleine Augen funkelten die Tochter vergnügt an.

»Na höre und staune, Marlenchen, euer eleganter Chauffeur ist ein richtiggehender Freiherr von Lehenau. Da staunst du, nicht wahr?«

Marlen stieß einen leisen Schrei aus.

»Ist das wahr, Vater?«

»Ja, doch, er hat es mir selber gestanden, weil ich dabei war, wie er einen eingeschriebenen Eilbrief von sehr amtlichem Aussehen bekam, der an einen Freiherrn Mark Lehenau gerichtet war. Er hat mir das, als ich ihn anstellte, verschwiegen, weil er fürchtete, dass ich keinen Freiherrn als Chauffeur haben wolle. Ich hätte es wahrscheinlich auch nicht getan. Gewöhnlich sind die abgehalfterten Adeligen auch in einer solchen Stellung noch recht anspruchsvoll. Ich kann das heute natürlich nicht sagen, denn er war zwar immer sehr vornehm, aber dabei doch bescheiden und anspruchslos. Das wusste ich aber damals noch nicht.«

»Aber du wirst ihn doch deshalb nicht entlassen, Heinrich?«, fragte seine Gattin etwas besorgt, obwohl sich Mark Lehenau ihr gegenüber heute vor Tisch nicht sehr entgegenkommend gezeigt hatte.

Er zuckte die Achseln.

»Ist natürlich immer ein bisschen unangenehm, einen ehemals so feinen Herrn als Untergebenen zu haben. Muss schlimme Zeiten hinter sich haben.«

Marlen hatte sehr scharf nachgedacht. Wenn Mark Freiherr war, dann würde es natürlich sehr viel leichter sein, den Eltern beizubringen, dass er ihr heimlicher Verlobter sei. Aber erst wollte sie doch noch einmal mit Mark selbst sprechen. Immerhin meinte sie, jetzt schon ein Eisen ins Feuer legen zu können, und so sagte sie:

»Das kann ich dir nachfühlen, dass dir das nicht angenehm ist. Aber man könnte doch die Sache ausnützen. Er wird natürlich sehr viel mehr können, als ein Chauffeur braucht; diese Stellung hat er sicher nur in größter Not angenommen. Vielleicht findest du in der Fabrik eine bessere Stellung für ihn, wenn du ihn als Chauffeur entlassen möchtest. Man sollte doch so einen armen Menschen nicht brotlos machen, zumal er sich doch als sehr tüchtig gezeigt hat. Unser Wagen ist jetzt immer tadellos in Ordnung.«

»Das gebe ich ohne Weiteres zu, es ist nichts gegen ihn vorzubringen. Werde ihm mal auf den Zahn fühlen, was er sonst noch gelernt hat. Vielleicht lässt sich dein Vorschlag verwirklichen.«

Marlen war klug genug, ihre Freude darüber nicht so deutlich zu zeigen. Auch Frau Lilli zeigte sie nicht, nahm sich aber vor, dem »Freiherrn« – so nannte sie ihn schon im Stillen – klarzumachen, dass er seine bessere Stellung ihr zu verdanken habe. Das musste ihn doch bewegen, ihr netter entgegenzukommen.

Horst Seifert ärgerte sich insgeheim, dass der Chauffeur als Sohn eines Freiherrn auf die Welt gekommen war, während er, der doch lauter noble Gewohnheiten und Liebhabereien hatte, schlechtweg einen Herrn Seifert zum Vater hatte. Aber das sagte er nicht laut. Seine Familie – Gott behüte – hatte kein Verständnis für ihn. Leider waren sie alle ein wenig gewöhnlich, nur er hatte diesen Zug nach oben.

Ja, Horst Seifert litt geradezu an der allzu bürgerlichen Beschaffenheit seiner Familie. Er litt überhaupt am Leben, zumal nach so einer wüst verlebten Nacht, in der er nur seinen Weltschmerz betäuben wollte.

Immerhin beschäftigte sich nun die ganze Familie Seifert eingehend mit dem Freiherrn Mark von Lehenau. Marlen redete sich ein, dass sie schon immer geahnt habe, dass er »etwas Besseres« sein müsse. So vornehm hatte er immer ausgesehen, und auch in seinem Benehmen war er immer so anders als die übrigen Männer gewesen. Jedenfalls freute sie sich sehr, dass sie mit einem richtigen Freiherrn heimlich verlobt war. Der Vater würde nun bestimmt leichter darauf eingehen, ihm eine höhere Stellung einzuräumen.

Inzwischen saß Mark mit etwas benommenem Kopf in seinem Zimmer und starrte fassungslos auf das Schreiben. Es hatte fast den gleichen Inhalt wie das, welches Lonny erhalten hatte. Und auch er hatte bisher keine Ahnung gehabt von dem Vorhandensein einer Verwandten. Durch seinen Vater hatte er wohl zuweilen etwas über dessen Base Elisabeth von Lingen gehört; in Verbindung hatten seine Eltern aber nicht mit ihr gestanden. Als sein Vater das Gut Lehenau hatte versteigern lassen müssen, gab Mark seinen Wunsch, als Landwirt das Gut wieder in die Höhe bringen zu können, auf. Seine landwirtschaftlichen Studien waren noch nicht einmal ganz beendet, als dieser Traum schon zu Ende geträumt war. Sein Vater war bald darauf gestorben, die Mutter hatte er schon einige Jahre früher verloren, ehe der volle Zusammenbruch eingetreten war. Es war ihm kaum so viel geblieben, um den Vater anständig beerdigen zu lassen. Dann hatte der Lebenskampf erst richtig begonnen. Erst hatte Mark noch gehofft, als Landwirt irgendeine, wenn auch noch so bescheidene Anstellung zu finden. Aber nirgends hatte er etwas gefunden. Alles Mögliche hatte er versucht, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, war vor nichts zurückgeschreckt, hatte jede Arbeit verrichtet, die zu bekommen war. Schließlich war er Wagenwäscher in einer Garage geworden, hatte dann Verbindung mit einer Automobilfirma anknüpfen können und war als Einfahrer angestellt worden. Leider ging diese Firma pleite, und so stand er wieder brotlos auf der Straße. Alles Mögliche versuchte er, bis er schließlich die Stellung als Chauffeur bei Seifert bekam. Das war für ihn ein ungeahnter Glücksfall gewesen, doch schon hatte er wieder Sorgen gehabt, diese Stellung durch das Verhalten der Frau und Tochter Seifert zu verlieren – und nun hielt er dieses Schreiben in der Hand, das ihm plötzlich in Aussicht stellte, aus all diesen Nöten und Sorgen herauszukommen. War das möglich? Konnte ihm so ein Glück beschieden sein?

Mark hatte durch seinen Vater Näheres über diesen Familienzwist und seine Ursachen gehört. Auch sein Vater hatte gemeint, dass diese längst verjährten Geschichten gegenstandslos geworden waren. Aber da fast die ganze Familie Lehenau inzwischen ausgestorben war, hatte es keinen Zweck mehr gehabt, darauf zurückzukommen. Der Vater hatte zu viele andere schwere Sorgen gehabt, als dass er sich darüber noch sehr aufgeregt hätte. Natürlich war er der Ansicht gewesen, dass seine Linie zu Unrecht von der andern wegen der Erbstreitigkeit beschuldigt worden sei. Und wenn er darauf zu sprechen kam, konnte er noch richtig zornig auf die anderen werden; für Mark aber hatte das kaum Bedeutung gehabt. Nur von Tante Elisabeth war zuweilen gesprochen worden.

Und nun erfuhr er, dass diese Tante ihn zu ihrem Erben eingesetzt hatte, dass sie ihm die Hälfte ihrer beträchtlichen Habe vermacht hatte. Zugleich erfuhr er zum ersten Male, dass noch eine Base einer Seitenlinie lebte. Und Tante Lingen hatte durch die seltsamen Bedingungen ihres Testaments bezweckt, den alten Familienzwist endlich zu begraben. Nun – von seiner Seite würde diesem Ansinnen gewiss nichts in den Weg gelegt werden. Hoffentlich dachte Base Leonie ebenso wie er. Dann konnten sie ja ruhig und friedlich dieses Jahr zusammen in Herrenberg verleben. Das konnte doch möglich gemacht werden.

Und – der Herzschlag stockte ihm – dann würde er endlich seine landwirtschaftlichen Fähigkeiten verwenden können. Seine Hälfte des Gutes zu bewirtschaften konnte ihm doch niemand verwehren.

Dass Herrenberg in Thüringen lag, wusste er; auch Lehenau hatte im nördlichen Thüringen, in der Nähe von Eisenach, gelegen. Herrenberg lag südlicher, an der Südgrenze des Thüringer Waldes. Ihm war, als umwehe ihn Heimatluft, als breite sich schon eigene Scholle zu seinen Füßen aus. Er weitete seine Arme in sehnsüchtiger Erregung.

Aber dann sprang er auf, und seine Gestalt reckte sich. Jetzt hieß es erst mit Herrn Seifert ins Reine zu kommen. Wie gut, dass er nun einen Grund und eine Veranlassung hatte, sich aus dieser Stellung zu lösen! Es wäre vielleicht doch ein unhaltbarer Zustand geworden, Marlen Seifert war nicht so leicht abzuschütteln – und ihre Mutter? Ein Grauen lief ihm über den Rücken. Solche Frauen konnten ihm nicht einmal Achtung abnötigen. Er war froh, sie nicht mehr lange als Chauffeur bedienen zu müssen. Nur die Trennung von seinem Wagen, die würde ihm schwerfallen. Aber das war schnell zu überwinden. Vielleicht war in Herrenberg ein halbwegs anständiger Wagen, der zum Inventar gehörte.

Er machte sich gleich fertig, um mit Herrn Seifert zu sprechen, ehe er diesen wieder in die Fabrik fuhr. Das geschah immer um halb vier. Vorher hielt sein Herr natürlich eine Mittagsruhe, die er nicht stören durfte. Aber wenn er zehn Minuten vor halb vier in einer besonderen Angelegenheit um eine Unterredung bat, würde es vielleicht ohne großes Donnerwetter ablaufen.

Heinrich Seifert empfing seinen Chauffeur sogar ziemlich leutselig.

»Was haben Sie auf dem Herzen?«, fragte er, eine Anrede vermeidend.

Mark stand in ruhiger, höflicher Haltung vor ihm.

»Sie gestatten, Herr Seifert, dass ich hiermit meine Stelle als Chauffeur in Ihrem Hause kündige. Ich bin Ihnen noch immer sehr dankbar, dass Sie mir diese Stelle vertrauensvoll gaben. Aber inzwischen haben sich meine Verhältnisse von Grund auf geändert, und ich bin gezwungen, so bald wie möglich freizukommen.«

Seifert sah ihn durchdringend an.

»Wollen Sie fort, weil ich heute herausgefunden habe, dass Sie Freiherr sind? Dann brauchen Sie Ihre Beziehungen zu meinem Hause nicht zu lösen. So tüchtige Männer wie Sie hält sich jeder Geschäftsmann gern fest. Ich werde Ihnen eine andere Stelle in meiner Fabrik beschaffen, die Sie mehr befriedigen wird.«

Mark verneigte sich dankend.

»Für dieses Angebot bin ich Ihnen von Herzen dankbar, wenn ich es auch nicht annehmen kann.«

Erstaunt richtete sich Seifert auf.

»Nicht? Sie nehmen nicht an? Das wundert mich. Offen gesagt, Sie verdanken es der Fürsprache meiner Tochter, dass ich den Plan gefasst habe, Ihnen eine bessere Stelle zu beschaffen.«

Mark wurde es ein wenig heiß. Hoffentlich hatte Marlen Seifert nicht Unsinn geschwatzt wie draußen im Wald. Das hätte ihm gerade noch gefehlt. Er fasste sich aber schnell und sagte:

»Das ist sehr liebenswürdig vom gnädigen Fräulein, aber wie gesagt, ich muss ablehnen. Ich bitte Sie, mich so bald wie möglich zu entlassen. Ich habe eine ziemlich bedeutende Erbschaft gemacht, muss mich zunächst, um genauere Mitteilungen zu bekommen, am zehnten Mai in Wengern in Thüringen melden, und würde dann am liebsten gleich dort bleiben. Es handelt sich um das Gut Herrenberg, und da ich gelernter Landwirt bin, was ich bisher leider nicht verwenden konnte, wäre ich sehr glücklich, dort möglichst bald mit der Arbeit beginnen zu können.«

Herr Seifert hatte aufmerksam zugehört, und in seinem runden Kopf keimten plötzlich fast die gleichen Pläne, die seine Tochter Marlen schon in Erwägung gezogen hatte. Donnerwetter – das wäre ja ein Schwiegersohn nach seinem Herzen! Ob man da was versäumt hatte? Immerhin wollte er sich erst mal nobel zeigen. Er erhob sich, reichte Mark die Hand und sagte zuvorkommend:

»Mein lieber Herr von Lehenau, gestatten Sie mir zuerst, Ihnen zu gratulieren. Das ist ja ein sehr angenehmes Ereignis für Sie. Und so gern ich Sie in meinen Diensten gehalten hätte – ich muss einsehen, dass ich zurückstehen muss. Aber ich hoffe, Sie bleiben uns freundlich verbunden, wir alle haben Sie, schon ehe wir Ihre bevorzugte Lebensstellung kannten, hochgeschätzt, und es würde uns freuen, wenn wir Sie nicht verlieren würden. Es ist selbstverständlich, dass ich Sie sofort aus Ihrer Verpflichtung entlasse. Ich bitte Sie nur, bis zum zehnten Mai, gewissermaßen auf freundschaftlicher Grundlage, unsern Wagen zu fahren. Inzwischen werde ich mir einen andern Chauffeur beschaffen. Zur Not kann mich dann auch vorübergehend einer der Geschäftsfahrer in die Fabrik bringen. Meine Damen werden freilich nicht mit dem Tausch zufrieden sein, sie waren sehr auf ihren eleganten Chauffeur bedacht. Na, sie werden sich auch damit abfinden müssen. Aber geben Sie mir wenigstens Ihr Versprechen, mit uns in freundschaftlicher Verbindung zu bleiben, dann wird sich dieser Schmerz leichter tragen lassen.«

Mark wurde ein wenig flau zumute, und er fragte sich, ob Marlen vielleicht doch schon Unsinn geschwatzt hatte. Er würde sehr froh sein, wenn er hier glücklich fortkäme. Immerhin war er Seifert für seine Anstellung dankbar, so dass er nicht unhöflich sein wollte. So sagte er:

»Es soll mich freuen, wenn wir uns später wiedersehen können auf einer anderen gesellschaftlichen Grundlage. Ich danke Ihnen sehr für Ihre gütige Erlaubnis.«

Seifert drückte ihm kräftig die Hand.

»Nun also, dann sind wir einig, und nun muss ich in die Fabrik. Sie fahren mich bitte hinaus – jetzt aber nicht mehr als mein Chauffeur, sondern als Freund unseres Hauses.«

Mark wäre viel lieber in seiner Eigenschaft als Chauffeur in diesem Haus geblieben, solange das noch erforderlich war. Er malte sich so ungefähr aus, wie ihm die beiden Damen in der veränderten Lage begegnen würden, und dabei wurde ihm heiß und kalt. Er antwortete aber ruhig:

»Glauben Sie bitte nicht, dass ich mich jetzt schäme, als Chauffeur bei Ihnen angestellt zu sein. Ich möchte meinen Posten so lange beibehalten, bis Sie Ersatz für mich haben.«

Seifert klopfte ihm vertraulich auf die Schulter.

»Das gefällt mir an Ihnen – man braucht sich keiner Arbeit zu schämen, wenn man sie nur gut und richtig macht. Ich bin auch mal Schlosserlehrling gewesen. Na also – wir verstehen uns, und das freut mich. Dann bitte, fahren Sie den Wagen vor – ich komme gleich nach, ich will nur meinen Damen Lebewohl sagen und ihnen die große Neuigkeit von Ihrer Erbschaft mitteilen, denn ich würde mir die größten Vorwürfe einhandeln, wenn ich das für mich behalten wollte.«

Mark verneigte sich nur, völlig hilflos diesem plötzlich erwachten Interesse seines Herrn gegenüber. Schnell lief er zur Garage und holte den Wagen herbei. Wie immer saß er mit unbewegtem Gesicht auf seinem Posten, als Herr Seifert auftauchte.

»Na, mein lieber Herr von Lehenau, das hat ja eine schöne Aufregung hervorgerufen! Meine Damen waren erst ganz sprachlos. Dann ergoss sich eine Woge von Fragen über mich, sodass mich nur schleunigste Flucht retten konnte. Von Ihrer erbetenen Entlassung habe ich noch gar nichts sagen können. Na, bis heute Abend haben sie sich ein wenig beruhigt. Dann kann ich ja weiter mit Neuigkeiten aufwarten. Der Einzige, der seine Ruhe behielt, war mein Sohn. Unter uns, lieber Herr von Lehenau, ich wollte, der wäre von Ihrer Art – oder wenigstens von der meinen. Ich ärgere mich noch zu Tode über den Bengel. Nichts auf der Welt interessiert ihn, immer guckt er vornehm an der Nase lang. Ich habe eben die Zügel schleifen gelassen und mich zu wenig um ihn gekümmert. Er meint, dass er zu Höherem berufen sei, als den Kontorschemel zu drücken. Aber er jammert auch über jede Arbeit. Und vorhin sagt er mit seiner müden Stimme: ›Ich müsste eben auch als Freiherr geboren sein, dann würde ich an richtiger Stelle stehen.‹ Was sagen Sie zu diesem Schlingel?«

Mark war viel zu wohlerzogen, als dass er ausgesprochen hätte, was er dazu dachte. Horst Seifert war ihm der widerlichste Zweig dieser Familie. Er bezwang sich aber und sagte nur:

»Er müsste einmal gezwungen sein, für seinen Unterhalt zu arbeiten, das würde ihm wahrscheinlich guttun.«

Seifert nickte zustimmend.

»Wissen Sie was – ich schicke ihn eines Tages auf Ihr Gut, da nehmen Sie ihn sich gründlich vor. Ohne Arbeit kein Essen – verstehen Sie?«

»Aber da würde er sich schnell an seinen Herrn Papa wenden und um Geld bitten.«

»Nee, nee, lieber Herr von Lehenau, da würde er bei mir auf Granit beißen. Wenn ich ihn in Ihrer Zucht weiß, dann gibt es keinen Heller, alles muss er sich erst verdienen. Wissen Sie, hier in der Fabrik, da ist es mir peinlich, so mit ihm umzugehen; man will doch seine Leute nicht merken lassen, was man im Stillen als Vater auszustehen hat. Also, soll es gelten? Wollen Sie versuchen, etwas aus dem Bengel zu machen?«

Mark war es sehr unbehaglich zumute. Er war nicht der Mann, einen Gegendienst auszuschlagen, wenn er sich zu Dank verpflichtet fühlte. Aber das Ansinnen, diesen widerwärtigen jungen Mann täglich um sich haben zu müssen, war durchaus nicht angenehm. Er hätte gern nein gesagt, suchte aber erst mal Herrn Seifert selbst klarzumachen, wie seine Lage war.

»Ich würde damit eine große Verantwortung auf mich nehmen, Herr Seifert, und einen Erfolg könnte ich höchstens dann erwarten, wenn ich vollkommen freie Hand hätte, Ihren Sohn so anzufassen, wie es mir nötig erscheint. Und da würde er davonlaufen – vorausgesetzt, dass er überhaupt zu mir käme.«

»Dass er nicht davonlaufen kann, dafür werde ich sorgen, indem er keinen Pfennig Geld in die Hand bekommt. Und auf dem Land kriegt er so leicht nichts geliehen. Ihn aber hinzubringen, wäre sehr einfach, ich würde ihm sagen, er soll Sie mal auf Herrenberg besuchen.«

Mark musste über die Naivität des schwachen Vaters lachen.

»Dann bekäme er aber eine nette Auffassung von meiner Gastfreundschaft, wenn ich ihn so hart anfassen würde. Erst die Arbeit, dann das Essen. Er wird überhaupt nicht fähig sein, landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten. Dazu gehört ein kräftiger Körper.«

»Natürlich, das sehe ich ein, aber er soll ja gerade dadurch gesund und kräftig werden. Ich würde ihn bedingungslos in Ihre Hände geben. Wollen Sie mir diesen Gefallen tun?«

Das hieß, die Pistole auf die Brust setzen. Mark wusste ja selbst noch nicht, wie sich die Verhältnisse in Herrenberg gestalten, welche Bedingungen sich an die Erbschaft knüpfen würden. Aber er konnte Herrn Seifert auch nicht schroff abweisen. Immerhin – mochte dieser junge Taugenichts nach Herrenberg kommen, lange blieb er ja doch nicht. Und alles Weitere würde man dann abwarten.

»Selbstverständlich werde ich Ihren Wunsch erfüllen, aber auf Ihre Verantwortung. Ich werde Ihren Sohn hart anfassen müssen, wenn überhaupt ein Erfolg erzielt werden soll.«

»Richtig! Und das sollen Sie ja auch. Fassen Sie ihn so hart an, wie Sie wollen und es für nötig finden. Wann kann ich Ihnen den Bengel schicken?«

»Ich muss natürlich erst selbst festen Fuß fassen in den neuen Verhältnissen. Es ist da noch allerlei zu klären, ich habe noch einen Miterben. Aber das wird sich alles einrichten lassen. Wenn es so weit ist, teile ich Ihnen mit, dass ich eine Elevenstelle für Ihren Sohn habe. Und entweder kommt er bald wieder nach Hause – oder ich bringe ihn zur Vernunft. Viel Hoffnung habe ich freilich nicht, das sage ich Ihnen ganz offen.«

»Trotzdem verlasse ich mich auf Sie. Der Bengel geht mir vollends zugrunde bei seinem nichtsnutzigen Leben.«

Das alles hatten die beiden Herren während der Fahrt besprochen. Herr Seifert hatte neben Mark Platz genommen, schon um zu betonen, dass er ihn jetzt gesellschaftlich als gleichberechtigt ansah.

Sie fuhren eine Weile schweigend weiter. Herr Seifert überlegte im Stillen, dass man dann auch Marlen Gelegenheit geben konnte, nach Herrenberg zu kommen. Sie und ihre Mutter konnten einfach Horst besuchen. Es war dann gleich eine neue Verbindung geschaffen. Und Mark Lehenau, der Freiherr mit dem reichen Erbe, wäre doch ein sehr angenehmer Schwiegersohn für ihn. Marlen hatte ohnedies so seltsam begehrliche Augen gemacht, als er von Lehenaus Erbe gesprochen hatte. Ein bisschen verliebt war sie sicher in den feschen Chauffeur gewesen. Na, man würde die Sache schon ins rechte Fahrwasser bringen. Dafür war er Manns genug.

3

Als Mark Lehenau von dieser Fahrt nach Hause kam, brachte er den Wagen in die Garage. Aber gleich darauf erhielt er den Befehl, das gnädige Fräulein spazierenzufahren. Mark hätte manches andere viel lieber getan, aber noch war er kein freier Mann. Er fuhr also den Wagen wieder vor das Portal, und gleich darauf erschien Marlen. Sie hatte ihrer Mutter, nachdem der Vater gegangen war, berichtet, dass sie mit dem Freiherrn heimlich verlobt sei, denn sie habe immer gefühlt, dass er etwas Besseres sei, und sie habe deshalb den Vater darauf gebracht, ihm eine bessere Stellung zu verschaffen. Nun, da er ein reiches Erbe bekam, war das nicht mehr nötig. Jetzt würde er wohl bald um ihre Hand anhalten. Dass diese heimliche Verlobung nur einseitig von ihr geschlossen war, verschwieg sie.

Dass ihrer Mutter durch diese Eröffnung der Todesstoß versetzt war für ihre Hoffnung, sich von dem Chauffeur über ihre unbefriedigte Ehe trösten zu lassen, verriet diese mit keinem Wort und keiner Miene. Sie rang sich durch zur Entsagung eines Mutterherzens und tröstete sich damit, dass sie nun einen Freiherrn zum Schwiegersohn bekommen würde. Es war immerhin ein Trost.

Nun schwebte Marlen mit ihrer Mutter Segen auf Mark Lehenau zu und strahlte ihn verführerisch an.

»Ich bin so glücklich, Mark«, hauchte sie, als sie wieder neben ihm Platz genommen hatte.

Mark wurde wieder heiß und kalt, er zeigte eine noch unbewegtere Miene als bisher und tat so, als habe er kein Wort gehört. Er hatte ruhig gefragt, wohin das gnädige Fräulein zu fahren wünsche, und Marlen hatte mit vielsagendem Lächeln geflüstert:

»In unseren Wald natürlich.«

Er wäre am liebsten aus dem Wagen gesprungen und davongelaufen. Da es nicht ging, nahm er sich vor, einen Eispanzer um sich zu legen. Er fuhr also zu derselben Stelle im Wald wie vormittags. Unterwegs war Marlen still. Sie sammelte sich zum letzten Sturmangriff, denn ganz sicher war sie sich ihrer Verlobung doch noch nicht. An der bewussten Stelle stieg Mark zuerst aus, half Marlen aus dem Wagen und blieb in ruhiger Haltung stehen.

»Wir wollen wieder in den Wald gehen, Mark; bitte komm mit.«

Er blieb stehen, als habe er kein Wort gehört. Sie sah ihn unruhig an.

»Mark, hörst du nicht?«

Nein, Mark hörte wieder nicht. Da schoss ihr das Blut ins Gesicht. Sie fasste seinen Arm und rüttelte ihn.

»Mark, ist das ein Benehmen deiner Braut gegenüber? Bist du so stolz geworden, seit du dich wieder als Freiherr fühlst?«

Jetzt sah er mit großen ernsten Augen auf sie herab.

»Gnädiges Fräulein müssen etwas für Ihre Gesundheit tun. Gnädiges Fräulein haben entschiedene Wahnideen. Ich bedaure, darauf nicht eingehen zu können. So, wie Sie belieben, verlobt man sich nicht. Im Übrigen bin ich in Trauer, da meine Tante gestorben ist; bitte nehmen Sie darauf Rücksicht.«

Sie sah sich um, immer wieder kamen hier Wagen vorbei. Sonst wäre sie ihm wohl um den Hals gefallen.

»Wir wollen doch in den Wald gehen, hier kann man ja kein unbelauschtes Wort sprechen.«