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Jetzt neu: Band II.5 des Homo-Sacer-Projekts! Opus dei, das »Werk Gottes«, bezeichnet in der Geschichte der katholischen Kirche die Liturgie als Vollzug des Priesteramtes Jesu Christi. Ihre Konsequenzen reichen weit über den Glauben hinaus und konstituieren ein ontologisches Paradigma, das unsere Kultur zutiefst bestimmt und die Praxis der Menschen modelliert – wirksamer als das Gesetz, wirklicher als das Sein, absoluter als jegliche menschliche Handlung. Im Anschluss an seine Studie »Herrschaft und Herrlichkeit« treibt Giorgio Agamben die Untersuchung über die theologischen Signaturen wesentlicher Begriffe der Moral und der Politik weiter. An deren Ende steht nichts Geringeres als die Forderung nach einer Philosophie, die sich von den überkommenen Kategorien der Pflicht und des Willens trennt. »Im Werk von Giorgio Agamben begegnet man einem tiefen Blick in die Quellen menschlicher Erfahrung und man merkt, dass es dort eine heftige und mächtige Wechselwirkung von politischen und sozialen Kräften gibt, die nicht nur die soziale Ordnung und die individuelle Subjektivität konstituieren, sondern auch das ›Leben auf seiner grundlegendsten Ebene‹.« Radical Philosophy Review
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Seitenzahl: 239
Giorgio Agamben
Opus Dei
Archäologie des Amts
Übersetzt von Michael Hack
FISCHER E-Books
Opus Dei ist der Terminus technicus, der in der lateinischen Tradition der katholischen Kirche bereits seit dem 6. Jahrhundert die Liturgie bezeichnet, also den »Vollzug des Priesteramtes Jesu Christi; … in ihr wird … vom mystischen Leib Jesu Christi, d.h. dem Haupt und den Gliedern, der gesamte öffentliche Kult vollzogen« (Konstitution über die Heilige Liturgie vom 4. Dezember 1963).
Das Wort »Liturgie« (vom griechischen leitourgia, »öffentliche Dienstleistung«) selbst dagegen ist vergleichsweise jung: Bevor sich sein Gebrauch gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach und nach verbreitete, finden wir an seiner Stelle den lateinischen Begriff officium, dessen semantische Sphäre aber nicht leicht zu bestimmen ist und dem sein Erfolg in der Theologie, zumindest auf den ersten Blick, nicht in die Wiege gelegt war.
In Herrschaft und Herrlichkeit hatten wir das liturgische Mysterium hauptsächlich von der Seite betrachtet, die zu Gott gerichtet ist, also seinen objektiven und herrlichen, »glorreichen« Aspekt; die archäologische Untersuchung in diesem Band dagegen richtet sich auf den Gesichtspunkt, der vor allem die Priester betrifft, diejenigen also, denen gleichsam der »Dienst am Mysterium« obliegt. Und so, wie wir in Herrschaft und Herrlichkeit versucht hatten, das »Mysterium der Ökonomie« zu erhellen, das die Theologen konstruiert hatten, indem sie einen an sich klaren Ausdruck des Paulus umgekehrt hatten, ging es jetzt darum, das liturgische Mysterium dem Dunkel und der Unbestimmtheit der modernen Schriften zum Thema zu entreißen und es zurückzuführen zur Strenge und zur Pracht der großen mittelalterlichen Abhandlungen des Amalarius von Metz oder Guillaume Durands. In Wirklichkeit ist die Liturgie so wenig geheimnisvoll, dass man sie auch als den vielleicht radikalsten Versuch fassen kann, eine ausschließlich und vollständig wirkmächtige Praxis zu denken. Das Geheimnis der Liturgie ist, so gesehen, das Geheimnis der Wirklichkeit, und nur wenn man dieses Arkanum versteht, kann man begreifen, welch gewaltigen Einfluss diese nur scheinbar abgeschiedene Praxis auf das moderne Verständnis von Ontologie und Ethik, Politik und Ökonomie ausgeübt hat.
Wie es bei einer archäologischen Untersuchung meist der Fall ist, so hat uns auch diese weit vom Ort der ursprünglichen Fragestellung entfernt. Die Verbreitung des Begriffs »Amt« [ufficio] in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens bezeugt, welch beständige und durchdringende Anziehungskraft das vom opus Dei konstitutierte Paradigma für die säkulare Kultur des Westens entfaltet hat. Wirksamer als das Gesetz, weil es nicht übertreten, sondern nur gefälscht werden kann; wirklicher als das Sein, weil es nur aus der Tätigkeit besteht, die Realität herstellt; wirksamer als jede menschliche Tat, weil sie ex opere operato handelt, unabhängig von den Eigenschaften des Subjekts, das sie durchführt – das Amt hat einen derart tiefgreifenden – das heißt untergründigen – Einfluss auf die moderne Kultur, dass wir übersehen, wie nicht nur die Begrifflichkeit der Kantischen Ethik und diejenige von Kelsens reiner Rechtslehre (um nur zwei sicherlich entscheidende Momente seiner Geschichte zu benennen) vollständig von ihm abhängen, sondern dass auch der politische Aktivist und der Funktionär eines Ministeriums vom gleichen Paradigma geleitet werden.
In diesem Sinne steht das Konzept des Amts für eine grundlegende Transformation der Kategorien der Ontologie und der Praxis, deren Bedeutung noch ermessen werden muss. Im Amt verschwimmen Sein und Praxis, das, was der Mensch tut, und das, was er ist, in einem Bereich der Ununterscheidbarkeit, in dem das Sein sich in seinen praktischen Wirkungen auflöst und, in vollkommener Zirkularität, dasjenige ist, was es (sein) soll, und das (sein) soll, was es ist.
Operativität[1] und Wirklichkeit bestimmen in dieser Hinsicht das ontologische Paradigma, welches im Verlauf eines jahrhundertelangen Prozesses das der klassischen Philosophie ersetzt hat: Letzten Endes – diese These stellt die vorliegende Untersuchung zur Diskussion – haben wir heute sowohl vom Sein wie vom Tun keine andere Darstellung als die Wirklichkeit. Real ist, was wirkmächtig und damit regelbar und wirksam ist: So umfassend hat das Amt, in der schlichten Kluft des Beamten wie im strahlenden Gewand des Priesters, die Regeln zuerst der Philosophie und dann der Ethik umgekrempelt.
Möglicherweise befindet sich dieses Paradigma heute in einer tiefen Krise, deren Ende noch nicht absehbar ist. Auch wenn die Liturgie im 20. Jahrhundert erneut eine große Aufmerksamkeit erfahren hat, von der auf der einen Seite die sogenannte liturgische Bewegung in der katholischen Kirche, auf der anderen die imposanten politischen Liturgien der totalitären Regime zeugen, deutet doch heute viel darauf hin, dass das Paradigma des Amts für das menschliche Tun seine Anziehungskraft just in dem Moment verlieren könnte, in dem es seine größte Verbreitung erfahren hat. Umso notwendiger schien der Versuch, seine Wesenszüge festzuhalten und seine Strategien zu bestimmen.
Es gibt zwei Arten des Tuns,
1) das erste und wahrhafte Tun, also Hervorbingen der Dinge vom Nicht-Sein zum Sein
2) eine Wirkung hervorbringen in dem, in dem man eine Wirkung hervorbringt
Al-Kindi
Das Kunstwerk ist das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit des Seienden
Martin Heidegger
1. Etymologie und Bedeutung des griechischen Begriffs leitourgia (von dem unser Wort »Liturgie« abstammt) liegen auf der Hand. Leitourgia (von laos, Volk, und ergon, Werk) bedeutet »Dienstleistung für das Gemeinwesen« und bezeichnet, im klassischen Griechenland, die Abgabe, die die Stadt von ihren über ein bestimmtes Einkommen verfügenden Bürgern erhebt, um eine Reihe von Einrichtungen des öffentlichen Lebens zu unterhalten, vom Betrieb der Sportanlagen und der Durchführung der sportlichen Übungen (gymnasiarchia) bis zur Inszenierung der Chordarbietungen bei den städtischen Festen (chorēgia, zum Beispiel die tragischen Chöre bei den Dionysien), vom Kauf von Öl und Getreide (sitēgia) bis zu Bewaffnung und Einsatz einer Triere (triēarchia) im Kriegsfall, von der Entsendung einer städtischen Delegation zu den delphischen oder olympischen Spielen (architheōria) bis zum Vorschuss, den die fünfzehn reichsten Bürger auf das Steueraufkommen aller Steuerpflichtigen leisten mussten (proeisfora). Es handelte sich sowohl um dingliche als auch um körperliche Leistungen (»Jeder«, so schreibt Demosthenes, »liturgisiert sowohl mit seinem eigenen Körper als auch mit seinen eigenen Gütern«, tois sōmasi kai tais ousiais lēitourgēsai: IV Phil., 28), die, auch wenn sie vom Rat (archai) nicht aufgelistet waren, zur »Sorge um das Gemeinwohl« gehörten (tōn koinōn epimeleian: Isokrates, 7, 25). Auch wenn die Last der Liturgien bisweilen extrem schwer ausfiel (das Wort kataleitourgeiō bedeutete »sich durch Liturgien ruinieren«) und manche Bürger (die aus diesem Grund diadrasipolitai, »Bürger auf der Flucht«, genannt wurden) mit allen Mitteln versuchten, sich ihnen zu entziehen, so galt die Zahlung der Liturgien doch als ein Mittel, um sich Ehre und Ruhm zu erwerben, so dass viele (beispielhaft ist der Fall eines Bürgers, der, wie uns Lysias berichtet, in neun Jahren mehr als 20000 Drachmen in Liturgien ausgegeben hatte) sogar freiwillig in zwei aufeinanderfolgenden Jahren Liturgien entrichteten, obwohl sie dazu nicht verpflichtet waren. Aristoteles warnt in der Politik (1309a 18–21) daher vor »kostspieligen und dabei nutzlosen Liturgien, wie Ausrüstungen von Chören, Tragung der Kosten für Fackelläufe und dergleichen«.
Da auch die Ausgaben für den Kultus die Gemeinschaft betreffen (ta pros thous theous dapanēmata koina pasēs tēs polēos estin), kann Aristoteles schreiben, dass ein Teil des gemeinschaftlichen Grundbesitzes den Liturgien für die Götter zugewiesen werden soll (pros tous theous leitourgias: ebd., 1330a 13). Dieser Gebrauch des Begriffs im Zusammenhang mit dem Kultus, den wir später, mit einer bemerkenswerten Kontinuität, sowohl im Judentum als auch bei den christlichen Autoren wiederfinden, ist in den Lexika vielfach belegt, aus epigraphischen wie literarischen Quellen. Darüber hinaus wird, wie in solchen Fällen üblich, die technisch-politische Bedeutung des Begriffs, bei der der Bezug zur Gemeinschaft immer im Vordergrund steht, auch auf Dienstleistungen ausgedehnt, die nichts mit der Gemeinschaft zu tun haben, bisweilen auch auf scherzhafte Weise. Wenige Seiten nach der angeführten Stelle spricht Aristoteles in diesem Sinne, bei der Erörterung des richtigen Alters für die geschlechtliche Fortpflanzung, von einem »öffentlichen Dienst der Kindererzeugung« (leitourgein … pros tecnopoiian: ebd., 1335b 29); mit noch klarer ausgeprägter Ironie erwähnt er in einem Epigramm »die Liturgien« einer Prostituierten (Anth. Pal., 5, 49, I). Es ist nicht ganz korrekt zu behaupten, dass in diesen Fällen »die Bedeutung des Wortelements lēitos [also der Bezug zur Öffentlichkeit] völlig verblasst« (Strathmann, S. 224); ganz im Gegenteil, erst durch den Bezug auf die ursprüngliche politische Bedeutung erhält der Ausdruck jedes Mal seinen antiphrastischen Sinn. Wenn Aristoteles es als »Liturgie« bezeichnet, dass eine Hundemutter ihre Welpen säugt (De anim. incessu, 711b 30), oder wenn uns in einem Papyrus die Wendung »zu privaten Liturgien zwingen« begegnet (P. Oxy., III, 475, 18), dann muss man jedes Mal den Bruch heraushören, der mit der metaphorischen Verschiebung von der öffentlichen, gemeinschaftlichen Sphäre in die private einhergeht.
Das System der Liturgien (auf Lateinisch munera) erreicht im Rom der Kaiserzeit ab dem 3. Jahrhundert AD seine größte Verbreitung. Ab dem Moment, in dem das Christentum gleichermaßen zur Staatsreligion wird, kommt der Frage, ob die Kleriker von der Pflicht zu öffentlichen Abgaben befreit werden sollten, ein besonderes Interesse zu. Schon Konstantin hatte verfügt, dass »diejenigen, die für den heiligen Kultus zuständig sind [divini cultui ministeria impendunt], das heißt diejenigen, die Kleriker genannt werden, von allen öffentlichen Dienstleistungen ausgenommen werden müssen [ab omnibus omnino muneribus excusentur]« (Drecoll, S. 56). Wiewohl diese Ausnahme, so zeigt ein weiteres Dekret des Konstantin, das es den decuriones verbietet, Kleriker zu werden, das Risiko mit sich brachte, dass wohlhabende Personen Kleriker wurden, nur um sich den schwerwiegenden munera zu entziehen, so wurde dieses Privileg doch aufrechterhalten, wenn auch mit wechselnden Einschränkungen.
Dies zeigt, dass das Priestertum in gewisser Weise als eine öffentliche Dienstleistung gesehen wurde, und kann einer der Gründe dafür sein, dass der Begriff leitourgia im griechischsprachigen Christentum zunehmend im Zusammenhang mit dem Kultus verwendet wurde.
2. Die Geschichte eines Begriffs fällt oft mit der Geschichte seiner Übersetzungen oder seines Gebrauchs in Übersetzungen zusammen. Die Geschichte des Begriffs leitourgia gelangt daher an einen entscheidenden Punkt, als die alexandrinischen Rabbiner, die die griechische Übersetzung der Bibel ausführen, für das hebräische šeret, das allgemein »dienen« meint, bei jeder Verwendung im Zusammenhang mit dem Kultus das Verb leitourgeō (oft gemeinsam mit leitourgia) wählen. Seit seiner ersten Verwendung in Bezug auf die Funktion Aarons als Priester, wo leitourgeō alleine steht (en tōi leitourgein: Ex., 28, 35), wird der Begriff oft in technischer Verbindung mit leitourgia gebraucht, um den Kultus im »Zelt der Begegnung« zu benennen (leitourgein tēn leitourgian … en tēi skēnēi: Num., 8, 22, im Bezug auf die Leviten; leitourgein tas leitourgias tēs skēnēs kyriou: ebd., 16,9).
Die Gelehrten haben sich lange Zeit nach den Gründen für diese Bevorzugung gegenüber anderen möglichen griechischen Begriffen gefragt, zu denen latreuō oder douleō gehören, die in der Septuaginta für gewöhnlich weniger technischen Bedeutungen vorbehalten sind. Dass den Übersetzern diese »politische« Bedeutung des griechischen Begriffs sehr wohl bewusst war, ist mehr als wahrscheinlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die Anweisungen des Herrn für die Einrichtung des Kultus in Ex., 25–30 (wo der Begriff leitourgein zum ersten Mal auftaucht) nichts anderes sind als eine genauere Ausführung des Bundesschlusses, durch den wenige Seiten zuvor Israel als erwähltes Volk, als »Königreich von Priestern« (mamleket kohanim) und als »heilige Nation« (goj qados) konstituiert wird. Es ist von Belang, dass die Septuaginta hier auf das griechische Wort laos zurückgreift (esesthe moi laos periousios apo pantōn tōn ethnōn, »dann werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein«: Ex. 19, 5) und dessen »politische« Bedeutung sogar noch verstärkt, indem sie das »Königreich der Priester« des Ursprungstexts als »königliches Priestertum« wiedergibt (basileon hierateuma, ein Bild, das bezeichnenderweise im ersten Brief des Petrus, 2,9, wieder aufgegriffen wird – »Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht und ein basileon hierateuma«, D I und ebenso in Ap., 1, 6) und goj qados als ethnos hagion.
Dass Israel als »Volk Gottes« erwählt wird, begründet unmittelbar seine liturgische Funktion (die Priesterschaft ist unmittelbar königlich, also politisch) und heiligt es so auch als Nation (der normale Begriff für Israel ist nicht goj, sondern am qados, laos hagios: Deut., 7, 6).
Im alexandrinischen Judentum ist es geläufig, mit leitourgia und leitourgeō den priesterlichen Kultus zu bezeichnen. So bezieht sich im Brief des Aristeas (2. Jahrhundert v. Chr.) tōn hiereōn hē leitourgia auf die minutiös aufgelisteten Funktionen des Priesters im Kultus, von der Wahl des Opfers bis zur Behandlung des Öls und der Duftstoffe (Aristeas, 92, S. 87); kurz darauf bezeichnet Eleazar en tēi leitourgiai den höchsten Priester beim Vollzug des Dienstes, dessen Gewänder und heilige Utensilien ausführlich beschrieben werden. Das Gleiche kann für Flavius Josephus und Philon gelten (der den Begriff jedoch auch im übertragenen Sinne benutzt, zum Beispiel hinsichtlich des Verstandes, der »wenn er Gott ganz rein dient – leitourgei theōi –, nicht menschlich ist, sondern göttlich«: Rer. div. her., 84).
3. Umso bedeutsamer ist die geringe Bedeutung der Wortgruppe im Neuen Testament (mit der auffälligen Ausnahme des Briefs an die Hebräer). Außerhalb des Paulinischen corpus (wo man dem Begriff leitourgos fünfmal begegnet), erscheinen leitourgein und leitourgia nur zweimal, einmal, in sehr allgemeiner Bedeutung, in Bezug auf den Priesterdienst des Zacharias im Tempel (Lk., 1, 23), das zweite Mal in Bezug auf die fünf »Propheten und Lehrer« der ecclēsia von Antiochia (Apg., 13, 2). Der Passus in der Apostelgeschichte (leitourgountōn de autōn tōi kyriōi) bedeutet nicht, wie er in einem offensichtlichen Anachronismus oft wiedergegeben wurde, »als sie zu Ehren des Herrn Gottesdienst hielten«. Entsprechend der Interpretation der Vulgata, die die Stelle einfach mit ministrantibus autem illis Domino übersetzt hatte, steht leitourgein hier für »während sie in der Gemeinschaft ihren Dienst zu Ehren des Herrn versahen« (diese Gemeinschaft bestand, wie es der Text kurz zuvor klargestellt hatte, eben aus Propheten und Lehrern – profētai kai didaskaloi: Apg., 13, 1 – und nicht aus Priestern, ebenso wenig wird klar, welche andere leitourgia in diesem Moment gemeint sein könnte; das Gebet jedenfalls bezeichnet Lukas üblicherweise mit dem Wort orare).
Auch in den Paulinischen Briefen hat der Begriff oft die profane Bedeutung der »Dienstleistung für die Gemeinschaft«, so dort, wo die für die Gemeinschaft gesammelte Kollekte als leitourgēsai (Röm., 15,27) oder diakonia tēs leitourgias (2 Kor., 9,12) bezeichnet wird, oder dort, wo von der Tat des Epaphroditus, der sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, gesagt wird, dass sie vollbracht wurde an der Stelle der »Liturgie«, die die Philipper nicht hatten leisten können (Phil., 2,30). Aber auch in den Passagen, in denen leitourgia absichtlich in die Nähe einer genuin priesterlichen Begrifflichkeit gerückt wird, darf man nicht unachtsam die jeweiligen Bedeutungen verwechseln und dabei die Besonderheit und Originalität des Paulinischen Sprachgebrauchs übersehen, der bewusst verschiedenartige Begriffe nebeneinanderstellt. Beispielhaft dafür steht Röm., 15,16: »ein leitourgos Christi Jesu zu sein für die Nationen, der priesterlich am Evangelium Gottes dient« (hierourgounta to euangelion tou theou). Die Kommentatoren projizieren hier auf leitourgos die dem Kultus zugehörige Bedeutung hierourgeō, wenn sie schreiben: »dass [Paulus] das Wort leitourgos kultisch, geradezu wie ›Priester‹ versteht, zeigt die Fortsetzung. Denn er erläutert es durch die Wendung hierourgein to euaggelion. Am Evangelium übt er einen Priesterdienst aus« (Strathmann, S. 237). Aber der Hapax hierourgein to euaggelion, in dem in einem außerordentlichen Gewaltakt das Evangelium zum unmöglichen Gegenstand eines sacrum facere wird (so wie in Röm., 12,1, in einer vergleichbaren tour de force, latreia, der Opferdienst, neben das Adjektiv logikē, »sprachlich«, gerückt wird), ist noch viel wirkungsvoller, wenn leitourgos den Sinn »der mit einer gemeinschaftlichen Aufgabe Betraute« behält (minister übersetzt die Vulgata völlig richtig). Die Kombination von Begriffen, die dem Kultus im Tempel verbunden sind, mit Dingen – die Verkündigung an die Heiden und, wie es gleich darauf heißt, das »Opfer der Nationen«, prosfora tōn ethnōn –, die keinesfalls im Tempel geschehen könnten, hat offensichtlich eine polemische Bedeutung und keinesfalls die Absicht, der Paulinischen Predigt den Anschein einer Opfergabe zu verleihen.
Ähnliches gilt für Phil., 2,17: »Wenn ich aber auch als Trankopfer [spendomai] über das Opfer und die Liturgie eures Glaubens gesprengt werde [epi tēi thysiai kai leitourgiai tēs pisteōs], so freue ich mich und freue mich mit euch allen.« Wie auch immer man die Verbindung von spendomai mit den darauffolgenden Worten versteht, so gewinnt die Formulierung ihre Prägnanz doch nur dann, wenn man sich vom Anachronismus befreit, der leitourgia als Priesterdienst versteht (offenkundig konnte die Paulinische Gemeinde keine Priester haben), und den Kontrast und gleichermaßen die Spannung wahrnimmt, die Paulus sehr geschickt zwischen der Begrifflichkeit des Kultus und derjenigen der »Liturgie« im eigentlichen Sinne erzeugt.
Es ist seit langem bekannt (Dunin-Borkowski), dass in der urchristlichen Literatur die Begriffe hiereus und archiereus ausschließlich Christus vorbehalten sind, während für die Häupter der Gemeinden keine im eigentlichen Sinne priesterlichen Begriffe verwendet werden (sie wurden einfach episkopoi – Vorsteher –, presbyteroi – Ältere – oder diakonoi – Diener – genannt). Ein priesterliches Vokabular kommt erst bei Tertullian (De bapt., 17, 1; Adv. Jud., 6, 1, 14), Cyprian (Ep., 59, 14; 66, 8) und Origenes (Hom. in Num., 10, 1) vor. In den Paulusbriefen, die episkopoi und diakonoi erwähnen (Paulus selbst nennt sich in Kol., 1,25diakonos), wird den verschiedenen Aufgaben in den Gemeinden große Aufmerksamkeit zuteil, keine von ihnen aber wird mit priesterlichen Begriffen bezeichnet. (Vgl. 1 Kor., 12,28–31: »Die einen hat Gott in der Gemeinde bestimmt erstens zu Aposteln [apostoplous], zweitens zu Propheten [profētas], drittens zu Lehrern [didaskalous]; ferner gibt es da Wunderkräfte [dynameis], weiter Heilungsaufgaben [charismata iamatōn], Gaben zu Diensten [antilēpsis], Leitungsaufgaben [kybernēsis] und zu verschiedenen Arten der Zungenrede [genē glōssōn]«; Röm.12,6–8: »Wir haben verschiedene Gaben entsprechend der Gnade, die uns gegeben wurde: sei es die Gabe, prophetisch zu reden in Ausrichtung auf den Glauben, sei es die Gabe zu dienen, wo es um Dienst geht [diakonian en tēi diakoniai], zu lehren, wo es um Lehre geht [didaskōn en tēi didaskaliai], Trost zu spenden, wo es um Trost geht [parakalōn en tēi paraklēsei]«).
4. Der Autor des Briefs an die Hebräer entwirft eine Theologie der messianischen Priesterschaft Christi, in deren Zusammenhang die Wortfamilie, die uns interessiert, viermal auftaucht. Ausgehend von der Paulinischen Vorstellung der zwei Bündnisse (2 Kor., 3,1–14) arbeitet der theologische Kern des Briefs mit dem Gegensatz zwischen dem levitischen Priestertum, das dem alten mosaischen Bund entspricht und in der Ordnung Aarons steht, und dem neuen Bund, in dem Christus selbst die »Liturgie« des Hohepriesters (archiereus, der hier in die Ordnung des Melchisedek eingeschrieben ist) übernimmt. Zwei der vier Fundstellen der Wortfamilie beziehen sich auf den levitischen Kultus: in 9,21 besprengt Moses »das Zelt und alle liturgischen Geräte mit Blut« (panta ta skeuē tēs leitourgias); 10,11 berichtet vom Priester des alten Bundes, der »Tag für Tag im Tempel steht, um seinen liturgischen Dienst zu verrichten [leitourgōn] und oftmals die gleichen Opfer darzubringen«. Die beiden anderen Erwähnungen dagegen beziehen sich auf Christus, den Hohepriester des neuen Bundes. In der ersten (8,2) heißt er »Liturg des Heiligtums und des wahren Zeltes« (tōn hagiōn leitourgos kai tēs skēnēs tēs alēthinēs: vgl. Num., 16,9); in der zweiten heißt es, er hat »eine um so höhere Liturgie erlangt (diaforōteras tetycken leitourgias), als er Mittler eines besseren Bundes ist«. Während nun die Opfer der Leviten bloß Abbild und Schatten (ypodeigma kai skia, 8,5) der himmlischen Dinge sind und diejenigen, die sie darbieten, nicht zur Vollendung führen oder vollkommen machen können (teleiōsai: 9,9; 10,1), tilgt das Opfer des neuen Bundes, in dem Christus sich selbst hingibt, die Sünden (athetēsin hamartias: 9,26) und reinigt (kathariei: 9,14) und heiligt die Gläubigen für immer (teteleiōken eis to diēnekes tous hagiazomenous; 10,14).
Ein besonderes Augenmerk verdient die Tatsache, dass der Text von der Identität der Handlung Christi mit der Liturgie ausgeht. Nicht nur wird seine Heilstat als »Liturgie« dargestellt, sondern Christus selbst vollbringt, als Hohepriester eines Opfers, in dem der Zelebrant sich selbst opfert (heauton prosēnenken: 9,14), eine gleichermaßen absolute und vollkommene liturgische Handlung, die aus diesem Grund nur ein einziges Mal vollzogen werden kann (hapax prosenechetheis: 9,28; mian … prosenenkas thysian: 10,12). In diesem Sinne fällt Christus mit seiner eigenen Liturgie zusammen – er ist im Wesentlichen selbst Liturgie –, und genau diese Übereinstimmung verleiht ihr ihre einzigartige Wirksamkeit.
Wenn es auch zweifellos die Absicht das Autors ist, den Messias im hieratischen Gewand des Zelebranten darzustellen, indem er zwei Figuren des Priestertums voneinander abgrenzt, so darf doch gleichzeitig nicht vergessen werden, dass das messianische Priestertum, von dem hier die Rede ist, ganz spezifische Eigenschaften aufweist, die es Punkt für Punkt vom levitischen Priestertum unterscheiden, und genau in dieser Gegenüberstellung besteht der Sinn des Briefes. Während die levitischen Opfer, und hier liegt der entscheidende Unterschied, ständig wiederholt werden müssen und jedes Jahr die Erinnerung der Sünden wachrufen (anamnēsis hamartiōn: 10,3), ereignet sich das Opfer des neuen Bundes, wie der Autor unablässig wiederholt, nur ein einziges Mal und kann auf keinen Fall wiederholt werden. Indem er diese Unwiederholbarkeit des Opfers unterstreicht, dessen einziger Priester »ein für alle Mal [epafax] in das Heiligtum hineingegangen ist und … so eine ewige Erlösung vollbracht« hat, bleibt der Autor einer genuin messianischen Überzeugung treu, auf deren Grundlage (die die spätere kirchliche Praxis unbekümmert übersieht) sich keinerlei gottesdienstliche Liturgie einrichten lässt. Der Autor des Briefes erkennt, dass der Hohepriester des neuen Bundes, in dem Moment, in dem er ihn als leitourgos bezeichnet und für ihn eine »höhere Liturgie« reklamiert, die Türen des Tempels unwiederbringlich hinter sich verschließt. Die diaforōtera leitourgia ist in diesem Sinne also keine Feier, denn damit wäre sie wesentlich wiederholbar (das ist die etymologische Bedeutung von celeber). Und darin liegt das Paradox der christlichen Liturgie, dass sie, indem sie die liturgische Handlung des Christus archiereus zum Vorbild ihres Priestertums nimmt und ihre eigenen Feiern auf den Brief an die Hebräer gründet, einen unwiederholbaren Akt wiederholen, das Nichtfeierbare feiern muss.
5. Die Definition der primitiven Kirche als charismatischer Gemeinschaft, innerhalb deren keinerlei rechtliche Ordnung im eigentlichen Sinne möglich war, geht auf Rudolf Sohm zurück. »Sobald gewiss ist, dass nicht der Menschen Wort, sondern allein Gottes Wort in der Ekklesia regieren soll, so bald ist ebenso gewiss, dass es keine Macht noch Amtsbestellung in der Christenheit geben kann, welche rechtliche Befugnis gegenüber der Gemeinde gibt. Das Wort Gottes erkennt man nicht an irgendwelcher Form, sondern an seiner inneren Gewalt. Die Christenheit hat nur dem Wort zu folgen, welches sie kraft innerer eigener Zustimmung als Gottes Wort anerkennt. … Es kann keine rechtliche Regierungsgewalt in der Ekklesia geben.« (Sohm, S. 23) Die Organisation der primitiven Gemeinschaft kann von daher nur charismatischer Art sein: »Die Christenheit ist organisiert durch die Verteilung der Gnadengaben (Charismen), welche die einzelnen Christen zu verschiedener Tätigkeit in der Christenheit zugleich befähigt und beruft. Das Charisma ist von Gott. So ist der Dienst (diakonia), zu welchem das Charisma beruft, ein von Gott auferlegter Dienst« (ebd., S. 26). Daraus leitet sich auch die radikale These ab: »Das Kirchenrecht steht im Widerspruch mit dem Wesen der Kirche. Die wahre Kirche, die Kirche Christi, kennt kein Kirchenrecht« (ebd., S. 459).
Sohm sieht den Wendepunkt, von dem der Brief des Clemens an die Korinther zeugt, mit der Akzeptanz der Idee gekommen, dass Presbyter und Bischöfe ein Recht darauf haben, ihre »Liturgie« auszuüben, und die Gemeinschaft sie von ihrem Auftrag, dem damit eine »rechtliche Bedeutung« zukommt (ebd., S. 159), nicht mehr entbinden kann. »Die unmittelbare Folge des Clemensbriefes war eine Verfassungsänderung in der römischen Gemeinde« (ebd., S. 165), deren Auswirkung letzten Endes die Verwandlung der primitiven in die katholische Kirche und der ursprünglichen charismatischen Gemeinschaften in die uns vertraute rechtliche Ordnung ist.
Es ist hier nicht der Ort, um auf die Diskussionen einzugehen, die Sohms Thesen unter Kirchenhistorikern und Experten des kanonischen Rechts hervorgerufen haben. Für den Fortgang unserer archäologischen Untersuchung interessiert es uns vielmehr, welche Bedeutung und welche besondere Relevanz der Begriff leitourgia und seine Ableitungen im Brief des Clemens haben.
6. Der Brief des Clemens an die Korinther ist der erste Text, in dem ein Problem im Zusammenhang mit dem Priesterdienst die Form einer Theoretisierung kirchlicher Hierarchien annimmt, die als »Liturgien« verstanden werden. Die Umstände des Problems sind bekannt: Clemens, Vertreter der Kirche, »die zu Rom in der Fremde lebt [paroikousa]«,[2] schreibt an die Kirche, die in Korinth in der Fremde lebt und in der ein Konflikt (genauer gesagt eine wahrhafte Stasis, ein Bürgerkrieg, 1,1) die Gläubigen und die Häupter der Gemeinde, die ihrer Funktionen entbunden wurden, entzweit. Im Kampf, der »die Unbeachteten gegen die Geachteten, die Ruhmlosen gegen die Berühmten, die Unverständigen gegen die Weisen, die Jungen gegen die Alten« (presbyterous: 3,3) aufbringt, ergreift Clemens vollen Herzens Partei für die Letzteren. Das Entscheidende an seiner Strategie ist nicht so sehr der Rückgriff auf militärische Metaphern, wiewohl diese in der Kirchengeschichte noch oft Anwendung finden sollten (wie in einer Armee erfüllt jeder »auf seinem richtigen Posten die Anordnungen des Königs und der Führer«, 37,3), sondern vielmehr die Idee, die Funktion der Presbyter und Bischöfe als dauerhafte »Liturgie« zu fassen, die ihr Vorbild im levitischen Priestertum hat. Clemens ist mit der priesterlichen Christologie des Briefs an die Hebräer vertraut und nennt Christus an einer Stelle »Hohenpriester unserer Opfergaben« (archierea tōn prosforōn hēmōn: 36,1); sein Interesse richtet sich aber weniger auf den besonderen Charakter und die Wirkmächtigkeit dieses Priestertums, sondern auf den Umstand, dass Christus der Ausgangspunkt der apostolischen Abfolge ist: »Christus ist also von Gott und die Apostel von Christus« (42,2). Nicht ohne Widersprüche zur Vorschrift des Briefs an die Hebräer (der das levitische Priestertum durch das von Christus ersetzt hatte) und mit einem bemerkenswerten Anachronismus (das Priestertum im Tempel von Jerusalem, der 70 v. Chr. durch die Römer zerstört wurde, war schon seit einiger Zeit eingestellt) stellt Clemens ein paradigmatisches Verhältnis zwischen der levitischen Erbfolge und der apostolischen Abfolge in der Kirche her. In der Konstruktion dieser Analogie spielt das Konzept der leitourgia eine entscheidende Rolle. Vom Tempel in Jerusalem heißt es: »Er wollte, dass Opfer und liturgischer Dienst [prosforas kai leitourgias] gehalten werde, aber nicht aufs Geratewohl und ohne Ordnung solle es geschehen, sondern zu festgesetzten Zeiten und Stunden. … Dem obersten Priester sind … eigene Liturgien [idiai leitourgiai] zugeteilt, auch den Priestern ist ihr eigener Platz angewiesen, und den Leviten obliegen eigene Dienstleistungen [diakoniai].« Dementsprechend muss auch in der Kirche jeder seiner eigenen Stellung entsprechend handeln und Gott gefällig sein, »indem er … die für seine Liturgie festgesetzte Regel nicht übertritt [ton hōrismenon tēs leitourgias autou kanona]« (40,2–41,1). Da es den Aposteln wohl bewusst war, dass ein Streit über die Bischofswürde entstehen würde, »setzten sie auch … die oben Genannten ein und gaben ihnen dazu Auftrag, dass, wenn sie entschlafen wären, andere erprobte Männer ihre Liturgien übernähmen [diadexontai … tēn leitourgian autōn]« (44,2). So kann Clemens jetzt überzeugt verkünden, dass es »nach unserer Ansicht ein Unrecht« ist, »diese von ihrer Liturgie abzusetzen [apoballesthai tēs leitourgias]«, die »ihren liturgischen Dienst gegenüber der Herde Christi in Demut untadelig, ruhig, uneigennützig verwaltet haben [leitourgēsantas amemptōs]« (44,3); und er schließt mit einer Lobrede an »die Presbyter [presbyteroi], die ihren Lebensweg bereits durchlaufen und eine vollkommene, an Früchten reiche Auflösung erreicht haben«, sowie mit einer Rüge an die Gläubigen in Korinth, die diese »der Liturgie, der sie durch tadellose Verwaltung alle Ehre gemacht hatten« (44, 5–6), enthoben haben.
Es wird deutlich, dass dem Begriff leitourgia, auch wenn er seine ursprüngliche Bedeutung einer Dienstleistung an die Gemeinschaft beibehält, im Brief die Eigenschaften eines dauerhaften und vollberuflichen Amts zukommen, das Gegenstand eines Kanons (kanōn) und einer Regel (epinomē, in der antiken lateinischen Fassung des Briefs lex) ist. Das gesamte Vokabular des Clemens deutet in diese Richtung: kathistēmi (»ernennen, gründen«), diadechomai (Terminus technicus für die Nachfolge in einem Amt), ypotassō (»sich einer Autorität unterwerfen«; im umgekehrten Sinne sind diejenigen, die den Gehorsam verweigern, verantwortlich für eine stasis, »Bürgerkrieg, Aufstand«). Der Bezug auf das Paradigma des levitischen Kultus verleiht dem Begriff (wie es bereits in der Septuaginta geschehen war) das Wesen und die Ausstrahlung des Priestertums, was zu diesem Zeitpunkt keineswegs selbstverständlich war (wie wir bereits gesehen haben, verwendet keine der frühen Schriften den Begriff »Priester« – hiereus, sacerdos –, um ein Mitglied der Gemeinschaft zu benennen). Von der gelegentlichen öffentlichen Dienstleistung, die nicht einer spezifischen Person innerhalb der Gemeinden zugeordnet ist, beginnt die Liturgie ihre Verwandlung hin zu einer klar bestimmten Rolle, in ein »Amt«, das meist einer bestimmten Person als Träger zugeordnet wird: im Brief dem Bischof und den Presbytern und später dem Priester. Was aber definiert diese Betätigung, was zeichnet eine bestimmte Art von Handlungen als Liturgie aus?
Aus dem als Apostolische Kanones bekannten Teil der Apostolischen Konstitutionen wird ersichtlich, dass der Übergang von einer charismatischen Gemeinschaft hin zu einer rechtlichen Organisationsform nicht nur mittlerweile eine vollendete Tatsache ist, sondern auch, dass er Gegenstand einer klar umrissenen Strategie war. Der Text gibt sich, auch wenn er gegen Ende des 4