3,99 €
Im Berner Oberland liegt auf einsamer Höhe ein Sanatorium, in dem psychisch gestörte Mädchen therapiert werden. Doch ist dem so? Der ital. Geheimdienst vermutet, dass dies samt privatem Skizentrum nur zur Tarnung für den russischen Spion A.M. dient. Dieser gibt sich als Graf aus und sucht nach Beweisen für das Alter seines Titels. Lina lässt sich ausbilden, um ihn zu beraten, wird hingeschickt und ist vom Grafen so fasziniert, dass sie zu allem bereit wäre, wenn er nur wollte. Mit dem gesuchten Agenten hat er keine Ähnlichkeit. Doch da überschlagen sich die Ereignisse.
Es kommt zum ersten Toten; Mord oder Unfall? Danach wird Lina von einem Touristen mit dem richtigen Namen angesprochen. Der Graf wird misstrauisch. Ein weiterer Zwischenfall lässt Lina begreifen, dass sie eine ebenso tote Frau ist, wie die Agentin, welche die Männer erwischt und zusammengeschlagen haben, wenn sie nicht augenblicklich flieht. Doch da kommt es zu einem Schneesturm.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Meinhard-Wilhelm Schulz
Orsolina –
Das eisige Sanatorium
in den Bergen
Ein Krimi
mit Privatdetektiv Volpe
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Steve Mayer nach Motiven, 2023
Korrektorat: Claudia Müller
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
Das Copyright auf den Text erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren, es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen , welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv, 13.07.2023.
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Orsolina – Das eisige Sanatorium in den Bergen
1. Teil: Vorwort des Hrsg. Dr. S. Petrescu
2. Teil: Das Vorspiel
3. Teil: Der 28. Dezember
4. Teil: Der 29. Dezember
5. Teil: Der 30. Dezember
6. Teil: Am 31. Dezember und 1. Januar
7. Teil: Das Nachspiel
Folgende Bände von Meinhard Wilhelm Schulz sind ebenfalls erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung:
Im Berner Oberland liegt auf einsamer Höhe ein Sanatorium, in dem psychisch gestörte Mädchen therapiert werden. Doch ist dem so? Der ital. Geheimdienst vermutet, dass dies samt privatem Skizentrum nur zur Tarnung für den russischen Spion A.M. dient. Dieser gibt sich als Graf aus und sucht nach Beweisen für das Alter seines Titels. Lina lässt sich ausbilden, um ihn zu beraten, wird hingeschickt und ist vom Grafen so fasziniert, dass sie zu allem bereit wäre, wenn er nur wollte. Mit dem gesuchten Agenten hat er keine Ähnlichkeit. Doch da überschlagen sich die Ereignisse.
Es kommt zum ersten Toten; Mord oder Unfall? Danach wird Lina von einem Touristen mit dem richtigen Namen angesprochen. Der Graf wird misstrauisch. Ein weiterer Zwischenfall lässt Lina begreifen, dass sie eine ebenso tote Frau ist, wie die Agentin, welche die Männer erwischt und zusammengeschlagen haben, wenn sie nicht augenblicklich flieht. Doch da kommt es zu einem Schneesturm.
***
Personen des Dramas
• Orsolina (›Lina‹) Farinelli (46): Agentin des ital. Geheimdienstes
• Gina, Contessa d’Este: Deckname für Agentin Lina
• Luigi Alberti (30): Linas smarter sexy Sekretär
• Sandra Frescobaldi (38): süße Expertin für Ahnenforschung
• Alberta Fucini: Eine Agentin des ital. Geheimdienstes in Bern
• Alfred Mettmann (ca. 60): Vertreter des russ. Geheimdienstes
• Alfred, Vicomte de Metmann: angemaßter Adelstitel Mettmanns
• ›Haifisch‹: Deckname seiner berüchtigten Organisation
• Urs Zurbriggen (Bern): sein Schweizer Anwalt
• Isolde Bruckner (ca. 50): knorrige leitende Angestellte Mettmanns
• Rosanna; Viola; Anna; Michaela; Sofia; Maria & Matilda: allesamt Isoldes ›Mädchen‹; angeblich zur Therapie im Sanatorium
• Giuseppe, Hans, Jaromir, Charles & Jean: dortige Angestellte
• Peter Seiler: Mettmanns wissenschaftlicher Assistent
• Angelo Corelli (ca. 55): Boss des Syndikates ›La Fronte‹
• Pietro di Trentino (Anfang 30): sein Sohn
• Z: Kürzel für den ›namenlosen‹ Chef des ital. Geheimdienstes
• Nr. 113: ein Agent bei Z; Fachmann für biologische Kampfstoffe
• Ernesto Roncalli: Staatssekretär im ital. Innenministerium
***
Verehrtes Lesepublikum,
ich habe hier und heute das Vergnügen und die Freude, Dir den vierten Band über das rothaarige sommersprossige entzückende Biest namens Orsolina Farinelli vorzulegen. Welch entzückende Motorradmieze die süße Lina ist, die unter dem feinen hellgrünen Lederdress nichts zu tragen pflegt, wenn das Wetter es nur zulässt, bedarf keiner näheren Erläuterung.
Wer schon will oder darf das kesse Mädchen von, kaum zu glauben, jetzt schon Mitte Vierzig für ihren halsbrecherischen Fahrstil verurteilen? Als dreijähriges Kind musste sie miterleben, wie ihre Eltern einem entsetzlichen Verbrechen zum Opfer fielen, bei dem sie selbst mit Mühe und Not schwerverletzt dem Tod entkam. Seitdem leidet sie unter einer leichten einseitigen Körperbehinderung. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie als Adoptivkind bei ihrer Tante am Canal Grande, ohne dort Liebe und Wärme zu finden.
Ihre beiden ausnehmend hübschen Stiefschwestern bemitleideten sie, bis sie endlich die erste große Liebe gefunden hatte. Ihr um Jahre jüngerer Freund, der Maler Alfredo, nahm sie mit auf einen Banküberfall. Er selbst kam dabei ums Leben. Sie aber büßte mit zwölf Jahren Gefängnis, wurde jedoch schon nach sechs Jahren bedingt und konnte sich nun auf die Jagd nach dem Phantom begeben, das ihre Eltern umgebracht und sie fürs Leben gezeichnet hatte. Es war ein Unternehmen auf Leben und Tod, ein mörderisches Drama.
(Dies alles habe ich ausführlich in meinem Buch ›Orsolina und das Phantom‹ dargelegt.)
Dem Tod mit Mühe und Not entkommen, ließ sie sich als informelle Mitarbeiterin der Kripo auf eine geheimnisvolle ›Klinik im Alpago‹ entsenden und geriet prompt in Teufels Küche.
Da sie sich hier aber bestens bewähren konnte, wurde sie vom italienischen Geheimdienst übernommen und brachte es nach ersten Erfolgen binnen Jahresfrist zum Tenente. Wie dramatisch ihr erster großer Einsatz verlief, der vielleicht ihr letzter im Leben war, erfährt man unten. Ob sie hier noch einmal mit dem Leben davonkommen wird? Wer weiß?
Nicht nur ich frage mich, seitdem ich unser reizendes Linchen kenne, warum es immer nur Männer sein müssen, die jede Menge Frauen vernaschen, während sie auf der Gehaltsliste des Geheimdienstes stehen. Warum sind immer James Bond & Co. die Helden im Agentenkrimi und nicht endlich einmal eine wilde Motorradmieze vom Schlage unserer Orsolina? Mein süßes rotes Mädchen wird Dich, herzallerliebster Leser (m/w/d) davon überzeugen, dass auch eine Agentin ›ihren Mann‹ stellen kann.
Zum Schluss darf ich noch einige kleine Besonderheiten außer der eingangs genannten [Lina mag keine Unterwäsche, läuft am liebsten barfuß herum und schminkt sich nie] hinzufügen: Nach ihren öden ersten drei Lebensjahrzehnten, nach diesem vergebens gelebten Leben, ist sie so liebesbedürftig und liebeshungrig wie kein zweiter Mensch auf Erden. Auch wenn sie keine richtige Lesbe ist, liegt sie leidenschaftlich gerne in den zarten Armen einer süßen Frau, die erheblich jünger als sie ist.
Ähnliches gilt für Männer, denen sie noch heftiger zugetan ist. Alfredo, il pittore, war zehn Jahre jünger als sie, und doch war sie sein Ein und Alles und er ihres. Für beide war es trotz allem die große Liebe, eine Liebe mit tragischem Ende.
Linas neuester Lover, geliebter Leser (m/w/d) wird Pietro heißen. Er ist noch etwas jünger als Alfredo und dennoch unserer Zuckerpuppe von der zuckersüßen Sommersprossengruppe mit Haut und Haaren verfallen. Ja, Lina hat das gewisse Etwas um Sie und Ihn und Dich, mein Freund (m/w/d), zu bezaubern.
Der Sommer 2023 wollte und wollte kein Ende nehmen. Es war bereits der fünfte September, kurz nach neunzehn Uhr. Noch immer glühte die Sonne blutrot vom Himmel. Die meisten Badegäste hatten den über zehn Kilometer langen weltberühmten Strand der venezianischen Insel Lido bereits verlassen. Besonders im nördlichen Teil des Eilands, den wir gerade aufsuchen, und der nicht mehr von großen Hotels gesäumt ist, herrschten Stille und Einsamkeit. Es handelte sich um die nachts recht unheimliche Region, an der Privatdetektiv Volpe vor wenigen Jahren den schaurigen ›Strandmörder von Venedig‹ zur Strecke gebracht hatte.
Dort, am oberen Ende des Sandstrandes, ebenda, wo er ins Grüne des Hinterlandes übergeht, kniete eine sanft gebräunte Frau, von der niemand geahnt hätte, dass sie die Vierzig bereits überschritten hatte, auf einem breiten flauschigen blauen Badetuch aus sanftem Frottee, das mit roten Tupfen übersät war. Neben ihr lag ein giftgrüner Bikini herum. Sie war nackt.
Die Hände hielt sie hinter dem Nacken verschränkt und hatte das Haar zur roten Krone hochgebunden. Ihr weiblich breit geschwungenes Gesäß ruhte fest auf ihren Fersen und keilte, von ihnen gesehen, kräftig nach links und rechts aus. Die Brüste waren groß, rund und stramm; fester, als sie es von Natur aus hätten sein können und spießten leicht nach links und rechts.
Überall an ihrem Venuskörper glitzerten Pünktchen frischen Wassers. Sie war soeben dem Schaum des Meeres entstiegen und ließ sich jetzt die wärmenden Strahlen der untergehenden Sonne auf den Rücken samt zweigeteilter Verlängerung scheinen, während sie hochkonzentriert Richtung blauem Meer blickte. Was war es nur, das dort ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm?
(Kleiner Hinweis für Ortsfremde: Zu Venedig geht die Sonne über der Adria auf und hinter dem Festland unter.)
Jetzt löste sie den feuerfarbenen Haarknoten auf und ließ das hüftlange feuerrote Kraushaar wie einen lockeren Vorhang über die Brust herab rieseln. Ihre Taille war eng; Hüften breit; Beine lang; Oberschenkel weiblich ausufernd und nicht frei von Zellulitis. Bei genauerem Hinsehen konnte man feine Operationsnarben auf dem rechten Bein und über der zugehörigen Hüfte erkennen, denn als Kind hatte sie ein mörderischer Unhold auf den Estrich geschmettert, um sie zu töten. Auch ihr rechter Arm wies solche Spuren auf.
Neben ihr lagen: wie gesagt, der klitschnasse Bikini; eine feuchte Badekappe, mit der sie das Haar vor dem Salzwasser geschützt hatte; ein feuchtes zusammengeknülltes Badetuch; ein vorsätzlich geflickter Jeansrock mit breiten Taschen auf jeder Seite, deren eine stark ausgebeult war; ein trägerloses weißes Bustier, zu knapp, um den Nabel zu bedecken, zu grobmaschig, um blickdicht zu sein; eine Umhängetasche aus Jeansstoff sowie ein Paar hochgeschnürte blaue Sportstiefel, solche, wie sie unsere Boxerinnen tragen, wenn sie sich gegenseitig die Fresse polieren. Es musste eine wahre Wonne sein, die splitterfasernackte Mittvierzigerin auch einmal mit solch netten Klamotten bekleidet zu sehen.
Orsolina (kurz: Lina) enteilten die Gedanken, weit, weit zurück in die Kindheit. Nach dem oben geschilderten Mordversuch hatte sie über zwei Jahrzehnte lang das Gedächtnis verloren. Jetzt aber stand alles wieder in gläserner Klarheit vor ihren Augen.
In glücklichen Zeiten hatte sie sich mit ihren Eltern ebenda am Strand getummelt. Sie war noch ein ›hässliches kleines Entlein‹ gewesen, ein rothaariges sommersprossiges Pummelchen, während ihre Mama, die berühmte Geigerin Farinelli, dort im Tangabikini, oft genug sogar ohne Oberteil, die begehrlichen Blicke einer begeisterten Männerwelt auf sich zog.
Wie stolz war sie auf die goldlockige langhaarige Mama gewesen, während sie über ihr scheußliches rotes Kraushaar und die zahllosen Sommersprossen wenig erfreut war, insbesondere in der warmen Jahreszeit, wenn sich die hässlichen Flecken ins Unermessliche vermehrten und im Gesicht die Oberhoheit erstritten.
Doch bald ereilte sie das bittere Ende. Ihre Eltern kamen aufs Grässlichste ums Leben, bei einem ungeklärten Verbrechen in ihrer Ferienvilla im Alpago. Ob der Vater zuerst die Mutter erschossen hatte und dann sich selbst, so die offizielle Version, war nicht sicher. Lina wuchs bei ihrer Tante am Canal Grande auf, die sie adoptierte und geriet auf der Suche nach der Vergangenheit in Lebensgefahr.
(alles nachzulesen in: ›Orsolina, das Malermodell‹; ›Orsolina und das Phantom der Nacht‹; ›Lina, Feuerstuhl und Todesklinik‹).
Dann dachte sie an die Romanze mit dem Geiger, Maler und Privatdetektiv Giuseppe Tartini ›Volpe‹, von dem sie sich vor zwei Tagen für immer getrennt hatte. War sie ihm zu alt? Oder war sie für ihn nichts als die Erinnerung an seine früh verstorbene Jugendliebe, ein rothaariges sommersprossiges Ding? Giuseppe hatte ihr berichtet, wie es seinem Mädchen ergangen war, als sie in die mörderischen Hände der Teufelsanbeter geraten war.
(Eines Tages, liebes Lesepublikum, kann ich Dir vielleicht darüber berichten. Noch sträubt sich Volpe dagegen.)
In letzter Zeit hat mein Freund übrigens nur wenig Interesse an der Verbrecherjagd gezeitigt, auch wenn er der Kripo einige gute Tipps geben konnte. Er widmete sich vielmehr ganz der Kunst des Geigenvirtuosen und Malers.
Seine Aktgemälde, von Linchen in Lebensgröße im gröbsten Oskar-Kokoschka-Stil angefertigt, hatten bei einer Auktion im Museo Correr reißenden Absatz gefunden. Nur in der Entfernung entfalteten sie ihre grandiose Ausstrahlung. Aus der Nähe betrachtet wirkten sie wie eine schillernde Masse von Punkten, Strichen und Tupfen; die Farbe war eher mit dem Spachtel als dem Pinsel aufgetragen. Lina war bei Volpe zum zweiten Mal im Leben das bevorzugte Modell eines Malers gewesen.
Ja, sie hatte ihren jungen Freund zärtlich geliebt und war sozusagen seine Frau gewesen, ohne freilich seine gesetzliche Frau zu werden. Von den einigen hunderttausend Euro, die ihm die Aufklärung des spektakulären Gemälderaubes im ›MuseoCorrer‹ eingebracht hatte, zweigte er einen Teil ab, um ihr den Aufenthalt in einer berühmten amerikanischen Klink zu finanzieren. Man hatte sie dort von Kopf bis Fuß behandelt und als neuen Menschen entlassen. Erstmals, seit sie wieder bei Bewusstsein war, konnte sie mit ihrem Körper Frieden schließen.
Das alles kam ihr jetzt wieder in den Sinn, und dass sie nach ihrem mit Mühe und Not überlebten Abenteuer in der ›Klinik des Todes‹ als Mitarbeiterin zum Geheimdienst Italiens übergetreten und binnen eines erfolgreichen Jahres samt spartanischer Schulung nun im Range eines stolzen Tenente war. Essen und Trinken hatte sie fast ganz der Fitness untergeordnet. Ein einziges Laster war geblieben, und das sollte man ihr nachsehen …
Sie nahm nämlich die Hände aus dem Genick. Ihr Rücken, eben noch steil aufgerichtet, krümmte sich nach vorne. Der Bauch quoll in drei feinen Wülsten nach vorne und die Brüste sanken ab. Nervös kramte sie sich einen Zigarillo aus der Umhängetasche, zündete ihn an und schob die alten Erinnerungen energisch und weit von sich fort. Sie hatte Anderes, Besseres zu tun. Heute war keine Zeit für Sentimentalitäten gleich welcher Art. Sie war eine Spionin, eine Agentin geworden, der man mit Härte den Hang zu Sentimentalitäten ausgetrieben hatte. Jetzt saß sie hier und starrte Richtung See, diese liebeshungrige lebenslustige Badenixe. Dabei stieß sie braune Tabakwolken in die frische Brise.
Die rote Scheibe der Sonne hing schon knapp über den Dächern der Häuser auf der Insel Lido. Die allerletzten Leute verließen den Strand. Keiner der Herren hatte sie heute angequatscht; keine junge Frau den Hals nach ihr verdreht. Wohin sie auch nur blickte, überall nur Pärchen, Pärchen und nochmal Pärchen. Von ihnen belächelt, knirschte sie mit den Zähen. War sie etwa ein Mauerblümchen? Na, was denn sonst, wenn kein Fisch an ihrer Angel anbiss.
Darüber ärgerte sie sich mehr, als ihr lieb war; ein verlorener Tag; ein verlorenes Leben. Jetzt war es zu spät, noch neue Bekanntschaften zu machen, denn die riesige Sandfläche verödete.
Abschließend verließ ein niedliches Pärchen den Strand. Er war eher noch ein pubertierender Junge und sie wohl seine erste Freundin. Überraschender Weise trug sie einen altmodischen Badeanzug, einen Einteiler, der sie rundum bedeckte. Gab’s das überhaupt noch zu kaufen? Neidisch sah sie zu, wie sie sich drückten und küssten. Was fand der schmucke Kerl nur bei diesem flachbrüstigen magerbeinigen Hühnchen? An diesem Neutrum, nicht Fisch, nicht Fleisch? Nun, wo die Liebe hinfällt …
Nachdem die jungen Leute Linas bösen Blicken entschwunden waren, lag der Strand vereinsamt in der hereinbrechenden Dämmerung; Stille, nichts als Stille, untermalt nur vom Säuseln des Windes und dem sanften Schmatzen der auf den Strand hinauf rollenden Wogen. Eine frische Brise jagte eine Gänsehaut über ihren Rücken. Die Brustwarzen richteten sich knorrig auf. Lina klemmte den Zigarillo zwischen die Zähne und kreuzte die Arme.
Wäre da nicht ein gewisses Etwas vor der Brandung gelegen, sie hätte den Strand jetzt eilends verlassen. Wenige Meter davor lag nämlich ein jungenhaftes Mädchen oder mädchenhafter Junge im Sand, bäuchlings, mit nichts als einem Slip am Leib, das Gesicht starr nach unten gerichtet; sonst niemand mehr vor Ort.
Lina richtete ihre Blicke gespannt dort hin. Sie hatte das mulmige Gefühl, dass mit der Person, zu der sie sich hingezogen fühlte, etwas nicht stimmte. Ob sie in Gefahr war? Warum lag sie dort einsam und verlassen? Sie bewegte und regte sich nicht. Ob sie tot war? Allmählich kam ihr die Szene gespenstisch vor, sie und der Adonis oder die Venus alleine in der unendlichen Einsamkeit.
Was sollte sie tun? Sie konnte sie oder ihn doch nicht liegen lassen und von der Bildfläche verschwinden, oder? Nicht wahr, eine entschlossene Donna wie sie musste handelnd eingreifen?
Lina hatte sich in der Vermutung, mit dem oder der Süßen allein zu sein, gründlich getäuscht. Oben am Rande des Strandes befand sich nämlich ein kleines Café. Auf seiner Terrasse saßen zwei Männer in grauen Jogginganzügen und hohen schwarzen Turnschuhen. Sie tranken gerade ihre Cappuccini aus und behielten sowohl Lina wie auch den mittlerweile verschwommenen weißen Fleck im Auge.
Sonst war das Café leer. Der Cameriere (Kellner) wartete nur darauf, dass sie gingen und er das gläserne Gehäuse für heute schließen konnte. Seine Frau und fünf Bambini warteten auf ihn.
Die geheimnisvolle Person hatte sich inzwischen erhoben und mit hochgerissenen Händen gähnend gestreckt und gereckt. Offenbar hatte sie der erkaltende Sand dazu ermuntert. Jetzt drehte sie ihren blutroten Körper Lina zu. Er glühte auf im letzten Licht der von den Wolken zurückgeworfenen Sonnenstrahlen. In einer Badehose steckte sie, die aus zwei an einer Schnur aufgefädelten Dreiecken bestand. Nun warf sie den Kopf in den Nacken und schüttelte ihr hellblondes Haar aus, bis es wie eine goldene Glocke über ihre wie aus Marmor gemeißelten Schultern fiel. Sie war dünn, langbeinig, oben herum flach wie eine Flunder … und dennoch unglaublich hübsch; ein wahres Wunder von Schönheit, rot wie frisches Blut und schlank wie Adonis.
Mit allergrößter Gleichgültigkeit drehte sie nun auf Zehenspitzen eine Pirouette und setzte sich in Bewegung. Wie es schien, strebte sie eines der weiter südwärts gelegenen Hotels an, vielleicht das weltberühmte Excelsior.
Lina sprang auf die Füße, streifte sich Rock und Bustier über die Blöße, stieg in die Boxerstiefel und warf die Schnüre der Jeanstasche über die Schulter, um ihr zu folgen. Die Decke samt grünem Tangabikini und weißer Badekappe blieb am alten Platz liegen, um am nächsten Tag als Strandgut von einem jungen Paar erbeutet zu werden. Schon eilte Lina mit energischem Schritt der gazellenhaft davon schwebenden Person hinterher.
Die beiden Männer oben auf der Terrasse blickten einander kurz an. Einer von ihnen klatschte lässig einen Zwanzigeuroschein auf den Tisch. Sie sprangen grinsend auf die Füße, verließen das Café und stapften nebeneinander hinter Lina her. Ihr strammer Gleichschritt erinnerte an den patrouillierender Polizisten oder Soldaten. Einem von ihnen hing ein starkes Fernglas um den Hals, mit dem er die ganze Zeit über beide Hübschen beobachtet hatte. Was führten die Kerle nur im Schilde?
Lina hatte den nackenden Adonis jetzt fast erreicht. Aus der Nähe konnte man erkennen, dass es sich um einen feminin feinen Jungen von Anfang Dreißig handelte; mindestens also um die zehn Jahre jünger als sie. Verzückt blieb sie stehen und überlegte, wie sie ihn ansprechen sollte. Sollte sie etwa sagen, »lieber Pietro, ich befürchtete, du könntest ins Wasser gehen, um dein Leben zu beenden. Ich bin dir gefolgt, um dich davor zu bewahren?«
Als er, leicht taumelnd, eben den Abschnitt des Strandes erreichte, der von den feinen Wogen bespült wurde, verlangsamte er seine Schritte. Sein Kopf mit dem blonden Haarschopf neigte sich ein Wenig nach vorne. Die Mähne fiel vom Rücken nach vorne. Sein mädchenhaftes Aussehen machte Lina rasend. Sie war hingerissen vor Wonne. Ja, sie begehrte ihn schon längst. Nach zwei drei Sprüngen stand sie unmittelbar hinter ihm und rief:
»Buona sera, caro Pietro!«
Der Junge fuhr erschrocken herum. Der weiche Sand hatte ihr Stapfen unhörbar gemacht. Er war sichtlich erschrocken. Seine Augen waren geschwollen. Tränen waren über seine Wangen geströmt. Er wirkte todunglücklich und murmelte:
»Was hast du denn hier zu suchen, Lina?«
»Nichts Besonderes; ich mache mir nur Sorgen um dich.«
Er antwortete nicht und ließ den Kopf hängen. Schon wollte ihn Lina in die Arme schließen, da tönte es hinter ihr:
»Keine Bewegung, Signora!«
Lina wirbelte herum, ließ sich auf die Knie fallen und riss die Pistole aus der rechten Tasche des Jeansminirocks. Aber sie starrte nur in die blinkenden Mündungen zweier Revolver, ließ den Arm wieder sinken und erhob sich.
Hinter den im letzten Rot des Tages aufleuchtenden Waffen sah sie zwei Männern ins ausdruckslose Killergesicht. Sie wusste nicht, was man von ihr wollte und befürchtete schon das Schlimmste. Waren es russische Agenten, ihre Feinde vom vergangenen Jahr? Hatte man sie enttarnt? Sollte sie an Ort und Stelle hingerichtet werden?
»Lass die Pistole fallen, Katze! Falte die Hände im Genick, und zwar ein Bisschen subito!«
Der Klang der Stimme deutete auf den Süden Italiens hin. Waren es etwa Mafiosi? Oder eben doch nur Geheimagenten einer feindlichen Nation? Lina überlegte, was hier wohl Sache war. Konnten es Alfred Mettmanns Männer sein, die es auf sie abgesehen hatten? War man hinter ihr her, weil sie seit kurzem zum zweiten Mal auf das Netz des berüchtigten Tedesco (Deutschen) angesetzt war? Wer hatte sie an Mettmann verraten? Gab es einen Maulwurf in ihrer Firma?
Lina wusste, dass sie keine Chance gegen die Gorillas hatte. Jetzt galt es, Ruhe zu bewahren und so etwas wie Autorität auszustrahlen. Also ließ sie die Pistole fallen, richtete sich stramm auf und verschränkte die Hände im Genick. Als sie das tat, rutschte das Oberteil weiter nach oben, während der Rock abwärts glitt, bis er endlich tief unten auf ihren breiten Hüften haften blieb. Nachlässig bildete sie mit dem ganzen Körper die Figur eines ›S‹ und sagte lächelnd:
»Buona sera, Signori! Come sta?«
Der eine der Männer trat einen Schritt zur Seite, um notfalls freies Schussfeld zu haben. Der zweite hob Linas Pistole auf und ließ sie in der Hosentasche verschwinden, um dann ihren Körper genüsslich nach weiteren Waffen abzutasten, obwohl er hätte wissen müssen, dass nichts Dergleichen unter dem Bustier versteckt war.
Während er sich damit verlustierte, schaute Lina auf den jungen Mann, der es ihr so angetan hatte. Welche Rolle spielte er bei dieser Sache? Unbeweglich wie eine marmorne Statue stand er an ihrer Seite und schien vom Überfall gar nicht überrascht zu sein. Geradezu entspannt wirkte er und war wohl nichts als der süße Speck gewesen, mit dem man dumme Mäusemädchen fängt.
Was kommen sollte, konnte sie sich vorstellen. Wenn man sie erst einmal umgelegt hatte, würde man ihre Leiche ins Meer schieben und den Fluten überlassen, oder besser: Man könnte sie einfach mit dem Gesicht unter Wasser drücken, bis sie die Lungen voll davon hatte und daran erstickte. Es würde wie ein Badeunfall aussehen. In der Zeitung stünde dann, wieder einmal sei ein albernes Frauenzimmer nachts schwimmen gegangen und ertrunken.
Noch dachte sie, ihr letztes Stündlein wäre gekommen, da vernahm sie das Knattern eines vom Norden kommenden Motorbootes. Ob es die Küstenwache war, die ihr zu Hilfe kam? Angestrengt starrte sie aufs Meer hinaus, wo sich die Konturen eines schnittigen kleinen Schiffes aus Dunst und Nebel schälten.
Doch als sie zu den beiden Männern blickte, wurde ihr der gemachte Irrtum klar. Sie krempelten sich nämlich nacheinander die Hosenbeine hoch und zogen die Schuhe aus; von Rettung keine Spur.
Während das Boot mit dem Bug in den Sand knirschte, gab ihr einer der Männer ein unmissverständliches Zeichen.
Sie bückte sich, um auch ihre Sportstiefel auszuziehen. Während sie das tat, fischte sie blitzschnell das winzige, scharf geschliffene Messer aus Absatz und Sohne des rechten Schuhs und ließ es in der Rocktasche verschwinden. Der Trottel von Gorilla hatte es nicht bemerkt; gut so. Wenn sie dem Feind das Messer ins Auge schleuderte oder ihm mit einem energischen Ratsch die Halsschlagader durchtrennte, war er auf jeden Fall erledigt. Sie war bereit, beide zu töten, wenn man ihr nur eine noch so kleine Chance gönnte.
Lina verknüpfte die Schnürsenkel beider Stiefel miteinander und hängte sich das Paar über die andere Schulter. Zuerst watete der junge Mann durch das seichte Wasser und stieg über eine an der Flanke des Boots heruntergelassene Leiter an Bord. Dann wurde Lina mit dem Revolver im Rücken hinterher bugsiert. Zuletzt stiegen die Männer ins Boot.
Der Capitano ließ den Motor wummern. Wenn der Auspuff in der Dünung unter Wasser geriet, spuckte er Gift und Galle. Langsam, langsam bewegte sich das Schiff rückwärts aufs Meer, wurde gewendet und raste dann mit Schaum vor dem Bug davon, Richtung Norden, wohl, um dort oben die Insel Lido zu umrunden.
Achtlos ließ Lina die Boxerstiefel auf die Planken fallen. Der Junge saß schweigend neben ihr auf der mittleren Sitzbank. Sie rückte auf Tuchfühlung an ihn heran. Seine Haut war zart und kühl. Im sommerlich warmen Fahrwind flatterten blondes und rotes Haar nebeneinander und vermischten sich zu einer herrlich knatternden Fahne. Mein Gott! Warum musste sie sich ausgerechnet in diesen Taugenichts verlieben, der sie ans Messer geliefert hatte? In diesen Jüngling, der wohl noch nie gearbeitet hatte?
Die zwei Gorillas hockten inzwischen im Heck, scheinbar uninteressiert aber dennoch hellwach. Lina tastete nach dem Messer. Sie hatte gelernt, es als tödliche Waffe einzusetzen. Es war nadelspitz und scharf wie eine Rasierklinge. Sollte sie es dem Jüngling, den sie ›Petro‹ nannte, an die Kehle setzen, um die beiden Bodyguards damit zu erpressen? Ob das sinnvoll wäre?
Der Junge rechts neben ihr kam diesem mörderischen Gedanken auf seine Weise zuvor. Sanft legte er seine linke Hand auf ihr rechtes Knie und ließ sie über den üppigen Oberschenkel aufwärts gleiten, bis sie unter dem Jeansrock verschwand, um immer weiter aufwärts zu krabbeln, so weit, weiter ging es nicht. Lina hätte die Schenkel sofort zusammenpetzen müssen. Stattdessen tat sie zunächst gar nichts und geriet an den Rand des Wahnsinns. Seufzend und stöhnend und ächzend schob sie schließlich seine Künstlerpfote bis zur Mitte ihres Oberschenkels zurück, mitten ins Reich der Dellen und Wellen.