Orsolina – Feuerstuhl und Todesklinik – Ein Venedig-Krimi - Meinhard-Wilhelm Schulz - E-Book

Orsolina – Feuerstuhl und Todesklinik – Ein Venedig-Krimi E-Book

Meinhard-Wilhelm Schulz

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Beschreibung

Dr. Sergiu Petrescu informiert:
Liebes Lesepublikum, hier und heute lege ich den dritten Band über meine Freundin Orsolina (Lina) Farinelli vor. Als Schwester ›Tania Torcello‹ wird sie von Commissario Giulio Marcello in die Alpago-Klinik eingeschleust, um Licht in eine Serie von unheimlichen Ereignissen zu bringen.
Das Haus liegt idyllisch. Doch auf der anderen Seite des Tales thront die Betonburg einer pharmazeutischen Fabrik. Zwischen beiden Komplexen besteht scheinbar eine Verbindung: Immer wieder flippen Patienten aus und werden zu mörderischen Bestien. Was sind die Ursachen?
Lina lebt mit ihrem Lover zusammen, der in der Fabrik arbeitet. Auch er gerät in den Bann des ›Alpago-Syndroms‹, denkt nur noch an Mord und haut ab. Statt der Sache nachzugehen, kennt Lina lediglich drei Leidenschaften; das Motorrad, das sie, nur im Lederoverall steckend, über die Alpenpässe reitet …
Eines Nachts spitzen sich die Ereignisse zu. Unter den Kugeln einer Pistole, von Hunden gehetzt, entrinnt sie in den Wald und schlägt sich zu einem Bergbauernhof durch. Dort kommt es schließlich zu einem unerwarteten Show Down!

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Ähnliche


 

 

 

 

Meinhard-Wilhelm Schulz

 

 

Orsolina –

Feuerstuhl und Todesklinik

 

 

 

 

Ein Venedig-Krimi

mit

Privatdetektiv Volpe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer nach Motiven, 2022

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Verzeichnis der Akteure  – alphabetisch 

Vorbemerkung des Herausgebers Dr. Sergiu Petrescu 

Vorspiel bei Volpe 

Was ungefähr zur selben Zeit in Padua geschah 

Journalist Alberto Scimmia schreibt im Corriere della Sera 

Capitano Giulio Marcello hat das Wort 

Tania Torcello als Schwester und MTA in der Alpago-Klinik 

1. Teil: Ein Notfall mit Folgen 

2. Teil: Wieder auf Station 

3. Teil: Bei der Jagdhütte 

4. Teil: Picknick bei MEDICO INTERNATIONAL 

5. Teil: Drei Tage nach dem Picknick 

6. Teil: Marco in Rage 

7. Teil: Bei der ›Gruppe‹ 

8. Teil: Doppelte Überraschung 

9. Teil: Drama zu Belluno 

10. Teil: Studium der Akten 

11. Teil: Neues nach dem Ausflug ins Nichts 

12. Teil: Nach der riesigen Enttäuschung 

13. Teil: Das Geheimnis der Röhre 

14. Teil: Estebans Berghütte 

15. Teil: Das Drama in und bei der Scheune 

 

Das Buch

 

 

Dr. Sergiu Petrescu informiert:

Liebes Lesepublikum, hier und heute lege ich den dritten Band über meine Freundin Orsolina (Lina) Farinelli vor. Als Schwester ›Tania Torcello‹ wird sie von Commissario Giulio Marcello in die Alpago-Klinik eingeschleust, um Licht in eine Serie von unheimlichen Ereignissen zu bringen.

Das Haus liegt idyllisch. Doch auf der anderen Seite des Tales thront die Betonburg einer pharmazeutischen Fabrik. Zwischen beiden Komplexen besteht scheinbar eine Verbindung: Immer wieder flippen Patienten aus und werden zu mörderischen Bestien. Was sind die Ursachen?

Lina lebt mit ihrem Lover zusammen, der in der Fabrik arbeitet. Auch er gerät in den Bann des ›Alpago-Syndroms‹, denkt nur noch an Mord und haut ab. Statt der Sache nachzugehen, kennt Lina lediglich drei Leidenschaften; das Motorrad, das sie, nur im Lederoverall steckend, über die Alpenpässe reitet …

Eines Nachts spitzen sich die Ereignisse zu. Unter den Kugeln einer Pistole, von Hunden gehetzt, entrinnt sie in den Wald und schlägt sich zu einem Bergbauernhof durch. Dort kommt es schließlich zu einem unerwarteten Show Down!

Nach »Orsolina, das Malermodell« und »Orsolina und das Phantom der Nacht« legt Meinhard-Wilhelm Schulz einen weiteren Roman vor, in dessen Mittelpunkt Orsolina steht, ein Krimi, der durchaus ein erotischer Liebesroman ist, gepaart mit der Melancholie einer besessenen Motorradfahrerin.

 

 

***

 

 

Die beiden Hauptspielorte des Dramas

 

a.) Eine vornehme Klinik im Alpago, einer südlichen Alpengruppe, östlich von Belluno und der Straße von Venedig nach Cortina d’Ampezzo gelegen; mit dem ›Monte Dolada‹ über tausendneunhundert Meter hoch.

b.) Die gegenüber liegende Firma MEDICO INTERNATIONAL [M.I.]

 

 

 

Verzeichnis der Akteure  – alphabetisch

 

a.) Lina, die Hauptperson und ihr zugeordnete Mitspieler

› di Fusco, Ambrosio: Linas ›Ehemann‹; Tenente Commissario

› Marcello, Giulio: Capitano; Commissario der Kripo im Veneto

› Selva, Marco: Linas Lover; s.u. Bertoni

 

b.) Übrige Akteure alphabetisch

› Dr. med. Albero, Michele: Chirurg in der Alpago-Klinik

› Dr. Amarici, Ernesto: Chef der Klinik-Apotheke

› Amati, Anita: Schwester; Geliebte von Amarici

› Antonelli, Antonio: Ex-Patient der Alpago-Klinik

› Antonioni, Amanda (50): Gesundheitsbeauftragte der M.I.

› Bertoni, Giulio: Mitarbeiter der M.I; Chef von Selva (s.o.)

› Cardinale, Rocco: Boxer; angestellt bei M.I; Unfallfahrer

› Dr. med. Corelli, Marco: Chefarzt in der Alpago-Klinik (~ 55)

› Dr. med. Dante, Samantha: Pathologin an der Uni Padua

› Dr. med. Fellini, Federico: Oberarzt in der Alpago-Klinik

› Fiume, Elisabetta: Verkehrsopfer (s. Cardinale)

› Forza, Angelina: Geliebte von La Ponte (s.u.)

› Furioso, Eugenio: ein scheinbar Verrückter

› ›Gruppe‹, die: ein Kreis kritischer Ärzte

› Lupi, Reza: Milliardär; Anteilseigner bei M.I.

› Lupi, Anita (†): seine Tochter

› MEDICO INTERNATIONAL [M.I.]: Firma gegenüber der Klinik

› Del Monte, Alessio: Vorgänger von Lina (s.o.); ermordet?

› Dr. med. Napolitano, Antonio: Stationsarzt der Klinik

› La Penna, Nicolò: Commissario der Kripo von Belluno

› Ponticelli, Caterina: untreue Geliebte von Bertoni (s.o.)

› La Ponte, Eduardo: Security-Mann bei M.I; im Vorstand

› Dr. med. Ruiz, Esteban (alias: Esteban Gonzales): Stationsarzt

› Silvestro, Edmondo: Personalchef bei M.I.

› Udinese, Teodoro: Jäger und Förster des Conte d’Alpago

› Vitello, Salvatore: Intensivpatient

 

 

***

 

 

Vorbemerkung des Herausgebers Dr. Sergiu Petrescu

 

 

Liebes Lesepublikum,

bevor ich mich daran mache, den dritten Band über die bezaubernde und entzückende Orsolina (›Lina‹) Farinelli zu beginnen, erlaube ich mir einige einführende Worte.

Zunächst einmal ist dieses Buch mein erstes, das an und in einer Klinik spielt. Obwohl oder gerade weil ich Arzt bin, werde ich es tunlichst vermeiden, lettore caro, dich mit Fachsimpelei zu nerven, wie das bei meinen Kollegen leider üblich ist. Nein, Du kannst den Text aus vollem Herzen genießen, ohne zum Lexikon greifen zu müssen. Nun wenige Worte zu meiner reizenden Lina.

Als kleines Kind geriet sie zwischen die Mühlsteiner eines Familiendramas, bei dem ihre Eltern ums Leben kamen. Wahrscheinlich, um sie als Zeugin der Mordorgie auszuschalten, schmetterte sie irgendein Teufel zu Boden. Er wollte sie töten, aber sie überlebte.

Nachdem sie aus monatelangem Koma erwacht war, konnte sie sich an nichts mehr erinnern, wurde aber seitdem in stets wiederkehrenden Alpträumen von diesem ›Phantom‹ heimgesucht, das sie jedes Mal aufs Neue zu morden versuchte.

Auf welche Weise sich das Drama im Elternhaus im schönen Alpago abspielte und ob vielleicht ein geheimnisvoller Dritter im Bunde gewesen war, konnten die Untersuchungen der Kripo übrigens nicht ermitteln. Man nahm daher an, dass der Vater die Mutter erschoss, dann Lina zu Boden schmetterte, um sich zuletzt selber die Kugel in den Kopf zu jagen; ein Irrtum? Zweifel blieben.

Unfallbedingt, wuchs Lina als körperlich behindertes Mädchen bei ihrer Tante in einem Palazzo am Ufer des Canal Grande zu Venedig auf. Ihre gesamte linke Körperhälfte war durch den Aufprall beschädigt; voller Narben, von oben bis unten. Sogar ein offener Schädelbasisbruch musste geheilt werden. Sie hinkte seitdem leicht mit dem einen etwas zu kurzen Bein. Der verletzte linke Arm bereitete ihrer vielversprechende Geigenkarriere ein jähes Ende.

Ansonsten wuchs sie aber zu einer aparten jungen Dame heran: schlank und rank mit niedlicher weiblicher Figur, hüftlangem feuerroten Haar und unzählige Sommersprossen im Gesicht. Ob es ein Fehler war, dass sie ihre Blessuren so trotzig am Strand unserer Insel Lido, wo sie, nur im Höschen daher hinkend, flanierte, zur Schau stellte? Ob es nicht besser gewesen wäre, sie hätte lange Hosen statt Minikleidern und Hot Pants zu tragen?

Eine Zeitlang arbeitete sie als Angestellte bei einer Bank in Mestre. Ebenda stand ihr Motorrad in einem Schuppen, auf dem sie in der Freizeit rasante Ritte hinzulegen pflegte, in nichts als einem hauchfeinen Overall aus Leder steckend. Über die Pässe der Alpen zu rasen, während ihr das lange Haar aus dem Helm heraus hinterher flatterte, das bedeutete für sie, zu leben. Das war Freiheit, wenn sie den Reißverschluss bis zum Nabel herunterzog, um den hupenden Lastwagenfahrern Einblicke zu gewähren, wenn sie sie überholte und ihnen zuwinkte.

Doch allmählich näherte sie sich dem Alter von Dreißig, ohne jemals etwas mit einem jungen Mann zu tun gehabt zu haben. Sie hasste es, nämlich, bemitleidet zu werden und konnte es sich nicht vorstellen, einen Lover zu finden, der nicht vor Mitleid zerflösse, wenn er ihre Blessuren zu Gesicht bekäme.

Sie wollte geliebt werden, wie sie war, bedingungslos. Ihre Sehnsucht war riesengroß. Vergebens träumte sie sich regelmäßig in die Arme eines Mannes … oder einer Frau.

Auf einer Party ihrer Schwester verliebte sie sich in den ausgeflippten Maler Alfredo, einen erheblich jüngeren, prächtig aussehenden Mann. Prompt zog sie zu ihm aufs gammelige Atelier. Bald aber musste sie feststellen, dass er sie nur geködert hatte, um mit ihrer Hilfe einen Bankraub zu unternehmen. Ja, wo die Liebe hinfällt! Und wenn es je eine Liebe gab, dann diese. Alfredo vergaß nämlich seine böse Absicht und liebt das rote Mädchen mit Haut und Haar.

Sie machte beim Überfall mit und handelte sich dafür sechs Jahre Knast (ursprünglich das Doppelte) ein. Alfredo, der unvergessliche Geliebte, der eine Serie von Gemälden (darunter prächtige Akte) von und mit ihr geschaffen hatte, war tot. Das Drama, welches ich ›Orsolina, das Malermodell‹ nenne, war zu Ende. Es folge der graue Alltag in der Justizvollzugsanstalt.

Mein Freund, Kommissar Ambrosio di Fusco, der sie überführt und sich dabei in sie verliebt hatte, brachte sie persönlich ins Frauengefängnis zu Padua und versprach ihr, auf sie zu warten.

Nach der vorzeitigen Entlassung machte sie sich verbissen auf die Jagd nach der verlorenen Kindheit, auf die Jagd nach dem Phantom ihrer Alpträume. Dazu zog sie ins ehemalige Elternhaus an einem See im Alpago, in ein Gebäude, das den Geist des Bösen atmete.

Die dramatischen und mörderischen Geschehnisse dort, als der Unbekannte und seine Geliebte drauf aus waren, sie im zweiten Anlauf zu töten, habe ich unter ›Orsolina und das Phantom‹ geschildert. Das Buch endet nach einer Mordserie mit der Hochzeit zwischen Lina und Ambrosio.

Schon damals konnte ich nicht recht dran glauben, dass Lina dem biederen Polizisten treu sein oder bleiben könnte. Dazu war ihr Liebeshunger oder, wenn ich es so sagen darf, ihr Nachholbedarf viel zu groß. Ferner hatte sie von vorn herein klar gemacht, dass sie Ambrosio nicht in dieser heißen und sklavisch hingebungsvollen Art wie den Maler Alfredo würde lieben können.

Dem allen hatte mein bester Freund, Giuseppe Tartini, ob seines roten Haares ›Volpe‹ (Fuchs) genannt, Vorschub geleistet. Dieser großartige Geiger, begnadete Maler und geniale Privatdetektiv hätte wissen müssen, was er tat. Doch er war ja selber viel zu sehr in die Süße verliebt, um noch klar denken zu können.

In der kurzen Zeit nämlich, in der sie bei ihm untergekommen war, konnte es nicht ausbleiben, das sie sich, gelinde gesagt, näher kamen. Vermutlich weckte sie in ihm Jugenderinnerungen an Renata, seine erste Geliebte, dieses rothaarige sommersprossige Biest, das er, seit er sie auf grässliche Weise verlor, in einer Art von Tempel als Venus in seinem Palazzo am ›Calle di Cavallo‹ verehrt. Eines Tages, wenn er soweit ist, werde ich unter dem geplanten Titel ›Renata und die Kirche des Satans‹ drüber berichten.

Kurz vor der Hochzeit hatte sich ein spektakulärer Kunstraub aus der ›Galleria del Accademia‹ ereignet. Ein Dutzend Gemälde der Maler, die der ›Stolz Venedigs‹ sind, waren spurlos verschwunden. Als die Kripo nicht weiterkam, wandte sich die Versicherung an Volpe. Er übernahm den Fall und brachte ihn zu einem, wie er zu sagen pflegt, ›befriedigenden Abschluss‹. Die Bilder wanderten an den alten Ort zurück und Giuseppe war um zwei Million reicher, weniger als ein Prozent des Wertes der Gemälde.

Mit einem Teil dieses Geldes bewaffnet, setzte er sich mit der MayoKlinik in Verbindung, um Lina zu einer vollständigen Genesung zu verhelfen. Das Mädchen von Vierzig nahm an und stellte sich einem Ärzteteam. Man untersuchte sie von Kopf bis Fuß und erstellte einen umfassenden chirurgischen Plan. Lina stimmte zu. Volpe überwies die riesige Summe.

Es war ein tolles Stück Unvernunft, als man das aparte Weib von oben bis unten, äh, reparierte und, äh, umarbeitete. Mich fragte keiner. Ich wäre dagegen gewesen. Ich liebte (und liebe) Lina so, wie sie war (und ist) und hätte mich jederzeit mit ihr eingelassen, war aber leider nicht ihr Typ. Sie fasziniert mich bis heute.

Neben Dingen wie Facelifting und einer Straffung von Bauch, Gesäß und (auch noch vergrößertem) Busen, wurden Arm und Bein soweit instand gesetzt, dass ein Laie kaum noch einen Unterschied zur ›gesunden‹ Körperhälfte hätte feststellen können, nachdem die Narben so gut unsichtbar geworden waren.

Blieben noch der Dachsstreifen, der sich in Linas roten Schopf eingeschlichen hatte sowie die Sommersprossen. Ein Besuch beim Haarstudio machte das Erstere unsichtbar, während sich unser Mädchen mit den tausend braunen Tupfen abfinden musste, bei deren Anblick ich regelmäßig in Rufe des Entzückens ausbreche.

Ich hatte in dieser Zeit viel zu viel in meiner Praxis in Jesolo zu tun, um mich um die Bezaubernde zu kümmern. Doch als ich eines schönen Sonntags am Strand meiner göttlichen Heimatstadt spazieren ging, erblickte ich Lina von ferne. Eigentlich erkannte ich sie nur am hüftlangen roten Haar, das sie neckisch zwischen und über den unbedeckten Kugeln baumeln ließ und, als sie näher kam, erst recht an den Sommersprossen, die in ihrem Gesicht die Oberhand gewonnen hatten. Ansonsten war es eine bezaubernde Venus, kaum älter als Dreißig wirkend; von Hinken keine Spur; der Arm gerichtet; Narben verschwunden. Ein lüsternes Weib, schimmernd in sanfter Bräune, stapfte vorüber, ohne mir Beachtung zu schenken. Die Chirurgen hatten wahre Wunder bewirkt.

Arm in Arm mit einem jungen Mann schlenderte sie daher und wollte mich nicht bemerken, als sie, Kopf im Nacken, mit schaukelnden Brüsten an mir vorüber stolzierte und ihn dann lange und innig küsste. Wer er war, wusste ich nicht. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Es war weder Ambrosio, ihr Mann, noch Volpe, ihr Verehrer und natürlich auch ich nicht, der ewig Eifersüchtige.

 

[Wie ich erst später erfuhr, war es ein gewisser Signore ›Marco Selva‹, den die siegreiche Venus da zurzeit als Untertan gewonnen hatte. Er war damals Angestellter bei der Pharmafirma MEDICO INTERNATIONAL im wunderschönen Alpago, in Sichtweite der berühmten ›Clinica di Alpago‹ gelegen. Gott sei seiner Seele gnädig!]

 

Einige feiste Damen mittleren Alters äußerten ihren Unmut über diese offen zur Schau gestellte Unmoral und schämten sich nicht, ihre ausufernden Speckwülste, die aus dem zu klein gewordenen Bikini hervorquollen, zur Schau zu stellen.

 

 

 

Vorspiel bei Volpe

 

 

Eines sonnigen Sommertages hockten Volpe, Capitano Giulio Marcello, Tenente Ambrosio di Fusco, Commissaria Debora Rainone und naturgemäß auch ich in der schattigen Säulenhalle des Palazzo am Calle di Cavallo No. 1. Giulio hatte Butler Giovanni dazu gebracht, eine Art Laufsteg aufzubauen, der von Scheinwerfern in ein grelles Licht getaucht wurde. Während wir [Ambrosio ausgenommen] gespannt darauf warteten, wen oder was er zeigen wollte, sagte er nach einem Tusch, der aus Lautsprechern quoll, feierlich:

»Signori, ich präsentiere euch die frisch gebackene Kriminalkommissar Anwärterin Tania Torcello.«

Wir hatten den Namen noch nie gehört.

Während ein flotter Marsch erklang, kam eine Donna gemessenen Schrittes zum Vorschein und tänzelte barfuß auf Ballen in unsere Richtung. Sie trug ein schulterfreies Gewand. Im hinab gleitenden oberen, aus lauter Löchern geschneiderten Teil war es ihrer Figur wie mit der Spritzpistole auf die Haut gebracht. Das weite luftige kniekurze Röckchen flatterte im Hauch des nebenan aufgestellten riesigen Ventilators. Der Luftzug hob es gelegentlich so hoch empor, dass ein schwarzes Spitzenhöschen darunter zu erkennen war. Drunter erschienen lange weibliche Schenkel. Das lange rote krause Haar wehte ihr hinterher, während sie auf und ab stolzierte.

Dann drehte sie eine Pirouette und ließ das Textil fallen. In einem grünen Bustier aus Seide steckend lächelte sie uns zu und wirbelte zweimal um die eigene Achse, blieb mit einem Ruck stehen, öffnete es und ließ es auf das am Boden lungernde Gewand fallen.

Sie trug jetzt nur noch den Slip, der auf der Kehrseite aus nichts als einer Schnur bestand und ließ das Haar über die Brust fallen, bis sie von seinen roten Spiralen überflutet war. Noch nie, wähnte ich, hatte ich eine verrücktere Puppe als diese gesehen.

Sie aber stürzte sich mit einem Aufschrei vom Laufsteg herunter in Ambrosios weit ausgebreiten Arme, der die Bestie auffing, an sich presste und abküsste. Während sie sich auf seinem Schoß räkelte, begriff sogar ein im Denken so langsamer Mensch wie ich, dass es sich um unsere rundum wiederhergestellte Freundin Orsolina Farinelli handelte. Ich fiel in den allgemeinen Beifall ein, den Giovanni angestimmt hatte.

»Signori«, tönte Giulio jetzt, »unsere wunderbare Lina hat nach ihrer Entlassung aus der Reha einen Crashkurs als MTA gemacht und mit Auszeichnung bestanden. Nun habe ich sie mit neuen Papieren unter ›Tania Torcello‹ an der ›Clinica d’Alpago‹ untergebracht. Dort lassen sich gerne Millionäre und Prominente behandeln. Eine Stelle war frei, und da kam ›Tania‹ mit ihrem hervorragenden Zeugnis gerade zur rechten Zeit. Gerne hätte ich Commissaria Debora dazu eingesetzt, aber mein Mädchen mochte es nicht.«

»Mann Gottes! Mach es nicht so spannend«, motzte Volpe, »sag uns endlich, worum es dabei geht. Bekanntlich bin ich im Alpago aufgewachsen, hatte eine wunderbare Romanze in der Berghütte des ›Conte d’Alpago‹ und kenne das Krankenhaus. Was ist faul mit dem berühmten Kasten?«

»Es gibt anscheinend Patienten, die nach der Kur verrücktspielen; dazu der unerklärliche Tod einiger unbeteiligter Personen. Die Carabinieri von Belluno haben bereits ermittelt. Sämtliche betroffenen Männer waren mal in dieser Klinik als Patienten oder als Mitarbeiter, oder es waren Angestellte in der M.I.«

»Gab’s neutrale Obduktionen der Toten?«

»Das haben die Kollegen leider versäumt. Es liegen nur diejenigen vor, die in der Klinik selbst gemacht wurden; daher mein Vorschlag, Orsolina unter neuem Namen einzuschleusen.«

 

 

 

Was ungefähr zur selben Zeit in Padua geschah

 

 

Antonio Antonelli lag in seinem Hotelzimmer im Bett. Er war nicht mehr der Jüngste. In Gedanken war er bei seiner Firma. Das trieb ihm Schweißperlen auf die Stirn, denn jüngere Kollegen versuchten gerade, ihn von der Spitze zu verdrängen. Seit Wochen litt er unter quälenden LichtHalluzinationen.

So schön die flammenden Farben auch leuchteten, so setzten sie ihn dennoch in Panik. Wellen der Angst durchzogen ihn, wenn sie wiederkehrten. War er drauf und dran, den Verstand zu verlieren? Erst kam die Erscheinung alle zehn, dann alle zwei Tage und jetzt einmal täglich, für ungefähr eine Stunde. Wenn es losging, floss ihm der Schweiß in Strömen. Körper und Seele waren wie zerstört. Die Kur im Alpago war für die Katz gewesen; nein, seitdem hatte sich das Leiden erst richtig entwickelt.

Er wusste, dass ihm der nächste Anfall bevorstand und in voller Wucht über ihn hereinbrechen würde. Er wusste, dass er kurz davor war, in die Psychiatrie gesperrt zu werden. Doch nichts in der Welt konnte den Irrsinn jetzt noch verhindern. Dieser Wahnsinn wollte erlitten sein.

Noch hatte er sich einigermaßen im Griff. Um die aufkommenden Kopfschmerzen zu lindern, hatte er vorsorglich fünf Tabletten Aspirin mit viel Wasser in den Magen hinuntergespült, um sich dann aufs Bett fallen zu lassen.

Dann begann der Tanz der Lichter in den Farben des Regenbogens. Seine Augen krampften sich zusammen. Schreien wollte er, aber das Grauen schnürte ihm die Kehle zu. Doch dann gesellte sich zur Lichterscheinung ein schrilles Kreischen und Heulen hinzu. Er biss auf den Lappen, den er sich zwischen die Zähne geklemmt hatte. Verzweifelt rang er nach Atem. Vom Grauen geschüttelt verlor er schließlich das Bewusstsein.

Den Blick starr zur Decke gerichtet, erwachte er geraume Zeit später wieder. Er lag in einem drittklassischen Hotel rücklings auf dem schäbigen Bett. Die Herberge befand sich in der Nähe der Universität, an der man ihn vor rund zwanzig Jahren durch die Prüfung hatte fallen lassen. Das konnte er nie ganz verwinden.

Jetzt holte er seinen Rucksack aus dem Einbauschrank, um ihm einen Revolver zu entnehmen. Nachdem er ihn sorgsam überprüft hatte, mimte er einen zufriedenen Gesichtsausdruck und dachte an die drei Professoren, die ihn aus allen Träumen gerissen hatten; Benito d’Este, den Ordinarius; Francesco Penna, den Vizeprüfer und Cesare Montini, den Vorsitzenden. Inzwischen kannte er ihre Gewohnheiten auf Schritt und Tritt. Heute war der Tag der Rache gekommen.

Während das Fluoreszieren in seinen Augen wieder begann, wusste er aus Erfahrung, dass wenigstens die Kopfschmerzen heute nicht mehr wiederkehren würden. Sein unbändiger Hass überwand alle Grenzen. Er schäumte vor Wut. Zunächst würde er die drei Schufte erledigen, einen nach dem anderen, um sich dann selber eine Kugel in den Kopf zu jagen: nie wieder Kopfschmerzen!

 

 

 

Journalist Alberto Scimmia schreibt im Corriere della Sera

 

 

Dreifacher Mord in Padua: Vor zwei Tagen kam es zu einer Mordorgie an der Universität. Es dürfte sich um die Tat eines Wahnsinnigen handeln. Ihr fielen drei prominente Universitätslehrer zum Opfer; die dottori Benito d’Este, Francesco Penna und Cesare Montini. Als Täter wurde ein gewisser Antonio Antonelli identifiziert, der es vor Jahren zum Millionär gebracht hatte.

Da er sich selber getötet hat, kann er nicht mehr vor Gericht gestellt werden und nach den Motiven der Bluttat befragt werden. Die Carabinieri vermuten freilich Rache als Grund. Die oben genannten drei Professoren hatten ihn nämlich vor ungefähr zwanzig Jahren durch die Prüfung fallen lassen.

Doch das sollte er ihnen eigentlich verziehen haben. Denn statt zum Schullehrer für Latein und Geschichte zu werden, sah er sich gezwungen, ins Management einzutreten, wo er es zu einer Spitzenposition brachte. Geld hatte Antonelli seit Jahren wie Heu. So waren die Morde wohl die Tat wohl die eines Psychopathen. Er hätte sich rechtzeitig einer Therapie unterziehen sollen.

Die drei Professoren wurden gestern unter großer öffentlicher Anteilnahme auf dem städtischen Friedhof beigesetzt. Möge Gott ihnen die ewige Ruhe geben.

 

 

 

Capitano Giulio Marcello hat das Wort

 

 

Stirnrunzelnd legte der führende Kriminalkommissar den Bericht des ihm seit vielen Jahren wohlbekannten Journalisten beiseite. Ihm war aufgefallen, dass es in der vergangenen Zeit etliche Fälle solch blinder Rachsucht gegeben hatte.

Der Täter war jedes Mal ein Mann gewesen und hatte triftige Gründe gehabt, sein Opfer zu hassen. Doch wenn jeder, der jemanden hasst, gleich zum Mörder würde, gäbe es tausende von solchen Fällen. Der Polizeipsychologe hatte ihm erklärt, dass gesunde Menschen bei schlichten Mordfantasien blieben und kaum jemand zur blutigen Tat schritt. Kein einziger Mensch lebe auf Erden, der nicht schon einmal wütend gesagt habe, ›den könnte ich umbringen‹. Zur Tat aber schritten in der Regel nur Verrückte.

Giulio machte sich an die Arbeit, um sämtliche Fälle auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu überprüfen. Seine Ermittlungen ergaben eine einzige kleine Gemeinsamkeit: Die Täter waren zuvor in der berühmten Klinik im Alpago zur Kur gewesen.

Darauf gab Marcello den Carabinieri von Belluno den Auftrag, das Institut unter die Lupe zu nehmen. Die Ermittlungen übernahm Commissario Nicolò La Penna, Chef der Kripo von Belluno. Seine Untersuchung beförderte freilich nur das Allerbeste über die Alpago-Klinik zutage. Damit gab sich Marcello aber nicht zufrieden. Es waren ja nur die Aussagen der Mitarbeiter. Was sonst konnte man von ihnen erwarten? Etwa eine Selbstanzeige?

Giulio sprach bei der Staatsanwaltschaft vor und unterbreitete seinen Plan: Die Ehefrau seines Stellvertreters Ambrosio di Fusco, eine gewisse Orsolina Farinelli, habe sich kürzlich als MTA und Schwester qualifiziert. Sie sei bereit, sich als Mitarbeiterin der Kripo vereidigen zu lassen. Da in der Alpago-Klinik eine solche Stelle vakant sei, müsse es ein Leichtes sein, sie dort als Verbindungsfrau einzuschleusen, und zwar als die ledige ›Signorina Tania Torcello‹. Dann werde man ja sehen.

»Sind Sie verrückt geworden?«, grummelte der Staatsanwalt, »ausgerechnet diese ehemalige Bankräuberin, die ohne den Gnadenakt unseres Staatspräsidenten noch im Knast säße!«

»Orsolina ist voll rehabilitiert, Herr Staatsanwalt. Außerdem habe ich ihr die genannte neue Identität vorbereitete. Wie gesagt, sie wird an der Alpago-Klinik ihre, äh, amtlichen Unterlagen unter dem Namen ›Tania Torcello‹ einreichen.«

»Wenn Sie die Verantwortung für die ehemalige Knastschwester übernehmen, mein Lieber, stimme ich zu. Manchmal sind solch schräge Vögel nützlicher als man denkt. Ist sie wenigstens hübsch?«

Giulio nickte eifrig. Der Staatsanwalt tippte Linas Namen in den Polizei-Computer ein, wartete einen Moment, stieß dann ein spöttisches Gelächter aus und zeigte kichernd auf den Bildschirm. Nachdem er den Beamer betätigt hatte, um ein riesiges Bild an die gekalkte Wand zu werfen, sagte er:

»Reizendes Video Ihrer Freundin, nicht wahr? Tolles Weib!«

 

Zu sehen war eine Motorradszene: Vor dem Hintergrund des herrlichen Sella-Massivs sah man einen Carabiniere mit der rot leuchtenden Kelle einen Motorradfahrer auf den Parkplatz unterhalb der Steilwand winken, auf dem ein Streifenwagen parkte.

Schon erkannte man, dass es sich um eine Person mit weiblichen Kurven handelte, die da im hautengen feinen hellblauen Lederoverall herein bretterte und die Maschine noch einmal kurz aufheulen ließ, um sie dann abzustellen und aufzubocken.

Es war unsere Lina, wie sie leibte und lebte. Sie stand vor ihrer grünen Maschine, nahm den Helm ab, ließ trotzig dreinblickend das feuerrote Kraushaar herabfließen und zog den Reißverschluss des Overalls so tief über herunter, dass der Ansatz eines krausen Fells zu sehen war. Dieses Tun beförderte blanke, leicht gebräunte Haut sowie einen Strick zutage, der um die Taille geschlungen war. Drunter quoll der Bauch hervor, gekrönt vom kreisrunden Nabel.

Das hüftlange Haar drehte sie nun zu einem Zopf zusammen und klemmte es lässig mit der linken Hand in den Spalt zwischen den beiden zur Hälfte hervor lugenden Handbällen.

---ENDE DER LESEPROBE---