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Diesmal berichtet uns Volpe selbst über seinen ersten Fall. Als sich der 25-jährige von den Strapazen des Staatsexamens auf der Berghütte des Grafen v. Alpago erholt, überfallen ihn drei »Gorillas« und schlagen ihn halbtot, weil er den »Glitzerkram« nicht herausrückt, und schon stecken wir mitten drin im mörderischen Drama um eine Firma, deren Buchhalter mit der Kasse getürmt ist, sowie einem Diadem von historischem Millionenwert.
Der junge Volpe versucht die verworrene Lage zu meistern, ohne jedoch einen weiteren Mord verhindern zu können, und gerät in die zarten Hände der flotten Insolvenzverwalterin Sofia, die »erst 39« ist und verliebt sich unsterblich in sie. Arm in Arm (und mehr) stolpern sie durch das Abenteuer, aus dem Volpe mit bleibenden Blessuren, aber um Erfahrung und die Freundschaft mit Ambrosio di Fusco und Giulio Marcello bereichert, als junger Detektiv hervorgeht.
Eine rabenschwarze Kriminalkomödie.
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Meinhard-Wilhelm Schulz
Volpe und
das Diadem
des Basileús
Ein Venedig-Krimi
mit
Privatdetektiv Volpe
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Claudia Westphal nach Motiven mit Steve Mayer, 2023
Korrektorat: Claudia Müller
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Personen des Dramas
Volpe und das Diadem des Basileús
A. Vorbemerkungen des Dr. Sergiu Petrescu
B. Volpes Bericht in 16 Teilen
1. Teil: Ereignis in der Berghütte am Monte Dolada (4. 8. 2009)
2. Teil: Wie ich Chef einer Informatikfirma wurde (5. 8. 2009)
3. Teil: Bei Signore Ghiberti (6. 8. 2009)
4. Teil: Bei Dottore Sofia Lamberti (7. 8. 2009)
5. Teil: Wieder bei Adolfo (am 7. und 8. 8. 2009)
6. Teil: Die Detektei Rossi & Piemontesi (8. 8. 2009)
7. Teil: Von der Berghütte zu Durchlaucht (8., 9. und 10. 8. 2009)
8. Teil: Die Krone ist weg und andere aufregende Dinge (11./12. 8. 2009)
9. Teil: Süße Sofia und Krach um Cesare (13. 8. 2009)
10. Teil: Eine dramatische Wende (14. und 15. 8. 2009)
11. Teil: Die Beisetzung und was danach geschah (16. 8. 2009)
12. Teil: Nach dem Mord (17. und 18. 8. 2009)
13. Teil: Ereignis in Angelas Landhaus (selber Tag)
14. Teil: Auf der Banca Popolare d’Alpago (18. 8. 2009)
15. Teil: Das Windhunderennen (19. und 20. 8. 2009)
16. Teil: Showdown auf der Berghütte (21. 8. 2009)
C. Schluss-Szene, aufgezeichnet von Dr. Sergiu Petrescu
Folgende Bände von Meinhard Wilhelm Schulz sind ebenfalls erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung:
Diesmal berichtet uns Volpe selbst über seinen ersten Fall. Als sich der 25-jährige von den Strapazen des Staatsexamens auf der Berghütte des Grafen v. Alpago erholt, überfallen ihn drei »Gorillas« und schlagen ihn halbtot, weil er den »Glitzerkram« nicht herausrückt, und schon stecken wir mitten drin im mörderischen Drama um eine Firma, deren Buchhalter mit der Kasse getürmt ist, sowie einem Diadem von historischem Millionenwert.
Der junge Volpe versucht die verworrene Lage zu meistern, ohne jedoch einen weiteren Mord verhindern zu können, und gerät in die zarten Hände der flotten Insolvenzverwalterin Sofia, die »erst 39« ist und verliebt sich unsterblich in sie. Arm in Arm (und mehr) stolpern sie durch das Abenteuer, aus dem Volpe mit bleibenden Blessuren, aber um Erfahrung und die Freundschaft mit Ambrosio di Fusco und Giulio Marcello bereichert, als junger Detektiv hervorgeht.
Eine rabenschwarze Kriminalkomödie.
***
Dr. med. Sergiu Petrescu; Arzt aus Rumänien; Redakteur des Buches
Giuseppe Tartini; künftiger Volpe; Ich-Erzähler; Hauptakteur
Alfredo Conte d’Alpago (63); Durchlaucht; Throninhaber; Witwer
Antonio d’Alpago (25): sein einziges Kind; Thronfolger
Adolfo d’Alpago (61): Volpes Stiefvater; Chef einer Informatikfirma
Maria d’Alpago Tartini: seine Frau (2. Ehe); Giuseppes Mutter
Angela d’Alpago (44): sein einziges Kind aus erster Ehe
Amando Amaro (60): sein Schwiegersohn
Simone Ghiberti: führender Mann in seiner Firma
Roberto Allegri: sein Rechtsanwalt und Notar
Dr. med. Augusto Albinoni: sein Arzt
Sebastiano Montini: sein Finanzchef; mit Millionenbeute abgängig
Daniela Montini (ca. 60): Sebastianos Cousine
Sofia Lamberti: flotte Insolvenzverwalterin; ca. 39 bis 45 Jahre alt
Elena (42) und Renata: Hundetrainerinnen
Cesare: berühmter Windhund; gehört angeblich Adolfo d’Este
Salvatore & Eduardo Bernini: Wirtschaftsdetektive
Selma Orsini (70): berühmte Kunstkennerin
Ambrosio di Fusco: Kripo-Mann; Capitano-Anwärter
Giulio Marcello: Capitano bei der Kripo; sein Chef
***
Lettore carissimo! Zunächst einmal darf ich Dir herzlich für die unerschöpfliche Geduld danken, mit der Du die Fülle der von mir herausgegebenen Bücher über meinen großartigen Freund verfolgt hast, den genialen venezianischen Privatdetektiv Giuseppe Tartini, den man wegen des schulterlangen roten Haares, das er gelegentlich in prächtigen Zöpfen vereinigt, und aufgrund seiner überragenden Intelligenz Volpe (der Fuchs) nennt.
Doch wenn ich einst dachte, ihn nach den Jahren gemeinsamen Arbeitens zu kennen, hatte ich mich geirrt. Dass er als Altphilologe, Althistoriker und begnadeter Violinist ein Exzentriker ist, zu dem er vielleicht auch deshalb wurde, weil ihm bereits in jugendlichem Alter die geliebte Frau genommen wurde, habe ich schon mehrfach geschildert.
Auf jeden Fall ist er dem schönen Geschlecht gegenüber von scheuer Zurückhaltung, und wenn er sein zwar strikt verborgenes, aber umso innigeres Gefühlsleben ausnahmsweise einmal einer Signorina gegenüber öffnet, dann darf man davon ausgehen, dass es sich nur um eine solche handelt, die ihm seelenverwandt ist.
Zweimal schon durfte ich beschreiben, wie er der äußerlich keineswegs attraktiven Commissaria Debora in schaurig oder grausig zu nennenden Fällen in letzter Sekunde das Leben rettete, einmal sogar, als man sie bereits lebendigen Leibes beerdigt hatte, bevor er sich in die zehn Jahre ältere »bezaubernde Benedetta« (so mein Buchtitel) verliebte, über deren mörderisches Drama ich kürzlich berichtete.
Als ich es zu Papier brachte, fiel mir auf, wie wenig Volpe den zahllosen Männern ähnelt, für die das Mädchen gar nicht jung genug sein kann, sondern dass er sich eher älteren zuwendet. Als sein Arzt und Psychologe musste ich daran denken, dass er mir noch nie etwas über seine Herkunft, seine Eltern und die Verwandten, insbesondere über seine Mutter oder deren mögliche Geschwister erzählt hatte, denn mir wollte es so vorkommen, dass er sich nach Renatas tragischem Tod eine Art Ödipuskomplex zugelegt hatte.
Doch wie es ihm unmittelbar nach seinem mit Bravour bestandenem Examen an der Universität zu Padua ergangen war, wo er an der von seinem Namensvetter Giuseppe Tartini (1692-1770), dem wahren Begründer des modernen Violinspieles, 1728 gegründeten Akademie studiert hatte, sollte er uns eines Tages selber berichten.
Es war ein trüber Novembertag des Jahres 2020, an dem ich erstmals erfuhr, dass er auch als bedeutender Kunstmaler gilt. Es geschah, während wir, die kleine feine Gesellschaft von Detektiven, im Halbkreis um das Kaminfeuer hocken. In seinem kleinen Palazzo am Calle di Cavallo südlich des Campo dei Santi Giovanni e Paolo saßen wir, Tenente Ambrosio di Fusco, Capitano Giulio Marcello, die Commissarie Benedetta und Debora, um uns von Giovanni mit Snacks und süffig heißem, mit klarem Wasser verdünntem Wein verwöhnen zu lassen.
Schweigend hockten wir beieinander, träumten von längst vergangenen Taten und lauschten dem Heulen des Windes. An der Verbrecherfront war nicht viel los. Die Corona-Epidemie hatte sich wie ein lähmender Mehltau über Europa gelegt.
Es war schon nach acht Uhr abends, als es plötzlich läutete. Giuseppe eilte zur Haustür. Wir hörten ihn eifrig reden. Dann klapperten die Bügel an der Garderobe. Wir hörten Giuseppe sagen, »Donna, darf ich Ihnen aus de Mantel helfen?«, »Donna, darf ich Ihnen die hohen Stiefel aufschnüren?«, oder auch, »Donna, darf ich Ihnen ein Paar Hausschuhe anbieten?«, worauf eine weibliche Stimme, die ein ausgefuchster Frauenkenner wie ich als reizend einstufen musste, antwortete: »Giovanni, prego, ich möchte lieber barfuß gehen.«
»Certo, Contessa mia!«
Und schon führte unser Butler eine Dame herein, deren Aussehen und Ausstrahlung ich als überwältigend empfand. Mit einer feinen Handbewegung verkündete uns Giovanni feierlich:
»Signori, Contessa d’Alpago !«
Raunend erhoben wir uns, sie willkommen zu heißen, denn Volpe hatte sie keineswegs angekündigt. Für eine Frau war sie ziemlich breitschultrig und zu groß, mindestens 1,80 m Ich schätzte ihr Alter auf Mitte Fünfzig. Ihre wunderbar weibliche Gestalt steckte in einem kniefreien trägerlosen Schlauchkleid aus feiner grüner Seide, das ihr dank einer Portion Elastin wie eine zweite Haut angegossen war. Ihr langes Haar war üppig und floss in krausem Strom über Schultern und Brust hinab. Zweifellos war es dunkelrot gefärbt, aber der Farbton passte gut zu ihr. Das Gesicht, welches mich von Ferne an das von Volpe erinnerte, beeindruckte mich mit seiner weiblichen Anmut, kaum gestört durch die feinen Fältchen auf der Stirn und um die ungewöhnlich großen dunkelblauen Augen. Ihr Mund war breit und voll und ließ meine Lippen zucken.
Geschminkt war sie nicht. Schmuck trug sie keinen, hatte aber die Zehennägel rosa gefärbt. Sie ging barfuß, zeigte einen perfekten Wadenschwung und tänzelte überraschender Weise auf den Ballen einher. Ich verliebte mich auf der Stelle in sie, auch wenn sie wohl etwas zu alt für mich war. Warum hatte Volpe sie für heute Abend eingeladen?
Giovanni geleitete sie nun zum freien Platz links von meinem besten Freund. Sie nahm Platz, wobei ihr das Kleid bis zur Grenze des Anstandes am Schenkel emporrutschte, was mir fast einen Ruf des Entzückens entlockt hätte. Volpe war nun eingerahmt durch Benedetta und die Contessa. Schweigend warf sie ihm gewisse Blicke zu, die mir mehr sagten, als Wort es hätten ausdrücken können.
»Giuseppe, ich habe da eine Frage«, sagte Benedetta, die Süße, die nach ihrem Aufsehen erregenden Fall seine Freundin geworden war, in die von Staunen erfüllte Stille hinein und schmiegte sich an ihn, als wollte sie ihn vor der unbekannten Dame schützen.
»Jeder von uns weiß, dass du ein großartiger Geiger bist. Neulich aber hörte ich, dass du auch exzellenter Maler seist. Kann das wahr sein? Was bist du denn eigentlich nicht, mein Schatz? Du hast den Master als Altphilologe, Althistoriker und Musiker gemacht, und jetzt soll ich dir glauben, dass du auch noch bildender Künstler bist?«
Sie löste sich bei diesen Worten von seiner Seite und erhob sich zu ihrer vollen Größe, vergleichbar mit der der Contessa. Auch sie war barfuß und zog sich seufzend, von Liebe, Wein und dem Kaminfeuer erhitzt, das langärmelige grüne Baumwollkleid über den Kopf, um es auf die Lehne des Zweisitzers zu werfen. Schon streckte sie die rötlich behaarten Gazellen-Beine aus dem Höschen und schlängelte sich mit empor gereckten Armen zur Decke, die eher flache Brust herausgewölbt, so dass sich Ihr im Zickzack geschnürtes Mieder zur Ziehharmonika zusammenknautschte. An seinem oberen Ende beschattete eine rosa Tüllborte pikante Dinge, während es im Bereich des von Kraushaar wild umwucherten Nabels einen flachen Bauch sichtbar werden ließ. Das dunkelblonde krause Haar ließ sie über den Rücken hinabfließen.
Ihr Gesicht war fein und oval; dunkle Augen mit prächtigen Augenbrauen; Nase afrikanisch angehaucht; Lippen breit und flächig, rosa gehalten, wie zum Küssen geschaffen; sanft gerundetes Kinn über einem schlanken Hals. Wo ihr Körper unbedeckt war, und das war nicht wenig, schimmerte die Haut ockerfarben und war überall von feinstem Flaumhaar bedeckt. Das erinnerte mich, während ich sie wieder einmal bewunderte, daran, dass sie vor Zeiten einen afrikanischen Urgroßvater im Stammbaum hatte. Auf Schminke und Schmuck verzichtete das berechnende Biest bewusst.
Ich bemerkte im Mienenspiel der goldigen Debora einen Anflug von gelber Eifersucht, obwohl sie ja in festen Händen ist (s. Debora und das Sterben im Giardino Mirifico), und die Contessa, die es bemerkte, brachte ein breites Schmunzeln zustande, während sie Volpe den rechten Arm über die Schulter legte.
»Ach, mit der Malerei ist es nicht so weit her«, sagte er und legte Benedetta, die wieder Platz genommen hatte, den rechten Arm um die Taille, »man behauptet nämlich, mein Stil sei zu konservativ; zu viel Kokoschka, zu wenig eigene Erfindung. Vielleicht hat die Kritik ja Recht, aber ich habe nun einmal keine Lust, abstrakt zu kleckern, obwohl ich das naturgemäß könnte.«
»Hihihi, welch Bescheidenheit des jungen Mannes!«, rief der Capitano in den Raum und verschlang seine gar nicht mehr junge Commissaria mit Augen, »im Museo d’Alpago hat man dir einen besonderen Raum gewidmet. An der Stirnseite hängen zwei Gemälde einer in ganz Europa geschätzten und hübschen Kunstkennerin; einmal ein wirklichkeitsgetreues Portrait aus dem Jahre 2009, als sie bereits Siebzig war; ein zweites als reife Venus am Ufer eines Bergsees vor der grandiosen Kulisse des Alpago, den mächtigen Monte Dolada im Hintergrund. Die übrigen Wände des Musentempels zieren einige Bilder, äh, der Contessa d’Alpago. Eines ist reizender als das andere. Zu sehen ist sie in schönsten Gewändern, mehrfach in einem Nichts von Badekluft, einmal in der Pose der Meerjungfrau von Kopenhagen; alles aus den Jahren 2009 bis 2011. Sie war damals im Alter unserer Benedetta. Er hat sie weiter gemalt bis heute. Viele solcher Gemälde hängen oben im Schloss Derer d’Alpago.
Die Gräfin scheint zu unserem Künstler und Freund ein ganz besonderes Verhältnis zu haben. Ich könnte euch verraten, wie es dazu kam, und wie hoch es dabei zuging, aber das will ich Volpe lieber selber überlassen. Wie wäre es, guter alter Freund, wenn du es den vor beiden Damen und besonders deinem Freund berichtetest?«
Volpe zierte sich, schüttelte den Kopf und wühlte mit der linken Hand im Haarwust der Gräfin, während diese seufzend damit begann, sein loses Haar zu zwei Zöpfen zu flechten. Giovanni sah dem eine Weile schmunzelnd zu, räusperte sich dann und sagte: »Signori, ich wäre in der Lage, Ihnen binnen Minuten Fotos der Kunstwerke mittels Beamer an die gegenüber liegende weiß gekalkte Wand zu werfen. Dann könnten Sie sich, äh, ein Bild davon machen.«
»Gute Idee«, zwitscherte unsere süße Debora, die es kaum noch ertragen konnte zu erfahren, wie sich ihr zweifacher Lebensretter in die um zwanzig Jahre ältere Halbwilde da verknallt hatte, in die er immer noch verliebt zu sein schien.
Ich rief vor Neugier berstend: »Giovanni, lass uns sehen, was Volpe da zustande gebracht hat.«
Im Nu hatte er das Gerät aufgebaut. In rascher Folge huschten nun die genannten Gemälde vor uns vorüber: Eine schöne Frau als Venus vor dem Massiv des Alpago; dann ihr bezauberndes Portrait als alte Dame. Darauf folgten unter stürmischem Applaus und in zeitlich umgekehrter Folge die Bilder der Gräfin, eines hinreißender als das andere; zuletzt das Aktgemälde einer Frau von Mitte Vierzig, die auf einem blank gescheuerten Felsen posierte. Giovanni betonte eilig, er glaube, das Originalgemälde messe zwei mal drei Meter.
Gerade weil Volpe nichts an ihr beschönigt und ihren Körper in seiner morbiden Vergänglichkeit zum Ausdruck gebracht hatte, indem er ähnlich wie Oskar Kokoschka eher mit dem Spatel denn dem Pinsel arbeitete, war es zum Zuschauermagnet des Museo d’Alpago avanciert, wie ich mit gehöriger Verspätung erfuhr.
Wenn der Besucher nämlich den Giuseppe-Tartini-Saal betrat, fiel ihm sofort diese überreife Eva in die Augen, ein ihn herausfordernd anblickendes Biest von ausufernden Formen; ein Weib jenseits jeder Jugend; aber auch das sehnsüchtige Bild der verblühten Schönheit; und dennoch eine begehrenswerte Frau, die sich, bar aller Illusionen, dem Betrachter hingibt, indem sie sagt, so nimm mich doch, mein Geliebter! Sie ist das Gegenteil der edlen Unberührtheit einer aus den sanften Wogen des Meeres gestiegenen Venus von Sandro Botticelli. Mann Gottes! Ich verspürte mehr als nur ein Brennen in den Lippen.
Volpe, der seinen Pappenheimer kannte, bemerkte das natürlich, kicherte unverschämt und sagte: »Nichts für dich, lieber Sergiu! Sie ist vergeben, ist die Gattin von Alfredo, Conte d’Alpago. Aber wir kennen ja dein unstillbares Bedürfnis nach Abwechslung, und es freut mich, dass sie dir gefällt.«
Während Giovanni das Gerät entfernte, um uns anschließend die Gläser aufzufüllen, seufzte Giuseppe und begann über seinen ersten Fall als Detektiv zu sprechen, der ihm nach den Jahren des Trauerns um die sommersprossige Renata, das geliebte knabenhafte Mädchen, eine kurze, aber umso glühendere Romanze eingebracht hatte.
Dass er dabei dem Klabautermann mit Mühe und Not von der Schippe sprang, wobei er Ambrosio di Fusco und Giulio Marcello kennenlernte, sei der Leserschaft hier schon verraten. Nach einem tiefen Zug aus dem Trinkstiefel ließ er seine Hände wieder auf die bloßen Schultern der beiden Süßen zu seiner Rechten und Linken gleiten, die ihm gleichermaßen bewundernd ins Gesicht sahen, und nahm das Wort.
Nach meinen drei Examina fühlte ich mich leer und ausgebrannt. Das von den »Solisti Veneti« angebotene Praktikum schob ich auf die lange Bank und zog mich in die Berghütte meines angeheirateten Onkels Alfredo Conte d’Alpago zurück, die malerisch am Südhang des Monte Dolada in einer Meereshöhe von 1.000 Metern liegt, um dort nichts anders zu tun als zu malen und Geige zu spielen.
Alfredo ist der ältere Bruder meines Stiefvaters Adolfo d’Este, den ich schon deshalb mochte, weil er, nachdem ihm seine Frau weggestorben war, meine Mama geheiratet und mich uneheliches Kind mit in die Ehe genommen hatte. Als Chef einer mittelständischen Informatikfirma zu Belluno hätte er es gerne gesehen, wenn ich Informatik studiert hätte, aber das lag mir nicht; ich bin Künstler.
Alfredo war das Haupt der Sippe d’Alpago, ließ sich mit Durchlaucht anreden und bewohnte den ihm verbliebenen westlichen Flügel des imposanten Castello d’Alpago im rauen Bergland. Den größten Teil des Schlosses hatte er dem Staat und somit der staatlichen Museumsverwaltung überlassen müssen, da er in modernen Zeiten nicht mehr über die Einnahmen der Vorfahren verfügte, es als Ganzes zu halten.
Ich bewunderte den stoischen Gleichmut, mit dem er den Andrang der Besucher ertrug, die alle möglichen Kleinodien seiner Vorfahren, fein säuberlich in Glasvitrinen aufbewahrt, bewunderten … und seine pfiffige Art, mit der er ein hübsches Sümmchen am Fiskus vorbeigeschleust hatte, womit er nun trefflich zu leben verstand. Er war auf seine Weise ein lebenslustiger Mann, der es verstanden hatte, nach Siechtum und Tod der geliebten Frau wieder auf die Beine zu kommen. Gelegentlich allerdings versank er in tiefer Melancholie, denn er war vor Jahren ein einsamer Steppenwolf geworden.
Die drei wertvollsten Dinge aus dem Familienbesitz hatten Alfredo und Adolfo der Allgemeinheit vorenthalten. Zum einen war es die Krone der d’Alpago, die Alfredo eisern unter Verschluss hielt und sich deshalb einem Prozess ausgesetzt sah. Andererseits bewahrte Adolfo den Ring des Dogen Dandolo und das Diadem des Basileús (Krone des byzantinischen Kaisers) auf, ein Beutestück aus dem vom blinden Dogen geführten Vierten Kreuzzeug, in dem man, statt Jerusalem zurückzuerobern, Konstantinopel gestürmt hatte (1204).
Wie die beiden wertvollen Dinge in den Besitz der gräflichen Familie gekommen waren, wusste niemand, und genau das war der Grund für Dottore Selma Orsini, deren Bilder wir oben sahen, alle drei Gegenstände verbissen für die Allgemeinheit zu beanspruchen.
Doch als der Rechtsstreit seinem Höhepunkt entgegenging und Selma ihre vorübergehende Beschlagnahme durchgesetzt hatte, waren sie spurlos verschwunden. Eine im Westflügel des Schlosses durchgeführte Haussuchung samt eingesetzten Metalldetektoren verlief ergebnislos; ebenso eine zweite in Adolfos Firma mit ihren 500 Mitarbeitern.
Frau Dr. Orsini schwor Rache und verkündete, sie werde nicht ruhen, nicht rasten, bis sie die historischen Gegenstände für ihr Museum sichergestellt habe. Adolfo und Durchlaucht hatten für solchen Fanatismus nur ein müdes Lächeln übrig.
Nun also hockte ich in besagter Berghütte, übte die Teufelstrillersonate meines Namensvetters Tartini oder malte Bilder der bezaubernden Gegend, als sich das Mobilphon störend einmischte. Mama war am Apparat und teilte mir mit, Adolfo habe binnen einer Woche mit Mühe und Not eine Folge von vier Herzanfällen überlebt. Es ginge ihm schlecht, und Dr. Albinoni enthalte sich der Prognose.
Obwohl Adolfo nicht mein richtiger Vater war, überkam mich dennoch große Bestürzung, denn ich war ihm sehr zugetan. Daher wollte ich Einzelheiten wissen; ich war besorgt, ich fragte, ob er ans Telefon gehen könnte, um mit mir zu sprechen. Sie entgegnete, er liege im Bett und schlafe. Augusto Albinoni sage, er brauche Ruhe, nichts als Ruhe. Die Aufregung der letzten Zeit habe ihm zugesetzt.
»Soll ich kommen, euch zu helfen?«, fragte ich.
»Nein, das ist nicht nötig. Bleibe du in der Hütte, spiele Geige und erhole dich vom Prüfungsstress! Wir haben unsere erprobte Dienerschaft und kommen schon klar.«
Mama war von stoischer Art. Das war ein Geschenk der Natur, denn sie war in abgeschwächter Art eine hochintelligente Asperger-Autistin und damit von einer Ruhe und Gelassenheit, die der übrigen Menschheit abgeht. Für den unbedarften Zeitgenossen war sie nichts als ein Eigenbrötler und damit das, was ein ausgelaugter Firmenboss braucht, um zuhause eine beschauliche Atmosphäre zu finden.
Sie lachte selten und weinte nie; wie sie mir sagte, nicht einmal, als sie ihr Freund, mein biologischer Vater, auf Nimmerwiedersehen verließ, während sie mit mir schwanger ging. (Sie war damals bereits Ende Dreißig.) Der Schuft soll in die Staaten ausgewandert sein und ist seitdem verschollen. Ich kenne nicht einmal seinen Namen.
Mir hat Mama übrigens neben dem Verstand einige ihrer Eigenschaften vererbt. Auch ich gelte als Stoiker; auch ich kann ohne Gesellschaft leben; auch ich lache und weine so gut wie nie.
Als ich elf geworden war, heiratete sie den verwitweten Grafen Adolfo d’Alpago und verschleppte mich damit in den Palazzo eines fanatischen Windhundezüchters und Inhabers einer mittelständischen Firma, der mich mit ungeahnter Güte und Menschenfreundlichkeit aufnahm und zum Stiefbruder seiner bereits erwachsenen Tochter Angela machte. Ich hatte nichts gegen sie, was leider nicht auf Gegenseitigkeit beruhte und zuletzt in einer mörderischen Katastrophe mündete.
Adolfos einziger Fehler bestand darin, dass er nicht allzu viel von meinen Studienfächern hielt, die er gerne als brotlose Kunst bezeichnete, während mir sein Bruder, Durchlaucht genannt, umso zugetaner war, denn er spielte gar nicht schlecht auf dem Cello und dilettierte als Landschaftsmaler. So kam es, dass ich immer wieder bei ihm zu Besuch war und mich mit seinem Sohn Antonio anfreundete.
Durchlaucht prophezeite mir eine große Zukunft, und ich bedankte mich dafür, dass ich ihm entweder einige der geliebten Solosonaten von Bach vorspielte oder mit ihm ein Duett bildete, falls wir uns nicht stundenlang in eine Partie Schach vertieften.
Die Belohnung für all das war jetzt mein kostenloser Erholungsurlaub in der Berghütte am Monte Dolada. Wenn er so reich wie seine Vorfahren wäre, pflegte Durchlaucht zu sagen, dann würde er mir jede Menge meiner Gemälde abkaufen und im Schloss aufhängen. Ich nickte dann ergeben, denn ich hatte auch so schon ein paar betuchte Kunden.
(Ich, Petrescu, rief jetzt dazwischen, ich hätte leider noch nie ein Bild von ihm im Original gesehen. Volpe erwiderte, ich brauche nur an das großformatige Ölgemälde die Akropolis von Athen im Korridor seines Palazzos zu denken, dann könne ich mir ein Bild davon machen.)
Jetzt aber hatte ich mich entschlossen, ein Jahr lang in Alfredos Berghütte zu verbringen, spartanisch zwar, aber nicht ganz so schlicht wie weiland Diogenes in seinem Fass, um in Ruhe Violine studieren und malen zu können. Durchlaucht hatte sich als Miete lediglich ein großes Bild seines Schlosses erbeten und bereits erhalten. Es zeigte vor der Kulisse des Lago di Santa Croce den wilden Alpago und das auf einem Felsvorsprung erbaute Schloss im Hintergrund, überragt vom Monte Dolada. Durchlaucht war begeistert. Daraufhin stellte ich einige Kopien her und verscherbelte sie an den Kunsthändler.
Jetzt hockte ich vor der Hütte, überblickte auf dem Smartphone mein fernes Bankkonto und war mit seinem Stand zufrieden. All die fünf gelieferten Bilder waren pünktlich bezahlt worden. Dazu war noch ein Angebot der Solisti Veneti eingetrudelt, denn Maestro Claudio Scimone hatte meine Bestnote im »Istituto Giuseppe Tartini« imponiert.
Meine luftige Wohnstätte war ungefähr hundert Jahre alt. Ein Vorfahre von Durchlaucht hatte sie als Jagdhütte errichtet, auf der natürlichen Terrasse unmittelbar vor einer Felswand mit herrlichem Blick hinunter ins Tal und über das blaue Juwel des Lago di Santa Croce. Ein gewundener geschotterter Weg führte zu einem Parkplatz herauf, von dem aus der malerische Ort in wenigen Minuten erreicht werden konnte. Der einsame Wanderpfad führte rund einhundert Meter östlich der Hütte vorbei, aber manchmal nahmen Touristen den Abzweig zu mir herüber, um mir beim Geigen zuzuhören oder beim Malen über die Schulter zu sehen. Manch einer bestellte ein Bild von mir.
Ich legte das Telefon beiseite und starrte erstaunt nach unten. Ein uralter Lada-Geländewagen mit Minianhänger quälte sich bergan und wurde schließlich am genannten Ort geparkt. Drei Männer der Marke Kleiderschrank stiegen aus und schnauften zu mir herauf. Ihr aufgeregtes Geschnatter drang misstönend in meine Ohren; zweifellos sizilianischer Slang. Dann waren sie zur Stelle und bauten sich drohend vor mir auf. Ihr Anführer sagte, sie wollten den Kerl sprechen, der hier hause.
»Das bin ich«, sagte ich freundlich, »womit kann ich dienen?«
Meinem Gegenüber schwoll die Rübe zur roten Riesentomate an; er ballte die Fäuste und brüllte:
»Her mit dem Glitzerkram, oder wir polieren dir die Fresse!«
»Glitzerkram? Verstehe ich nicht. Wollt ihr Geld? Oder was?«
Ich gab mir Mühe, gelassen zur Hütte zu schlendern. Die drei trampelten wütend hinter mir her, und jetzt machte ich den Fehler, nicht vor ihnen wegzurennen. Diese Schwergewichte hätten mir auf keinen Fall folgen können.