Tod der Rosanna Leoncavallo – Ein Adria-Krimi mit Detektiv Volpe - Meinhard-Wilhelm Schulz - E-Book

Tod der Rosanna Leoncavallo – Ein Adria-Krimi mit Detektiv Volpe E-Book

Meinhard-Wilhelm Schulz

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Beschreibung

Eine mondäne Donna von Sechzig mit ›bewegtem Vorleben‹ hat das dumpfe Gefühl, jemand halte sich während ihrer Abwesenheit in ihrer Wohnung auf, obwohl nichts gestohlen oder beschädigt wurde. Sie bittet um Polizeischutz. Doch Commissario Ambrosio di Fusco und Freund Volpe halten sie für übergeschnappt. Prompt wird sie ermordet. Jetzt beginnt eine fieberhafte Jagd nach dem Täter …
Ein neuer Adria-Krimi aus der »Feder« von Meinhard-Wilhelm Schulz.

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Ähnliche


 

 

 

 

Meinhard-Wilhelm Schulz

 

 

Tod der

Rosanna Leoncavallo

 

 

 

 

Ein Adria-Krimi

mit

Privatdetektiv Volpe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Claudia Westphal nach Motiven, 2023

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Das Copyright auf den Text erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren, es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen , welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv, 13.07.2023. 

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

1. Teil: Dienstag, 28. Juli 2022, im Calle di Cavallo No. 1 

2. Teil: Am Freitag, 31. Juli 2022 

3. Teil: Freitag, 31. Juli 2022 (Fortsetzung) 

4. Teil: Samstag, 1. August 2022 

5. Teil: Montag, 3. August 2022 

6. Teil: Mittwoch, 5. August 2022 

7. Teil: Donnerstag, 6. August 2022 

8. Teil: Bei Ferrucio Cane, 6. August2022 

9. Teil: Freitag, 7. August 2022 

10. Teil: Das Ende, 7. August 2022 

11. Teil: Cena bei Volpe, Sonntag, 4. September 2022 

Folgende Bände von Meinhard Wilhelm Schulz sind ebenfalls erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung: 

 

Das Buch

 

 

 

Eine mondäne Donna von Sechzig mit ›bewegtem Vorleben‹ hat das dumpfe Gefühl, jemand halte sich während ihrer Abwesenheit in ihrer Wohnung auf, obwohl nichts gestohlen oder beschädigt wurde. Sie bittet um Polizeischutz. Doch Commissario Ambrosio di Fusco und Freund Volpe halten sie für übergeschnappt. Prompt wird sie ermordet. Jetzt beginnt eine fieberhafte Jagd nach dem Täter …

Ein neuer Adria-Krimi aus der »Feder« von Meinhard-Wilhelm Schulz.

 

 

***

 

 

Die Akteure

 

a. Detektive & Co.

• Ambrosio di Fusco: Tenente Commissario im Veneto

• Eduardo La Penna:  Commissario (Chioggia)

• Debora Rainone: Commissaria (Venedig-Veneto)

• Giuseppe Tartini ›Volpe‹: Geiger, Maler; Privatdetektiv (Venedig)

• Dr. med. Sergiu Petrescu: sein Freund; Hrsg. dieses Bandes.

 

b. Rosanna und ihr Umfeld

• Rosanna Leoncavallo: ein ›verrücktes Huhn‹ von Mitte Sechzig: wohnhaft in der ›Fondamenta di San Severo No. 11‹ am gleichnamigen ›Rio; Stadtteil ›Castello; zehn Gehminuten (nach Nordwest) zum ›Campo dei SS. Paolo è Giovanni, an dessen Rand ›Volpe‹ lebt.

• Carlo Bergonzi: ihr verstorbener zweiter Mann

• Alberto d’Este: ihr verstorbener erster Mann

 

• Elisabetta (›Lisa‹) Brunelleschi (44; ledig): ihre Nichte:

Erbin; ›Calle dei Forlani‹, zehn Gehminuten östlich der Tante

• Rita Brunelleschi (26): Lisas einziges Kind:

ledig; Rockmusikerin; keine feste Adresse

• Onesta Cherubini, ›La Giraffa‹ (ca. 40): Lisas Geliebte; ExBardame mit dem ersten Wohnsitz in einer Pension am Bahnhof.

 

c. die übrigen Akteure

• Matteo Aquila: Untersuchungsrichter

• Ferrucio Cane: Multimillionär; Palazzo am Vena-Kanal (Chioggia)

• Enzo Cavalli: junger Mann in Rosannas Haus

• Giorgio Paganini: Zoohändler im EG von Rosannas Haus

• Ruggiero Ricci: Kellner in der Bar ›La Baita‹; Vena-Kanal; Chioggia

 

 

***

1. Teil: Dienstag, 28. Juli 2022, im Calle di Cavallo No. 1

 

Es war ein heißer Tag. Volpe lag apathisch auf dem Diwan und war in Gedanken bereits auf der nächsten Tournee, als Erster Geiger der Solisti Veneti, als Rosanna Leoncavallo aufgeregt vor seinem kleinen Palazzo auf und ab tigerte, solange, bis Giovanni, der Butler, seinen Chef auf die flotte Alte da unten im Schatten der engen Gasse aufmerksam wurde. Sie war nicht mehr die Jüngste, hatte sich aber eine beneidenswert jugendliche Figur bewahrt.

Rot gefärbtes in Locken gelegtes Kurzhaar umwölkte ihr fein geschnittenes, über und über sommersprossiges Gesicht mit der langen spitzen Nase und den blassrosa gehaltenen wulstigen Lippen, die sie erregt kräuselte. Augenbrauen und Wimpern hatte sie pechschwarz gefärbt. Um den schmalen Hals herum klimperte ein silbernes Kettchen, an dem ein rotes Herz aus Rubin baumelte.

Bis auf die Spinnenfäden der Träger eines auf den Körper geklebten hellgrünen gerippten Bustiers trug sie die knochigen Schultern frei und ließ ihre beiden nicht mehr taufrische Halbkugeln bis an den oberen Rand der Brustwarzen hervorquellen, was sonst keine einzige wohlerzogene Donna der Serenissima getan hätte.

Ja, sie führte sogar ungeniert den brettebenen Bauch um den Nabel herum vor und ließ die breite Blöße erst an der silbernen Schnalle des mächtigen schwarzen Gürtels enden, der sich allzu tief in die breiten Hüften grub und ein dunkelgrünes Dreieckshöschen am Abstürzen hinderte. Daraus hervor streckte sie in voller Länge ihre haarlosen, auffällig muskulösen Schenkel, die leicht auswärts gebogen waren und durchaus weibliche Formen aufwiesen.

Goldene Ketten klimperten oberhalb der hübsch gewölbten Füße mit ihren grün lackierten Nägeln. Sie war barfuß daher gekommen, und ihr rascher Gang verriet, dass sie daran gewöhnt war; kurz: Rosanna war eine Type, nach der die Männer (und manche Frauen) gerne die Hälse verdrehen.

»Das verrückte Huhn ist trotz aller Show, die sie da abzieht, Anfang Sechzig, verwitwet, aktive Reiterin, wie die O-Beine sowie die Schwielen an der Innenseite der Knie verraten. Natürlich will sie mich sprechen. Dass sie allerdings nicht ganz richtig im Kopf ist, sieht sogar der Blinde mit dem Stock«, murmelte Volpe gelangweilt. Aufgetakelten Fregatten kann er nichts abgewinnen. Giovanni nahm das Wort:

»Mir gefällt sie. Warum auch sollte sie sich als Oma kleiden? Flott auszusehen, ist doch kein Vorrecht der Jugend! Gestern, als ich freien Tag hatte, begegnete ich ihr am Strand der Insel Lido. Ich sah sie nur von ferne, aber das genügte. Sie steckte nämlich im knappsten Bikini, den ich jemals sah und sprang kopfüber vom Fünfmeterturm in die Fluten, die Arme an den Körper gedrückt, ein Augenschmaus. Wäre sie zehn Jahre jünger, hätte ich mich in sie verliebt. Sie wäre was für Freund Petrescu. Soll ich sie hereinbitten?«

»Nein, bitte nicht! Ich bin heute nicht in Stimmung. Geh hinaus und sag ihr, sie soll am Freitag den 31. Juli pünktlich um elf Uhr an der Pforte läuten. Zuvor aber mag sie die Inschrift neben dem Eingang lesen und sich gefälligst danach richten!«

 

(Alte Volpe-Freunde wissen, was gemeint ist. Dort steht nämlich auf einer hübschen Kachel: »Quando entrate salutate! Quando uscite, fatevi i cazzi vostri – wenn ihr eintretet, grüßt! Wenn ihr hinausgeht, macht, dass ihr davonkommt/abhaut!«)

 

Kurz darauf kam Giovanni zurück. Volpe tat, als schliefe er. Sein Butler kicherte und sagte:

»Das Mädchen ist wirklich allerliebst; eine prächtige Süße! Sie hat mir ihren Kummer gebeichtet und wartet auf deine Antwort.«

»Und weshalb will sie uns belästigen?«

Giovannis Kichern ging ins Lachen über. Glucksend sagte er:

»Sie wohnt gar nicht weit von hier, in der ›Fondamenta di San Severo‹ und hat eine tolle Geschichte auf Lager.«

»Dann schieß mal los, mein Lieber!«

»Nun, sie ist anscheinend verrückt, denn sie behauptet, in ihrer Abwesenheit betrete ein Unbekannter ihre Etagenwohnung.«

»Hinterlässt der Eindringling Spuren?«  

»Nicht die Bohne, aber die Süße fühlt es in allen Knochen.«

»Wurde was geklaut?«

»Kein Streichholz, aber irgendwie, so sie, stehe der eine oder andere Gegenstand nicht mehr ganz genau an der alten Stelle. Sie sei eine Ordnungsfanatikerin, sonst wäre es ihr nicht aufgefallen, sagt sie und hat jetzt Todesangst, ohne es begründen zu können.«

Volpe gähnte und murmelte:

»So ein Blödsinn! Sag ihr, ich hätte für solch alberne Lappalien keine Zeit. Sie soll sich an die Carabinieri wenden, am besten an Ambrosio oder die goldige Debora.«

Giovanni ging und kam gleich wieder zurück:

»Sie ist stocksauer. Sie sagt, in den Büchern, die Dr. Petrescu über deine Fälle verfasst hat, stehe, dass dich solch skurrile Fälle wie ihrer am meisten interessierten. Sie bestehe darauf, dass du sie vorließest und ihren Fall übernähmest.«

»Gut, so richte ihr denn aus, sie möge sich bis Freitag gedulden. Ich sehe nämlich keinen dringenden Handlungsbedarf. Wenn der Eindringling, falls es ihn überhaupt gibt, vorhätte, ihr ans Fell zu gehen, hätte er es längst getan. Wenn überhaupt, sucht er was, das für ihn von Wert ist. Ansonsten ist er weder auf Raub noch auf Mord aus. Sag das deiner Süßen! Wenn du es hinter dich gebracht hast, rufe Sergiu (Dr. Petrescu) an und bitte ihn, an diesem Tag in meiner Wohnung anwesend zu sein. Es könnte sich ein Fall daraus entwickeln, den er in seine Sammlung aufnehmen möchte.«

Kichernd rieb sich Volpe die Hände und holte die kostbare Stradivari aus dem Kasten, während Giovanni nach draußen eilte, um die Bezaubernde endgültig abzuwimmeln.

Eine oder zwei Stunden übte Volpe schon mit Feuereifer die kniffligsten VirtuosenStücke einiger Barockkomponisten, als ihm Butler Giovanni süffisant grinsend das schnurlose elfenbeinerne Telefon auf einem Silbertablett brachte. Volpe hörte mitten in den teuflisch schwierigen Trillern der Teufelstrillersonate auf, legte die geliebte Stradivari auf ein samtenes Tuch, nahm den Hörer zur Hand und meldete sich mit »Giuseppe Tartini.«

»Wohl wahnsinnig geworden, Volpe«, schnarrte Ambrosios markanter Bariton aus der Muschel, »du schickst mir da eine verrückte Oma auf den Hals, die aus zehn Metern Entfernung wie ein Teenager aussieht. Wir bei der Kripo haben es zur Genüge mit Mord und Totschlag, mit Raub und Diebstahl zu tun, und da kommt diese aufgetakelte, hihihi, Filmdiva daher und verlangt Polizeischutz, weil ihrer Meinung nach zwei drei Dinge in der Wohnung nicht hundertprozentig an der richtigen Stelle liegen.

Ich bin Commissario und kein Irrenarzt. Sieh zu, wie du mit der kessen Alten klarkommst. Ich jedenfalls habe Besseres zu tun. Vielleicht könnte sich Freund Sergiu, der gute alte Doktor, der verstörten Seele annehmen.«

Bevor Volpe noch etwas erwidern konnte, hatte der Tenente bereits den Hörer auf die Gabel geschmettert. Volpe zuckte mit den Achseln und widmete sich wieder der Teufelstrillersonate.

 

 

2. Teil: Am Freitag, 31. Juli 2022

 

Volpe hatte weder Zeit noch Lust, die kesse Donna zu empfangen. In Gedanken war er bereits auf Amerikatournee. So gab er Sergiu, der am Abend zuvor eingetroffen war, den Auftrag, die zehn Minuten vom ›Calle di Cavallo‹ (Pferdegasse) hinüber in die ›Fondamenta di San Severo‹ zu gehen, um Rosanna dort gegen neun Uhr zu Hause abzufangen und den Fall dort mit ihr zu besprechen. Giovanni hatte ihm von der Schönheit der Donna dergestalt vorgeschwärmt, dass ihm unterwegs ganz kribbelig wurde.

Im Wasser des ›Rio San Severo‹ spiegelte sich das Haus. Sergiu war am Ziel der Reise angekommen und stiefelte die Treppe in den dritten Stock hinauf, um an der Tür zu läuten, auf der ein Messingschild mit dem Namen der Angebeteten prangte. Doch bevor er den Klingelknopf drücken konnte, stellte er fest, dass sie nur angelehnt war und in der Zugluft leise knarrte. Starker, stechender Parfümgeruch wehte ihm durch den Spalt entgegen.

Sergiu zog es jetzt vor, dezent anzuklopfen. Er tat es zweimal, ohne dass ihm eine Antwort gegeben wurde. Da schob er die Tür weiter auf, ging einen Schritt ins Dämmerlicht der Wohnung hinein und stieß mit den Füßen gegen etwas Weiches. Als er den Lichtschalter drückte, sah er eine Frauenleiche vor sich liegen, die in allen Details dem entsprach, was Giovanni ausposaunt hatte.

Rosanna lag auf dem Rücken am Boden, ein Strick um den Hals, das Gesicht grässlich verzerrt; Mieder und Höschen mal wieder ihre einzigen Bekleidungsstücke; der Körper von bewundernswerter Anmut; neben ihr ein Schlüsselbund; hinter ihr das reinste Chaos. Man hatte zumindest im Wohnzimmer das Unterste zuoberst gekehrt. Ein Blick durch die offen stehende Tür des Schlafzimmers zeigte das Gegenteil. Einige nur halb geschlossene Schubladen bewiesen aber, dass der Mörder auch dort nach dem geheimnisvollen Gegenstand gesucht hatte.

Ein betörender Duft benahm dem Doktor den Atem. Mindestens ein Dutzend Sprühfaschen aus der üppigen Kosmetikabteilung der Toten waren in und über der Wohnung ausgeleert worden. Dazu war der gesamte Inhalt verschiedener Ampullen voller Nagellack in Rot, Rosa, Grün und Blau gekippt worden. Alles, aber auch alles war damit benetzt und befeuchtet und besudelt.

Geschockt stolperte Sergiu ins Treppenhaus zurück, ohne sich dabei umzudrehen und zückte sein Mobiltelefon, um den überfälligen Notruf abzusetzen. Dann informierte er seinen Freund.

Wenige Minuten darauf erschien Volpe. Er war noch ganz außer Atem, denn er hatte die Strecke in fünf Minuten bewältigt. Bis das Polizeiboot mit Tenente di Fusco und Commissaria Debora Rainone eintraf, verging fast eine halbe Stunde. In Venedig muss man etwas mehr Geduld als anderswo aufbringen, wenn man nicht verrückt werden will. Doch dann waren auch die beiden da, samt einem jungen Commissario-Anwärter, der das Boot gelenkt hatte.

Ambrosio warf nur einen kurzen Blick in die Wohnung und orderte umgehend die Beamten der Spurensicherung samt dem Staatsanwalt, denn hier lag zweifellos ein Gewaltverbrechen vor. Die Dame von gegenüber sagte, sie habe sich schon gewundert, dass die Tür seit Stunden nur angelehnt gewesen sei.

»Haben Sie verdächtige Geräusche gehört?«, fragte Ambrosio.

»Nicht das Mindeste; ich verfüge über einen guten Schlaf.«

 

Während der Trupp seine Routine ausspielte, befragten Volpe, Ambrosio und Debora die anderen, aus allen Türen gequollenen Mitbewohner des Hauses. Doch keiner wusste einen Grund, weshalb jemand die überkandidelte Frau ermordet haben könnte. Keiner wollte eine verdächtige Person ins Haus kommen sehen haben. Übereinstimmend sagte man, Rosanna habe keinen Feind gehabt und sei auch nicht reich genug gewesen, um sie zu überfallen und Beute zu machen. Alle beteuerten, dass sich in ihrer Wohnung keine Wertgegenstände befunden hätten. Ihr Bisschen Geld habe sie wohl bei der ›Banca Popolare‹ gebunkert und keineswegs im Sparstrumpf untergebracht.

Dem war zunächst auch so, wenn auch anders als erwartet, denn unverhofft kommt oft. Im Durcheinander der Wohnung fand sich nämlich ein Sparbuch über 300.000 Euro, das der Täter als unbrauchbar liegen gelassen hatte.

Für sämtliche Bekannte war dies eine große Überraschung. Niemand hatte sie für so vermögend gehalten, auch wenn sie nie über Geld geredet hatte. Ihre bescheidene Wohnung im Mietshaus schien auf das Gegenteil hinzudeuten. Es war ihr streng gehütetes Geheimnis gewesen. Warum also sollte sie ausgerechnet deswegen hingemordet worden? Das ergab doch keinen Sinn.

 

Ihr Lebenslauf, den Ambrosio sofort durch seine Assistenten anfertigen ließ, ergab nichts Auffälliges und war rundum prosaisch, abgesehen von ein paar pikanten Einzelheiten:

Mit Neunzehn heiratete und ernährte sie den verarmten Conte Alberto d’Este, der es in Venedig immerhin zu einem stellvertretenden Stadtrat gebracht hatte. Er war fünfzehn Jahre älter als sie. Vielleicht war es eher der Name als der Signore, den sie ehelichte. Kinder kamen keine. Der Graf war pleite. Es war lange ein Rätsel, wie Rosanna ohne jeden Beruf den Haushalt schmeißen konnte.

Als sie Dreißig war, starb der Graf. Man munkelte, er habe sich zu Tode gesoffen. Nicht lange, und sie ging eine zweite Ehe ein. Der Glückliche nannte sich ›Carlo Bergonzi‹. Auch er war erheblich älter als unsere Süße. Sie hatte sich wohl in die schmucke Uniform des VaporettoKapitäns vergafft. Von nun an musste sie sich aber damit abfinden, dass ihn auch andere Damen anhimmelten, was dem Guten zu Kopfe stieg. Nachdem Rosanna das zwanzig Jahre ausgehalten hatte, besaß er die Güte, sich in die bessere Welt zu begeben und machte sie mit Fünfzig  zum zweiten Mal zur Witwe. Sie soll ihm keine Träne nachgeweint haben.

Dass sie ausgerechnet von diesen beiden Tunichtguten das oben erwähnte Vermögen geerbt haben könnte, erwies sich bei kürzestem Nachdenken als absolut unmöglich. Woher also hatte diese schlichte Hausfrau und Nichtmutter, welche nie berufstätig gewesen war, die erforderlichen Moneten aufgebracht, sich und ihren jeweiligen Gebieter standesgemäß zu ernähren?

Auch diese Frage führte der Tenente einer befriedigenden Lösung zu: Bevor Rosanna sich mit knapp Sechzig ins Privatleben zurückzog, hatte sie höchst erfolgreich als ›Call Girl‹ gearbeitet und war in gewissen Kreisen als ›Anna la Dolce‹ bekannt. Mit dem Gesetz war sie allerdings nie in Konflikt geraten. Ihr Ruf war makellos. Nicht einmal das Finanzamt hatte etwas an ihr auszusetzen, und das ist grenzt in heutigen Zeiten an ein Wunder.

Sergiu erinnerte sich jetzt lebhaft, sie gelegentlich am Strand der Insel Lido in höchst frivoler Montur auf Männerfang gehend gesehen zu haben. Man munkelte, sie sei in jungen Jahren eine der ersten dieser venezianischen Schlangen gewesen, die sich trauten, ohne das BikiniOberteil am Strand zu flanieren. Jetzt pries er sich glücklich, dass er sie nicht angequatscht hatte, obwohl er kurz davorgestanden war.

Ja, Rosanna war bis zuletzt ein Blickfang gewesen, aber das war nun für immer vorbei, und über Tote sagt man als braver Mensch nur Gutes. Machen wir es kurz:

Volpe und Ambrosio waren doppelt entsetzt über ihr Hinscheiden; einerseits, weil sie eine so lebensfrohe Natur gewesen war; andererseits, weil sie es unisono abgelehnt hatten, ihr den erbetenen Schutz zu gewähren. Jetzt war sie mausetot. Der Tenente und besonders Volpe empfanden schmerzlich den Stachel des Schuldgefühls und eines umfassenden Versagens.

Gab es Verwandte der Ermordeten? Volpe und Debora befragten die Mitbewohner des Mietshauses. Alle waren sich einig, dass Rosanna eine Nichte gehabt hatte, eine gutaussehende Donna von ungefähr Vierzig, die früher Amateurboxerin gewesen sein sollte, Mutter einer unehelichen Tochter von vielleicht Zwanzig. Sie sei höchstens einmal pro Vierteljahr vorbeigekommen und habe kein herzliches Verhältnis zur Tante gehabt.

Ihre Tochter habe man noch seltener gesehen, ein rechtes Flintenweib, das zum Vergnügen gewisser Männer in einer Weiberband Gitarre spiele und dazu singe.

Ambrosio wollte den Namen der Gesuchten wissen, doch niemand kannte sie, geschweige denn den Wohnort der beiden. Ambrosio schüttelte missmutig den Kopf, weil da eine Menge langweiliger Arbeit auf ihn zukam. Volpe hingegen meinte:  

»Wozu die Umstände? Das Mädchen dürfte sich in Kürze melden, und das, sobald der Mord von den Medien ausposaunt wird. Schließlich ist sie ja die lachende Erbin.«

Sergiu nahm das Wort; er sagte:

»Als ich über die Leiche stolperte, stieg mir ein stechender Duft in die Nase. Alles stank nach verschiedenen Parfümsorten.«

»Der Täter hat, um seine Spuren zu verwischen, die Wohnung der Toten mit dem Inhalt von allen möglichen Spraydosen besudelt. Alles stinkt und ist klebrig. Er hat dazu sogar die Sprühflaschen für die Toilettenreinigung und der Spüle in der Küche geleert«, sagte Debora wichtigtuerisch, denn der Sachverhalt war klar.

»Mal was Neues; hübsche Methode, der Kripo die Spurensuche zu vermasseln«, grunzte Volpe; Sergiu meinte:

»Vielleicht sollte man den Mörder unter ihren früheren Lovern suchen. Wurde sie vergewaltigt? Gibt’s Spuren von Gewalt?«

Doktor Federico Fellini von der Gerichtsmedizin war soeben aus dem Zimmer gekommen. Er hatte gehört, was Sergiu von sich gegeben hatte und sagte ungefragt:

»Die Donna wurde mit einem Strick erwürgt. Das ist alles. Der Mörder hat sich nicht an ihr vergangen.«

»Gibt es Spuren eines Kampfes oder Ähnliches?« fragte Volpe.

»Nicht die geringsten; Körper und, hihihi, das Bisschen Kleidung, das sie trägt, sind intakt.«

Die Spurensuche war mittlerweile abgeschlossen. Drei Beamte verließen missmutig und kopfschüttelnd die Wohnung. Ihre Arbeit war im Sande verlaufen. Ambrosio und Volpe ließen sich von Dr. Fellini zur Leiche geleiten. Der Arzt zeigte auf die Schnur, die um Rosannas Hals zugezogen war. Es handelte sich um einen grauen Strick, der von einem roten Faden durchwirkt war.

Stumm, starr und still verharrten die Männer samt Debora um die Tote, die noch jetzt ein Bild der Anmut war. Die Fenster standen weit, weit offen, um den Gestank hinauszulassen. Unten vor dem Haus zwitscherte ein Vogel. Leise plätschernd ruderte ein Gondoliere seinen Kahn vorüber; dann wieder Stille; Totenstille; kein Windhauch. Bleiern lastete in der sommerlichen Hitze die faulige Luft des ›Rio San Severo‹ über der Gegend. Die Nachbarn hatten sich schweigend in ihre Wohnungen zurückgezogen.

Volpe war in Gedanken bereits auf Tournee. Sergiu dachte an seine Praxis in Jesolo und die vielen Deutschen, die ihn zu dieser Zeit aufsuchten. Ambrosio haderte mit sich selber und dachte nur noch daran, wie er den Mörder dieser schönen Frau zur Strecke bringen könnte, um die Scharte seines Versagens auszuwetzen. In die Stille hinein sagte Debora tonlos:

»Seit wann ungefähr ist sie tot?«

»Das weiß ich noch nicht genau«, erwiderte Fellini, »aber vermutlich seit gestern Abend gegen neunzehn oder zwanzig Uhr. Näheres wird die Autopsie ergeben.«

»Musste sie lange leiden?«, fragte Volpe.

»Sie war nach wenigen Minuten bewusstlos. Doch jetzt entschuldigen Sie mich, Signori! Es warten andere Fälle auf mich. Eine Dame meldet eine schwierige Geburt.«

Fellini ging und ließ die Detektive bei der Leiche zurück. Sie hätten an einen solchen Anblick gewöhnt sein müssen, doch diesmal war es anders. Fassungslos starrten sie auf Rosanna hinab, der sie das Leben hätten retten können, wenn, ja wenn …

Der Blick fiel auf ihre Einrichtung; alles vom Feinsten, im antiken Stil gehalten; viel Blattgold; an den Wänden venezianische Impressionen; über dem Sofa ein großes Bild des Malers Alfredo, der erst nach seinem gewaltsamen Tod bei einem Banküberfall berühmt geworden war (nachzulesen in ›Orsolina, das Malermodell‹).

Volpe besah es sich aus der Nähe und schüttelte den Kopf. Es handelte sich nur um eine Reproduktion im vergoldeten Rahmen, kein Original. Ein über und über sommersprossiges Mädchen von durchaus eingeschränkter Schönheit räkelte sich hüllenlos vor der grandiosen Kulisse der Serenissima. Zweifellos handelte es sich um die bezaubernde Orsolina. Daneben hingen zwei große Schwarzweißfotos; Portraits von Rosannas beiden Ehemännern, die dem Betrachter grimmig entgegen starrten.

Das altmodisch eingerichtete Wohnzimmer schaute mit den beiden Fenstern auf den blinkenden Kanal hinaus. Die winzige Küche war fensterlos und wurde durch einen Ventilator entlüftet. Sie war blitzsauber. Im Kühlschrank warteten frisch eingekaufte Lebensmittel auf die Zubereitung.

Die hinten hinaus liegende Schlafkammer wirkte klösterlich: Tisch und Stuhl, Doppelbett (nur eines benutzt); Schrank. Aus dem Fenster heraus schaute man in den Garten mit seinen rosa und weiß blühenden Oleanderstauden.

Aus dem Schlafzimmer heraus gelangte man durch eine Tür in einen winzigen Raum mit winzigem Fenster. Ganz gewiss war er als Abstellkammer geplant. Jetzt aber wies er ein wirres Durcheinander von Geräten und Werkzeugen vor allem zur Metallbearbeitung auf. Einer der Nachbarn hatte gesagt, Carlo Bergonzi, Rosannas zweiter Ehemann, sei ein Bastler und Tüftler gewesen.

Die Witwe hatte sein Reich unverändert gelassen. Es atmete noch seinen Schweiß; man hätte glauben können, er könne jederzeit zurückkehren, um sich an die Arbeit zu machen.

Ambrosio und Gefolge verließen die Wohnung unverrichteter Dinge. Sie hatten keinen Hinweis auf Täter und Motiv gefunden. Das Boot zum Abtransport der Leiche war immer noch nicht eingetroffen. Leise fluchend wählte der Tenente eine Nummer auf dem Mobilfon. Da platzte ein kleiner Junge aus einer der Türen hervor und stürzte sich gleich auf Volpe:

»Bist du der berühmte Privatdetektiv Volpe?«

»Nein, ich bin der Geiger und Maler Giuseppe Tartini.«

»Ja, Geiger, Maler und auch Detektiv«, sagte der Junge altklug.

»Wimmelst du oft hier im Treppenhaus herum?«

»Gelegentlich.«

»Wo wohnst du?«

»Tür an Tür mit Rosanna. Ich wollte sie heiraten.«

»Ist dir was aufgefallen?«

»Leider nichts. Wer hat sie umgebracht?«

»Das wissen wir noch nicht. Kannst du mich mal zu deiner Mama bringen?«

»Na klar! Sie kocht gerade irgendeinen Fraas.«

Der kleine Wicht führte Volpe freudestrahlend in die Wohnung unmittelbar neben der ominösen. Ambrosio folgte ihnen. Eine junge vollschlanke Donna kam aus der Küche hervor und wischte sich die Hände am Kittel ab, aus dem sie feiste Schenkel herausstreckte. Ambrosio grummelte:

»Ausgerechnet Sie haben sich vorhin nicht im Treppenhaus blicken lassen. Was wissen Sie über die Tote?«

»Ich wollte mit den Carabinieri nichts zu tun haben. Nicht das Geringste kann ich Ihnen sagen. Wir hatten keinen Kontakt. Ich mochte sie nicht besonders, diese aufgetakelte alte Fregatte. Ich lebe hier allein mit meinem Jungen. Es ist heutzutage gefährlich, allein zu leben, aber mein Freund hat mich verlassen. Natürlich habe ich den Krawall im Treppenhaus mitbekommen, aber jetzt erst weiß ich, dass Rosanna ermordet wurde. Bei ihrem Lebenswandel war es eine Frage der Zeit. Meiner Meinung nach war sie eine Hure.«

»Hat jemand im Haus einen Zweitschlüssel zu ihrer Wohnung?«

»Niemand! Sie war da eigen.«

»Haben sie was gehört? Einen Streit? Ungefähr zwischen neunzehn und zwanzig Uhr gestern Abend? Oder etwas später?«

»Ich höre nie was. Ich gehe früh zu Bett, weil ich um fünf Uhr aufstehen muss, um mich in eine Putzkolonne einzureihen. Ich schlafe immer mit Ohrstöpseln, weil es in diesem verdammten Bunker ja nie richtig Ruhe gibt.«

»Wie man sieht, hat Ihre Etagentür einen ›Spion‹. Schauten Sie nicht manchmal hinaus, um zu sehen, wer die Leoncavallo besuchte?«

»Sie hatte so gut wie nie Besuch. Höchst selten kam eine groß gewachsene Signora zu ihr, eine von ungefähr Vierzig, supersportlich, schlank und gut figuriert; immer gegen achtzehn Uhr, nie am späteren Abend oder nachts. Rosanna empfing grundsätzlich keinen Übernachtungsbesuch, da bin ich mir sicher.

---ENDE DER LESEPROBE---