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Lagunenmorde: Detektiv Volpe ermittelt: 5 Venedig Krimi-Bücher von Meinhard-Wilhelm Schulz Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Venedig-Krimibücher um Detektiv Volpe von Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und die Blüten des Todes DetektivVolpe und das grausige Kästchen Detektiv Volpe: Die Jagd auf Amanda Detektiv Volpe: Nichts als Knochen Benedetta, die Bezaubernde, Volpe und der reißende Wolf Volpe und Petrescu sitzen draußen im Café. Sergiu liest dem Freund die skurrile Geschichte des Vampirs von Venedig vor, dem Volpe das Handwerk legte. Da stürmt eine großgewachsene Frau auf den Platz und bleibt stehen. Volpe und Petrescu beäugen sie neugierig. Während sich der Doktor in die luftig Gekleidete verliebt, stellt Volpe ganz nüchtern fest, dass sie schon über Vierzig und panikartig auf der Flucht ist. Volpe wäre nicht Volpe, wenn er der Verängstigten nicht helfen wollte. Ab sofort beginnt ein dramatischer Wettlauf mit dem Tod, denn ein hochintelligenter Profikiller ist auf die Dame angesetzt und zeigt dem Meisterdetektiv immer wieder seine Grenzen auf. Es kommt nach dem gewaltsamen Tod zweiter Zeugen zu einem schaurigen Showdown …
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Seitenzahl: 1126
Lagunenmorde: Detektiv Volpe ermittelt: 5 Venedig Krimi-Bücher
Meinhard-Wilhelm Schulz
Published by BEKKERpublishing, 2021.
Title Page
Lagunenmorde: Detektiv Volpe ermittelt: 5 Venedig Krimi-Bücher
Lagunenmorde: Detektiv Volpe ermittelt: 5 Venedig Krimi-Bücher | von Meinhard-Wilhelm Schulz
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Table of Contents
Volpe und die Blüten des Todes
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Die Blüten des Todes
1. Teil: Vorwort des Dr. med. Sergiu Petrescu
2. Teil: Ankunft im Feriendomizil
3. Teil: Ein gruseliges Ereignis
4. Teil: Im Haus des Grauens
5. Teil: Grübeln im Hotel und auf dem Spazierritt
6. Teil: Dottore Medico Anselmu Tigurinu zu Besuch
7. Teil: Ein Morgen-Grauen
8. Teil: Der Tote im Pfarrhaus
9. Teil: Hypothesen und ein praktisches Experiment
10. Teil: Eine Lösung des Knotens – keine Lösung des Knotens
11. Teil: Nachwort des Dr. med. Sergiu Petrescu
Die geheimnisvolle Frau aus Deutschland
Teil 1: Bei Volpe im Eckzimmer
2. Teil: Der Bericht des Sebastian Schmidt
3. Teil: Drama beim Landhaus
4. Teil: Ein Brief aus Rom
Der Fall Dolabella
1. Teil: Dramatisches in Volpes Palazzo
2. Teil: In der anschließenden Nacht und am nächsten Tag
3. Teil: Am übernächsten Tag
4. Teil: Ein dramatisches Nachwort
Table of Contents
Privatdetektiv Volpe: Die Jagd auf Amanda | Ein Venedig-Krimi von Meinhard-Wilhelm Schulz
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Personen des venezianischen Dramas
1. Teil: Vorwort des Dr. med. Sergiu Petrescu
2. Teil: Im Café südlich der Chiesa dei Santi Giovanni e Paolo
3. Teil: Volpe und der Vampir
4. Teil: Die gehetzte Frau
5. Teil: Auf dem Revier
6. Teil: Amandas Geschichte
7. Teil: Die Leiche in der Paduaner Pathologie
8. Teil: Übernachtung in der Pensione Enrico Baratti
9. Teil: In der ehemaligen Boxschule
10. Teil: Amanda und der neue Albergo
11. Teil: Amandas Bericht
12. Teil: Ein Duell am Strand
13. Teil: Die Aufführung einer Tragödie im Theater
14. Teil: Nachwort mit Überraschung
15. Teil: Ein Postskriptum
Detektiv Volpe und das grausige Kästchen
Meinhard-Wilhelm Schulz | Detektiv Volpe und das grausige Kästchen
Table of Contents
Table of Contents
Detektiv Volpe: Nichts als Knochen | Fünf rabenschwarze Kriminalfälle aus Venedig | von Meinhard-Wilhelm Schulz
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A. Der Tod kommt in der Nacht
1. Teil: Vorbemerkung des Dr. med. Sergiu Petrescu
2. Teil: Orsolas Geschichte vom Sterben im Dunklen
3. Teil: Der unheimliche Palazzo
4. Teil: Nächtliches Drama
5. Teil: Kleines aber feines Nachspiel
6. Teil: Postskriptum
B. Das unheimliche Gewölbe
1. Teil Eine bemerkenswerte Frau
2. Teil: Bericht der Donna Lucia
3. Teil: Gespräch am Abend – dramatische Wende
C. Der Tod auf der Brücke über den Rio dei Mendicanti
1. Teil: Bei Volpe im Esszimmer
2. Teil: Auf der Brücke
3. Teil: Ein Nachwort
D. Nichts als Knochen
1. Teil: Bei Volpe im Arbeitszimmer
2. Teil: Ambrosios Bericht
3. Teil: In den düsteren Gewölben des Palazzo
4. Teil: Ein kleines Nachwort
E. Im Zeichen des Dolches
1. Teil: Der seltsame Besucher bei Volpe
2. Teil: Der Bericht des Besuchers
3. Teil: Gedanken nach dem Besuch
4. Teil: Ein Morgengrauen
5. Teil: Die Bestie aus Mailand
F. Volpe macht Urlaub
Table of Contents
Benedetta, die Bezaubernde, Volpe und der reißende Wolf
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1. Teil: Bei Volpe am 23. Dezember 2020
2. Teil: Giulias Tod und Benedettas Killer (2014)
3. Teil: Schlusswort des Dr. Sergiu Petrescu
4. Teil: Kleines Nachwort
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Further Reading: 10 Ferien Thriller: Krimi-Lesefutter für lange Nächte
Also By Meinhard-Wilhelm Schulz
Über diesen Band:
Dieser Band enthält folgende Venedig-Krimibücher um Detektiv Volpe von Meinhard-Wilhelm Schulz:
Volpe und die Blüten des Todes
DetektivVolpe und das grausige Kästchen
Detektiv Volpe: Die Jagd auf Amanda
Detektiv Volpe: Nichts als Knochen
Benedetta, die Bezaubernde, Volpe und der reißende Wolf
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Volpe und Petrescu sitzen draußen im Café. Sergiu liest dem Freund die skurrile Geschichte des Vampirs von Venedig vor, dem Volpe das Handwerk legte. Da stürmt eine großgewachsene Frau auf den Platz und bleibt stehen. Volpe und Petrescu beäugen sie neugierig. Während sich der Doktor in die luftig Gekleidete verliebt, stellt Volpe ganz nüchtern fest, dass sie schon über Vierzig und panikartig auf der Flucht ist. Volpe wäre nicht Volpe, wenn er der Verängstigten nicht helfen wollte. Ab sofort beginnt ein dramatischer Wettlauf mit dem Tod, denn ein hochintelligenter Profikiller ist auf die Dame angesetzt und zeigt dem Meisterdetektiv immer wieder seine Grenzen auf. Es kommt nach dem gewaltsamen Tod zweiter Zeugen zu einem schaurigen Showdown ...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)
© Roman by Author / COVER STEVE MAYER NACH MOTIVEN
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Volpe und die Blüten des Todes
UPDATE ME
Drei Novellen von Meinhard-Wilhelm Schulz
Der Umfang dieses Buchs entspricht 165 Taschenbuchseiten.
Diese Buch beinhaltet folgende drei Geschichten:
Volpe und die Blüten des Todes
Die geheimnisvolle Frau aus Deutschland
Der Fall Dolabella
In diesem sechsten Band befasst sich der Privatdetektiv Volpe mit drei lose zusammenhängenden Fällen:
Als er mit einem Burnout-Urlaub im Alpago bei Belluno verbringt, erlebt er Verstörendes: Ein Geschwisterpaar und wenig später der andere Bruder kommen auf grässliche Weise ums Leben, aber kein Täter ist in Sicht, da die jeweilige Wohnung von innen verriegelt war. Der Priester meint, nur Satan stecke dahinter. Volpe hat da seine Zweifel ...
Wieder gesund zurück in Venedig, schlittert Volpe in den Fall um eine geheimnisvolle Frau aus Deutschland. Was in und um Venedig wie eine Komödie begann, endet in einer zweifachen Tragödie, die letzte davon eine furchtbare Bluttat im fernen Rom...
Volpe wendet sich zeitgleich einem dritten Fall zu, als der junge Rechtsanwalt Dolabella um Hilfe fleht, bevor er wegen Mordes verhaftet wird. Ist er der Mörder des Unternehmers Gaio Urbano? Fast alles spricht dafür. Volpe muss in der fernen Vergangenheit stöbern, um Licht in die makabre Sache bringen zu können ...
Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)
© Roman by Author / Cover: Nach Motiven von Pixabay mit Steve Mayer, 2020
© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Ort des Geschehens: der Alpago bei Belluno
Personen des Dramas:
Giuseppe Tartini ,Volpe‘: Privatdetektiv aus Venedig
Dr. med. Sergiu Petrescu: Volpes rumänischer Freund
Adolfo Grana: Priester & Schmied von San Martino d‘Alpago
Ruggiero Lupo: Untermieter im Pfarrhaus
Sesto Lupo: sein Bruder
Cecilia Lupo: ihre Schwester
Michele Ferrano: Carabiniere aus Chiesa d‘Alpago
Tito Antonini: sein Assistent; Kommissar-Anwärter
Dr. med. Anselmu Tigurinu: rumänischer Amazonasforscher
Über alles geliebte und geschätzte Leserschaft, mein wunderbarer Freund Giuseppe Tartini, der pfiffige Privatdetektiv, den man hier in Venedig ob seines feurigen Haarschopfes hübsch doppeldeutig »Volpe« (Fuchs und Schlaumeier) nennt, sollte Dir aus meinen früheren Werken bereits bekannt sein.
Er ist und bleibt er einer der gebildetsten und feinsten Männer Italiens. Neben Italienisch spricht er Deutsch und Englisch akzentfrei, hat sich dank meiner Herkunft mühelos ins Rumänische eingearbeitet, und auch das Französische ist ihm durchaus nicht fremd. In der Literatur all dieser Völker ist bewandert. Sein Wissensdurst ist unstillbar.
Andererseits ist er ein hochmusikalischer Mensch. Er streicht die innig geliebte Stradivari, die er für ein Vermögen erworben hat, meisterhaft und hat eine Monographie über Bachs Solosonaten für Violine publiziert, die ihm, soeben beim Verlag Athesia in Bozen publiziert, in der Fachwelt Beifall einträgt, insbesondere, weil er die mathematischen Strukturen der Bach‘schen Musik glänzend herausgearbeitet hat.
Anlässlich der Vorstellung dieses Buches spielte er einige der Partiten einem begeisterten Publikum in der seinem Palazzo am Ende des Calle di Cavallo (Pferdegasse) gegenüber liegenden Chiesa dei Santi Paolo e Giovanni persönlich vor und erläuterte sie fachkundig.
Wenn es nämlich ums logische Denken geht oder darum, die Abgründe der Seele eines Verbrechers auszuloten, ist er einerseits von unerreichbarer Größe, andererseits von fast unglaublichem Verständnis für deren Taten. Wie sein heimliches Vorbild, der detektivische britische Pater Brown, so er des Öfteren, kann er den Gedanken der Verbrecher nur deshalb so gut folgen, weil er alle Teufel auch in sich beherbergt.
Er selbst nämlich, das bekannte er oft, könne so tief mit ihnen fühlen, weil er den Hang dazu verspüre, einer der Ihren zu sein. Er habe sich einst zwischen der Laufbahn des professionellen Geigers, eines Verbrechers und der des Detektivs entscheiden müssen, und bis heute falle es ihm schwer, den Täter zu verurteilen. Gott allein, dem wir unser Dasein verdankten, wüsste, was sie zu ihrem Tun bewogen habe. Volpe hat noch nie den Stab über einen Verbrecher gebrochen.
Was Frauen anbetrifft, ist er von seltener Schüchternheit und Zurückhaltung. Insgesamt betrachtet, ist sein Hang, sich von ausgeflippten Signorine, die ein paar Jahre älter als er sein dürfen, angezogen und bezaubert zu werden, erstaunlich.
Sein Schönheitsideal widerspricht dabei all dem, was uns Hollywood als maßgeblich anpreist, heftig. Warum er ganz im Gegensatz zu mir keine sommersprossigen Donne mag, konnte ich bislang noch nicht herausfinden.
Nicht zuletzt ist er ein begeisterter Anhänger der Commedia del Arte und liebt die Gestalt des Pulcinella (ital. Kasperle oder Hanswurst) so sehr, dass er im berühmten venezianischen Karneval stets als Pulcinella verkleidet durch die Calli streift. (Dieses Mal hat man unseren Karneval wegen des Corona-Virus abgesagt, eine reine Panikreaktion.)
Links und rechts neben dem Portal seines Palazzos hat Volpe zwei ungefähr 40 Zentimeter große bunte Kacheln angebracht. Jede ziert ein Pulcinella, das Gesicht unter der typischen Maske verborgen und mit der Mandoline im Arm. Auf der linken steht:
‚La invidia vostra è mia forza – euer Neid ist meine Stärke.‘
Rechts vom Eingang ist zu lesen:
‚Quando entrate, salutate! Quando uscite, fatevi i cazzi vostri!‘ – ,Wenn ihr eintretet, grüßt! Wenn ihr hinaus geht, packt eure Sachen (macht euch davon)!‘
Nachdem mein Freund den Fall der mörderischen Brüder, welche ich Kain und Abel nannte (s. gleichnamiger Band), gelöst und einige weitere nicht so bedeutende abgeschlossen hatte, war der Frühsommer des Jahres 2021 gekommen, und er versank er in den tiefsten Depressionen, die ich jemals bei ihm erlebt hatte.
Angesichts schwerster Arbeit hatte er solchen Raubbau mit seinen Kräften getrieben, dass zu größter Besorgnis Anlass war. Er lebte nämlich, wenn er auf der Jagd war, nur noch von Wasser und Luft, magerte ab und äußerte den Gedanken, diese Welt für immer zu verlassen. Wenn er an den alltäglichen Mord und Totschlag in der Welt denke, sehe er es als sinnlos an, hin und wieder einen venezianischen Mörder zu stellen.
Mich brachte er damit an den Rand der Verzweiflung. Nicht einmal die gelegentliche Dosis Cannabis, die ich ihm verschrieb, konnte ihn aufheitern, und als Medico hütete ich mich davor, es ihm zur Gewohnheit werden zu lassen.
Schließlich, als er nur noch ein Schatten seiner selbst war, und aufgrund der Tatsache, dass er überhaupt keinen Rat mehr annahm, holte ich ihm einen Kollegen ins Haus. Nach einigem Hin und Her ließ sich Volpe endlich untersuchen.
Dr. med. Andreas Melas (Schwarz), ein Grieche, verordnete ihm Tapetenwechsel. Täglich solle er in der Frische und Einsamkeit der Berge lustwandeln, bis ihm die Lebenslust wiederkehrte. Folge er seiner Anordnung nicht, werde er seinen Beruf kaum jemals wieder ausüben können.
Sobald Dottore Melas gegangen war, unternahm ich das Erforderliche. Ein Reisebüro am Rande des Campo dei Santi Giovanni e Paolo hatte alles in Angebot, was nötig war. Als der nächste Abend gekommen war, sagte ich:
»Mein lieber guter Freund, die ersten Boten des Sommers lassen ihre Stimmen ertönen. Warme Lüfte säuseln übers Land. Lasse den Dunst der Stadt zurück und dir frische Luft um die Nase wehen! Ich habe da ein hübsches Gasthaus in der dörflichen Einsamkeit des Alpago ausgemacht. Lass uns in die liebliche Gegend reisen und daselbst aufhalten, bis dir die Lebensgeister wiederkehren. Die Zimmer sind schon gebucht. Als Arzt befehle ich dir, Venedig an meiner Seite zu verlassen.«
Volpe grunzte beifällig und räkelte sich im geliebten Korbsessel. Ich gab Giovanni den Befehl, unsere Siebensachen zu packen, und der Butler machte sich unverdrossen an die Arbeit.
Es war noch frischer Morgen, als wir uns auf den Weg machten, zuerst vom Haltepunkt Ospedale aus mit dem Vaporetto zur Stazione Ferroviari Santa Lucia (Venedigs Bahnhof) und dann mit dem Zug nach Mestre.
Dort hatte ich unseren Fiat Cinquecento Cabrio untergestellt. Wir stiegen ein, und los ging es mit offenem Verdeck, immer stracks nach Norden und der herrlichen Welt der Berge entgegen. Ich saß am Steuer der sanft brummenden Asphaltwanze, Volpe neben mir, mit dem Einschlafen kämpfend.
An diesem frühsommerlichen Tage fuhren wir also von Mestre aus die Staatsstraße nordwärts, immer geradeaus bis nach Belluno am Fuße der Alpen und von dort aus auf dem wunderbar angepassten Hin und Her der schmalen Landstraße ins Herz des mit seinen Bergen über 2.000 Meter aufragenden Alpago, wo wir in der Nähe des Dorfes San Martino d‘Alpago auf einem sanften Hügel unser Quartier der Cinque Querce (5 Eichen) entdeckten: Fünf mächtige, auf einem sanften Hügel in Reih und Glied stehende, in den Himmel ragende Bäume wiesen uns den Weg.
Während ich die bezaubernde Landschaft, von welcher der Frühling Besitz ergriffen hatte, in vollen Zügen genoss, starrte Volpe stumm und aus erloschenen Augen auf seine sehnigen Hände hinab, die da wie große Spinnen über seine Oberschenkel krochen und murrte und knurrte schließlich wunderbar doppeldeutig, »una rondine non fa primavera (eine Schwalbe macht noch keinen Frühling).«
Der Albergo, der sich vor die mächtigen Bäume duckte, auf denen das grelle Licht der Mittagssonne lag, war in freundlichem Weiß gekalkt und gewährte uns den schönsten Blick über Felder und Fluren der lieblichen Landschaft bis hin zu den schroff empor ragenden schneebedeckten Zacken des Alpago, dieser dünn besiedelten und kaum bekannten Gegend Norditaliens.
Ansonsten hatten sich dort Einsamkeit und Melancholie breit gemacht. Hin und wieder reckte sich ein vom Wetter der Jahrhunderte gegerbter Campanile in die Höhe. Abgesehen davon fiel die scheinbar freundliche Gegend in tiefste Stille, und das passte zum Seelenzustand meines Freundes. Wortlos ließ er sich aufs Bett fallen und vergrub das Gesicht in Händen. Die kurze Reise hatte seine Kräfte strapaziert. Er sah bleich und erschöpft aus.
Am nächsten Morgen, als ich erwachte und nach ihm sah, war er verschwunden. Was sollte ich tun? Etwa Däumchen drehen? Nein! Es galt, die Gegend zu erkunden.
Ziellos irrte ich durch Feld und Fluren und gewahrte überall Reste vergangener Zeiten. Der Zauber der Landschaft mit seiner spukhaften Atmosphäre regte meine Phantasie an. Ich versuchte, mir die Personen vorzustellen, die hier vor Jahrtausenden gehaust hatten, Kelten, Griechen, Römer, Germanen, bis der Alpago Teil Italiens wurde.
Volpe verbrachte seine Stunden in den nächsten Tagen in der Einsamkeit der rauen Bergpfade, oft zu Pferde. Die Altertümer der Region hatten es ihm angetan, und er begann damit, eine Schrift über sie zu verfassen. Um die Bahnen des Wissenschaftlichen nicht zu verlassen, ließ er sich aus Belluno Bücher herüberschicken, die er emsig studierte, um dann wieder zu seinen Expeditionen aufzubrechen. Mich mochte er nicht an seiner Seite dulden. Zu Pferde bin ich leider Gottes eine Niete.
(An dieser Stelle sollte ich betonen, dass mein Freund ein geübter Reiter ist. Weil er in der Stadt, in der er zuhause ist, keine Gelegenheit dazu hätte, ließ er es sich nicht nehmen, einmal pro Woche den Vaporetto nach Punta Sabbioni zu nehmen, um von dort aus den Reitstall in Cavallino aufzusuchen und sich daselbst einem harten Training zu unterwerfen.)
So ging das ein paar Tage, bis ich ihn nach geraumer Zeit sogar begleiten durfte. Er hatte mir eine zahme Stute ausgesucht, die ich bald lieben und schätzen lernte, auch wenn mir das Aufsteigen noch einige Mühe machte, während Volpe sich jedes Mal mit einem lässigen Satz auf den Pferderücken schwang. Breit grinsend sah er mir zu, wie ich einen Hocker zu Hilfe nahm.
Doch dann kam der Tag, an welchem wir mit einem Schlag aus dem beschaulichen Landleben herausgerissen wurden. Unser Tagesablauf erfuhr durch ein grausiges Geschehen eine Unterbrechung, das unheimlicher und abscheulicher war als all die Fälle, die Volpe vor seinem Zusammenbruch gelöst hatte.
Ich habe oben schon erwähnt, dass der Alpago von uralten Kirchen geziert ist. Eine davon, noch im byzantinischen Stil erbaut, lag ungefähr eine halbe Meile südwärts unseres Albergo auf einer Anhöhe, an die sich ein paar Hütten schmiegten.
Während wir unsere Blicke über der nach verregneter Nacht im Morgenlicht gleißenden Landschaft schweifen ließen, saßen wir auf der Terrasse und nahmen unser Pranzo (Frühstück) ein, das aus zwei Scheiben Vollkornbrot bestand, die mit Butter und Honig bestrichen waren. Dazu gab es warme Kuhmilch vom nächsten Bauernhof. Es war erst gegen 7.00 am Morgen, denn wir planten eine kräftezehrende Bergtour.
Noch kauten wir auf beiden Backen, da sahen wir zwei ameisenhafte Gestalten den grünen Hügel hinuntereilen und mitten zwischen den armseligen Hütten hindurchrennen.
»Habens eilig, die Menschlein da«, sagte ich kichernd.
»Genau gesagt, Männer«, ergänzte Volpe.
»Unglaublich! Die Entfernung zu groß, das zu erkennen.«
»Frauen rennen anders, zumindest hier auf dem konservativen Lande, wo sie noch lange Kleider tragen, über die sie bei zu großer Eile stolpern, um dann mit dem Gesicht voran in den Dreck zu fallen«, knurrte Volpe.
»Zugegeben! Männer also.«
»Aber keine jungen Männer, wenn ich bitten darf. Der eine ist Priester des tausend Jahre alten Kirchleins.«
»Auch das kann ich nicht erkennen.«
»Er ist aus dem Pfarrhaus herausgestürzt und dann geradewegs den Hügel hinuntergerannt; also ist es der Priester. So früh am Morgen besucht noch keiner das Gotteshaus.
Der andere, der bereits weit hinter ihm zurückgeblieben ist, weil er schon gar keine Kondition hat, muss ihm eine furchtbare Nachricht überbracht haben, und daher hat es der gute Mann jetzt auf mich abgesehen. Gewiss hat sich meine Ankunft herumgesprochen. Aber auch der Geistliche ist es nicht gewohnt, so verrückt durch die Gegend zu fetzen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Er ist jetzt nur noch zweihundert Meter von uns entfernt. Siehst du nicht, wie ungeschickt er mit den Armen rudert. Ferner ist er zu korpulent, um unseren Athleten bei den nächsten olympischen Spielen Konkurrenz zu machen, hihihi. Wie die meisten Gottesmänner liebt er herzhafte Hausmannskost und einen guten Tropfen. Das macht sich jetzt bemerkbar.«
»Du hast mich überzeugt«, sagte ich, »und der lange schwarze Mantel verrät den Priester.«
»Hihihi«, kicherte Volpe boshaft, »deine Beobachtungsgabe ist wieder einmal überwältigend. Wo käme ich nur hin, wenn ich dich nicht an meiner Seite hätte?«
Mittlerweile war der Geistliche herangeschnauft und stolperte die Stufen zu unserer Terrasse hinauf. Volpe grinste ihm belustigt entgegen, denn der Übergewichtige war vor Überanstrengung blau angelaufen und bekam kein Wort heraus, während sich allmählich auch der ihm folgende Mann zu uns bemühte.
Ich will die beiden, bevor wir zur Sache kommen, kurz beschreiben: Der Priester war fürchterlich schief in einen bis zu den Waden reichenden Talar gehüllt; von mittlerer Größe und durchaus kräftiger Statur; funkelnde Schweinsäuglein inmitten eines vom schlohweißen Rauschebart umwallten feisten Gesichtes; die Füße strumpflos in Sandalen; darüber stachelige Waden. Noch rang er nach Atem, als Volpe auch schon sagte:
»Ach du liebes Bisschen! Priester und Schmied in einer Person, wenn auch kein besonders geschickter; endlich mal was Neues! Und auch noch Linkshänder; bemerkenswert.«
»Man muss sehen, wie man über die Runden kommt«, ächzte der Priester, »und als Hirte dieser winzigen Gemeinde komme ich ohne Nebenerwerb nicht aus. Aber woher wollen Sie wissen, dass ... gewiss haben es unsere alten Waschweiber ausposaunt.«
»Das nicht«, sagte Volpe, »aber man sieht es.«
»Sind Sie Hellseher? Ich stecke in der Alltagskluft des Priesters. Wie könnte man mir den Dorfschmied ansehen?«
»Erstens einmal ist Ihr langer weißer Bart an den Spitzen versengt und Ihr linker Arm, vor allem der Bizeps, deutlich kräftiger als der rechte. Ferner ist die linke Hand größer als die rechte. Einige Fingernägel Ihrer rechten Hand weisen blaue Stellen auf. Also haben Sie sie bei der Arbeit am Amboss gequetscht oder mit dem Hammer getroffen. Ich weiß nicht, ob das Schmiedehandwerk der richtige Beruf für Sie ist.«
»Ach, so ist das«, murmelte der Priester enttäuscht, »so einfach war das zu erkennen; das reinste Kinderspiel! Und ich hatte Sie schon für einen Hexenmeister gehalten.«
Mit diesen Worten ließ er sich auf einen freien Stuhl fallen, der unter seiner Last gefährlich aufstöhnte. Volpe schob ihm einen gefüllten Becher Milch hinüber. Gierig trank er, während ihm der Schweiß nur so herab rann. Das Blaue aus seinem Gesicht war einer feurigen Röte gewichen. Volpe nahm das Wort:
»Omne arcanum mirificum (jedes Geheimnis ist wunderbar), sagen wir alten Lateiner«, murmelte er verärgert, »aber jetzt wäre es an der Zeit, uns Ihren Begleiter vorzustellen. Nicht wahr, Sie kommen in einer Mordangelegenheit zu mir? Und wie ich sehe, ist es keiner der landläufigen Art.«
Mein innig geliebter Leser (m/w/d), bevor ich im Schildern des Geschehens fortfahre, möchte ich Dir den anderen Signore, wie folgt, beschreiben:
Es war ein fürchterlich magerer und bleicher Kerl mit spiegelnder Halbglatze. Er hielt sich so schief, dass man meinen könnte, er hätte eine Rückgratverkrümmung, ganz so, als trüge er eine schwere Last auf dem Buckel. Im Gegensatz zum geschwätzigen Priester schien er vollkommen in sich gekehrt. Trübsinnig starrte er vor sich hin und blickte aus feuchten Augen zu Boden.
Fragend sah ich ihn an. Allmählich wich die bläuliche Farbe aus seinem Gesicht, und er kam wieder zu Atem. Bevor ihn der Priester noch vorstellen konnte, sagte Volpe: »Lieber Freund, Sie sind um die fünfundvierzig Jahre alt und verdienen Ihre Brötchen als Bürokraft. Das genügt, um nicht zu verhungern, aber reich geworden sind Sie davon nicht. Körperliche Arbeit vermeiden Sie tunlichst und sind, wie der Priester, natürlich Junggeselle geblieben. Ferner sind Sie vom Unheil, das ihr zu berichten habt, persönlich betroffen.«
Der Angekommene brachte vor Verblüffung kein Wort heraus, und Volpe war diesmal nicht mehr bereit zu verraten, wie er all das herausgefunden hatte. Ich versuchte, seinen Gedanken zu folgen und wurde fündig:
Der Besucher hatte Arme wie dürre Hölzer. Seine filigranen Finger wiesen Tintenflecke auf. Er trug keinen Ehering. Einige schwarze Spritzer, winzig klein, entdeckte ich auch auf seinem weißen Hemd, das ziemlich ungepflegt war und nach der Hausfrau schrie. Er schien von Entsetzen ergriffen. Es arbeitete in seinem Gesicht. Er war zwar nicht ganz so nervös wie der Geistliche, aber das Zucken seiner mageren Hände und der unruhige Glanz der Augen verrieten, dass er aufs Höchste erregt war.
Zögerlich nahm er Platz und sah misstrauisch zu Volpe hinüber, ganz so, als hielte er nicht viel von dessen Methoden.
»Ich, äh, ich ... heiße Adolfo Grana (Korn)«, stotterte der Priester, »und das da ist mein Untermieter, Signore Ruggiero Lupo (Roger Wolf). Er wohnt seit geraumer Zeit bei mir im Pfarrhaus, gleich neben der Kirche. Für zwei Junggesellen ist dort mehr als genug Platz, doch nun zur Sache: In meiner Gemeinde hat sich etwas Grauenvolles ereignet. Was geschehen ist, erscheint mir so unheimlich, dass ich an das widerliche Walten des Satans glaube. Und jetzt danke ich dem Lieben Gott, dass Sie, lieber Signore Tartini, Venedigs berühmtester Detektiv, hier vor Ort weilen, um uns beizustehen.«
Wütend sah ich dem Priester ins Gesicht und rief: »Mein Freund ist krank und zur Erholung hier. Wenden Sie sich gefälligst an die Carabinieri, an die Männer da drüben in Chiesa d‘Alpago. Wenn die nichts herausbringen, dann holt die Bullen aus Belluno zu Hilfe!«
Noch sagte ich das, als meine Blicke vom Priester auf Volpe fielen: Er war wie umgewandelt; keine Spur von Lethargie und Lebensüberdruss mehr. Kerzengerade saß er auf der Kante des Sessels. Sein fuchsiges Gesicht war urplötzlich gestrafft und rosig aufleuchtend. Mir wollte er wie ein Jagdhund vorkommen, den man aus dem Zwinger entlassen hat, um ihn auf eine frische Fährte zu setzen. Ich begriff, dass es zwecklos wäre, ihn in seinem frisch zum Leben erwachten Jagdfieber aufzuhalten.
Die Signori wechselten kurze Blicke, als wolle der eine den anderen zum Reden ermuntern, da sagte Volpe lächelnd: »Verehrter Signore Lupo, Ihr Freund, der Priester, weiß alles nur von dem, was Sie ihm berichtet haben. Daher halte ich es für angebracht, wenn Sie selbst schilderten, was Sie bei Morgengrauen entdeckten. Jedenfalls war es so grässlich, dass Sie wie von Sinnen zurück zum Pfarrhaus rannten, um den Pastor aus dem Schlaf zu reißen. Nicht wahr, das Grauen hat Sie auf dem Morgenspaziergang ereilt?!«
Na, wenn ich nicht die Methoden meines Freundes kannte, wer dann? Herr Wolf war sorgfältig gekleidet, Hemd, Gürtel, alles tadellos sitzend, wenn auch mit den obigen Mängeln behaftet und kräftiges Schuhwerk an den Füßen, während der Priester im zerknautscht wirkenden Talar steckte, Haar und Bart in wirrem irrem Durcheinander.
Ganz gewiss hatte ihn der Untermieter aus dem Bett geholt, um ihm die Mär zu berichten, von der wir nun erfahren sollten. Aber Meister Wolf klappte den Mund nur mehrfach auf und zu, ekelhaft gelbliche Zahnruinen zeigend, und brachte kein Sterbenswörtchen heraus. Er und Signore Grana mussten meinen Freund für einen Hellseher halten, wo doch im Grunde alles so einfach zu erkennen war. Der Priester sah dem Gebaren seine Hausgenossen nicht mehr länger zu und plapperte drauflos.
»Lieber verehrter Signore Tartini, caro Dottore Medico Petrescu, vielleicht sollte ich an seiner Stelle sagen, was ich weiß, denn dann werden Sie verstehen, warum ihm die Worte fehlen. Wenn ich fertig bin, können Sie ihm oder mir beliebige Fragen stellen, falls Sie nicht unmittelbar an den Ort des Dramas eilen wollten. Wir haben nichts angerührt. Alles ist noch so, wie Lupo es entdeckt hat. Die Carabinieri in Chiesa d‘Alpago sind übrigens verständigt, aber wie ich sie kenne, wird es noch eine Weile dauern, bis die Schafmützen vor Ort sind.«
Volpe grunzte zustimmend. Grana nahm wieder das Wort.
»Mein Untermieter hat den gestrigen Abend in der Gesellschaft seines Bruders Sesto sowie seiner Schwester Cecilia zugebracht, beide unverheiratet, und das in ihrem gemeinsamen Haus. Es liegt seitab unseres Dörfchens, mitten in den grünen Feldern, denn es war früher mal ein Bauernhof.
Man trank einen guten Tropfen und ergab sich dem Kartendreschen. Ungefähr eine Stunde vor Mitternacht überließ Ruggiero seine Geschwister dem Spielen und schlenderte nach Hause. Ich war noch auf. Er wünschte mir eine gute Nacht und zog sich in seine Räumlichkeiten zurück. Froh darüber, dass er zu Hause war, legte ich den Riegel vor und haute mich aufs Ohr.
Im Unterschied zu mir Langschläfer ist mein Mieter ein bekennender Frühaufsteher. Ich hörte ihn bei Morgengrauen die Treppe hinunter poltern, den Riegel beiseite schieben und sich singend auf einen Morgenspaziergang begeben, wie das so seine Art ist. Ich gähnte herzhaft und schlief wieder ein.
Bald darauf stürmte er mir wieder die Bude und riss mich aus den Federn, um mir schreckensbleich zu berichten, er habe die Geschwister aufsuchen wollen, aber sein Klopfen sei vergebens gewesen. Da sei er in den Garten gegangen, um von durch das rückwärtige Fenster ins Wohnzimmer zu sehen und habe die beiden in grauenhaftem Zustand entdeckt.
Sie hockten noch so ähnlich am Tisch, wie er sie verlassen hatte; neben ihnen wild verstreut die Karten; halbleere Becher auf dem Tisch und die heruntergebrannte und erloschene Partyleuchte im kleinen roten Blecheimer weiter hinten im Raum.
Sie waren zu Stein erstarrt. Im Tode noch schnitten sie Grimassen; die Gesichter schwarz angelaufen; die Augen weit aufgerissen; die Zungen herausgestreckt; alles so, als wären sie von Satan persönlich zu Tode erschreckt worden.
Gewiss wäre es jetzt das Beste, caro Signore Tartini, wenn Sie zum Ort des Geschehens eilten und sich die Szene des Schreckens ansähen. Mir will es so scheinen, dass ihnen der mächtige und große Herr der Hölle persönlich erschienen ist und sie im Schock erstarrt ums Leben kommen ließ.
Auf jeden Fall habe ich eine Mail ans Revier gesendet und die Carabinieri um Hilfe gebeten. Ich denke, das war meine Pflicht, auch wenn ich mir von den dortigen Männern nicht viel verspreche. Ihre Methoden scheinen veraltet zu sein, und die Spitzbuben unserer Gegend machen sich über sie lustig.«
Der Priester schwieg. Ich schüttelte den Kopf. An Meister Satan und sein unheilvolles Eingreifen in unser Leben mochte ich nicht recht glauben. Volpe starrte eine Zeitlang auf die gegeneinander gepressten Fingerspitzen; dann sagte er zu Signore Lupo: »Sie sind also nicht zu den Toten hineingegangen.«
»Leider war das unmöglich.«
»Besitzen Sie denn keinen Schlüssel zum Haus?«
»Doch, aber das brachte mir nichts. Die Tür hat leider einen Riegel, der nur von innen zu öffnen ist. Er war zugeschoben.«
»Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«
»Nein, nichts. Alles lag in tiefstem Schweigen; niemand weit und breit zu sehen. Ich bin zweimal ums Haus gegangen und habe durch die geschlossenen Fenster hineingeblickt. Es ist alles so, wie ich es gegen Mitternacht verlassen hatte. In meiner Abwesenheit konnte dort niemand eingedrungen sein.«
Der Priester nahm das Wort: »Jetzt, Signore Tartini, sind Sie im Bilde. Wenn Sie uns helfen könnten, das Geheimnis zu lüften, wäre ich Ihnen dankbar.«
All mein Hoffen beruhte nun darauf, Volpe zum Ausruhen bewegen zu können. Aus diesem Grunde waren wir ja aufs stille Land gereist. Aber ein einziger Blick zeigte mir, dass es vergebliche Liebesmüh wäre, ihn jetzt noch aufzuhalten. Sein gespannter Ausdruck sprach Bände. Eine Zeitlang blieb er in tiefem Nachdenken versunken hocken; dann murmelte er: »Eine interessante Sache! Gerne will ich mich an der Lösung beteiligen. Aber Sie, caro Signore Prete (Priester), waren bisher überhaupt noch nicht am Ort des Geschehens?«
»Nein! Als Ruggiero mich mit seinem Bericht aus dem Bett riss, dachte ich gleich an den Besuch aus Venedig und bin mit ihm zusammen hierher geeilt, um Ihren Rat einzuholen.«
»Wie weit ist es vom Pfarrhaus bis zum Landhaus der Signori Lupo?«
»Wie schon gesagt«, antwortete der Priester, »es liegt abseits in der Einsamkeit der Felder und Wiesen, ungefähr einen Kilometer von unserer gemeinsamen Behausung entfernt.«
»Dann schlage ich vor, wir gehen hinüber; zuvor aber noch ein paar Fragen, lieber Signore Lupo.«
Der Angeredete hob seinen Kopf, den er wieder in Händen vergraben hatte. Höchste Erregung hatte von ihm Besitz ergriffen. Mit verhärmtem Gesicht saß er da, während seine Hände sich ineinander krampften. Seine bläulichen Lippen zitterten. Als er nun zu uns aufblickte, gewahrte ich in seinen Augen so etwas wie das Grauen über den Anblick seiner Verwandten.
»Fragen Sie mich, was Sie fragen müssen«, brachte er mühsam hervor, »auch wenn es für mich entsetzlich ist, darüber berichten zu müssen. Ich bin bereit.«
»Gut«, sagte Volpe und legte die Fingerspitzen wieder aufeinander, »wunderbar! Ich wüsste gerne, was gestern Abend geschah, als Sie drei dem Kartenspiel oblagen.«
»Nichts Besonderes! Wie so oft, war ich von ihnen zur Cena (Abendessen) eingeladen. Meine Schwester hatte ein leckeres Mahl auf den Tisch gebracht. Als wir damit fertig waren, machte ich den Vorschlag, die restliche Zeit durch Kartendreschen zu überbrücken. Das war gegen 21.00 Uhr. Ich hatte keinen guten Tag erwischt. Dennoch ließ ich mir die Laune nicht verderben und spielte munter weiter. Gegen 23. 00 Uhr machte ich mich auf den Heimweg. Die Geschwister spielten noch weiter und waren in bester Stimmung. Ich habe sie nicht mehr lebend gesehen.«
»Sind Sie alleine aus dem Hause gegangen?«
»Nein, mein Bruder geleitete mich zur Tür und schob dann den einen der zwei inneren Riegel vor. Er ist rostig. Ich vernahm das unangenehm knirschende Geräusch.«
»Nach welcher Seite des Hofes liegt die Haustür?«
»Auf der Gartenseite.«
»Dann müssten Sie ja, wenn ich nicht irre, unterhalb des Wohnzimmerfensters vorüber gekommen sein, oder? Konnten Sie sehen, was drinnen vor sich ging?«
»Ja, gewiss! Das Fenster war geschlossen. Ich sah sie am Tisch sitzen und mit den Spielkarten hantieren. Ich ging dann nach vorne und über den geschotterten Feldweg nach Hause, wo mir der Priester öffnete. Bald darauf begab ich mich zur Ruhe.
Als ich heute früh wieder hinging, machte mir niemand auf. Ich blickte durchs Fenster und sah meine Schwester leblos im Sessel hängen, das Gesicht verzerrt. Ihr gegenüber hockte mein Bruder, ebenso im Grauen des Todes erstarrt. Auf dem Tisch standen ein leeres und zwei halbvolle Gläser; daneben verstreut die Karten.«
Meister Lupo schwieg. Volpe dachte für einen kurzen Augenblick nach; dann murmelte er:
»Eine ungewöhnliche Sache! Haben Sie eine Erklärung dafür?«
Der Priester mischte sich ein und rief: »Das können nur die bösen Geister der Hölle gewesen sein, die als einzige imstande sind, durch Schlüssellöcher zu schlüpfen; vielleicht der Teufel in Person. Das Haus war und ist verriegelt und verrammelt. Kein Mensch kann sie umgebracht haben. Wir werden ihnen ein feierliches Requiem abhalten.«
Volpe sagte süffisant lächelnd: »Wenn es solch infernalische Wesen waren, dann hätten Sie mich nicht aufsuchen müssen. Doch ehe wir vor ihnen kapitulieren, wollen wir uns auf die Suche nach einer natürlichen Ursache machen. Nicht wahr, lieber Signore Lupo, Sie standen mit den Verwandten nicht immer in einem guten Verhältnis?«
Der Angeredete zuckte merklich zusammen und fragte stotternd, woher Volpe dies denn wissen könne.
»Ganz einfach, mein Lieber«, sagte er, »wenn von drei unverheirateten Geschwistern zwei gemeinsam das Elternhaus bewohnen und der dritte Untermieter beim Dorfpriester ist, dann liegt ein gewisser Streit doch auf der Hand.«
»Das haben Sie richtig erraten«, sagte Lupo, »auch wenn der Grund unserer Unstimmigkeiten weit, weit zurück liegt. Wir haben ihn vor Jahren begraben und lebten in Freundschaft.
Unsere Eltern machten hier den Landwirt. Als sie starben, sah ich mich enterbt. Die Geschwister bekamen das Haus und verpachteten das Land an einen Großbauer. Davon leben, äh, lebten sie. Es gab damals einen kleinen Rechtsstreit, den wir zu aller Zufriedenheit beilegen konnten, indem ich seitdem meinen Anteil an der Pacht erhalte.
Wir drei lebten seitdem in Frieden und Freundschaft mit einander, bis ... bis ... bis heute früh ... oh, du allmächtiger Gott!«
»Gut«, sagte Volpe gedehnt, »das wäre also geklärt. Aber könnten Sie jetzt noch einmal darüber nachdenken, ob Ihnen beim feuchtfröhlichen Beisammensein nicht etwas aufgefallen ist. Vielleicht war da irgendetwas, das Ihre Aufmerksamkeit erregte, und sei es von scheinbar geringster Bedeutung?«
»Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte Lupo.
»Ihre Geschwister waren bestens gelaunt?«
»Das kann man so sagen!«
»Und nichts deutete darauf hin, dass sie vor irgend etwas Furcht hatten oder eine Gefahr auf sich zu kommen sahen?«
»Ich wüsste nichts; mir ist nichts aufgefallen.«
»Und das ist alles, was Sie zu sagen haben?«
Lupo schien nachzudenken. Nach einer Weile sagte er:
»Doch, da war noch etwas. Ich saß die gesamte Zeit mit dem Rücken zum Fenster. Die Geschwister hockten mir gegenüber. Einmal kam es mir so vor, als ob der Bruder mir angestrengt über die Schulter nach draußen ins Finstere sähe. Ich drehte mich um und starrte durch das geschlossene Fenster in den Garten. Für die Zeit eines Atemzuges glaubte ich, eine Gestalt sich bewegen gesehen zu haben; vielleicht ein Mensch; vielleicht ein Tier.
Ich fragte Sesto, ob er dasselbe erblickt hätte. Er nickte und meinte, es seien die Sträucher des Gartens gewesen, die sich im wimmernden Wind der verregneten Nacht wiegten. Dann spielten wir weiter.«
»Und keiner ist hinausgegangen, um nachzusehen?«
»Nein! Das Argument von den Büschen war plausibel. Wer sollte auch bei diesem Wetter noch unterwegs sein?«
»Als Sie sich verabschiedeten, haben Sie da irgendwelche Ahnungen oder Vermutungen gehabt?«
»Nicht die geringsten! Cecilia gab mir ihren Ombrello (Schirm) mit, und so gelangte ich einigermaßen trocken nach Hause.«
»Aber warum sind Sie heute kurz vor Sonnenaufgang wieder zu ihnen hingegangen? Hatten Sie eine Vorahnung?«
»Nein, ich bin Frühaufsteher und benötige wenig Schlaf. Mein Morgenspaziergang führt mich stets am Haus der Geschwister vorbei. Außerdem musste ich Cecilia den Schirm zurückbringen. Gewiss hätte ich die beiden nicht geweckt, falls sie noch schliefen und den Ombrello nur an die Haustür gelehnt, aber als ich in den Garten ging, um ins Wohnzimmer zu spähen ...«
Erneut schüttelte sich der Ärmste, vom Grauen gepackt.
»Schön, gut, wunderbar«, sagte Volpe trocken, »das war alles, was ich wissen wollte. Jetzt sollten wir zum Ort des Dramas eilen. Sergiu wird den Arztkoffer mitnehmen. Es wäre außerordentlich nett, Signori, wenn Sie uns den Weg wiesen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, müssen wir ungefähr einen Kilometer weit durch die Fluren traben, gut für uns am Morgen.«
Der Priester nickte und erhob sich schwerfällig. Lupo federte aus dem Polster in die Höhe. Ich tat Desgleichen, wenn auch nur mit halbem Elan. Volpe sprühte vor Energie. Wir joggten dann hinter unserem Paar einher. Nebeneinander laufend, eilten sie vor uns über einen grasigen Feldweg von dannen, während mir Volpe böse grinsend ins Ohr flüsterte:
»Dir ist gewiss aufgefallen, mein Lieber, dass Lupo zumindest in einem Punkt gelogen hat, nicht wahr, mein Bester? Wir haben da eine zwielichtige Gestalt vor uns.«
Verblüfft schüttelte ich den Kopf. Wie konnte dieser Meister der Logik denn bei Ruggieros nüchterner Aussage etwas Verlogenes entdeckt haben? Fragend schaute ich ihm ins fuchsige Gesicht. Er lächelte boshaft und legte den Zeigefinger an die Lippen. Ich wusste, was er meinte und schwieg, denn schon näherten wir uns dem Heim der toten Geschwister.
Es handelte sich um ein wettergegerbtes altes Landhaus, das schon bessere Zeiten gesehen hatte. Würfelförmig errichtet und von einem pyramidenförmigen Ziegeldach gekrönt, war es nicht ohne Anmut auf einer flachen Anhöhe zwischen die blühenden Fluren gebaut; rundherum ein Garten, in dem die Blumen bunte Farbtupfer hinterließen. Vögel zwitscherten in den steil ins Blau des Himmels ragenden Kastanienbäumen, welche die vier Ecken des quadratischen Anwesens markierten.
Wir gingen auf dem unter den Schuhsohlen knirschenden Kiesweg zum Gebäude hin, dann nach rechts in den Garten und standen zunächst vor dem großen Wohnzimmerfenster, das aus drei Flügeln bestand, deren jeder in sechs kleinere Scheiben unterteilt war. Einige Meter entfernt davon erblickte ich ein paar Büsche, die sich im Frühsommerwind wiegten.
Hier also, mitten zwischen ihnen, musste die unheimliche Gestalt aufgetaucht sein, welche die Geschwister zu Tode erschreckt hatte. Wenn man unter das oben beschriebene Fenster gelangen wollte, musste man über einen erdigen verunkrauteten Pfad schreiten. Volpe sah sich alles genauestens an, nickte und ging dann zu eben dieser Stelle hin.
Wir folgten ihm und blieben auf seinen Wink hin in angemessener Entfernung stehen. Er warf einen kurzen Blick durch das Fenster und untersuchte dann den Boden zwischen dem Gesträuch aufs Sorgfältigste. Einmal legte er sich dabei längelang auf den Rasen, um schließlich mit zufriedener Miene zu uns zurückzukehren.
Er werde sich jetzt den hinter dem Wohnzimmerfenster befindlichen Hauseingang ansehen, sagte er und machte sich auf den Weg. Schon wollten wir ihm folgen, doch er war dergestalt in Gedanken versunken, dass er über ein kleines Fass stolperte, in dem das Regenwasser gespeichert wurde. Es stürzte um. Sein grünlicher Inhalt ergoss sich über den Gartenweg und flutete uns entgegen. Verärgert sah ich hinter meinem Freund her, denn wir alle bekamen schlammige Füße, nur er nicht.
Und schon standen vor einem Portal, welches von zwei Halbsäulen eingerahmt wurde, überdacht von einem ziegelgedeckten Giebel. Volpe stapfte die drei steinernen Stufen empor, rüttelte vergebens an der Tür und murmelte schließlich:
»Ohne Werkzeug kommen wir nicht hinein. Obwohl ich wüsste, wie man hier einbrechen könnte, will ich es lieber nicht tun. Sagten Sie nicht, Signore Grana, Sie hätten bereits die Wache von Chiesa d‘Alpago benachrichtigt?«
Der Priester nickte.
»So wollen wir uns denn als gesetzestreue Genossen noch eine Weile in Geduld üben. Lange kann es nicht mehr dauern, bis sie da sind. Höre ich nicht schon das Geräusch der Räder eines Jeeps auf dem Schotter des Feldwegs?«
Volpe hatte wieder einmal Recht: In zügiger Fahrt kam ein kleiner grüner Geländewagen gebraust. Auf den Vordersitzen des betagten Lada hockten zwei uniformierte Carabinieri, der jüngere der beiden am Steuer.
Der Wagen kam zum Stehen. Der Beifahrer sprang leichtfüßig heraus und rannte auf uns zu. Als er Volpe gewahrte, strahlte er über das ganze Gesicht.
»Welch eine Freude«, rief er im Näherkommen, »der berühmte Giuseppe Tartini ist hier! Wie oft habe ich meinen venezianischen Kollegen di Fusco beneidet, wenn er mit ihm Seite an Seite einen Fall lösen durfte. Ich bin Commissario Michele Ferrano – und das ist mein Assistent Tito Antonini.«
»Die Freude auf meiner Seite ist ebenso groß«, sagte Volpe, »denn ich habe von etlichen Fällen gehört, die Sie tadellos zum Abschluss brachten. Kommen Sie bitte mit und werfen Sie einen Blick durch das Fenster! Das bringt mehr als alle Worte.«
Die beiden Carabinieri nahmen Volpe in ihre Mitte. Gemeinsam schritt man zum oben beschriebenen Fenster, um hineinzusehen. Der junge Mann, der noch keine große Erfahrung hatte, stieß einen Schrei aus, lief grünlich an, rannte in die Weite des Gartens und erbrach sich.
»Ein tolles Stückchen«, murmelte Ferrano und war aschfahl geworden, »so ziemlich der scheußlichste Anblick meines Lebens, und ich habe schon so manches gesehen, manches erlebt; und was hörte ich vom Priester? Das Haus ist verrammelt und der Riegel von innen vorgeschoben? Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Aber ich habe für alle Fälle eine Axt mitgebracht.«
»Ausgezeichnet«, sagte Volpe, »Sie sind eine Leuchte unseres Berufes und haben an alles gedacht. Gehen wir ans Werk!«
»Tito«, sagte der Commissario zu seinem Rekruten, der mittlerweile käsebleich zurückgekehrt war, »nimm dieses eiserne Gerät und hacke die Tür vorschriftsgemäß auf!«
»Eine Vorschrift fürs Türaufhacken?«, staunte ich.
»Geübt ist geübt«, sagte Signore Ferrano, »denn wo kämen wir hin, wenn wir es da nicht zu einer gewissen Meisterschaft gebracht hätten? Diese Dickschädel von Bauern verschanzen sich doch bei jeder Gelegenheit in ihren Hütten, und sei es nur, weil sie die Frau Gemahlin windelweich gehauen haben und jetzt die halbe Leiche nicht herausrücken wollen.«
Tito beäugte die Haustüre mittlerweile misstrauisch; dann rüttelte er an ihr und sagte: »Es ist tatsächlich ein Riegel vorgeschoben.«
»Weißt du, wo er zu finden ist?«, fragte Ferrano ihn.
»Das erkennt man meistens daran«, sagte er und zeigte auf die runden Köpfe von vier rostigen Nieten.
»Auf der Außenseite des Türblattes sieht man diese rotbraunen Dinger. Jeweils zwei sind auf der Innenseite miteinander verbunden; und durch die dadurch entstehenden Ösen ist der Riegel geführt, der dann in eine Nische der seitlichen Mauer geschoben werden kann. So gehen fast alle Riegel der sturen Bauern hierzulande im Alpago.«
Mir leuchtete das ein. Tito nahm die Axt zur Hand, holte möglichst weit aus und ließ sie dann mit donnerndem Getöse auf dem Reich der Nietenköpfe hernieder sausen. Als er das einige Male getan hatte, öffnete sich die Haustür wie von selbst und pendelte ächzend in den Angeln. Uns gähnte ein düsterer Korridor entgegen, in dessen Halbdunkel sich auf der rechten Flanke die Umrisse verschiedener Türen abzeichneten. Linksseitig war die Halle an die Außenwand angefügt und endete an einer Treppe ins Obergeschoss. Wir standen starr und lauschten angestrengt; kein Geräusch; alles totenstill.
Signore Ferrano gab Volpe mit einem Zeichen zu erkennen, dass er ihm den Vortritt ließ. Vorsichtig betrat er den Gang und starrte auf die Fliesen. Sie waren ausgetreten, wiesen aber nicht die geringsten Spuren auf.
Üble Luft, die mit ekelhaft-faulig nur unzureichend beschrieben wäre, strömte uns entgegen und zischte an uns vorbei, hinaus in die Frische des Morgens. Sie benahm uns den Atem und ließ uns würgen. Entsetzt blickten wir einander in die Augen, denn dieser Aasgeruch konnte nur aus dem Reich der Toten kommen.
Die Tür zum Wohnzimmer, in dem die Leichen liegen mussten, stand halb offen und bewegte sich, indem sie in die Halle hinein pendelte, knarrend in der Zugluft. Ich vernahm das kratzende Geräusch der in ihr schmarotzenden Holzwürmer. Mir ward unheimlich zumute. Ich wollte, ich wäre in unserem schönen Venedig und nicht hier auf dem Lande. Wie oft hatte mich Volpe schon davor gewarnt, die ländliche Einsamkeit mit einer Idylle des Friedens zu verwechseln.
Wir folgten ihm und tasteten uns bis zur besagten Tür des Wohnzimmers vor. Der Anblick, der sich bot, war grässlicher als alles, was ich jemals gesehen hatte. Die Geschwister hockten einander gegenüber am Tisch, auf dem die Karten in wirrem Durcheinander neben den Gläsern lagen. Der dritte und vierte Stuhl war an der Wand zerschmettert worden. Das Vertiko lag umgestürzt auf dem Estrich. Ich wandte meine Blicke der toten Frau zu.
Cecilia mochte zu Lebzeiten als schöne Frau gegolten haben. Die meisten Frauen hätten sie um ihre Figur beneiden können, wie sie da erstarrt im Lehnstuhl hing, diese Dame von Mitte dreißig, den Leib in ein ärmelloses blaues Kleid gehüllt. Ihr fein geschnittenes, vom Blondhaar umwölktes Gesicht hätte noch im Tode als anziehend gegolten, wenn es nicht schwärzlich angelaufen wäre und samt dunkler, heraushängender Zunge und offen stehender Glotzaugen Ausdruck unerhörten Grauens gewesen wäre.
Ein langes Küchenmesser war ihr in die Brust gerammt worden, aus der aber nur wenig Blut geflossen und dann geronnen war. Ein Schwarm schwarzer Fliegen suchte brausend das Weite. Sie waren zur Eiablage durch das fingerbreit offen stehende Fenster der nebenan liegenden Toilette eingedrungen.
Volpe gab mir ein Zeichen. Ich ging mit schlotternden Beinen hinein, öffnete den einen Fensterflügel, um die eklige Luft hinauszulassen, schritt dann zu Cecilia hin, um sie zu untersuchen, während die anderen stumm auf der Schwelle verharrten.
Sie war kalt und steif. Ich nahm eine feine Schere aus meinem Köfferchen hervor und trennte das Gewand an eben der Stelle auf, wo die Klinge hindurchgestoßen worden war. Der Täter hatte sie der Frau mitten ins Herz hinein gestoßen und stecken lassen. Es war aber kaum Blut hervorgetreten. Mühsam drehte ich mich um und krächzte:
»Der Tod ist nach all meiner Erfahrung gegen 0.30 Uhr eingetreten. Sie muss schon eine Weile tot gewesen sein, als man ihr dieses Messer da durch die Rippen rammte, mitten ins Herz hinein. Warum eine Tote töten wollen, ist hier die Frage.«
»Gut«, sagte der Carabiniere, »dann untersuchen Sie bitte auch noch die Leiche des Mannes!«
Sesto saß krumm auf einem Korbstuhl und hatte beide Hände auf den Tisch gestützt. Im Gesicht ähnelte er seiner Schwester in jeder Hinsicht. Auch er war im Grauen zu Stein erstarrt. Nie zuvor hatte ich eine derart entstellte Miene gesehen. Im Unterschied zur Schwester hing ihm die Zunge nicht so weit heraus. Dafür waren seine Zähne gebleckt und hatten sich ins Fleisch der Zunge verbissen. Die Haare sträubten sich noch im Tode. Seine rechte Hand wies geringe Blutspuren auf.
Ich untersuchte die Leiche nach allen Regeln der Kunst und sagte schließlich, nachdem ich das Zimmer wieder verlassen hatte: »Auch er ist schon stundenlang im Jenseits. Allerdings deuten die Anzeichen darauf hin, dass der Tod nicht vor ca. 3.00 Uhr eingetreten ist. Vermutlich hat er noch eine Zeitlang getobt und im Irrsinn der Schwester das Messer in die Brust gestoßen.«
»Vielleicht; vielleicht auch nicht; nur keine voreiligen Schlüsse«, murmelte Volpe und ging vorsichtig in den Raum hinein, um ihn mit leichten und raschen Schritten zu durchmessen. Ich sah, wie er durch das Fenster in den Garten hinaus blickte, gewiss, um zu sehen, wer oder was dort in der vergangenen Nacht gewesen war.
Dann warf er noch einen letzten Blick auf die völlig heruntergebrannte Kerze in ihrem kleinen roten Blecheimer.
Es war eben die Art, wie man sie gerne bei Sommerpartys im Freien verwendet. Ganz unten gewahrte ich, als ich ihm über die Schulter blickte, eine erkaltete schwärzliche Masse, hässlich verklumpt. Kein ein einziges Mal sah ich das Aufleuchten der Augen meines Freundes. Er hatte keine Spur entdeckt.
»Warum nur die Kerze? Das gibt keinen Sinn«, murmelte er.
»Es war eine ungemütliche Nacht, letzte Nacht«, bemerkte Signore Ferrano, »und da haben sie eben die Leuchte angezündet. Viele Leute machen das so, und dann ist sie solange herunter gebrannt, bis dieser stinkende Wachshaufen übrig blieb, eine Mischung von Wachs, Ruß und erloschenem Docht.«
»So wird es wohl gewesen sein«, sagte Volpe resigniert, »und es dürfte jetzt das Beste sein, die Kripo von Belluno zu holen, um die Leichen in die Pathologie zu schaffen. Für Sergiu und mich ist hier leider nichts mehr zu tun. Wir werden noch heute eine schriftlichen Bericht an Sie senden.«
»Du glaubst also, es waren die Geister der Hölle?«, fragte ich.
»Es scheint so gewesen zu sein«, erwiderte Volpe gedehnt, »aber es gibt gewiss auch eine natürliche Erklärung. Vielleicht hätten die beiden das Zimmer besser lüften sollen, denn möglicherweise stiegen von der dicken Kerze Dämpfe auf, die ihnen den Atem raubten. Doch was kann ich aus dem Klumpen im Eimerchen jetzt noch herauslesen? Mit diesem jämmerlichen Rest, den uns die tote Flamme hinterlassen hat?«
»Schön und gut! Aber all das erklärt überhaupt nicht, warum sie solche Fratzen schneiden. Wenn sie nur erstickt wären, wären sie friedlich eingeschlafen«, erwiderte ich wichtigtuerisch, »denn die Kohlenmonoxidvergiftung ist so sanft, dass sie gerne auch von Selbstmördern genutzt wird.«
»Du hast vollkommen recht, mein Lieber«, sagte Volpe, »und darum werde ich das verrußte Eimerchen weiterhin in meine Überlegungen mit einschließen.
Meine Herren, mit Ihrer Erlaubnis werden Sergiu und ich uns jetzt in unser gastliches Haus zurückziehen. Hier ist nichts Weiteres zu entdecken. Ich will mir alle Aspekte durch den Kopf gehen lassen. Sollte ich auf eine von Geistern freie Lösung stoßen, werde ich Sie umgehend davon in Kenntnis setzen.
Und Ihnen, lieber Kollege Ferrano, wird mein Freund einen speziellen ärztlichen Bericht über den Tod der beiden zugehen lassen, welchen Sie als Teil der Akte betrachten können. Arrivederci, amici carissimi – lebet wohl, meine liebsten Freunde!«
Nachdem die Polizisten davongerumpelt waren, begleiteten wir den Priester samt Signore Lupo zurück nach San Martino, obwohl dies für Volpe und mich ein Umweg war. Erst vor den marmornen Stufen hinauf zum Kirchlein trennten wir uns, um die 500 Meter zum Albergo hinüber zu gehen, während Adolfo Grana und sein Untermieter im Pfarrhaus verschwanden.
Längst schon saßen wir wieder auf der Terrasse über den flauschigen Kissen unserer bequemen Korbsessel und schlürften einen guten Sizilianer aus dem Acireale, verdünnt mit Wasser. Volpe sprach kein einziges Wort. Seine buschigen Augenbrauen waren zusammengezogen; die Stirn in Falten gelegt; der Mund verkniffen; der Blick abwesend; die sehnigen Hände gefaltet, als er endlich das Schweigen brach und, indem er seine gute Erziehung an den Nagel hängte, mit gefletschten Zähnen knurrte:
»Merda maledetta (verdammte Sch...e!)! Ich komme nicht weiter. Es ist zum wahnsinnig Werden. Komm, lass uns einen Spaziergang machen und nach den Überresten der Jahrtausende schauen! Und mögen die Monumente noch so zerfallen sein, wir werden sie leichter entdecken als die Lösung dieses Problems.
Es ist absolut sinnlos, sich das Gehirn zu zermartern. Ich bin kein Heautón Timoroúmenos (ein Sich-Selbst-Bestrafender), wie der Dichter Terenz (1951-59 v. Chr.) eine seiner Komödien nennt. Wenn wir uns in Geduld üben, wird sich der Fall vielleicht von selbst lösen. Also auf und davon! Hinein in die himmlisch einsamen Fluren des Alpago! Lass uns am Südhang des Monte Cimon (2346 m.) entlangreiten!«
Gesagt, getan! Nachdem wir uns die würzige Bergluft ausgiebig um die Nase hatten wehen lassen und die Rösser endlich Schritt gehen ließen, kam Volpe auf das leidige Thema zurück. Er sah mich an und sagte: »Bevor wir von neuen Ereignisse überrollt werden, sollten wir alles, was wir wissen, zusammenfassen: Zum Ersten bin ich – im Unterschied zu dir – nicht dazu bereit, böse Geister für den Tod der Geschwister verantwortlich zu machen. Es muss eine natürliche Ursache geben. Religion sollte Religion bleiben.«
»Dann ist es ja Mord«, flickte ich ein.
»Davon gehe ich aus. Es ist ein besonders raffiniert inszenierter Mord, wenn nicht einmal ich herausfinde, wie er über die Bühne ging; kommen wir zur Sache: Unser Priester besitzt ein Alibi. Er hat auch kein Motiv. Bleiben die Geschwister, von denen zwei ermordet wurden. Der dritte käme als Täter in Betracht. Allerdings lebte er in Harmonie mit Bruder und Schwester, wenn man ihm glauben darf. Ferner hat er ein Alibi. Als der Tod eintrat, schlief er im Haus des Priesters.
Das Mädchen starb nämlich erst, nachdem Ruggiero Lupo das Haus verlassen hatte. Bei ihrem Bruder wirkte die Substanz, die den Tod verursachte, um Einiges langsamer. Allerdings umnebelte sie seinen Verstand auf so verheerende Weise, dass er noch zum Messer greifen konnte.
Es müsste also eine unbekannte Person sein, welche allen drei Geschwistern nach dem Leben trachtete. Lediglich dadurch, dass Ruggiero bereits vor der Mitternacht nach Hause ging, könnte er dem Unheil entronnen sein. Ich halte es daher für gut möglich, dass auch unser schweigsamer Wolf bald an die Pforten des Jenseits anklopft, denn er weiß mehr, als er uns verrät.«
»Willst du damit erneut sagen, er hätte uns belogen?«
»Zumindest darin, dass er behauptet, sein Bruder habe ihm irgendwie seltsam über die Schulter geschaut, und er habe sich daraufhin umgedreht, um tatsächlich unten im Garten etwas Verdächtiges zu sehen.«
»Warum sollte das gelogen sein?«
»Mein Bester! Oh Gott«, sagte Volpe süffisant lächelnd, »es war doch stockfinstere Nacht, und draußen regnete es Hunde und Katzen. Das Zimmer war von einer matten Deckenlampe sowie der lodernden Partyleuchte erhellt, und was sieht man dann, wenn man die Blicke aufs Fenster richtet?«
»Ich Hornochse!«, sagte ich und schlug mir vor die Stirn. »Nur das Zimmer, wie es sich mit allem Drum und Dran in den Scheiben spiegelt. Ruggiero konnte gar nicht sehen, was er gesehen haben will. Aber warum hat er uns angelogen?«
»Das weiß ich nicht, noch nicht«, sagte Volpe, »aber es lenkt einigen Verdacht auf ihn. Wir sollten diesen Aspekt nicht aus den Augen lassen. Und gerade deshalb, weil man nicht in den Garten sehen konnte, ist der Gedanke zu verwerfen, die beiden im Zimmer Verbliebenen könnten von einem Wesen, das sich draußen aufhielt, zu Tode erschreckt worden sein und wären darum, Grimassen schneidend, gestorben.«
»Vielleicht hat das Biest ja sein Gesicht an der Scheibe platt gedrückt«, wagte ich einzuwenden.
Volpe erwiderte: »Auf der äußeren Fensterbank befindet sich ein Blumenkasten. Er wurde nicht berührt. Außerdem müsste die Scheibe Spuren von Fett oder Ähnlichem aufweisen, aber es gibt keine. Auch Ruggiero kann seine Geschwister nicht erschreckt haben, denn er ist kein einziges Mal näher als etwa 1,50 m an das Fenster herangetreten. Warum überhaupt? Gewiss wollte er drinnen irgendetwas sehen, ohne selber gesehen zu werden.«
»Was du nicht sagst, du Allwissender! Warum bist du dann über das Wasserfass gestolpert?«
»Hihihi«, kicherte Volpe, »du alter Hase hast naturgemäß bemerkt, dass es nicht zufällig geschah. Nun, ich erzielte damit einen besonders deutlichen Fußabdruck unseres Meisters Ruggiero Lupo. Darum ging es mir, denn auch in der Mordnacht war das Gelände ja feucht vom Regen.
So konnte ich, als wir auf dem Weg zum Pfarrhaus waren, seine Spur verfolgen, die er hinterließ, nachdem er das Haus der Geschwister verlassen hatte: Er ging von der Haustür zum dreiflügeligen Fenster und lief dort in der genannten Distanz eine Zeitlang auf und ab. Gewiss beobachtete er Schwester und Bruder im Zimmer, ohne dass diese ihn, wie du ja weißt, sehen konnten.
Dann kürzte er über den Rasen ab und verließ das Grundstück, um in Riesenschritten zum Pfarrhaus zu eilen. Dort endet die Spur, und in diesem einen Punkt hat er uns immerhin die Wahrheit gesagt. Eine zweite, weniger deutliche Spur führt der genannten entgegen. Sie sollte von Morgenausflug des Frühaufstehers stammen und ist der Gangart Schlendern zuzuordnen.
Ihr entgegengesetzt finden sich die weit gespreizten Tappen eines wie wahnsinnig Rennenden. Wenn wir Ruggiero glauben wollen, dann stürmte er, nachdem er das Unheil entdeckt hatte, wie entfesselt zurück zum Haus des Priesters.
Der Mord wurde also nachweislich erst, nachdem er vom Schauplatz verschwunden war, verübt, von wem auch immer. Es ist nun unsere Aufgabe, den Täter zu ermitteln, um herauszufinden, womit sie den beiden solch ein Grauen einflößen konnte, dass die Hübsche sofort daran verstarb, während der Bruder, der offenbar von besserer Kondition war, in geistig umnachteter Weise noch eine Zeitlang tobte.
Siehst du jetzt, mein lieber Sergiu, wie sich die Schwierigkeiten vor uns in den Himmel türmen? Wir wissen nicht, wie und von wem das Verbrechen begangen wurde. Wenn wir wenigstens ein plausibles Motiv hätten!«
»Ich sehe das auch so«, meinte ich seufzend.
»Und dennoch«, sagte Volpe, »hatten wir schon Fälle, bei denen das vorliegende Material noch viel geringer als diesmal war, und trotzdem konnten wir sie lösen.
Doch da wir einstweilen nicht weiter kommen, wollen wir den Tag nicht durch Grübeln verderben sondern uns ganz den Antiquitäten der Gegend hingeben. Ich denke, es lohnt sich, und unsere braven Rösser brauchen Bewegung. Wenn ich mir noch eine winzig kleine Bemerkung gestatten darf: Mein Lieber, du zeitigst erkennbare Fortschritte in der Reitkunst.«
Seit ich meinen Freund kenne, gerate ich immer wieder in entzücktes Staunen über seine Vielseitigkeit: Mit einer Konzentration, welche ihresgleichen sucht, ritt er, mich im Schlepptau, von Monument zu Monument, oft nur als wirre und von Ranken überwucherte Ansammlung von Steinen erkennbar, um sie zeitlich und in Bezug auf ihre kulturelle Zugehörigkeit einzuordnen. Aufs Genaueste wusste er dabei zwischen Relikten der Steinzeit, der uralten Pelasger, der alten Italiker, Kelten und Hellenen bis hin zum Mittelalter zu unterscheiden, um seufzend zu bemerken, dass ihm sein Beruf kaum Zeit lasse, ein dickes Handbuch mit dem Titel „3.000 Jahre Antiquitäten des Alpago“ zu verfassen. Als ich ihm entgegnete, wer denn ein solches Werk lesen werde, brach er in ein homerisches Gelächter aus.
Am späten Nachmittag kehrten wir zum Albergo zurück, glücklich aber auch erschöpft, um uns auszuruhen und die Cena einzunehmen. Doch im Speisezimmer wartete ungeduldig ein bärtiger Riese auf uns, ein Zweimetermann, der in meinen Kreisen bestens bekannte Forscher und Mediziner Dottore Anselmu Tigurinu, ein gebürtiger Rumäne wie ich, einst in Bukarest zu Hause, seit Jahren aber im Amazonasbecken tätig, in welchem er gelegentlich für Monate unterzutauchen pflegt.
Niemandem in meinen Kreisen muss ich erklären, wer die mächtige Gestalt war, die sich da in einen unserer zu klein geratenen Korbsessel gezwängt hatte. Dieses von grau-meliertem krausen Haar und imposantem Vollbart eingerahmte Gesicht mit seiner markanten Adlernase, welches an den olympischen Zeus erinnerte, war allbekannt. Leider ist er seit seiner letzten Expedition verschollen. Böse Zungen munkeln, die Ureinwohner am Amazonas hätten ihn geschlachtet und gefressen.
Jetzt erhob sich der Hüne, und sein olympisches Lockengebirge berührte fast die Decke des Speiseraumes, in welchem wir uns zur Cena eingefunden hatten. Mit beiden Händen stemmte er sich gegen die Sessellehnen, um die lästige Sitzgelegenheit hinterrücks abzustreifen. Dann grüßte er mit leicht angewinkeltem rechten Arm samt zugehöriger Pranke. Die Hand hingegen reichte er uns nicht.
Es gab damals in ganz Italien kaum eine zweite Persönlichkeit, die bei uns Medizinern einen so hohen Bekanntheitsgrad genoss wie Dottore Tigurinu, dieser kühne Forscher. Einmal, das wird glaubhaft berichtet, hatte er einen Jaguar niedergerungen und ihm den Dolch ins Herz gestoßen.
Zurzeit aber hielt er sich hier im Alpago auf. Wiederholt hatten wir ihn aus der Ferne bewundert, aber zu einem Treffen war es nicht gekommen. Doch jetzt war er erstaunlicher Weise unaufgefordert zu uns gekommen, obwohl er als Eigenbrötler bekannt war, der sich noch nie in die Angelegenheiten eines Nachbarn eingemischt hatte. Ohne wenigstens ein kleines ,Buon Giorno, Signori‘ zu sagen, ließ er seinen Bass erdröhnen und fiel mit der Tür ins Haus.
»Die dämlichen Dorfbullen haben keine Ahnung von Tuten und Blasen, diese Vollidioten«, knurrte er grimmig, statt uns zu begrüßen. Wir setzten uns wortlos zu Tische und starrten ihn an. Er nahm zum zweiten Mal das Wort.
»Genau darum bin ich hier und denke, ein so intelligenter Mann wie Sie, Signore Tartini, hält nichts von Geistern und denkt an Mord. Warum ausgerechnet ich zu Ihnen gekommen bin, was mich das alles angeht, fragen Sie sich, nicht wahr? Das sehe ich Ihnen beiden doch schon an der Nasenspitze an!«
Volpe nickte nur und legte die Fingerspitzen aufeinander. Dr. Tigurinu nahm wieder Platz im knarrenden Korbstuhl und leerte einen großen Becher, den ihm der Hausdiener kredenzt hatte, in einem Zug. Während er wieder gefüllt wurde, fuhr er fort.