Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis - Meinhard-Wilhelm Schulz - E-Book

Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis E-Book

Meinhard-Wilhelm Schulz

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  • Herausgeber: Alfredbooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis von Meinhard-Wilhelm Schulz Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Krimis: Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und der Frauenmörer von Venedig Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und der mörderische Monsignore Paulus Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und der Strandmörder am Lido Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und der mörderische Fall Kain und Abel Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und die Blüten des Todes Meinhard-Wilhelm Schulz: Privatdetektiv Volpe - Die Jagd nach Amanda Meinhard-Wilhelm Schulz: Detektiv Volpe und das grausige Kästchen Volpe und Petrescu sitzen draußen im Café. Sergiu liest dem Freund die skurrile Geschichte des Vampirs von Venedig vor, dem Volpe das Handwerk legte. Da stürmt eine großgewachsene Frau auf den Platz und bleibt stehen. Volpe und Petrescu beäugen sie neugierig. Während sich der Doktor in die luftig Gekleidete verliebt, stellt Volpe ganz nüchtern fest, dass sie schon über Vierzig und panikartig auf der Flucht ist. Volpe wäre nicht Volpe, wenn er der Verängstigten nicht helfen wollte. Ab sofort beginnt ein dramatischer Wettlauf mit dem Tod, denn ein hochintelligenter Profikiller ist auf die Dame angesetzt und zeigt dem Meisterdetektiv immer wieder seine Grenzen auf. Es kommt nach dem gewaltsamen Tod zweiter Zeugen zu einem schaurigen Showdown …

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Seitenzahl: 1484

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Titel

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Volpe und der Frauenmörder von Venedig

Volpe und der mörderische Monsignore Paulus

Volpe und der Strandmörder vom Lido

Volpe und der mörderische Fall Kain und Abel

Volpe und die Blüten des Todes

Privatdetektiv Volpe Die Jagd auf Amanda

Detektiv Volpe und das grausige Kästchen

Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis

von Meinhard-Wilhelm Schulz

 

Über diesen Band:

Dieser Band enthält folgende Krimis:

 

Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und der Frauenmörer von Venedig

Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und der mörderische Monsignore Paulus

Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und der Strandmörder am Lido

Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und der mörderische Fall Kain und Abel

Meinhard-Wilhelm Schulz: Volpe und die Blüten des Todes

Meinhard-Wilhelm Schulz: Privatdetektiv Volpe - Die Jagd nach Amanda

Meinhard-Wilhelm Schulz: Detektiv Volpe und das grausige Kästchen

 

Volpe und Petrescu sitzen draußen im Café. Sergiu liest dem Freund die skurrile Geschichte des Vampirs von Venedig vor, dem Volpe das Handwerk legte. Da stürmt eine großgewachsene Frau auf den Platz und bleibt stehen. Volpe und Petrescu beäugen sie neugierig. Während sich der Doktor in die luftig Gekleidete verliebt, stellt Volpe ganz nüchtern fest, dass sie schon über Vierzig und panikartig auf der Flucht ist. Volpe wäre nicht Volpe, wenn er der Verängstigten nicht helfen wollte. Ab sofort beginnt ein dramatischer Wettlauf mit dem Tod, denn ein hochintelligenter Profikiller ist auf die Dame angesetzt und zeigt dem Meisterdetektiv immer wieder seine Grenzen auf. Es kommt nach dem gewaltsamen Tod zweiter Zeugen zu einem schaurigen Showdown …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER HENDRIK M. BEKKER

© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Volpe und der Frauenmörder von Venedig

Krimi von Meinhard-Wilhelm Schulz

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 170 Taschenbuchseiten.

 

Dr. Sergiu Petrescu, ein rumänischer Arzt, der in Jesolo praktiziert, liebt Venedig und seinen dortigen Freund, den berühmten Detektiv Giuseppe Tartini, genannt ‚Volpe‘ (Fuchs) über die Maßen. Anlässlich der verheerenden Überflutung der Lagunenstadt im November 2019 kommt er die paar Meilen herüber geschippert und bringt dem Freund einen frisch protokollierten Fall mit:

In den engen Gassen eines von den Touristen kaum besuchten Viertels kommt es zu einer Mordorgie. Ein Täter, von dem man nur weiß, dass er sich in einen Kapuzenmantel oder Poncho hüllt, stürzt sich, den Dolch in der Hand, im Dunkel der Nacht auf Damen, die es noch wagen, alleine auszugehen. Die Carabinieri sind mit ihrem Latein am Ende, aber nicht einmal ein ‚Volpe‘ kann den nächsten Mord verhindern. Diesmal sind sogar zwei Frauen in den Fall verwickelt, und Volpes Freund, Doktor Sergiu Petrescu, der alte Schwerenöter, stellt einmal mehr fest, dass der Detektiv, so genial er sonst auch sein mag, zu wenig von Frauen versteht …

 

Meinhard-Wilhelm Schulz präsentiert hier einen mitreißenden Thriller mit dem venezianischen Detektiv, der authentisch an bekannten und weniger bekannten Plätzen der Lagunenstadt spielt. Es ist zutiefst Ausdruck seiner großen Liebe zu dieser durch Menschenhand vom Untergang bedrohten Stadt.

 

 

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Alfred Bekker

© Roman by Author / Cover: Motive von Pixabay mit Steve Mayer, 2019

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Die Hauptpersonen des venezianischen Dramas:

Dr. med. Sergiu Petrescu: ich, der Erzähler

Giuseppe Tartini ‚Volpe‘: Privatdetektiv; mein Freund

 

Namenlos: Der nächtliche Würger von Venedig

Conte Raimondo d‘ Inceto, geb. Tiepolo: ein Verdächtiger

Contessa Cornelia d‘ Inceto, geb. di Malatesta: seine Frau

Maria Augusta Tiepolo: seine leibliche Mutter

 

Ambrosio di Fusco: Tenente (Leutnant) der Carabinieri

Giulio Marcello: Capitano der Carabinieri, sein Chef

Alberto Scimmia (‚Der Affe‘): Reporter des Corriere della Sera

 

 

 

 

1. Teil: Ich, Dr. med. Sergiu Petrescu und mein Freund Volpe

Ich bin Rumäniendeutscher, schwarzhaarig, inzwischen grau meliert, nur 1, 65 m. groß und leider nicht so schlank, wie ich es gerne wäre, obwohl ich mich bei jeder Gelegenheit in den Sattel meines feurigen Rappen Diavolo (‚der Teufel‘) schwinge oder auf dem Tennispatz meine Runden drehe. Italien liebe ich im Allgemeinen und Venedig im Besonderen.

Deutsch, Rumänisch und das ihm verwandte Italienisch, alle drei Sprachen beherrsche ich so perfekt, dass ich es manchmal gar nicht merke, in welcher ich spreche.

Nach dem Medizinstudium in Bukarest und München brachte ich meine Zeit als Krankenausarzt in Verona hinter mich, um dann in Jesolo eine Praxis für Allgemeinmedizin zu eröffnen. Man nennt mich dort liebevoll ‚il Tedesco‘ (der Deutsche), weil mich Sommer für Sommer die deutschen Badegäste aufsuchen, wenn ihnen die Gesundheit einen Streich spielt und sich freuen, einen Doktor zu finden, der ihre Sprache versteht.

Zu meinem Radius gehörten auch die Dörfer südlich Jesolos, Cavallino, Cá Pasquali und Punta Sabbioni. Sie alle liegen auf einer Landzunge, die westlich an den Sümpfen der Lagune von Venedig und östlich an einem der schönsten Strände Italiens, vielleicht dem schönsten überhaupt, endet.

Warum es mich dorthin verschlagen hat? Nun, zum einen suchte dort ein älterer Arzt einen Nachfolger; zum anderen lag es an Venedig, der ‚Serenissima‘, welcher ich seit meinem ersten Besuch verfallen bin. Wenn man von Punta Sabbioni, wo die Halbinsel endet, in den Vaporetto (‚Dampferchen‘) steigt, gelangt man eine halbe Stunde später zur Anlegestelle unmittelbar am ‚Monumento Nazionale a Vittorio Emanuele‘. Im Unterschied zu all den Leuten, die Venedig mit dem Auto über den künstlich aufgeschütteten Damm erreichen, kommt man auf meine Weise ganz wie früher in die Stadt, und das auch noch stressfrei.

 

Viele Jahre ist es jetzt schon her, seit ich das erste Mal dem Zauber des Markusplatzes verfiel. Nachdem ich von der oben genannten Anlegestelle in dieser Richtung unterwegs war und im Vorbeischlendern einen Blick auf die unvergleichlich schöne ‚Seufzerbrücke‘ geworfen hatte, bog ich nach rechts auf die ‚Piazzetta‘ (kleiner Platz‘) ab, zu meiner Rechten die herrliche Fassade des Dogenpalastes, um dann die Weite des göttlichen Markusplatzes mit seinem himmelhohen Campanile zu erreichen.

Verzückt stand ich vor dem Markusdom und blickte zu den vier vergoldeten römischen Bronzerössern empor, den schönsten jemals verfertigten, als mir jemand auf die Schulter klopfte. Ich drehte mich um und sah einen hageren Mann vor mir, der mich um Haupteslänge überragte. Wären da nicht seine schulterlangen feuerroten Haare gewesen, könnte man sagen, dass es die Adlernase sei, die sein Gesicht beherrschte. Er bleckte das Raubtiergebiss und sagte grinsend:

»Buon giorno, dottore Tedesco! Buon giorno, Sergiu!«

»Wo-woher ke-kennen Sie mich?«, fragte ich ihn erstaunt.

»Signore, es ist meine Aufgabe, alles Mögliche zu wissen, sozusagen mein Beruf, auch wenn mich manche, die sich dafür von Staats wegen besolden lassen, für einen Amateur halten. Ich bin der stadtbekannte Privatdetektiv Giuseppe Tartini, den man meistens ‚Volpe‘ (‚Fuchs/Schlaumeier‘) nennt.«

Ich hatte bislang noch nichts von ihm gehört und ließ mir das auch anmerken. Er lächelte nachsichtig und fuhr fort:

»Nebenbei bemerkt, Dottore: Sie haben auf der Überfahrt gefrühstückt, sind ein Schiff zu spät hier angelangt, obwohl Sie sich beeilt haben und ferner der Meinung, die vier Pferde da oben seien die schönsten der Kunstgeschichte. In Ihrer Freizeit reiten Sie und spielen Tennis, zweifellos und bevorzugen die altmodische Nassrasur, nicht wahr?«

»Sie sprechen in Rätseln. Woher wissen Sie das alles, was Sie sagten? Sind Sie Hellseher?«, erwiderte ich bissig und wunderte mich über die Kühnheit des Schlaksigen mit dem großen schwarzen Schuh, »denn Sie sind mir ganz und gar unbekannt, mein Herr. Ihre Aussagen, meine Person betreffend, sind zwar richtig, aber woher stammen sie?«

»Sie haben Ihre Praxis zu Jesolo erst kürzlich aufgemacht. Das stand in der Zeitung. Dass Sie es heute eilig hatten, beweist die Tatsache, dass Sie, da Sie Bermudas tragen, zwei verschiedene Socken zur Schau stellen, einen weißen, wie man ihn beim Tennis trägt und einen blau-weiß geringelten.«

Ich unterbrach ihn grimmig und knurrte:

»Zuhause habe ich noch so ein Paar.«

»Göttlich, Sie haben Humor. Das lässt Sie in meiner Achtung weiter steigen«, sagte der Lange kichernd und rieb sich die knochigen Hände, »aber lassen Sie mich auch die übrigen scheinbaren Rätsel lösen:

Dass Sie die eingeplante Fähre nicht erwischt haben, ließ sich daraus schließen, dass Sie vorhin mehrfach auf die Uhr blickten und dazu ein verkniffenes Gesicht machten. Sie waren sichtlich verärgert, nicht wahr?«

»Ja, der verdammte Capitano sah mich wie einen Sprinter heran stürmen und legte schnell ab, aus purer Bosheit, eine Minute vor der Zeit. Ich hätte ihn ermorden können.«

»Oho«, sagte der Rote, »dann wären Sie ja ein Fall für Meinesgleichen geworden; doch zurück zu den Rätseln:

Dass Sie Reiter sind, bleibt dem geschulten Auge nicht verborgen: Ihre Knie weisen auf der Innenseite die typische Verhornung auf, die davon herrührt, dass der Pferdefreund diese Stelle fest an den Sattelgurt zu pressen hat. Ich kenne mich da aus. In jungen Jahren bi ich eifrig geritten. Als Sie dann aber zu den weltberühmten Rössern von San Marco aufblickten, hellte sich Ihre Miene sichtlich auf und Sie nickten dreimal mit dem Kopf.«

»Und die Nassrasur? Das Frühstück auf dem Schiff?«

»Hihihi, Dottore, Sie haben sich ein winziges Bisschen geschnitten, da, links oberhalb ihres bemerkenswert runden Adamsapfels, und da auf dem weißen Hemd ist ein winziger, noch frischer brauner Kaffefleck. Gewiss ist die Nussschale, auf der Sie von Punta Sabbioni hergekommen sind, ins Schwanken geraten, während Sie den Becher ansetzten.«

»Ein Tanker passierte uns, unverschämt nahe. Beinahe wären wir abgesoffen, so war das.«

»Das dachte ich mir«, sagte der rote Lulatsch freundlich, während mir jetzt der Kragen platzte:

»Aha, soso«, sagte ich zähneknirschend, »derart einfach war das alles also, das da mit mir, alles fürchterlich simpel, und ums Haar hätte ich Sie für einen Hexenmeister gehalten. Wenn ich Ihnen nun einen Spitznamen verpassen darf, dann möchte ich Sie, caro Giuseppe, bitte sehr, ‚il Pulcinella Rosso (‚der rote Hanswurst‘) nennen, hahaha.«

Signore Tartini kicherte und rieb sich vergnügt die Hände:

»Ist ja göttlich! Bravo, bravissimo, Tedesco! Treffender als Sie, verehrter Signore Dottore Petrescu, hat mich noch niemand beschrieben. Ich bin begeistert. Dafür lade ich Sie zu einem zweiten Frühstück ein, dort drüben unter den Kolonnaden hinter dem großen Campanile. Aber hier in der Serenissima nennt man mich den ‚Volpe‘ (‚Rotfuchs; Schlaumeier‘). Wer’s gerne britisch hat, sagt ‚Foxy‘. Zum Glück habe ich keine Sommersprossen.«

Ich drosch mir vor die Stirne und murmelte heiser:

»Ich Ochse! Ich Idiot! Ich war von Blindheit heimgesucht. Ich habe schon viel von Ihnen gelesen. Sogar ein Dummkopf wie ich hätte Venedigs besten Privatdetektiv erkennen müssen.«

»Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung«, sagte ‚Volpe‘, wie ich ihn ab sofort nennen möchte, lachend und legte mir den Arm über die Schulter, um mich ins Freiluftkaffee zu verschleppen, wo eine kleine Combo italienische Weisen spielte, zu denen ein Sänger schmachtend trällerte, darunter Italiens heimliche Nationalhymne »o, sole mio.«

Dass dies der Auftakt zu einer lebenslangen Freundschaft sein würde, konnte ich damals noch nicht ahnen. Dennoch war und ist es eine seltsame Partnerschaft, denn Volpe hat nie damit aufgehört, mich mit ‚Dottore‘ anzureden, während ich ihn ‚Giuseppe‘ nenne, wenn ich ihn anrede, ‚Volpe‘, wenn ich über ihn schreibe, sobald ich den Stress der Sommersaison hinter mir habe und die Touristenflut abgeebbt ist, holt er mich regemäßig nach Venedig herüber, wenn er einen kniffligen Fall hat, und dann gehen wir Seite an Seite auf Verbrecherjagd.

Beginnen möchte ich mit einem aktuellen Geschehen, das auf manch andere Abenteuer folgte. Es ereignete sich im November und Dezember 2019, als ich fast wahnsinnig wurde, weil die Wassermassen meine geliebte Stadt, die niemals untergehen darf, überrollt hatten und sogar den Markusdom samt der kostbaren Krypta überschwemmten.

Da die normale Verbindung unterbrochen war, rief mich Volpe auf dem Mobilfon an. Er sagte, ich solle den nächsten Dampfer nehmen und die Gummistiefel nicht vergessen, da mancher Ortes das Wasser noch zwanzig Zentimeter hoch stünde. Unverzüglich machte ich mich auf den Weg und ließ mich vom Freund durch die entsetzlich verwüstete Stadt führen.

Nach dem oben beschriebenen Weg stand ich in Gummistiefeln im 20 Zentimeter tiefen Wasser vor dem großen Campanile, wo mich Volpe abholte. Am Uhrturm verließen wir die Piazza und wanden uns durch die Gassen nordwärts (Venedig ist eine Stadt der Fußgänger), gingen an der ‚Chiesa di Santa Maria Formosa‘ vorüber, bogen links ab, um zum ‚Campo di SS. Giovanni e Paolo‘ zu gelangen, einer Kirche mit herrlicher Kuppel.

Auf dem ‚Campo‘ selbst aber steht die bronzene Reiterstatue des ‚Colleoni‘, größtes Werk des Renaissance-Künstlers di Cione, genannt ‚Verocchio‘; das größte solche Monument aller Zeiten.

Der Condottiere, hatte es Venedig als Vermächtnis gestiftet, aber man hatte es entgegen seinem Wunsch in 600 Metern Luftlinie Entfernung vom ersehnten Markuspatz errichtet, dort, wohin sich nur wenige Touristen verirren. So findet man hier Stille und Kultur höchsten Niveaus zugleich und auch ein nettes Lokal.

Arm in Arm, die Augen voller Tränen, gelangte wir schließlich zu seiner geräumigen Wohnung an der Südseite des Campo mit freien Blick auf Colleoni und Kirche, ein Eckhaus an der ‚calle di cavallo’ (Pferdegasse) und setzten uns ans Kaminfeuer, das Giovanni, Giuseppes Butler und Koch in einer Person, entfacht hatte. Nachdem wir uns einen guten Tropfen eingetrichtert hatte, steckte ich den Stick ins ‚Tablet‘, das mir der Freund reichte, um ihm den fertigen Bericht unserer Jagd auf den ‚Frauenmörder von Venedig‘ vorzutragen. In überarbeiteter Gestalt soll er nun folgen.

 

 

2. Teil: Die Jagd auf dem Würger von Venedig beginnt

Allzu viele Besucher der Serenissima verzichten auf eine Fahrt mit dem Vaporetto (‚Dampferchen‘) durch den Canale Grande und lassen sich im Bogen um die Innenstadt herum über den ‚Canale della Giudecca‘ bis unmittelbar vor den Dogenpalast schippern. Von dort aus lustwandeln sie über die Piazzetta zum Markusplatz samt Dom und weiter zur Rialtobrücke.

Auf diesem Gelände drängen sie sich zu Tausenden zusammen und erhalten so ein unvollkommenes Bild der Stadt. Solange man sich nämlich nicht mit einer Gondel durch die vielen kleinen Kanäle hat fahren lassen und anschließend mit Hilfe eines Stadtplanes durch die engen Gässchen gepilgert ist, wird man nie ganz ins Leben der Venezianer eingetaucht sein.

Es ist schon erstaunlich, wie still es plötzlich wird, wenn man den Platz vor der oben genannten Basilika der Heiligen Johannes und Paulus erreicht hat und zum weltweit schönsten Reitermonument aufblickt, das da auf hohem Sockel thront und den trutzig dreinblickenden Condottiere unsterblich gemacht hat.

Dahinter liegt ein Viertel voll von sprühendem Leben, das rein den Einheimischen vorbehalte ist. Die Fremden wissen nicht davon, wenn sie mit dem Vaporetto den Canal Grande Richtung Rialto unterwegs sind. Sie bewundern und filmen die Palazzi, allen voran die ‚Cá d‘ Oro‘ (Goldenes Haus), sonder Ahnung, dass sich dahinter dutzende von engen Gassen verbergen, in dem die Venezianer ihre Ruhe vor dem Touristenrummel haben, insbesondere, weil es im Herzen dieses Viertels keine Sehenswürdigkeiten gibt. In seinen Gassen mit ihren Läden, Werkstätten und Kneipen kehrt nicht einmal nachts Rune ein, wenn gewisse Damen vor grell erleuchteten Wirtschaften stehen, um den Gästen etwas mehr als nur Speis und Trank anzubieten.

Wo viel Leben ist, da blüht auch das Verbrechen, und ohne das stete Einschreiten von Venedigs Tenente Ambrosio di Fusco, dem der gesamte Bezirk untersteht, käme es dort regelmäßig zu Mord und Totschlag, denn neben den wenigen Palästen der Reichen beherbergt diese Gegend vor allem die Mietshäuser des Kleinen Mannes, der sehen muss, wie er durchkommt.

Oft ragen die Gebäude dort bis zu vier Stockwerke empor, und die Stadt hat nur wenige Lämpchen an den Wänden befestigt, um den trüben Gassen das Unheimliche zu nehmen, denn die Bauten sind so hoch, dass der Mond mit seinem bleichen Licht nur selten herein scheint:

Ebenda kam es zum einem Vorfall, der ganz Venedig vor Entsetzen erstarren ließ, und als sich die Dinge dann häuften, geriet unser Freund Ambrosio, Tenente der Carabinieri, an den Rand des Wahnsinns, denn der berüchtigte Täter ließ sich nicht fassen, ja, man hatte nicht die geringsten Anhaltspunkte, wer es sein könnte. Sämtliche Carabinieri der Stadt, angeführt vom Capitano (Hauptmann) Giulio Marcello, tappten im Dunklen.

 

3. Teil: Der erste Mord

Es war am sechsten Juli des Jahres 2019. Venedig litt unter einer unerträglichen Hitzewelle, und alles, was Rang und Namen hatte, war aus diesem brodelnden Kessel nach Rimini ans Meer geflüchtet. Die kleinen Leute, vor allem die Pensionäre und Rentner mit ihrer klammen Kasse, mussten in den grauen Mauern ausharren, und an Schlaf war kaum noch zu denken.

Als sich die ersten Schatten über das besagte Viertel senkten und der Glut des Tages eine Brise von der Adria her folgte, stürzten sich die Bewohner aus ihren stickigen Häusern heraus und ins Gewimmel der verwinkelten Gassen hinein. Überall erwachte das Leben zu pulsierender Heftigkeit. An allen Ecken und Enden Leben, Lärm und Musik, und noch vor der letzten Eck-Kneipe war wimmelte es vor durstigen Menschen.

Eine dieser Wirtschaften wurde »La Dolce Vita« genannt. Sie lag am ‚calle Zotti‘, fast noch im Schatten der Cà d‘ Oro, und wurde von einer krausköpfigen Frau betrieben. Wegen ihres dunklen Teints hatte sie den Spitznamen »Merio« (Amsel) erhalten. Wie sie wirklich hieß, schien niemand zu wissen.

Sie war mittelgroß und von üppiger Gestalt. Ihre Art, sich zu kleiden, nur als »leicht« zu bezeichnen, sollte übertrieben sein, denn manche Besucher der Kneipe sagten, wenn die Merio nur die Schuhe ablegte, sei sie nackt. Einige Männer liebten sie so innig, wie manch eine Frau sie hasste.

Am oben genannten Tag verließ die »Amsel« ihre Wohnung im der parallel gelegenen ‚calle Forno‘, aufgrund der Hitze nur in ein ärmelloses Männerhemd gehüllt, die klobigen Füße unterhalb der Beine dick wie Dönertrommeln mit ihren rot lackierten Nietnägeln in Flipflops steckend. Sandalen oder Turnschuhe hätten ihr vielleicht das Leben gerettet.

So stieg sie die fensterlose Treppe, aus ihrer Wohnung zur im Düsteren verschwimmenden Gasse hinab, um die hundert Meter zu ihrer Kneipe zu überwinden, die sie stets erst bei Einbruch der Nacht aufzusuchen pflegte, wenn das Leben erwachte.

Dort stand sie gewöhnlich mit ihrem Koch hinter der Theke, um die Gäste an den Tischen und Stühlen draußen im Freien zu bedienen, bis es einen der feinen Herren gelüstete, auch das Hinterzimmer kennen zu lernen, doch heute kam die Merio nicht ans Ziel, denn eine schwarz vermummte Gestalt heftete sich an ihre Fersen und huschte ihr lautlos durch den ‚Calle Forno‘ hinterher, rasend schnell näher kommend.

Als sie fast schon den Atem der Bestie im Nacken verspürte, ohne es zu wagen, sich umzudrehen, wollte sie um Hilfe schreien, aber der Hals war ihr wie ausgetrocknet. Außerdem gab es weit und breit niemanden, der ihr zu Hilfe hätte kommen können.

Und immer näher kam das dumpfe Tappen der Schritte. Die ‚Amsel‘ begann jetzt, in wilder Panik davon zu rennen, während eine glühende Woge ihren Körper überflutete, aber sie verlor in der Hast die Flipflops und stieß sich die Zehen an den Kanten des schlecht verlegten Pflasters derart blutig, dass sie vor Schmerzen stöhnte und kaum noch laufen konnte. Daher holte sie der Verfolger, den Kopf in einer Kapuze verborgen, ein. Beigetragen hatte dazu, dass die Merio ziemlich viel Fett angesetzt hatte und seit Jahren nicht mehr gerannt war.

Schon blieb ihr die Puste weg. Keuchend stand sie auf der Stelle. Ihre Wülste wogten wie das Meer. Pfeifend entwich ihr der Atem. Jetzt hatte war er zur Stelle. Sie erstarrte vor Entsetzen. Jede Gegenwehr blieb aus. Sie war wie gelähmt. Er packte sie von hinten und hielt sie mit dem linken Arm wie in einem Schraubstock fest, während sie die Arme sinken ließ. Dann setzte er ihr das Messer an die Kehle. Wie Volpe erst später herausfand, war es ein mittelanges Messer mit gebogener Klinge, wohl ein Bowie Knife.

Die Merio fand gerade noch genügend Zeit, wie verrückt zu kreischen, während der Angreifer seine Arbeit in eisigem Schweigen oder gespenstischem Kichern vollendete. Ihr Schreien ging in ein schwaches Wimmern über, bis ihr zischend ein letzter Atemzug aus der aufgeschlitzten Kehle entwich.

Der Mörder hatte ihr den Hals gründlich abgeschnitten und ließ sie nun zu Boden gleiten. Rasch breitete sich eine Blutlache aus. Er beugte sich über die Leiche, schlitze er ihr das Hemdchen auf, zerrte die Stoffbahnen über ihren großen schlaffen Brüsten auseinander und ging dann gemächlich seiner Wege.

Jetzt kam Leben in die Gasse: Von beiden Seiten stürzten die Anwohner herbei. Einige hatten Taschenlampen dabei, welche die Szene wie irre beleuchteten, indem sich die Lichtkegel wirr überschnitten und kreuzten. Daher konnte es dem Betrachter so vorkommen, als schnitte die Merio verrückte Grimassen.

Jemand schrie mit sich überschlagender Stimme, »Mord, Mord! Haltet den Mörder«, und schon verfolgten einige den Vermummten, der sich in riesigen Sprüngen von der Walstatt entfernte und in den ‚Calle di Pistor‘ einbog. Dort verloren ihn die Verfolger aus plötzlich den Augen, ganz so, als hätte er sich in Luft aufgelöst, und die Leute, welche in diese Schlucht geeilt waren, starrten einander ins Gesicht, vom Grauen geschüttelt.

Wenig später erschien Ambrosio mit zwei Polizisten zur Seite. Er war zu spät gekommen und konnte nichts anderes tun, als die Ermordete in die gekühlte Leichenhalle schleppen zu lassen. Am nächsten Tag erst fand er heraus, dass es die Merio war. Er kannte sie nur flüchtig, freilich eher dienstlich, und das nur oberflächlich, denn sie war für seinen Geschmack zu fett.

Immer nämlich, wenn es vor ihrer Kneipe zu einer Schlägerei gekommen war, hatte er mit ihr zu tun gehabt und weinte ihr keine Träne nach. Zu Hauptmann Marcello sagte er mit sardonischem Grinsen, die Hölle sei voll von Ihresgleichen.

Am nächsten Tag machte er sich daran, die Passanten zu vernehmen, welche das Drama miterlebt hatten, aber so viel Mühe er sich auch gab, er kam keinen einzigen Schritt weiter. Die Beschreibung des Täters war nämlich so vage, dass sie auf hunderte gepasst hätte.

Ein großer Mann war es gewesen, der in einem schwarzen Umhang steckte, welcher oben in einer Kapuze auslief, dank derer er sein Gesicht verbarg. Das Geheimnis, weshalb der Mörder so spurlos hatte verschwinden können, konnte nicht gelüftet werden. Entweder war er über den quer verlaufenden ‚calle di Pistor‘ in die von da nach rechts abbiegenden ‚Calle larga Doge Priuli‘ geflüchtet, oder aber er hatte diese Straße rechts liegen lassen, um über die dortige Brücke den ‚Rio di San Felice‘ zu überqueren und in der ‚Fondamenta di San Felice‘ unterzutauchen.

Einer der ersten Gedanken, welche Tenente di Fusco hegte, war es, dass der Mörder eine Person sein könnte, die etwas gegen Frauen hätte, aus welchem Grund auch immer, denn die Merio war nicht ausgeraubt worden. Aber das waren vorerst nur vage Vermutungen die ins Leere gingen.

Ambrosio klapperte dann das Umfeld der Gemeuchelten ab, wiederum, ohne fündig zu werden. Die Merio hatte keine Familie, keine Verwandten. Ihre gemietete Kneipe war beliebt und gut besucht. Sie habe gewiss keine Feinde gehabt, sagte der Koch, und nicht wenige Männer mochten sie persönlich. Sie war eine fröhliche Erscheinung gewesen, kurz: Unter all ihren Gästen und Kunden herrschte Bestürzung und Trauer.

 

4. Teil: Der zweite Mord

Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht über den Frauenmord verbreitet. Alle Zeitungen brachten mit geringen Abweichungen einen Bericht heraus, in dem Tenente di Fusco sich dahin gehend äußerte, dass hier ein Geistesgestörter am Werk gewesen sein müsse, getrieben vom Hass auf Damen des ältesten Gewerbes. Er riet ihnen davon ab, nachts ohne Begleitung auszugehen.

An eben diesem Tag war ich bei Giuseppe Tartini, genannt Volpe, zum Abendessen eingeladen. Bis vor Kurzem hatte ich noch in Jesolo mit meiner zweiten Frau zusammen gelebt. Doch nach der Scheidung war ich für ein paar Tage zu meinem Freund gezogen. Noch leuchtete die Sonne rötlich ins Obergeschoss hinein, in welchem wir bei einander saßen, als er sagte:

»Hast du schon von diesem Mord gehört?«

»Gewiss, gewiss«, sagte ich, »Freund Ambrosio hat sich der Sache angenommen. Er vermutet, es sei ein Dirnenhasser gewesen, einer, der bevorzugt fette Huren verabscheue. Das las ich gerade im ‚Corriere della Sera‘. Den Bericht hat übrigens, jetzt musst du lachen, ein venezianischer Korrespondet mit dem wohlklingenden Namen Alberto Scimmia (‚Albert Affe‘) verfasst, hihi.«

»Ich habe seine edlen Ergüsse genossen, doch als ich sie las, musste ich feststellen, dass Freund Ambrosio wieder einmal den letzten Blödsinn angestellt hat.«

»Das verstehe ich nicht. Er hat doch alles gründlich untersucht. Man weiß nicht einmal, wie er aussieht. Er steckte bekanntlich in einer Kapuzenjacke. Das Gesicht war vollkommen verhüllt. Außerdem finde ich Ambrosios Schlussfolgerung nachvollziehbar. Der Mörder hat keine Spuren hinterlassen. «

»Sagen wir lieber«, knurrte Volpe, »Ambrosio hat keine Spuren entdeckt. Er hat ja nicht einmal geforscht, was für einen Umhang der Mörder getragen hat. Ich könnte dir auf Anhieb drei aufzählen. Es gibt in ganz Venedig nur zwei Schneider, die so etwas herstellen, was man bei unserem Klima so gut wie nie benutzt. Ferner hat sich Ambrosio keine Mühe gegeben, den, wie ich las, ungewöhnlich langen Schnitt an der Kehle des Opfers auf die Art der verwendeten Waffe hin zu untersuchen.

Zwar sind bei uns in Bella Italia sämtliche Messer mit starren Klingen, wie das Bowie Knife, verboten, aber ein Küchenmesser tut es auch, und so etwas lässt sich nicht untersagen.

Außerdem kennen wir unseren guten alten di Fusco ja. Er ist auf seine Weise zwar recht tüchtig, ein zäher Bursche und unermüdlicher Verbrecherjäger, aber es fehlt ihm an Kombinationsgabe. Auf dem linken Auge ist er blind und mit dem rechten sieht er nichts. Es wäre besser gewesen, er hätte mich hinzu gezogen. Warte nur ab, Freundchen, er tanzt bald bei uns an, spätestens morgen zur Colazione (Frühstück).

Außerdem ist seine Schlussfolgerung, der Täter hasse feiste Huren, voreilig. Nie im Leben hätte er solch einen Unsinn daher quatschen dürfen. Wenn wir also heute Nacht, wie ich das unbedingt erwarte, den nächsten Mord zu verzeichnen haben, geht das indirekt auf seine Kappe.«

»Was soll daran unverantwortlich sein, wenn er vermutet, irgendein Mann habe es auf Nutten abgesehen? Mir leuchtet das ein. Schließlich war die ‚Amsel‘ eine von dieser Sorte, und indem er ihr das Kleid vor der Brust aufschlitzte, als sie am Boden lag, hat er uns doch wohl mitgeteilt, wie sehr er dieses Gewerbe verabscheue, oder? Vielleicht ist er ein fanatischer Moralapostel.«

»Nun, wie auch immer, unser Ambrosio hat jetzt seine Vermutung ausposaunt. Was würdest du nun an Stelle des Mörders tun, wenn deine Mordlust, wie leider zu erwarten, noch längst nicht gestillt wäre?«

»Hm«, sagte ich, »wahrscheinlich hätte ich den Ehrgeiz, dem Tenente zu zeigen, wie dumm er ist. Wenn ich schon mordete, dann bitte auch spektakulär und möglichst unter den Augen der Polizei, denn nur so kann ich aus dem Schatten der Bedeutungslosigkeit, welche mich umfängt, heraus treten und mich endlich in der Schlagzeile des ‚Corriere della Sera‘ finden:

Wenn du mich fragst: Ich, hihihi, mordete jetzt zur Abwechslung keine fette Schwarzhaarige sondern eine schlanke Blondine oder Brünette, eine, die nichts mit dem horizontalen Gewerbe zu tun hat, weil ja ab sofort alle vollschlanken Nutten auf der Hut vor mir sind. Damit zeige ich dem Tenente, dass ich mich über ihn lustig mache. Beim Abmurksen der Süßen ginge ich ebenso vor wie bei der ‚Amsel‘, damit man und sieht, dass es derselbe Täter ist: von Ohr zu Ohr den Hals abschneiden und dann das Kleid aufschlitzen, damit der Busen bloß liegt. Der Tenente hat mich mit seinem Geschwätz herausgefordert und ich habe die Herausforderung angenommen.«

»Genau das ist es«, sagte Volpe triumphierend, »was Ambrosio da angerichtet hat. Vielen Dank für dein ärztliches Gutachten! Du hast uns mit deiner Gabe, dich in andere hinein zu denken, das Psychogramm des Täters erstellt:

Der Kerl will Aufsehen erregen. Er möchte im Mittelpunkt stehen. Er will sich in seiner frisch errungenen Bedeutung sonnen und alle, die ihn bislang verachtet haben, vergessen machen, dass er im bisherigen Leben nichts als ein jämmerliches Würstchen war, nicht wahr, Dottore?«

»Genau so und habe ich es gemeint«, sagte ich stolz, »und dieser Mann hat vielleicht zwanzig oder dreißig Jahre gelebt, ohne sich das Geringste zuschulden kommen zu lassen. Aber dann hat er – den nächsten Mord mitgerechnet – zweimal gemordet und wird weiter morden, wenn man ihn nicht dingfest macht.

Die Frage ist nun, was diese neue Haltung ausgelöst hat, warum er von einem ehrenwerten Mitbürger zur Bestie geworden ist. Leider besitze ich noch zu geringe Kenntnisse, um es zu erklären; aber dass irgendein dies auslösender Schock dafür verantwortlich zeichnet, ist bei uns Ärzten unumstritten.

Der gestrige Mord und der von dir vorhergesagte unterscheiden sich nämlich fundamental von den gängigen Morden, bei denen der Täter beispielsweise tötet, um an Geld zu kommen oder aus Eifersucht oder, um sich zu rächen. Der Mord aus der vergangenen Nacht war in dieser Hinsicht sinnlos.

Daher neigen medizinische Laien dazu, in dem Täter einen Geistesgestörten zu vermuten, denn er handelt entgegen all unseren alltäglichen Mordphantasien, auf die nur deshalb keine Tat folgt, weil wir die Gesetze, die allgemeine Moral oder die Strafe Gottes fürchten. Nur der Psychiater kann durch eingehende Untersuchungen feststellen, ob der Mörder verrückt ist und wodurch sein Geist umnachtet wurde.

Meistens sind solche Mörder körperlich gesund. Es sind Menschen, wie sie uns zu Tausenden begegnen. Jeder von uns könnte eines Tages zum Mörder werden, wenn wir aus der Sinnlosigkeit und Öde des Alltags ausbrechen wollen.

Fast alle dieser Mörder galten in ihrer Umgebung als haltlos, minderwertig und bedeutungslos. Man hat ihnen die zustehende Beachtung verweigert, man hat sie gedemütigt. Und dann brechen sie aus dem Kerker des Alltags aus und machen mit einer vermeintlich großen Tat von sich reden.

Gaius Sallustius, Roms großer Historiker, schreibt, dass sich der gemeine Mann nicht vom Vieh unterscheide, das da seinen Lüsten ergeben sei. Nur mit einer berühmten Tat könnten wir ewigen Ruhm zu erringen.

Doch wer schon kann Staatsmann, Feldherr der Schriftsteller werden? Ein Aufsehen erregendes Verbrechen hingegen kann jeder vollbringen. Der Mann, den wir suchen, strebt mit seinen Taten zu den Sternen. Er will, wie Sallustius es einst schilderte, zu den Göttern gehören.

Um dies zu erreichen, muss er weiter morden. Er ist vom Wunsch getrieben, eines Tages verhaftet zu werden, denn nur im öffentlichen Prozess kann er seiner Geltungssucht Genugtuung verschaffen, nur im Licht der Öffentlichkeit. Freiwillig wird er sich jedoch nicht fassen lassen.

Je länger er sein Spielchen mit der Polizei treibt, desto größer ist sein Triumph, wenn er vor dem Richter steht. Manche dieser Leute atmen auf, wenn man sie endlich einsperrt. Herostratos brannte vor über 2.500 Jahren den Tempel zu Ephesos nieder, wohl wissend, dass ihn das den Kopf kosten würde, aber er wollte berühmt werden und ist es bis heute geblieben.«

»Gut«, sage Freund Volpe und legte die Fingerspitzen aufeinander, »wenn das so wäre, ließe er sich mit seiner Geltungssucht zur Strecke bringen. Man müsste eine Scheinverhaftung vornehmen und einen Schauspieler die Verbrechen des wirklichen Mörders offen vor der Kamera gestehen lassen. Dann wäre er um den Ruhm gebracht und könnte einen Fehler machen.«

»Ja«, sagte ich, »das wäre eine Möglichkeit. Es gab vor Jahr und Tag einen Verbrecher, der sogar einen Brief an die Presse schrieb, als man den Falschen verhaftet und aufgrund fehlgedeuteter Indizien verurteilt hatte.«

»Wie würde unser Mörder also reagieren, wenn ein anderer an seiner Stelle ins Gefängnis geworfen würde?«

»Er sähe sich gezwungen, sofort einen neuen Mord zu begehen, koste es, was es wolle.«

»Ich denke, du hast recht. Vielen Dank für dein medizinisches Gutachten. Ich weiß jetzt einiges mehr über den Täter, vorausgesetzt, es kommt in der heutigen Nacht zum nächsten Mord.

Doch jetzt lass uns essen. Das hält Leib und Seele zusammen. Ich habe zur Feier des Tages aus dem schräg gegenüber liegenden ‚Ristorante da Angela‘ ein tüchtiges Mahl bestellt, und wie ich höre, kommt der Bote mit den Schüsseln gerade die Treppe herauf. Vergessen wir also, dass es zu einem zweiten Frauenmord kommen wird. Ambrosio dürfte die Polizeistreifen verdreifacht haben, aber der Mörder wird ihn überlisten. Morgen Vormittag sollte der Tenente hier einschneien und uns hängenden Kopfes um Hilfe bitten.«

Nachdem wir die Cena genossen hatten, begaben wir uns zur Ruhe. An richtiges Schlafen war freilich nicht zu denken. Kaum nämlich war ich eingenickt, da träumte ich schon vom Mörder, der sich mit dem Messer in der Hand über irgendwelche Frauen stürzte, und ich wachte, vom Grauen geschüttelt, wieder auf.

Auch Volpe fand keine Ruhe, obwohl er sich doch sonst eines besonders gesunden Schlafes erfreute. Mehrfach erhob er sich und tigerte unruhig auf und ab, wie ein Jagdhund, der Witterung aufgenommen hat, aber im Käfig eingesperrt ist, denn was würde wohl in einer der rund 500 Meter Luftlinie von Volpes kleinem Palazzo entfernt gelegenen Gassen geschehen?

 

Er verlegte das Frühstück aus der Küche ins Wohnzimmer, wo Giovanni einen runden Tisch aufgestellt hatte. Drei Korbsessel standen um ihn herum. Wir nahmen Platz. Der dritte blieb unbesetzt. Gerade wollte uns der Butler das Essen auftischen, als es unten gegen die Türe polterte und jemand die Klingel im melodischen Dreiklang ertönen ließ. Volpe betätigte den Summer und wenige Augenblicke später stampfte Tenente di Fusco herein, um sich wortlos in den verbliebenen Sessel fallen zu lassen.

Er sah übernächtigt aus: Ringe unter den Augen; flackernder Blick; stoßweiser Atem; Lippen zusammen gepetzt; Mundwinkel auf dem Schlüsselbein ruhend; Körper stechend nach Schweiß stinkend; Kleidung unordentlich; Schuhwerk schmutzig; ein Bild des Jammers. Der Tenente öffnete mehrfach den Mund, um ihn wieder zu schließen. Volpe sah eine Weile belustigt zu ihm hinüber. Schließlich sagte er:

»Lieber guter Ambrosio! Sieh zu, dass du erst einmal mit uns frühstückst, denn dann wirst du wieder zu Kräften, zur Besinnung kommen. Dr. Petrescu und ich wissen schon, was geschehen ist. Wir haben dich erwartet.«

»Niemand kann das wissen, einmal abgesehen von den unmittelbaren Zeugen«, murrte der Tenente tonlos.

»Gemach, gemach!«, sagte Volpe, »erst die Colazione, dann der Katzenjammer! Lang‘ zu!«

Ambrosio ließ sich das nicht zweimal sagen. Auf einem silbernen, Tablett lagen nämlich frisch geröstete, mit Ananas belegte und mit Käse überbackene Brotscheiben; daneben entkernte Pflaumen und Pfirsiche; ein großer gläserner Krug war mit Wasser gefüllt, dem zur Veredelung des Geschmackes ein Schuss Süßwein beigegeben war:

Giovanni füllte alle drei Becher, angefangen mit dem des Gastes. Ambrosio leerte ihn auf einen Zug und ließ sich erneut einschenken. Er hatte grausigen Durst. Volpe lächelte versonnen, während wir die Köstlichkeiten verspeisten.

Ambrosio verschwand dann, ohne lange zu fragen, auf der Toilette, um sich zu erleichtern. Schließlich kam er wieder zurück. Seine Stimmung hatte sich aufgehellt. Er hockte sich und sagte:

»Und was wisst ihr schon, ihr neunmalklugen Hellseher?«

»Nichts Genaues weiß man nicht«, sagte Volpe kichernd, »nur in groben Zügen wissen wir Bescheid. Soll ich es dir berichten? Du könntest uns dann mit Details aufwarten.«

»Gut«, sagte der Tenente, erneut auf beiden Backen kauend, »fang an! Und zum Schluss vergleichen wir die Ergebnisse.«

»Schön, gut, wunderbar«, sagte Volpe und legte die Fingerspitzen aufeinander, »du hast wirklich alles getan, was du deiner Meinung nach tun konntest:

Zunächst hast du sämtliche Huren der Stadt davor gewarnt, ohne Begleiter auszugehen. Gewiss haben sie das beherzigt. Zum Zweiten hast du alles, was in deinem Revier Beine hat, in Zivil gesteckt und in den ‚calli‘ verteilt. Dennoch ist es dem wieder in der Kapuzenjacke steckenden Unhold gelungen, eine Frau zu ermorden. Diesmal war’s keine Nutte. Sie hatte deinen Bericht über den Hurenhass des Mörders für bare Münze genommen und fiel ihm gerade deshalb zum Opfer. Ihr wurde der Hals abgeschnitten und das Kleid vorn auf der Brust aufgeschlitzt.

Wieder wurde keine Vergewaltigung vorgenommen. Er hätte sie ja, das Messer an den Hals gesetzt, in einen Winkel zerren können, um sich an ihr zu vergehen, aber das wollte er nicht, was ziemlich bemerkenswert ist.

Und dann, als sie ihre letzten Schreie ausstieß, sind eure Leute herbei gerannt, aber der ganz gewiss ortskundige Verbrecher hat sich zum zweiten Mal in Nichts aufgelöst, wie gehabt.

Wie du siehst, lieber Ambrosio, wissen wir alles, und das seit unseren Folgerungen von gestern. Nur wüsste ich gerne, wer die Ärmste war und in welcher Gasse das Verbrechen stattfand.«

»Es war die Frau eines Handwerkers; Mutter zweier Kinder. Er mordete in der ‚calle delle vele‘, flüchtete Richtung Canal Grande davon, bog nach rechts ab in die ‚Strada Nuova, rannte hinter den Palazzi, darunter die ‚Cá d‘ Oro, entlang, überquerte auf ihr zum zweiten Mal den ‚Rio di San Felice‘ und tauchte in der ‚Chiesa di San Felice‘ (Kirche des hl. Felix) unter. Wir stürmten sie, aber er war verschwunden. Ich denke, er ist im verwinkelten Viertel hinter der Felix-Kirche zuhause.«

»Oder auch nicht«, sagte Volpe, der den Stadtplan im Kopf hatte, »denn vom ‚Fondamenta di San Felice‘, wo ihr ihn aus den Augen verloren habt, führen drei Brücken in unsere Richtung zurück, zwei davon wieder in die ominöse ‚calla Larga‘, eine dritte in deren Verlängerung, die ‚Calle delle Racchetta‘, wo der ‚Palazzo Papafava‘ aufragt, der Ansitz der Grafen d‘ Inceto. Nicht wahr, die Dame war von heller Haut und hatte blondes Haar, das genaue Gegenteil zur ‚Amsel‘?«

»Ja, auch das stimmt haargenau. Allerdings war sie dunkelblond, hatte dem Blond nicht nachgeholfen und war ziemlich sommersprossig. Das Haar war echt und hatte keinen schwarzen Ansatz an der Kopfhaut.«

»Großartig; du hast dich selber übertroffen«, höhnte Volpe, »und zu welch weiteren Ergebnissen bist du gekommen?«

»Nun, einmal abgesehen von den schon genannten Unterschieden, wurde der Mord auf gleiche Weise verübt. Wie du schon sagtest: Hals abgetrennt; Kleid über der Brust aufgeschlitzt.«

»Womit?«

»Blöde Frage: mit einem Messer! Er hat es natürlich nicht am Tatort liegen lassen.«

»Küchenmesser, Taschenmesser oder ein Bowie Knife, das wollte ich erfahren«, sagte Volpe.

»Woher soll ich das wissen?«

»Von der Art des Schnittes.«

»Was du nicht sagst! Es ist ein glatter Schnitt. Mehr ist nicht zu finden. Er hat keine sonstigen Spuren hinterlassen.«

»Du meinst, mehr hättest du nicht gesehen. Wenn die Ärmste noch bei euch im Kühlraum liegt, hätte ich sie mir gerne einmal angeschaut. Lässt sich das machen?«

»Darum bin ich ja hier«, sagte der Tenente seufzend, »denn wenn nicht bald etwas geschieht, findet der dritte Frauenmord statt. Giulio Marcello, mein Chef, hat mich schon zur Schnecke gemacht und wartet auf Erfolge. Die Schreiberlinge vom ‚Corriere della Sera‘ werden über mich und meine Männer nur so herfallen, wenn es so weiter geht, allen voran dieser widerliche Schreiberling Alberto Scimmia, dieser Affe.

»Gut, gut«, sagte Volpe, »der Doktor und ich werden uns der Sache annehmen. Freilich müssten wir dabei absolut freie Hand haben. Kannst du uns das zusichern?«

Aufatmend sagte Ambrosio, es sei ihm alles recht, wenn nur dieses Morden endlich aufhörte. Volpe und ich standen auf, um uns frisch zu machen. Dann begaben wir uns mit dem Tenente aufs Revier. Venedigs Gassen lagen noch still, einsam und verlassen da. Die Sonne war gerade erst aufgegangen. Schweigend gelangten wir zur Station, wo uns Marcello schon mit geschwollener Rübe und grimmiger Miene erwartete.

 

 

5. Teil: Auf dem Revier

Grußlos wortlos führte er uns die Treppe hinunter ins Gewölbe des Kühlraumes. Ein Amtsdiener begleitete uns. Schließlich waren wir an diesem schaurigen Ort angekommen. Zwei Körper waren mit Tüchern bedeckt. Marcello zog sie weg. Darunter waren zwei leblose Körper verborgen gewesen, beide auf dem Rücken liegend. Ich sah hin und musste würgen. Volpe und der Tenente starrten auf die scheußlich zugerichteten Kehlen hinab. Unverkennbar waren es zwei Frauen, wie sie in Gestalt und Aussehen unterschiedlicher nicht hätten sein können:

Die eine war beinahe dunkelhäutig, von gedrungener Figur, eher klein als groß; Arme und Beine dick und kurz; der Körper aus übereinander liegenden Wülsten bestehend; Doppelkinn; dicke Lippen, breite Nase, krauses schwarzes Haar.

Leuchtend weiß die Haut der anderen, das lange Haar dunkelblond mit einem Hauch von rötlich, ein sommersprossiges feines Gesicht mit schmaler Nase und filigranen Lippen; der Körper schlank und mit langen Beinen. So erschien die zweite. Es war schmerzlich für mich, eine so hübsche Frau in der Blüte des Lebens hinweg gerafft zu sehen.

Volpe beugte sich erst über das Gesicht der einen, dann der anderen, um sie in Augenschein zu nehmen. Insbesondere die Schnitte betrachtete lange und gründlich durch seine Lupe. Dann zauberte er ein Maßband aus der Tasche hervor und legte es erst neben die erste, dann neben die zweite Leiche, um es sorgsam wieder einzurollen. Schließlich straffte er sich und sagte:

»Der Mörder hat meine Größe und verwendet ein und dieselbe Waffe. Wenn wir ihn fest genommen haben, wird es sich zeigen, dass dieser Dolch scharf wie ein Rasiermesser ist, aber in der Mitte der Schneide eine Macke aufweist.

Indem er zwei so gegensätzliche Frauen umbrachte, wollte er die Meldung, er habe etwas gegen Huren, entkräften. Ob er ganz allgemein etwas gegen Frauen hat, was man mit einbeziehen sollte, muss als unbewiesen in der Schwebe bleiben.«

Ambrosio und Marcello schüttelten die Köpfe. Marcello hub in seinem Kohlenkellerbass an:

»Mein lieber, guter Volpe, bekanntlich unterscheiden sich unsere Methoden von den deinigen in dieser oder jener Kleinigkeit, aber deine Mutmaßungen über die Größe des Täters und die Details seiner Waffe entbehren doch wohl jeder Grundlage.«

»Keineswegs«, sagte Volpe bedächtig, »wenn ihr euch die Schnitte nur genau genug anseht, werdet ihr umgehend zu meiner Meinung übergehen.«

Der Tenente und Marcello beäugten die Kehlen der Ermordeten erneut, ohne irgendetwas Neues zu bemerken. Ich schloss mich ihnen an und kam ebenfalls zu keinen bemerkenswerten Ergebnissen. Volpe seufzte und sprach:

»Fangen wir mit der Größe der dahin Gemeuchelten an! Die ‚Amsel‘ ist klein und von gedrungener Gestalt. Zu Lebzeiten reichte sie mir nicht einmal bis zur Schulter. Ihre Leidensgenossin hingegen ist schlank und groß. Ich schätzte ihre Größe ungefähr auf meine, und das wäre nicht wenig. Das Maßband brachte dann Gewissheit: Sie ist tatsächlich fast so groß wie ich.«

»Schön und gut«, sagte Marcello verärgert, »aber wie soll uns das bei der Aufklärung des Falles weiterhelfen?«

»Ganz einfach: Man muss nur die Verschiedenheit der beiden Kehlschnitte beachten, dann ist alles klar.«

»Lieber Volpe«, mischte ich mich ein, »sie gleichen einander wie ein Ei dem anderen.«

Ambrosio und Marcello nickten zustimmend. Volpe sagte:

»Bei der Merio geht der Schnitt vom Eintritt in die Haut und dann ins Fleisch hinein leicht abwärts. Bei der anderen Frau erfolgt er hingegen waagerecht.«

Der Tenente, Marcello und ich beugten uns erneut über die zwei Leichen. Der Angestellte hielt eine Lampe ganz nahe heran, und indem wir unsere Köpfe gleichzeitig wieder hoben, gaben wir Volpe unumwunden Recht. Er hatte besser als wir beobachtet.

»Und was sollen wir damit anfangen?«, knurrte Ambrosio.

»Gehen wir der Schilderung des ersten Falles nach, den ein Passant beschreiben konnte: Der Mörder kommt von hinten, nimmt die Frau mit dem linken Arm in den Schwitzkasten, um ihr mit dem Dolch in der rechten Hand die Kehle abzuschneiden. Da der Schnitt von oben nach unten erfolgte, war er größer als das Opfer. Bei der Ermordung der Handwerkersfrau war kein Zeuge zugegen, aber man kann davon ausgehen, dass der Vorgang dem ersteren glich. Hier seht her! Der Schnitt erfolgte waagerecht.

Ambrosio, ich nehme jetzt dieses Lineal hier in die rechte Hand. Es soll das Messer des Täters darstellen, und jetzt stelle dich genau vor mich!«

Der Tenente stellte sich vor ihn. Beide erwiesen sich als ungefähr gleich groß. Volpe setzte ihm den ‚Dolch‘ an die Kehle, während er ihm den linken Arm um die Brust legte. Wir alle sahen, dass die ‚Schneide‘ waagerecht stehend kam.

»Gut, schön, wunderbar«, sagte Marcello gedehnt, nahm das Lineal und legte es wieder auf den Tisch, »dann wissen wir also, wie groß der Täter ist. Aber wie kannst du behaupten, dass wir bei der Waffe ausgerechnet nach einem Dolch fahnden müssen? Warum kein schlichtes Küchenmesser?«

Volpe stöhnte und seufzte:

»Dann schaut euch den Schnitt an der Kehle beider Frauen doch noch einmal an! Wenn ihr gute Augen habt, seht ihr das Ungleiche der Führung. Statt einer geraden Linie sind es kaum wahrnehmbare Schwünge, wie ein ungemein flacher und gewiss kaum sichtbarer Mäander, und so etwas kommt beispielsweise von einem Bowie Knife, aber nicht von einem Brotmesser.«

»Warum könnte es nicht von irgendeinem anderen Messer kommen«, fragte ich in meiner Dummheit:

»Ich kenne alle Messertypen von Berufs wegen und habe sie ausgiebig studiert. Nur ein Bowie Knife weist diesen Schliff auf. All die anderen großen, für den Haushalt hergestellten Messer, haben eine gerade Schneide und sind preiswerter als dieser Dolch da, der rein zum Töten konstruiert ist. Ihn öffentlich zu tragen, ist verboten, und er kommt auch nicht in den Handel. Also dürfte der Mörder aus gut betuchten Verhältnissen stammen.«

»Und woher willst du wissen, dass das Messer beschädigt ist?«

»Davon, mein Bester!«, sagte Volpe und deutete ungefähr auf die Mitte der beiden Wunden:

»Der sonst glatte Schnitt ist hier unterbrochen, wo die Haut ein Wenig ausgefranst ist. Da es bei beiden Frauen zu sehen ist, vermute ich, dass der Dolch mitten in der Klinge eine Beschädigung aufweist und neu geschliffen werden müsste.«

»Hm«, sagte Ambrosio, »da haben wir ja einiges über den Täter herausgefunden: Er ist reich und wohnt wahrscheinlich in einem der besseren Häuser unweit des Tatortes. Er ist ungefähr 1,80 Meter groß und tötet mit einem Bowie Knife, wie sie einst die US-Soldaten verwenden. Die Waffe weist eine Scharte auf.«

»Du hast vergessen, dass ihn die Verfolger beim ersten Mord in einem Kapuzenmantel steckend gesehen haben wollen«, sagte Volpe und kicherte leise dazu.

»Willst du damit behaupten, lieber Freund«, sagte Marcello, »dass der Mörder kein Einheimischer ist?«

»Natürlich nicht, könnte jedoch sein«, sagte Volpe lächelnd, »aber einen solchen Umhang kann jedermann kaufen, und sei es als Internetbestellung, wenn er ihm gefällt. Habt ihr euch schon einmal kundig gemacht, wer so etwas vertreibt?«

»Wo kämen wir da hin«, grummelte der Tenente, »wenn wir auch noch sämtliche Kleiderbuden und das Internet abklappern müssten. Wie sollte uns das weiterhelfen?«

»Mein lieber Volpe«, spann Marcello den Gedanken weiter und zog die Decken wieder über die Leichen, »gewiss hast du deine eigenen Methoden, aber jetzt gehst du zu weit. Ich habe wirklich Besseres zu tun und muss sehen, wie ich zusätzliches Personal für die nächste Nacht auf die Beine stelle. Dergleichen Mätzchen sind dann doch eher etwas für die Gilde der Amateurdetektive. Nun, lass uns jetzt nach oben gehen.«

Wir stapften die Stiegen zu seinem Arbeitszimmer hinauf und hockten uns um einen kleinen Tisch, den drei wackelige Beinchen aufrecht hielten. Jeder erhielt einen klapprigen Schemel. Der Angestellte kredenzte uns ein Gesöff, das größtenteils aus Wasser bestand, aber der Durst ließ es uns dennoch munden. Dann bat Marcello meinen Kameraden, ihm den Plan zur Ergreifung des Mörders vorzutragen.

Volpe trug ihn in allen Einzelheiten vor. Wir drei hörten ihm gespannt zu. Es war ein faszinierender Plan, voller Risiken, aber auch mit guten Chancen. Ambrosio und Marcello gewährten ihm freie Hand und sicherten ihm in allen Belangen ihre Unterstützung zu. Ich aber sagte:

»Die Verwirklichung ist erst morgen möglich. So lange wird es dauern, alles in die Wege zu leiten. Was geschieht in der nächsten Nacht in den schwarzen Schluchten der Stadt?«

»Wir können nichts tun, als die Zivilstreifen zu verdoppeln«, sagte Marcello, »mehr ist nicht möglich.«

»Vielleicht doch«, erwiderte Volpe, »und zwar dann, wenn wir es fertig bringen, uns in den Mörder hinein zu versetzen. Was wird er wohl jetzt tun?«

»Vielleicht ist es ihm zu gefährlich und er bleibt diesmal lieber zu Hause«, sagte ich.

»Was meinst du, Marcello?«, fragte Volpe.

»Dann wäre er bereits letzte Nacht hübsch im Häuslein geblieben«, sagte der Polizeichef.

»Meiner Meinung nach wird er es wieder darauf ankommen lassen«, sagte Ambrosio, »und wie ich ihn jetzt kenne, lässt er sich etwas völlig Neues einfallen.«

»Höchstwahrscheinlich«, sagte Volpe, »und unser Doktor, der erfahrene Arzt, hat ihn als einen Menschen beschrieben, der im bisherigen Leben nichts als ein Würstchen war. Er genießt es jetzt, im Lichte der Öffentlichkeit zu stehen und wird wieder zuschlagen, kühn geworden durch seine Erfolge.«

»Und wie, wann und wo?«, fragte Marcello.

»Das kann nur er selbst wissen«, sagte Volpe, »aber wenn ich er wäre, dann würde ich es diesmal mitten in einer Kneipe oder Dergleichen versuchen. Das wäre die größte Steigerung, die er sich gönnen könnte.«

»Und was ist dann, wenn er vermutet, dass wir ihn so einschätzen?«, rief ich in die Runde.

»Da hast du vollkommen recht, lieber Doktor«, rief Marcello, »er ist intelligent genug, einen jeden unserer Schritte mit einzuplanen. Dennoch werde ich meine Männer anweisen, sich besonders um die abends noch offen stehenden ‚trattorie‘ zu kümmern. Wie viele gibt es davon übrigens dort?«

»Jede Menge, große und winzig kleine in diesem unseren ‚piccolo Soho‘«, murmelte Volpe.

»Oh, ihr gütigen Götter«, seufzten der Tenente und Marcello unisono. Ambrosio rief:

»Woher sollen wir so viele Polizisten nehmen, ohne zu stehlen?«

Volpe zuckte mit den Achseln. Betrübt und betroffen lösten wir unsere Besprechung auf. Mein Freund und ich eilten auf unvermeidlichen Umwegen zum eigentlich unfernen ‚Teatro Malibran‘, um uns mit den Schauspielern zu unterhalten und einen von ihnen für uns zu gewinnen. Aber es war Ruhetag und man vertröstete uns auf morgen. Aus diesem Grunde stiefelten wir mit nur halbem Erfolg nach Hause zurück, um uns der ‚Cena‘ zu widmen, welche wir uns von der Trattoria, die im Schatten der Johannes-Paulus-Kirche liegt, herüber schicken ließen.

Das Köchlein dort hatte sich selbst übertroffen und einen göttlich mit Käse überbackenen Gemüseauflauf zubereitet, zu dem er gegrillten Aal servierte. Als Getränk hatte mein Freund einen Liter ‚San Benedetto‘ bestellt, den er mit Wein aromatisierte. Unter anderen Umständen hätten wir geschlemmt wie die Könige, aber wir wussten nicht, was die Nacht bringen würde, saßen auf heißen Kohlen und grübelten stumm vor uns hin.

Dann wurde es finster, und mit der Nacht zog das Grauen in den engen Gassen ein und benahm den dort lebenden Menschen den Atem. Volpe wusste, was geschehen würde, aber er konnte weder Ort noch Zeitpunkt vorhersagen. Dennoch hauten wir uns auf die Pritsche, um am nächsten Tag einigermaßen frisch zu sein. An gesunden Schlaf war nicht zu denken.

Als wir uns trennten, um die jeweilige Kammer aufzusuchen, meinte er sarkastisch, er sei gespannt darauf, was sich der Würger diesmal einfallen lasse, und welchen Blödsinn Ambrosio veranstalte. Dann zogen wir uns eine Mütze Schlaf hinein. Über meine Alpträume zu berichten, bedürfte es eines Buches.

 

 

6. Teil: Die dritte Nacht in den Gassen Venedigs

Missmutig hockten wir bei Morgengrauen an der ‚Colazione‘. Die Bissen wollten uns im Halse stecken bleiben, wenn wir daran dachten, dass der Mörder erneut zugeschlagen haben könnte. Der Stuhl für den Tenente blieb nur kurze Zeit unbesetzt.

Mit bleicher Miene nahm er Platz und griff fahrig und zittrig nach dem frisch gerösteten Brot, welches Giovanni mit Gurkenscheiben, Tomate und Mozzarella belegt hatte. Dazu schlürfte er unseren Tee, das mit herben Kräutern versetzt war. Die Trauer und Verzweiflung, welche er ausstrahlte, ließ keinen Zweifel daran, dass es wieder zum Desaster gekommen war. Als er Hunger und Durst gestillt hatte und wir ihn fragend anstarrten, stammelte er, nach Worten ringend:

»All unsere Mühe war umsonst. Fünfzig Männer in Zivil konnten den Mord nicht verhindern. Diesmal traf es ausgerechnet eine erprobte Boxerin, und der Täter ist uns auf geniale Weise entwischt, spurlos untergetaucht, wie vom Erdboden verschluckt. Er hat uns kein einziges Indiz hinterlassen, das unseren Ermittlungen dienlich wäre, obwohl es zwei Zeugen gelungen ist, ihn bei der Tat mit dem Smart Phone zu filmen. Ich bin am Rande des Irrsinns und weiß mir keinen Rat mehr.«

»Eine … eine echte Boxerin?«, rief ich verblüfft in die Runde, während Volpe die Hände zu ringen begann, als machte er sich Vorwürfe, eben diesen Anschlag nicht vorausgesehen und verhindert zu haben.

»Ja, ja, solch eine grässliche Athletin, so eine Emanze von heute, hat es erwischt«, murmelte sich der Tenente in den Stoppelbart hinein, wischte sich den Schweiß von der Stirn und sagte:

»Man sollte derart rohen Sport untersagen. Das ist doch nichts für Frauen! Wir bewundern inzwischen ja sogar schon die Catcherinnen, wenn sie sich gegenseitig in die Pfanne hauen. Aber lasst mich alles der Reihe nach berichten!

Meine Leute patrouillierten durch die Gassen der ominösen Gegend, mit dem Einbruch der Dämmerung beginnend, und nichts geschah, rein gar nichts. Die Zeit rann in unerträglich quälender Langeweile vorüber. Schon war Mitternacht gekommen, und schon war Mitternacht vorüber, als ich aufatmete, als ich tief durchatmete. Gewiss hatte der Verbrecher bemerkt, dass heute ungewöhnlich viele Männer unterwegs waren und seine Tat verschoben, um uns nicht in die Falle zu gehen.

Ich kam schließlich an einem kleinen Behelfs-Theater vorüber, einer Bretterbude, die ein wandernder Trupp an der Rückseite der ‚Cá d‘ Oro‘ errichtet hatte. Müde hockte ich mich in die hinterste Reihe. Vor mir saß der Pöbel und genoss einen Boxkampf. Die Männer johlten, die Weiber kreischten.

Zwei Frauen maßen ihre Kräfte, umeinander tänzelnd. Sie steckten im aus leinenen Dreieckchen bestehenden Höschen und einem festen Sport-BH, den Körper mit schimmerndem Öl eingerieben. Ihre Handschuhe waren inwendig mit jeder Menge Federn gepolstert, wie das beim Damenboxen so üblich ist, denn niemand will, dass sie sich die Gesichter verunstalten.

Die eine war eine Schwarze, groß und weibisch gestaltet, mit überbordendem Gesäß, welches aufgrund seiner wogenden Masse aus dem Höslein heraus quoll. Sie trug einen leuchtend weißen Zweiteiler. Die andere war eine Weiße, ebenfalls mit üppiger Figur, wenn auch etwas schlanker. Sie hatte ein pechschwarzes Sportskostüm an. Beide waren vor Muskeln strotzend, und der Kampf, dem ich nun aus purer Langeweile folgte, wogte eine Zeitlang unentschieden hin und her.

Doch mit der Zeit, vom Sprechchor der geilen Kerle und ihren rhythmischen Schreien »Afrika – Afrika« angefeuert, gewann die Schwarze allmählich die Oberhand und geriet auf die Siegerstraße, während die Gegenwehr der Weißen abebbte:

Schließlich landete sie eine Serie von Treffern an Kinn und Brust der Gegnerin, welche daraufhin schwankte und wankte und dann rücklings zu Boden ging, mit dem Hinterkopf auf den Brettern aufschlug, alle Viere von sich streckte und breitbeinig liegen blieb, die Augen scheußlich verdreht.

Enthusiastischer Beifall brandete auf. Die Siegerin tänzelte hin und her. Zwei Mitarbeiter des Unternehmens schlenderten herein und schütteten der Unterlegenen einen Eimer kalten Wassers ins Gesicht, aber sie wollte und wollte nicht mehr zu sich kommen. Da schleppten sie die Bewusstlose durch den linken Eingang hinaus.

Sie ist übrigens, wie ich vorhin erfuhr, kurz nach dem grausigen Geschehen, das ich gleich schildern werde, ihren inneren Verletzungen erlegen. Es sei nur eine Nutte gewesen, sagte der Bretterbudenbesitzer, und nicht schade um sie. Ich bin da zwar anderer Meinung, aber …

Ja, und die Siegerin, die fette Schwarze, ließ sich nun mit weit ausgebreiteten Armen feiern, doch da geschah es: Noch während die Leute ihr zujubelten, betrat ein hoch aufgeschossener Schauspieler die Bretter. Er war in einen bodenlangen pechschwarzen Talar gehüllt und verbarg den Kopf in einer rundum geschlossenen Kapuze. Gemessenen Schrittes nähert er sich der Jubelschreie ausstoßenden Frau, während derer sie die Fäuste triumphierend in Venedigs finsteren Himmel stieß.

Die Zuschauer, darunter auch ich, hielten das für den Einfall der Regie und warteten gespannt, was nun kommen würde, während sich die große schwarze Gestalt hinterrücks der Boxerin näherte, ohne dass diese sich nach ihr umdrehte und aufhörte, weiter ins Publikum zu winken.

Jetzt hatte der Vermummte sie erreicht und legte ihr sanft die linke Hand auf die bloße linke Schulter. Es war, wie es schien, eine Knochenhand. Erstaunt drehte die Schwarze den Kopf zur Seite, um zu sehen, wer da in ihrem Rücken stand. In diesem Augenblick ließ der Eindringling die zugeschnürte Kapuze fallen. Ein Aufkreischen schrillte durch das Dunkel der Zuschauerränge, auf das eine bedrückende Stille folgte.

Auch die Afrikanerin stieß einen Schrei aus. Sie blickte nämlich in das bleiche Gesicht eines Totenschädels. Kraftlos und von unerhörtem Grauen geschüttelt fielen die Arme herunter, während ihr das Gespenst den linken Arm von hinten über die Brust legte und sie fest an sich presste. Aus dem Flatter-Ärmel ragte eine Knochenhand hervor.

Mit der Rechten nahm der Unheimliche nun ein Messer hervor, ein Bowie Knife, und säbelte der wie gelähmt Dastehenden die Kehle durch. Sie hatte gerade noch genügend Zeit, ein Wenig zu röcheln, und schon vernahm ich das knirschende Geräusch, als er ihr die widerspenstischen Ringe der Gurgel durchtrennte.

Nachdem der Mörder sie umgebracht hatte, wischte er die Klinge an ihrem Büstenhalter ab. Für einen kurzen Augenblick hielt er sie noch aufrecht im Arm. Alle konnten sehen, wie ihr das Blut im Bogen aus dem Spalt heraus zischte. Dann ließ er sie zu Boden sinken, wo sie, auf dem Rücken liegend, kurz darauf im Blute schwamm. Bevor der Schurke untertauchte, schob er ihr das Messer unter den BH und schnitt ihn mit einem Ruck entzwei, inzwischen so etwas wie sein Markenzeichen. Dann steckte er die Waffe weg. Schon war er durch die mittlere Tür der Bühne den Blicken der Zuschauer entschwunden.

Ich riss die Pistole aus dem Halfter und rannte wie besessen den Mittelgang hinunter und dann über die Treppe zur Bühne hinauf, während im Theater wüstes Schreien und wildes Durcheinander los brachen. Nur wenige drängten sich zum Ausgang. Fast alle blieben da. Etliche stürmten sogar hinauf und starrten auf die Leiche. Die meisten blieben aber auf ihren Sitzen hocken, um den Ausgang des Dramas zu erleben, denn sie begriffen immer noch nicht, dass dies kein Theater mehr war.

Oben angekommen, rannte ich durch die linke der drei Türen ins aus rohen Brettern gefügt Bühnengebäude hinein und hindurch zum Hintereingang. Dort fragte ich die sich faul herum lümmelnden Schauspieler, die auf ihren Einsatz warteten, ob sie etwas gesehen hätten, aber sie konnten mir nicht weiterhelfen. Getrieben von der Annahme, der Mörder müsse sich noch im Gebäude versteckt halten, durchsuchte ich die einzelnen Zimmer und machte im Umkleideraum eine grausige Entdeckung:

An einem Haken hing der schwarze Talar des Mörders. Er war blutbesudelt. Auf den beiden Schemeln darunter lagen schwarze Handschuhe, auf die aus weißem Stoff so etwas wie die Knochen einer Hand aufgenäht war. Daneben fand ich eine Theatermaske, den bleichen Tod darstellend.

Wie mir der Inhaber der Bude mitteilte, handelte es sich um Requisiten seines kleinen Unternehmens. Wer sie sich für diesen Auftritt angeeignet hatte, wusste er nicht zu sagen, denn seine Anlage sei für jedermann offen. Er beschäftige übrigens nur Laienschauspieler.

Wiederum eilte ich zu den rauchenden Männern am Hintereingang. Aber sie waren viel zu betrunken, um Genaueres schildern zu können. Einer lallte, mehrere Personen hätten das Theater auf diesem Wege verlassen, vielleicht aber auch keiner.«

Ambrosio schwieg nun und schüttelte sich vor verspätetem Grauen. Volpe rieb sich die Hände. Er kicherte verhalten. Dann murmelte er, die Fingerspitzen aufeinander legend:

»Ein intelligentes Bürschlein, dieser Würger von Venedig! Er hat sich da ein tolles Plänchen einfallen lassen und vor der Nase des Tenente di Fusco einen netten kleinen Mord inszeniert, um ihm dann auch noch zu entwischen. Mein lieber Doktor, auf welche Art und Weise ist er wohl verduftet?«

»Er ist durch das Hintertürchen gerannt, und als Ambrosio kam, war er schon weg. Er hatte genügend Vorsprung, um ihm zu entwischen und kennt bekanntlich alle Schliche und Gassen in dieser Region Venedigs bestens«, sagte ich.

»Wie auch sonst soll’s gewesen sein?«, murmelte Ambrosio.

»Oh, du mein Gott, welch ein Begriffsstutzigkeit! Seid ihr denn all eurer kleinen grauen Zellen verlustig gegangen?«, rief Volpe in komischer Verzweiflung.

»Jeder denkt, solch ein Mörder machte sich in aller Heimlichkeit aus dem Staub. Aber wenn man unserem Doktor glauben darf, will er seinen Triumph doch genießen und wird von Mal zu Mal kühner und verschlagener. Ferner bezieht er das mögliche Vorgehen seiner Verfolger stets mit ein ins Kalkül. Lieber Sergiu, wage, dich deines Verstandes zu bedienen und sage uns, was du an seiner Stelle getan hättest!«

Ich dachte einen Moment lang nach. Dann rief ich, von einer plötzlichen Erleuchtung durchdrungen:

»Gut, ich spreche jetzt für den Mörder. Hört zu: